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DIE
HEILSLEHRE DES BUDDHA
ANMERKUNGEN
[1] Buddha ist kein Name, sondern ein Titel und bedeutet der
Erwachte. Dementsprechend heißt es: der Buddha, nicht nur Buddha. Weitere Titel
sind: der Vollkommene, der Vollendete, der Tathāgata, der Erhabene.
Der Buddha war ein Mensch, er ist kein Gott. Seines überragenden Menschtums
wegen, ist er im Laufe der Zeit und von den stets mehr zum Glauben als zum
denkenden Erkennen neigenden Volksmassen vergöttlicht worden. Ein Vorgang, der
dem Volksempfinden entspricht und diesen Verlauf der Vergöttlichung wohl immer
nimmt. Wo Gefühl und Glauben das schwer Faßbare zu erfassen suchen, kommt es im
Laufe der Zeit und beim einfachen Volke immer zur Mythenbildung und allen
überweltlichen Beilegungen.
[2] Nach P. Dahlke „Neu-Buddh.-Zeitschrift", Frühjahr 1921,
setzen die Buddhisten Ceylons das Geburtsjahr des Buddha auf das Jahr 624 vor
unserer Zeitrechnung an. Sein Todesjahr um 80 Jahre später auf das Jahr 544. Von
diesem, also vom Parinibbana an, geht die buddhistische Zeitrechnung. 1956 ist
das Jahr 2500 der buddhistischen Ära.
Nach den Forschungen der Indologen ist die Geburt des Buddha zwischen 540-480
gewesen.
[3] Da es bei dieser Darstellung allein um den Buddha als den
Gründer einer Heilslehre geht, muß zur Geburt und Herkunft des geschichtlichen
Buddha auf andere Werke verwiesen werden.
[4] Als Merkmale eines vollkommenen Menschen gelten unter
anderem: Wohlgefügte Füße, unter den Fußsohlen kreisrunde Abzeichen, lang
gezogene Fersen, lange Finger und Zehen, zarte und feingeformte Hände und Füße,
schlanke Unterschenkel, lange Arme, feinporige Haut, aufrechter, starker und
kräftiger Körperbau, breit ausladende Brust, ebenmäßig gebauter Körper,
feinfühliges Nervensystem, gleichmäßige, weiße, gut geformte Zähne, gute Stimme
. . . (Aus P. Dahlke, "Lange Slg." Anm. S. 287.)
[5] Ausführlicher bei H. Beckh „Buddhismus" und in anderen
Werken.
[6] Alter, Krankheit und Tod werden als Götterboten
bezeichnet, da ihr Erleben dazu angetan ist, zur Abkehr von den Sinnenlüsten und
zur Einkehr zu führen.
Daß diese Übel da sind, ist der Grund, warum die Buddhas in der Welt
erscheinen. Weil Alter, Krankheit und Tod heute und in alle Zukunft hinein da
sind, geht es nicht an, die Heilslehre des Buddha als überholt anzusehen, nur
weil ihr Ursprung 2500 Jahre zurück liegt. Die Behauptung, daß die Heilslehre
des Buddha überholt sei, ist ebenso wenig richtig wie die Behauptung, daß Alter,
Krankheit und Tod überholt seien. Alter, Krankheit und Tod sind immer da, jedoch
nicht verwirklicht von den meisten Menschen ist das Erleben der Wirklichkeit,
die in der Heilslehre des Buddha als die kleine Welt des Bewußtseins und die
große Welt des Unbewußten und Überbewußten begriffen ist. Nur das Erleben aller
Gegebenheiten als vergänglich, leidvoll, nichtselbst, führt jene Wende herbei,
die der Anfang eines neuen Weges ist, des Weges der Buddhalehre. In der
Vertiefung wird das „große Erleben" methodisch geübt. Ohne Leiderleben keine
Um-, Ein- und Abkehr.
Im Abendland wird der Abschnitt des Erlebens von Alter, Krankheit und Tod im
Leben des Buddha mehr als Legende dargestellt, obwohl sich die Lehre jedes
Heiligen auf mehr oder weniger ähnlichen Leiderlebnissen aufbaut.
Nicht so im Osten; seinen Menschen ist das Bewußtsein von der lebendigen
Wirkung des Lebens auf die innere Gestaltung wesentlich. Und so ist auch gerade
diese Episode im Leben des Buddha nicht nur von dem späteren Buddha selbst oft
erwähnt, sondern auch vom Volke in den glühendsten Farben dargestellt worden.
Mit dem Erlebnis des Lebensdramas als Alter, Krankheit und Tod ist einzusetzen,
wenn der Buddha und seine Heilslehre richtig verstanden werden soll.
[7] Unter Bodhisatta ist ein Buddhaanwärter zu verstehen. Zum
Bodhisatta wird jeder Mensch, der durch ständige Selbstverleugnung, die bis zur
Aufgabe seines Lebens für andere geht, bemüht ist, allen Wesen fort und fort
Gutes zu tun und am Wohlergehen aller Wesen zu arbeiten.
So gibt es also viele Bodhisatta. Das Bodhisattaproblem ist im nördlichen
oder Mahayanabuddhismus weitgehend ausgebaut. Eingehender behandelt von H. v.
Glasenapp „Die Religionen Indiens", S. 255, ff., Kröner-Verlag 1943.
Vgl. auch T. W. Rhys Davids "Der Buddhismus". S. 207 ff.
Die "Jātakas", die "Vorgeburtsgeschichten", behandeln diese Vorleben des
Buddha. Übersetzt von J. Dutoit.
[8] Diese, wie auch die meisten anderen Lehrreden sind
auszugsweise wiedergegeben.
[9] Der Gang von Hause fort in die Hauslosigkeit (Pabbajja)
war damals wie heute noch der erste Schritt auf dem Heilspfad. Vgl. auch den
Bericht über die Pabbajja von vier deutschen Buddhisten in Teil III.
[10] Sāriputta und Moggallāna, das bedeutendste Jüngerpaar.
[12] Die Körperhaltung bei der Meditation ist der Sitz mit
untergeschlagenen Beinen. Das Gesicht nach Osten. Der Körper ist gerade
aufgerichtet. Der linke Fuß auf dem rechten Schenkel und der rechte Fuß auf dem
linken Schenkel, gekreuzt. Eine Haltung, die dem Europäer kaum noch möglich ist.
Dem Europäer wird angeraten, das linke Bein nahe an den Körper heranzuziehen und
den rechten Fuß auf die linke Wade zu legen.
Frauen nehmen den Buddhasitz nicht ein, sondern knien und sitzen dabei auf
den Fersen.
Die Atmung bei der Meditation ist mühelos ruhig. Der Ort muß von jedem
Geräusch frei sein. (s. a. Anm. 47 und 52.) Die liegende Stellung des Buddha ist
die Lage auf der rechten Seite, ein Fuß über dem andern, mit dem Kopf nach
Norden.
[13] Der Bodhibaum, eine Abart des Feigenbaumes, wird in
allen buddhistischen Ländern verehrt. Der Bodhibaum in Anurādhapura auf Ceylon
ist ein Ableger jenes Baumes, unter dem die Erwachung stattfand. Er ist der
älteste historische Baum der Erde.
Die Vollmondnacht fiel in den Monatsanfang des Mai. Der Vollmondtag im
April/Mai ist seither der bedeutendste buddhistische Feiertag. Die buddhistische
Welt feiert an diesem Vollmondtag die Geburt des Buddha, den Gang in die
Heimatlosigkeit, die Erwachung und das Verlöschen, das Parinibbāna. Auf den
Vollmondtag im April/Mai fällt für die Buddhisten auch der Jahreswechsel. So wie
die Mönche allabendlich Gemeinschaftsdenken in Güte und Wohlwollen pflegen (s.
a. a. O.), wird an diesem Tag zu einer festgesetzten Stunde von allen Buddhisten
der Welt „metta" geübt.
[14] Soweit Legende und Mythos in diese rein erkenntnismäßig
aufgebaute Heilslehre eingeflochten sind, wie bei der Mahayana- und
Vajrayanarichtung, entspricht diese bildhafte Darstellung dem Volksempfinden,
das hohe Ideen seinem fühlenden Erkennen anpasst. Eine Anpassung und damit auch
Abspaltung, die jeder Religion im Laufe der Zeit widerfährt.
[15] Das erwähnte Isipatana, der Ort der ersten Rede, jetzt
Sarnath bei Benares.
Schale und Almosenschale: Die Almosenschale, eine kugelige Schüssel,
begleitet den Mönch auf allen seinen Wanderungen. Er trägt dieselbe im Arm,
verdeckt vom Gewand. Bei weiteren Wegen trägt er die Almosenschale in einem
Gehänge auf seiner Schulter. Die Almosenschale ist einer der sieben
Bedarfsgegenstände des Mönchs. Soweit der Mönch einer Einladung folgt wird ihm
das Essen in die Schüssel getan oder auf den Teller gegeben, da er sich nichts
nehmen darf. Beim Almosengang verhält sich der Mönch stillschweigend, bittet und
dankt nicht, sondern der Geber bittet um Annahme der Spende und dankt für die
Bereitwilligkeit der Annahme—ein für den Europäer gewiß seltsames Verhalten.
Aber in dem Leben der Entsagung ist der Mönch das lebendige Vorbild, und in
seiner allabendlichen Paritta (s. weiter unten) spendet der Mönch seinen Segen
allen Wesen. So ist es verständlich, daß man diesem Verwirklicher der Entsagung
und der Güte spenden zu dürfen bittet.
„Den Sitz herrichten" bedeutet dem an Ordensjahren Älteren oder würdigeren
Mönch einen höheren Sitz einräumen oder bereiten. Damit wird auch rein äußerlich
dem älteren oder würdigeren Mönch die Achtung bezeugt, die ihm zukommt. Die
Anrede ist Bhante (Herr).
Die Fußwaschung, eine Notwendigkeit für den barfuss gehenden Mönch, dürfte
auch eine Symbolhandlung sein, womit die Achtung vor dem Niederen, dem „Unteren"
ausgedrückt wird, denn sie ist eine bei allen Heiligen betont geübte Handlung.
Beachtenswert ist der stets seitliche Sitz bei allen Unterredungen und
Belehrungen. Im Gegensatz zum Abendland, wo die Gegenüberstellung mit möglichst
scharfer Fixierung Brauch ist.
„Das Ansehen ist bei der indischen Konversation nicht beliebt", sagt Dahlke.
[16] Die erste edle Wahrheit vom Leiden erscheint oft in der
Fassung "Geburt ist Leiden—" bzw. "Geburt ist leidvoll".
Dazu bemerkt H. v. Glasenapp („Die Weisheit des Buddha"): "Zu der Fassung der
ersten Wahrheit sei noch bemerkt, daß sie in verschiedenen, ein wenig
abweichenden Versionen vorliegt. Während nämlich im Palitext (Mahavagga I, 6, 19
ff, Samyutta 56, Il) das Wort dukkha als Adjektiv gebraucht wird, so daß
zu übersetzen ist "Geburt ist leidvoll" usw., erscheint es im Sanskrittext z.B.
im Lalitavistara als ein Substantivum neutrius generis, so daß dann die
Übertragung "Geburt ist Leiden" am Platze ist."
[17] Das Ziel allen Strebens, das Freisein vom Leiden, ist
Nibbana (Sanskrit—Nirvana). Nibbāna kann also schon bei Lebzeiten erreicht
werden. Mit dem Tode geht der Buddha in das Parinibbāna ein. Das ist das
Erlöschen ohne Wiederkehr. (s. a. Anm. 70).
Kusinara, der Ort der Verbrennung, soll das heutige Kasia sein. H. Pischel
berichtet darüber in „Leben und Lehre des Buddha":
„Der Leichnam wurde mit allen Ehren verbrannt, wie man sie einem
Weltherrscher zu erweisen pflegt. Die Überreste wurden verteilt. Einen Teil
erhielten auch die Sakyas von Kapilavatthu, die darüber einen Stupa
(Reliquienhügel) errichteten. Dieser ist 1898 von W. E. Heppe bei Piprava im
Tarai gefunden und geöffnet worden.
Er zeichnete sich vor den anderen dort befindlichen Stupas durch seinen
Umfang und seine auffallende Gestalt aus. Zehn Fuß von der Spitze entfernt fand
sich eine kleine zerbrochene Steatiturne, die voll Lehm war, in dem Kügelchen,
Kristalle, Goldschmuck, geschnittene Sterne und dgl. eingebettet waren. Von dem
Standort der Urne zog sich in die Tiefe hinab ein kreisrunder Schacht, der mit
Lehm angefüllt und von Mauerwerk umschlossen war. Nachdem man 18 Fuß durch
dieses feste Mauerwerk gegraben hatte, stieß man auf eine riesige Steinplatte,
die sich bei weiterer Ausgrabung als der Deckel eines massiven Sandsteinkastens
erwies. Der Deckel war durch den Druck des Mauerwerks in vier Teile zerbrochen,
der Kasten aber trotzdem völlig geschlossen, da die Stücke durch die Art der
Befestigung des Deckels fest zusammenhielten. Sie konnten ohne Beschädigung des
Inhalts des Kastens entfernt werden. Der Kasten selbst war aus hartem, feinem
Sandstein von hervorragender Güte und mit gewaltiger Arbeit und großen Kosten
aus einem massiven Felsblock ausgehöhlt, der von weit her hingeschafft worden
sein muß, da sich in der Nähe ähnliches Gestein nicht findet. Im Innern des
Kastens stand eine Steatiturne, die in alter Brahmaschrift und in
Magadhi-Sprache die Inschrift zeigte: „Dieser Behälter der Reliquien des
erhabenen Buddha aus dem Geschlecht der Sakhyas ist die fromme Stiftung der
Brüder samt den Schwestern mit Kindern und Frauen." Unmittelbar rechts von
dieser Urne stand eine prachtvolle Kristallbüchse, zu der ein Deckel gehörte,
der hohl und mit gekörnten Sternen aus Blattgold angefüllt war. Der Griff des
Deckels hat die Gestalt eines Fisches. Links von der Urne stand eine Vase, vor
beiden ein flaches, korbartiges Kästchen mit Deckel und links von der Vase eine
zweite Steatiturne, die größer als die erste ist, aber keine Inschrift hat. Alle
diese Gefäße waren zur Hälfte angefüllt mit Zierraten aus Gold, Silber,
Edelsteinen Kristall, die die verschiedensten Formen aufweisen, wie Sterne
Blumen, Figuren von Männern, Frauen, Vögeln, Elefanten und dgl., Stücken aus
Blattgold, in die die Figur eines Löwen und das Zeichen des Svastika eingeprägt
war, das auf anderen Stücken auch allein steht.
Fachmännische Untersuchung hat gezeigt, daß der Stupa von Piprava vor 1898
nie geöffnet worden ist, so daß an der Echtheit der Reliquien des Buddha nicht
gezweifelt werden kann.
Zieht man noch die im vorigen (Anm. 2) erwähnte Entdeckung der Geburtsstätte
des Buddha in Betracht, so geben diese auf gefundenen Stätten neben anderen
Hinweisen genügend Beweise für den historischen Buddha.
[18] Die „Heilslehre des Buddha" fußt auf dem ursprünglichen
Buddhawort, das im südlichen Buddhismus noch heute rein erhalten ist. Neben
diesem „südlichen" Buddhismus gibt es noch den „nördlichen" Buddhismus und die
aus diesem hervorgegangene "Vajrayanalehre".
Der „südliche Buddhismus", „Theravada", d.i. „die Lehre der Älteren", auch „Hinayanalehre"
oder das „Kleine Fahrzeug" genannt, ist heute von vielen Forschern als die
ursprüngliche Buddhalehre anerkannt.
Vom „nördlichen Buddhismus", auch „Großes Fahrzeug" und „Mahayanalehre"
genannt, und von der „Vajrayanalehre", „Diamantfahrzeug" genannt, sagt H. von
Glasenapp in „Die Religionen Indiens", S. 221: „Aus der ältesten Gemeinde ist
das „Kleine Fahrzeug" (Theravada), aus diesem das „Große Fahrzeug", aus diesem
das „Diamant-Fahrzeug" hervorgegangen".
Die ursprüngliche Buddhalehre ist rein erkenntnismäßig aufgebaut und frei von
Riten, Zeremonien und Symbolen. Diese ursprüngliche Lehre ist heute noch
lebendig in Ceylon, Burma, Siam und Kambodscha. Die Mahayana- und Vajrayanalehre
ist in Tibet, China und Japan vertreten. Neben den, für den Außenstehenden, kaum
erkennbaren Unterschieden zur ursprünglichen Lehre (Atta—Anatta), finden sich in
der Mahayana- und mehr noch in der Vajrayanalehre mythologische und
glaubensmäßige Auffassungen, voll mit Riten, Zeremonien und Symbolen, und Resten
primitivster Naturreligionen, voll Geisterglauben und Magie. (s. a. David Neel—„Hexer
und Heilige".) Abwegige Auffassungen, deren Gemeinsamkeit mit der ursprünglichen
Buddhalehre hauptsächlich die Buddhaverehrung und die Zufluchtsformel ist. Diese
Richtungen faßten ihres sensationellen Gehaltes wegen im Abendland zuerst Fuß,
und noch heute ist die abendländische Literatur davon erfüllt und nimmt für
Buddhawort und -Lehre, was nichts mit den hohen ethischen und philosophischen
Lehren des ursprünglichen Buddhismus zu tun hat.
Der Buddha hat nichts Schriftliches hinterlassen. Seine Reden und Aussprüche
sind mündlich überliefert und bei späteren Konzilien in den drei Pitakas oder
Sammlungen zusammengefaßt worden:
- Das Vinaya-Pitaka, die Sammlung der Satzungen.
- Das Sutta-Pitaka, die Sammlung der Lehrreden.
- Das Abhidhamma-Pitaka, die philosophische Sammlung.
Die Texte sind auf Palmblätter geritzt; die des „Theravada" in Pali, die des
„Großen Fahrzeuges" in Sanskrit. Deshalb spricht man auch von einem „Palikanon"
und einem „Sanskritkanon".
Pali und Sanskrit sind verwandte Sprachen. Einige Begriffe mögen die
Ähnlichkeit aufzeigen, da in der Literatur beide Sprachen verwendet werden:
Pali: Kamma, Dhamma, Nibbāna, Sankhara
Sanskrit: Karma, Dharma, Nirwana, Sanskara.
In der Darstellung des werdenden Buddha im mahayanistischen, mythologischen
Lalitavistara, (s. H. Beckh—„Buddhismus" Bd. I), die im Sanskrit vorliegt, und
der Darstellung des scheidenden Buddha in der einfachen, klaren Sprache des Pali
im Mahaparinibbanasutta (s. K. E. Neumann „Die letzten Tage Gotamo Buddhos")
treten auch rein äußerlich die Unterschiede dieser beiden Richtungen hervor. (s.
a. P. Dahlke—„Über den Palikanon".)
Das Sutta-Pitaka, die Sammlung der Lehrreden, ist die weitaus wichtigste
Sammlung. Davon sind zur Einführung und zum Studium in erster Linie bedeutsam:
„Die mittlere Sammlung", „Die lange Sammlung", das „Einer-bis-Elferbuch", und
die „Sammlung verwandter Lehrreden". Über die einzelnen Teile des Sutta Pitaka
siehe das Literaturverzeichnis.
Der Buddha trug seine Lehre in klarer und einfacher Rede vor, die er dem
Fassungs- und Aufnahmevermögen seiner Hörer anpaßte. Da der Buddha zu einer Zeit
lebte und lehrte, in der Religion und Philosophie in Blüte standen, richtete
sich sein Vortrag in erster Linie an eine Zuhörerschaft, die an klarste
Darstellungen und Formulierungen gewöhnt war. Sein an Vergleichen reicher
Vortrag machte auch schwierige Probleme verständlich. Kein Religionskünder hatte
eine so klare, bildhafte ebenso wie dem erkenntnismäßigen Denken zugängliche Art
des Lehrens wie der Buddha. Alle weltanschaulichen Probleme sind hier in eine
solche Form gebracht und nicht nur behandelt, sondern in dem gesteckten Rahmen
auch gelöst worden, daß diese Darstellung auch den Außenstehenden und
Andersgläubigen Bewunderung und Achtung abnötigt.
Es wäre falsch, die Heilslehre des Buddha als eine Moral- und Glaubenslehre,
eine reine Philosophie oder eine in Anlehnung an andere Systeme entstandene
Lehre oder gar als Materialismus anzusehen. Der Buddha hat immer wieder zwei
Geisteshaltungen als unrichtig hingestellt: die des Glaubens und die des
Intellektwissens. Er hat einen darüber liegenden Weg gezeigt, nämlich den des
eigenen Erlebens. Trotz vieler gleicher zeitgenössischer Begriffe ist er zu
anderen Wegen und Zielen gekommen, die er in einem neuen System zusammenfaßte.
Da „Materialismus die rein materielle, ungeistige, nur auf äußere Glücksgüter
bedachte Lebensanschauung ist", so ist diese Annahme die törichtste von allen,
da der Buddha nicht das Festhalten am Dasein, sondern das Aufgeben, Loslassen,
Entsagen von allen Bindungen lehrt.
Zu betonen ist noch, daß der Buddha und seine Lehre nur eine vermittelnde
Rolle einnehmen. Bei aller Achtung und Ehrerbietung, die der Lehre von jedem
Anhänger entgegengebracht werden, gilt sie „nur als ein Floß zum Übersetzen,
nicht zum Festhalten".
Der Wirklichkeit des Lebens zugewandt und vom Glauben ebenso frei wie von
vielem Wissen steht die Lehre der Mitte einzig und erhaben vor dem Betrachter:
„Am Anfang vollkommen, in der Mitte vollkommen, und am Ende vollkommen",
nur von dem handelnd, worauf es der sich immer nach Glück sehnenden
Menschheit allein ankommt: Freisein vom Leiden.
[19] Der Entschluss, „nicht zu töten", hat bei vielen
Laienanhängern zur Enthaltung vom Fleischgenuß geführt. Der Mönch jedoch ißt
unterschiedslos das ihm Dargebotene, auch wenn es Fleisch enthält. Er darf
jedoch nicht durch den Wunsch nach Fleisch die Veranlassung zur Tötung eines
Tieres geben. Die Ehrfurcht vor dem Leben ist das oberste Gebot der Ethik. Ethik
ist ins Grenzenlose erweiterte Verantwortung gegen alles, was lebt" (A.
Schweitzer), gilt in der Buddhalehre ohne jeden Vorbehalt.
[20] A. David Neel „Vom Leiden zur Erlösung". Nach dem
Gedächtnis zitiert.
Mara, der Niederschlag des Schlechten im Menschen, wird entsprechend dem
Volksempfinden stets personifiziert dargestellt.
So wird auch die Hölle—dem Volksempfinden, d. h. dem fühlenden Erkennen
entsprechend—in schrecklichen Farben ausgemalt, wenn es sich um volkstümliche
bzw. an das Volk gerichtete Darstellungen handelt. Von den karmischen
Bildekräften aber, den Sankhara, wird gesprochen, wenn es sich um einen
entsprechend anderen Hörerkreis handelt, wie auch „Mara" für den Mönch die Welt
schlechthin ist. Daß Hölle und Himmel keine Ausgeburt krankhafter Phantasie,
sondern im Menschen tatsächlich vorhanden sind, künden auch die Mystiker.
- „Die Hölle ist ein innerer Zustand,
- und wer sie in sich hat,
- nimmt sie mit an jeden Ort." (Meister Ekkehart.)
Und Angelus Silesius sagt:
„Halt an, wo läufst du hin? Der Himmel ist in dir; suchst du ihn anderswo, du
fehlst ihn für und für".
Auch die Tiefenpsychologie beweist heute, daß Hölle und Himmel Zustände des
Inneren sind. Vgl. dazu „Das Tibetanische Totenbuch". Übersetzt von Evans Wentz
mit der Einführung von C. G. Jung. Ferner H. Beckh „Buddhismus", Bd. II und C. G
Jung in seinen Werken.
[21] Erwähnt seien auch die Aussprüche P. Dahlkes: „Mögen
die Menschen auch mit allem, was sie sagen, in Zweifel, Streit und Widerspruch
sein: Ein Satz steht unabänderlich fest jenseits von Zweifel, Streit und
Widerspruch: Gutsein ist besser als Schlechtsein".
[22] Die Karmalehre (Pali Kammalehre) ist der wichtigste
Einsatzpunkt zum Verständnis der Daseinszusammenhänge und der Lehre des Buddha.
Im Christentum in die bekannten Worte gefaßt: „Was der Mensch säet, das wird er
ernten", ist sie im Buddhismus weitgehend ausgebaut. C. G. Jung spricht vom
„Karma als einer Art psychischer Vererbungslehre, die auf der Überzeitlichkeit
der ,Seele' (Unbewußtes) basiert." (C. G. Jung, Vorwort zum Tibetanischen
Totenbuch.) Gleich der Lehre von der Wiedergeburt ist sie dem Buddhisten des
Ostens so in Fleisch und Blut übergegangen, daß alle christlichen
Bekehrungsversuche an ihm spurlos vorübergegangen sind. Sie hat ihn zu jener
inneren und äußeren Ruhe geführt, die uns Abendländern noch fehle. Das "Karma"
des Buddhisten ist nicht zu verwechseln mit dem Kismet des Mohammedaners. Es
gründet sich auf die Anerkennung der Willensfreiheit, während die
Kismetauffassung Fatalismus ist. Der deutsche "Schicksalsbegriff" deckt sich
nicht mit dem Karmabegriff des Buddha. Unser "Schicksal" wird eine höhere, außen
liegende Macht verstanden, während dem Buddhisten Karma nichts anderes als das
Gesetz des eigenen Wirkens ist.
"Diese Ich-Kraft, diese Zünd-Kraft, die das Lebensmaterial be-icht,
entzündet, heißt ganz allgemein Kamma (Wirken); sie heißt aber auch tanha
(Lebensdurst); sie heißt auch sankhara (triebhafte Bildekräfte) und sie
heiße auch vinnyana (bewußte Bildkraft)". (P.Dahlke.)
[23] Der große Königsberger Denker Kant drücke dasselbe von
anderen Gesichtspunkten ausgehend in seinem kategorischen Imperativ mit den
Worten aus: "Handele so, daß die Maxime deines Wollens jederzeit zugleich als
Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten kann."
[24] "Der Edle hält sich an Maß und Mitte. Warum dieser Weg
nicht begangen wird, das weiß ich: die Klugen gehen mit ihren Meinungen darüber
hinaus und die Törichten erreichen ihn nicht
Warum der Weg nicht erkannt wird, das weiß ich: die Tüchtigen gehen (in ihren
Handlungen) darüber hinaus und die Untüchtigen erreichen ihn nicht.
Unter den Menschen gibt es keinen, der nicht ißt und trinke, aber selten sind
die, die den Geschmack unterscheiden können." (Aus "Li Gi, das Buch der Sitte",
übersetzt von R. Wilhelm, Jena 1934, entnommen: "Weisheit des Buddha" von H. v.
Glasenapp.
"Das Barbarische liegt in der Einseitigkeit und im Maßlosen." (C. G. Jung,
"Psychologische Typen".)
[25] W. Bohn "Die Psychologie und Ethik des Buddhismus",
München 192I, über Sankhara s. Anm. 55.
[26] Von den falschen Taten werden zehn aufgezählt: Drei in
Werken: Mord, Diebstahl und unerlaubter Geschlechtsverkehr, vier in Worten:
Lüge, üble Nachrede, harte Worte, törichtes Geschwätz, drei in Gedanken:
Habsucht, Bosheit, falsche Ansicht.
- "Doch solange Haß und Liebe,
- Neid und Furcht auf Erden walten,
- werden sich der Menschheit Lose
- ähnlich oder gleich gestalten".
(Aus Weber: "Dreizehnlinden").
[27] "Die Unempfindlichkeit gegen Lob und Tadel ist nicht
Gleichgültigkeit, sondern das Ergebnis wirklichen Denkens. Der Mensch denkt
nicht wirklich, solange er gefühlsmäßig denkt." (P. Dahlke.)
[28] Der Sämann
- "Aus meiner Hand, die es nicht wußte, fielen
- des Hasses Samenkörner, zwei nur oder drei.
- Sie keimten und gediehen ... jetzt sind es Bäume
- mit dunklen Kronen und mit bösen Strünken.
- Mein Leben bring ich hin, sie abzubrechen
- Axt in der Hand und Tränen in den Augen.
- Und denken muß ich, daß die Körner fielen,
- nie werd' ich wissen, wann und wo und wie."
Gedicht aus dem Spanischen (Mexikanischen) des Enrique Gonzelez Martines.
Übertragung von P. Mayer. Entnommen der "Neuen Zeitung", Okt. 1946.
[29] Über die buddhistische Wiedergeburtslehre s. auch a. a.
O.
[30] "In jedem Menschen liegt das unklare, instinktive
Gefühl verborgen, daß der Tod nicht das Ende aller Dinge sein kann, sondern daß
irgendwie eine Fortdauer erfolgen muß. Auf welche Weise dies geschehen kann, ist
ihm jedoch nicht klar.
Es ist vielleicht zuzugeben, daß ein direkter Beweis für die Wiedergeburt
nicht gegeben werden kann. Wir haben jedoch authentische Berichte von Kindern,
in Burma und anderswo die manchmal in der Lage sind, (wahrscheinlich im Traum)
sich ziemlich genau an Vorfälle aus ihrem vorhergegangenen Leben zu erinnern.
Übrigens was wir im Traum sehen, sind meistens verzerrte Reflexe wirklicher
Dinge und wirklichen Geschehens, die in diesem oder in dem vorherigen Leben
erlebt wurden. Ohne die Annahme der Widergeburtslehre lassen sich auch schwer
solche Wunderkinder erklären, wie z. B. Bentham, der schon mit vier Jahren
Latein und Griechisch lesen und schreiben konnte, oder wie Stuart Mill, der
schon mit drei Jahren Griechisch lesen konnte und im Alter von sechs Jahren die
Geschichte Roms schrieb, oder wie Th. Babington Macaulay, der in seinem sechsten
Lebensjahr ein Kompendium der Weltgeschichte schrieb; oder wie Beethoven, der
mit sieben Jahren bereits öffentliche Konzerte gab; oder wie Mozart, der schon
vor seinem sechsten Lebensjahr musikalische Kompositionen schrieb; oder wie
Voltaire, der die Märchen von La Fontaine lesen konnte, als er drei Jahre alt
war. Sollten alle diese Wunderkinder und Genies, die zum größten Teil von
ungebildeten Eltern abstammten, nicht schon in ihrem früheren Leben die
Grundlagen zu ihren außerordentlichen Fähigkeiten geschaffen haben? "Natura non
facit saltus, Die Natur macht keine Sprünge!" (Nyanatiloka.)
In diesem Zusammenhang beachtenswert sind auch die spontan auftretenden
Fremdsprachen bei Sensitiven und Heiligen in ihren Schlaf- und
Verzückungszuständen. Dieselben sprechen plötzlich Sprachen, die sie weder
gehört, noch gelesen, noch jemals gelernt haben So berichtet Dr. Justinus Kerner
in seinem klassischen Buch "Die Seherin von Prevorst" von seiner in tausenden
Besuchen erforschten Frau Hauffe, daß dieselbe im halbwachen Zustand sich öfters
in einer Sprache äußerte, die einer orientalischen Sprache ähnlich schien.
Sprachkenner fanden in dieser Sprache auch wirklich hier und da den koptischen,
arabischen und hebräischen Worten ähnliche Worte." Die Seherin selbst, die auch
diese Sprache in seltsamen orientalischen Zeichen schrieb, behauptete von
derselben: "Daß es sich hier um keine Sprache des Kopfes, sondern um eine solche
handelt, die von der Herzgrube (Unterbewußten) ausgehe. Des weiteren erwähnt
Kerner den Fall einer armen Witwe namens Lücken, zu Arum, die auf der Folter in
Krämpfe verfiel und dann plötzlich hochdeutsch und in einer allen Anwesenden
fremden Sprache sich äußerte. Die Menschheitsgeschichte hat solche und ähnliche
Fälle zur Genüge aufzuweisen. Erwähnt werden möge noch aus der Gegenwart der
Fall der heute allen bekannten Therese Neumann von Konnersreuth, die in den
Zuständen der Entrückung Aramäisch und zwar in einem früher üblichen Dialekt
spricht. Wie bereits Albert de Rochas, Frankreich, haben auch Björkhem, Schweden
und Thorson, Dänemark, sowie Happich, Deutschland, ihre hypnotischen Experimente
soweit durchgeführt, daß ihre Versuchspersonen ihr Leben während der
Kinderjahre, also im dritten, zweiten und ersten, dann während der Austragung
und im vorangegangenen Leben schilderten. Die Versuchspersonen gaben Namen,
Adressen und Örtlichkeiten ihrer "früheren" Leben an. Die angestellten
Nachprüfungen erwiesen die Angaben als richtig.
Erwähnenswert sind auch die von M. Bircher-Benner in seinem Buch "Der
Menschenseele Not" angeführten Fälle. In Eritrea lebt der Negerstamm der Kunama,
die in ihren bis zur Besessenheit durchgeführten Tänzen plötzlich in einer noch
nicht erforschten Sprache sprechen. Auch der Ethnologe A. Bastian berichtet: "—daß
man es oft erfahren hat daß Leute, die bis dahin weder Talente noch
Rednerfertigkeiten gezeigt hatten, im Konvulsivischen Delirium plötzlich in
wohlgefügtem Zusammenhange sich über die wichtigsten Dinge ausließen und sich
auf das gründlichste über ihnen bis dahin ganz fremde Gegenstände, über die
verwickeltsten Fragen äußerten, in hyperbolischer und bilderreicher Sprache".
Die Möglichkeit zu eigener Erfahrung auf dem Gebiete der Widergeburtslehre liegt
in der Verwirklichung der Heilslehre des Buddha, da in den Versenkungen dieses
Vorher und Nachher der Leben selbst gesehen werden kann.
[31] Als schlechte Berufe gelten: Wucherer, Räuber,
Verbrecher, Henker, Kerkermeister, Jäger, Fleischer, Fischer, Viehhändler, Wild-
und Vogelsteller, Alkoholerzeuger und Alkoholhändler, Pfandleiher.
Aber auch jeder von diesen kann heilig werden, wenn er den falschen Beruf
aufgibt und den Weg zur Heiligkeit geht.
[32]
- "Ist einer Welt Besitz für dich zerronnen,
- sei nicht in Leid darüber—es ist nichts.
- Und hast du einer Welt Besitz für dich gewonnen,
- sei nicht erfreut darüber—es ist nichts.
- Vorüber gehn die Schmerzen und die Wonnen,
- geh an der Welt vorüber—es ist nichts."
Bekannter persischer Spruch.
[33] "Mangala Sutta" aus "Der Buddhismus" von Rhys Davids,
Reclam Verlag 1891.
[34] R. Pischel "Leben und Lehre des Buddha".
[35] Vielleicht würde das Gesicht der Menschheit anders
aussehen und ihr Weg weniger mit Blut und Tränen getränkt sein, wenn statt der
vielen, oft mühelos gesprochenen Gebete zu Gott das "völlig gleiche" aber Opfer
verlangende Gebot erfüllt worden wäre: "Güte zum Nächsten und zu allen Wesen".
Auf das in allen Religionen als notwendig geltende Gebet näher einzugehen,
ist hier nicht der Platz. Es sei nur erwähnt, daß die fortschreitende geistige
Entwicklung der Menschheit zum Nachteil des Unbewußten vor sich geht und daß
nichts so sehr dazu angetan ist, diesen Ausgleich wieder herzustellen, als das
"Gebet", buddhistisch gesagt: "Das Denken in Güte und Wohlvollen zu allen
Wesen".
Der Mensch von heute, der lenkenden Hand der Religionen entfremdet, hat das
Bewußtsein auf Kosten des Unbewußten entwickelt. Er ist damit ichhaft,
selbstisch, wirrfremd geworden und hat sich den Zugang zu den in ihm liegenden
Kräften und damit auch zur Gemeinschaft versperrt. Denn wie das Bewußtsein der
Ausdruck des Persönlichen, so ist das Unbewußte der Träger des Gemeinsamen, des
Wir.
Die Psychologie steht deshalb heute so hoch im Kurs, weil sie es als ihre
Aufgabe ansieht, den Zugang zu dem völlig verkrampften und versperrten
Unbewußten wieder herzustellen, ohne den sich der Mensch entwurzelt und
schließlich von der Gemeinschaft ausgeschlossen fühlt. Wie ja auch die
Gemeinschaft den Egozentrischen als Außenseiter fremd und feindlich ansieht und
ihn entsprechend ablehnend behandelt.
Gandhi nennt das Gebet "den Schlüssel für den Morgen, Mittag und Abend". In
der Buddhalehre ist das "Denken in Güte und Wohlwollen" dieser Schlüssel.
[36] "Wahrheit" ist hier im Sinne von Lehre zu verstehen.
[37] Aus der Zeitschrift "Buddhistische Welt", 3. Jahrgang,
Die bis zur Selbstaufopferung gehende Liebe zu allen Wesen behandeln die Jātakas, die Vorgeburtsgeschichten des Buddha. In jedem Menschen liegt die
Möglichkeit zur Buddhaschaft, wenn er die Arbeit an sich und die Güte zu allen
Wesen unermüdlich verwirklicht. Die Mahayanalehre stellt dieses Bodhisatta-ideal
der die Menschheit erlösenden Güte betont heraus.
[38] Soweit der Anhänger metta übt, "mag er seine
Gedanken zuerst auf eine beschränkte Anzahl von Personen richten, dann auf die
Bewohner einer Straße, dann einer Stadt, eines Landes, der ganzen Welt und
schließlich auf alle Wesen der niederen und höheren Daseinssphären."
(Nyanatiloka.)
[39] Vergl. auch Nyanaponika — "Die vier Weilungen" und die
Aufsätze des Verfassers "Meine Ceylonreise" und "Über die Güte", erschienen in
der "Indischen Welt".
[40] Der Selbstmord gilt als verwerflich, solange eine
Lebensverkettung vorliegt, und sie besteht gerade bei den Selbstmördern am
stärksten. Das Leben gilt als zu kostbar, um leichtsinnig oder gewaltsam
unterbrochen zu werden. Nach der Karmalehre knüpft jeder Selbstmörder wieder
dort sein Leben an unter ähnlichen Umständen, wo er es verlassen hat. Der Kampf
mit dem Leben soll aufgenommen werden, weil nur dadurch eine Verbesserung des
gegenwärtigen und zukünftigen Lebens erreicht werden kann.
- "Wie hat er sich betrogen!
- Hier stand er hinterm Busch versteckt,
- Dort steht er bloß und aufgedeckt,
- Und alles, was ihn hier erschreckt,
- Ist mit ihm gezogen.
- Wie hat er sich betrogen!"
(Matthias Claudins)
Anders liegt der Fall bei einem Entsüchteten, dem von Gier, Haß und Wahn
befreiten. Bei diesem entsüchteten und zu Ende gekommenen Leben ist es gleich,
wann und wie der körperliche Tod erfolgt, da nichts mehr da ist, was neu Fuß
fassen kann.
[41] Laotse sagt dazu:
- "Der Berufene häuft keinen Besitz auf;
- je mehr er anderen tut, desto mehr besitzt er;
- je mehr er anderen gibt, desto mehr hat er".
Nach der Übertragung von R. Wilhelm.
In Tirol befindet sich folgender Wegspruch:
- "Gute Taten sind gute Waren,
- man kauft sie ein um wenig Wert.
- Kauf' sie ein in jungen Jahren,
- bevor der Tod den Laden sperrt".
Ein alter Spruch lautet:
- "Was ich hatte, verlor ich;
- was ich gab', hab' ich".
S. a. Anm. [61].
[42] Bohn "Psychologie und Ethik". Über Mara siehe Anm.
[20]
und a. a. O.
[43] Als Handgruß bezeichnet man die vor der Stirn oder vor
der Brust zusammengelegten Hände, mit gleichzeitiger Verbeugung. Die
Handreichung ist dem buddhistischen Mönch gegenüber nicht angebracht.
[44] Dem Anhänger des Buddha eignet Vertrauen, nicht
Glauben. Vertrauen als Ausdruck des denkenden Erkennens, während der Glaube
Ausdruck des fühlenden Erkennens ist.
[45] Im Text wiederholen sich die Aufzählungen aller Sinne
und ihrer Funktionen.
[46] Der Intellekt wird in der Mythologie als gefallener
Engel, als Luzifer, dargestellt und als dem Stoffwissen verfallen angesehen.
[47] Soweit von einer Atemübung die Rede ist (in
Wirklichkeit handelt es sich nur urn die Bindung des Atems an das Bewusstsein),
ist dieses eine Atemübung, die im natürlichen Atemrhythmus, also ohne Jede
Spannung, Verkrampfung oder Gewalt durchgeführt die günstigsten Resultate zu
erzielen vermag. Alle anderen Atem- und Yogaübungen bedürfen der Aufsicht eines
Arztes oder Lehrers, und sehr oft sind dieselben auch dann nicht ohne Gefahren.
Sie werden im Buddhismus auch in solcher Form nicht angewandt. Wenn der
Buddhismus auch hier viele Termini mit dem indischen Yoga gemeinsam hat, darf
daraus nicht der Schluß gezogen werden, daß indischer Yoga und Buddhismus
dasselbe wären. Weg und Zielsetzung weichen voneinander ab.
In Deutschland machten zwei diesbezügliche Systeme im günstigen Sinne von
sich reden: "Das autogene Training" von I. H. Schultz und die "Koflersche
Atemtechnik" der Schule Schlaffhorst-Andersen.
[48] Welche Auswirkungen sich aus unvorbereiteter Meditation
ergeben, erwähnt A. O. Schmitz in seinem beachtenswerten Buche "Psychoanalyse
und Yoga": "Gesetzt, der Europäer wollte die indische Methode als seelisches
Training annehmen, ist seine Seele ohne weiteres dazu fähig? Gesetzt, daß er mit
einem klaren Kopf den entschiedenen Willen zur Ab- und Einkehr verbinde: Er
lässt sich nieder, schließt die Augen, zieht den Willen von der Außenwelt ab,
bringt das Denken zum Schweigen, gewährt dem Leib völlige Entspannung, so daß
das Bewußtsein wirklich einen Augenblick geleert ist; was aber tritt nun ein?
Jedenfalls das Gegenteil von Ruhe. Zunächst wird der Körper sich absurd
gebärden, undefinierbare Druckempfindungen, Hitze- und Kältewellen und
unerträgliche Juckreize hervorbringen.
Gelingt es, dieser durch objektivierende Anschauungen einigermaßen Herr zu
werden, so entsteht in einer anderen Bewußtseinsschicht, etwa ein sinnloses
Triumph-Gefühl, dem dann ein völlig richtungsloses, aber logisch haarscharfes
Denken, bezogen auf die gleichgültigsten Dinge, entspricht.
Erreicht man eines Tages, auch dieses objektiv zu machen, dann entsteht
meistens Schläfrigkeit, und wenn auch diese besiegt wird, dann taucht ein Chaos
von Bildern auf, aus denen sich dann bei völligem Stillhalten einige geordnete
Gruppen ablösen, sinnlos-sinnvolle wie Träume, nur bedeutend eindringlicher und
später in der Erinnerung leichter wieder herstellbar. Diese Bilder wird der
Europäer dann unfehlbar ästhetisch werten. Bei widerstandslosen Naturen besteht
die Gefahr, dass sie sich zu gewohnheitsmäßigen Wachträumern oder Visionären
entwickeln. In harmlosen Fällen hat der Übende einen neuen Zeitvertreib
gefunden. In schweren Fällen nährt er einen Schmarotzer. Kurz, die Yogaübung,
die befreien sollte, hat nur eine neue Verhaftung gebracht."
[49] Es muß jedoch zuerst ein klares und konsequentes Denken
entwickelt sein, bevor das Lassen des Denkens von Wert ist.
[50] Ober die Armut vgl. auch a. a. O. und Anm.
79.
[51] Über die fünf Hemmungen, deren Überwindung für jede
meditative Praxis unerlässlich sind, s. S. 57.
[52] Über das dem Abendland fremde Gebiet der Meditation
vgl. auch "Mittlere Slg." 10. Rede und "Lange Slg." 22. Rede. Ferner die
einmaligen Meditationsanweisungen des "Visuddhi Magga" übers. von Nyanatiloka,
Christiani-Verlag Konstanz. Einen wertvollen Aufsatz gibt Nyanatiloka "Über die
buddhistische Meditation" und Nyanaponika in seinem "Satipatthana" Kommentar,
Christiani-Verlag Konstanz. Ferner Podznejew in "Dhyana und Samadhi". S. a.
Literaturverzeichnis.
"Die sieben Stufen der Erwachung in der Lehrfassung sind:
- 1. Verinnerung.
- 2. Lehr-Erwägung.
- 3. Tatkraft.
- 4 Freudigkeit.
- 5. Beruhigung.
- 6. Vertiefung.
- 7. Gleichmut.
Verinnerung: das erste Glied des Achtpfades, ist jene wirkliche Er-innerung,
die in einer klar-bewußten Einkehr in sich selber besteht. Jedes Sich-Erinnern
ist freilich eine Einkehr in sich selber: denn das, an was wir uns erinnern, hat
ja sein Dasein nur in uns, in unserm Gedächtnis; aber das sind kurze, achtlose
Besuche, die mehr der Außenwelt gelten als uns selber. Zu einer wirklichen
Verinnerung wird dieses Erinnerungsvermögen erst dann, wenn wir dabei bewußt das
Innere Leben hochsteigen lassen und es zu meistern suchen. Lehr-Erwägung ist
jenes gründliche Eingehen auf die Lehre, wodurch man ihr Wesen und ihren
gründlichen Unterschied von allen anderen Lehren erkennt; wie ja dann alle
anderen Lehren, als auf begrifflicher Basis stehend, dieser einzigen,
begriffsfreien Wirklichkeitslehre gegenüber stehen. Tatkraft ist es nicht im
landläufigen Sinn des sich nach außen hin Betätigens, als dem sichersten Mittel
um an sich selber vorüberzugehen, sondern es ist jene Tatkraft, die in und an
sich selber wirkt und nicht säumt, den Entschluß zum Guten auf der Stelle zu
verwirklichen. Hiermit setzt jene in sich selber ruhende Bewegung ein, die in
der Freudigkeit Wellen wirft. Nach dem Aufhören dieses Wellens tritt die
Beruhigung ein, die die Vertiefung, den samadhi, möglich macht. Die
letzte Bewegung ist das Ruhen aller Bewegungen im vollendeten Gleichmut, dem
Ergebnis vollendeter Einsicht."
(P. Dahlke, Anm. zur "Langen Slg." 22/16 Seite 265)
[53] Der Buddhismus ist eine Heilslehre, die weder durch
Glauben noch durch logische Schlußfolgerungen, sondern nur durch eigenes
Erkennen und Erleben verwirklicht werden kann.
[54] Ihr Hauptvertreter C. G. Jung, vgl. auch das
Literaturverzeichnis. Parallelen zu diesem Tiefenweg finden sich auch in der
Mystik, der Gnosis, dem Yoga und in anderen Systemen. Für heutige Begriffe sind
jedoch ihre Praktiken deshalb kaum oder gar nicht verständlich, weil die
Darstellungen so schwärmerisch, mythologisch und symbolhaft sind, dass dieselben
den heute mehr naturwissenschaftlich orientierten Menschen nicht mehr
ansprechen. Am ehesten verständlich ist noch der Tiefenweg des hl. Ignatius von Loyola und der der hl. Therese. Die rein erkenntnismäßige Darstellung dieses
Tiefenweges, ohne Mythologie, Symbolik und Mystik, findet sich in der
Buddhalehre (Theravadalehre).
[55]
Sankhara (Sanskrit—Sanskara)
Von den vielen Übersetzungen dieses Begriffes seien einige genannt: "Karmische
Bildekräfte"; "Karmische Formationen", "Unbewußte Bildekräfte";
"Gemütserregungen", "Geistesbildungen"; "Trieb- und Willenserregungen";
"Gestaltungen". Es handelt sich dabei um einen Begriff, der sich nur durch
weitere Studien erschließt. Die Beschäftigung mit der Tiefen-Psychologie (C. G.
Jung) gibt viele Aufschlüsse, die durch Selbstversuche noch weiter vertieft
werden können. Jung spricht von zwei großen übereinandergelagerten
Tiefenschichten (in Wirklichkeit sind es sehr viele): 1. dem persönlichen
Unbewußten mit den Unterteilungen Schatten und Persona; der Anima und dem Animus
und 2. dem kollektiven Unbewußten mit den Urbildern oder Archetypen, wobei er
zum Schluß zur Formulierung eines Selbstes kommt (C. G. Jung: "Psychologie und
Alchemie"). Neben C. G. Jung, H. v. Keyserling u.a.m. sprach schon Schopenhauer
lange vorher "Von den nach Außen projizierten und den ins Innere verlegten
Urbildern". (A. Schopenhauer "Welt als Wille und Vorstellung".) Lange vor
Schopenhauer prägten Augustinus und vor ihm die Griechen, Plinius und Cicero den
Ausdruck "Archetypen" und noch länger vorher hat der Buddha diese unbewußten
Bildekräfte als "Hauserbauer" (sankhara) in umfassender Weise durchschaut, zum
Verständnis gebracht und praktisch ausgewertet.
Wie grundlegend verschieden jedoch die buddhistische und psychologische
Aufassungen sind, erhellt daraus, daß für Jung die Erkenntnis dieses Unbewußten
Ehrfurcht erweckend ist: "Ich kann nur in tiefster Bewunderung und Ehrfurcht
anschauend stille stehen vor den Abgründen und Höhen seelischer Natur, deren
unräumliche Welt eine unermeßliche Fülle von Bildern birgt, welche Jahrmillionen
lebendiger Entwicklung aufgehäuft und organisch verdichtet hat". (C. G. Jung
"Psychologische Betrachtungen S. 45.) Dabei muß Jung zugute gehalten werden, daß
er sich durchaus als Wissenschaftler bekennt dessen Aufgabe darin liegt, dieses
Gebiet nur zu erschließen, also nicht religiös auszuwerten. Von C. G. Jung wird
es ärztlich ausgewertet.
Der Buddha aber, als der Begründer einer Heilslehre, sieht in dem Unbewußten
zuerst die Triebkräfte und die mit ihnen verbundene große Gefahr: "Hauserbauer,
du bist erkannt, du wirst dieses Haus nicht mehr bauen". In der Buddhalehre ist
die rein naturwissenschaftliche Erforschung des Unbewußten—als intellektuelle
Fessel —das eine Extrem. Die religiöse Schwärmerei in den positiven Aspekten des
Unbewußten,—als Fessel des Gefühls—das andere Extrem. Der Buddhaweg ist auch
hier der Weg der Mitte, der zur Überkommung jeder Bindung führt. Auf dieses
gegensatzfreie Ziel, das es im Heilssinne zu erkennen und zu erreichen und nicht
nur zu erforschen und zu genießen gilt, hat der Buddha bereits vor 2500 Jahren
hingewiesen. Der Buddha hat in einer umfassenden Praxis ausgebaut, was heute die
Tiefenpsychologie zu erforschen bemüht ist, und in der der größte Teil der
Mystiker von jeher schwärmte. In der Buddhalehre bildet das Problem des
Unbewußten, genauer, der allein für die Heilsgewinnung zu erkennenden
Triebkräfte (Sankhara) nur einen Teil eines umfassenderen, allein auf Ablösung
hinzielenden Systems. In der Buddhalehre sind die Sinnenkontrolle und die
Achtsamkeit (Satipatthana), die Ansatzpunkte, jener im Unbewußten schaffenden
Wirkenskräfte Herr zu werden, und so das zu erreichen, worauf es in der
Buddhalehre ankommt: Freisein vom Leiden. Das ist beim Studium der
Tiefenpsychologie wie auch der Gnosis, der Mystik, des Yoga und anderer Systeme
wohl zu beachten.
[56] Die Heilslehre des Buddha birgt nicht das
Gefahrenmoment, auf das Jung mit Recht aufmerksam macht, und das durch Aufnehmen
fremder Bilder und Vorstellungen gegeben sein kann. Die buddhistischen
Meditationsobjekte sind nicht artfremde Bilder und Symbole, sondern der
Wirklichkeit entnommene und jedem Wesen geläufige und auch im Abendland von
jeher geübte Objekte, wie Körper, Atem, Güte, Tod.—Vgl. auch den Yoga und die
Exerzitien des Ignatius von Loyola mit denselben Meditationsobjekten. Die beiden
Systeme unterscheiden sich jedoch wesentlich von dem buddhistischen, und gewisse
Ähnlichkeiten der Meditationsobjekte dürfen nicht zu dem falschen Schluß
verleiten, daß alles gleich sei oder auf dasselbe hinauskomme. Dem Festhalten
auf der einen Seite steht das Loslassen auf der anderen Seite gegenüber. In der
Methode weniger oder mehr aneinander anklingend, gehen sie im Weg und noch mehr
in der Zielsetzung völlig auseinander. Ohne Meditation gibt es keine innere,
grundlegende Wandlung. Jung spricht davon, daß mit den bisher angewandten
Mitteln es nicht gelungen ist, die "Seele" zu christianisieren, dass auch nur
die elementarsten Forderungen der christlichen Ethik irgend einen massgeblichen
Einfluß auf die hauptsächlichen Belange des christlichen Europäers hätten. "Die
christliche Mission"—so sagt Jung weiter— "predigt zwar das Evangelium den
armen, nackten Heiden, aber die inneren Heiden, die Europa bevölkern, haben vom
Christentum noch nichts vernommen. Das Christentum muß notgedrungener Weise
wieder von vorne beginnen, wenn es seiner hohen Erziehungsaufgabe genügen soll.
Solange die Religion nur Glaube und äußere Form und die religiöse Funktion nicht
eine Erfahrung der eigenen "Seele" (Unbewußtes) ist, so ist nichts Gründliches
geschehen." (C. G. Jung, "Psychologie und Alchemie".)
Dieser hier von Jung aufgezeigte Weg geht allein über die meditative Praxis.
Er wird immer der Weg einzelner sein, niemals der Menge. Über diesen
buddhistischen Meditationsweg heißt es im Satipatthanasutta—Mittlere Slg. 10.
Rede und Lange Slg. 22. Rede: "Daß es keinen andern Weg gibt". Vgl. auch "Das
Tibetanische Totenbuch" und die Tiefenpsychologen in ihren Werken. Bei der
Bewertung der Tiefenpsychologie ist zu beachten, daß sie sich in erster Linie an
den seelisch kranken Menschen wendet. Ihr Ziel also die Gesundung ist. Die
anderen Möglichkeiten sind Ausnahmen. Dagegen sind die Religionen aus der Praxis
entstandene und in tausendjähriger Erfahrung erhärtete Systeme, die den Menschen
von der einfachsten Form des richtigen Verhaltens in stufenweisem Fortschritt zu
höchstmöglichen Zielen führen. Dabei spielen in allen anderen Religionen die
Riten und Zeremonien eine unterstützende zum Teil jedoch auch in Abhängigkeit
führende Rolle.
Nur die Heilslehre des Buddha stellt den Menschen von Anfang an auf eigene
Füße und lehrt ihn in der Karmalehre, daß jeder allein der Gestalter seines
Lebens ist. Daß also nicht in Riten und Zeremonien das Heil zu finden ist,
sondern im rechten Denken, Sprechen und Handeln und im Entsagen, Aufgeben und
Loslassen.
Soweit Jung den Buddha und den Buddhismus zum Beweis für seine symbolischen
und mythologischen Deutungen heranzieht, tut er es nur mit der
mythologieüberladenen und symbolerfüllten Lehre des Mahayana, die gerade im
indischen und chinesischen Buddhismus mit allen möglichen Lehren und
Anschauungen durchsetzt ist. Indessen ist das Besondere an der Buddhalehre, wie
sie der ursprüngliche Theravada vermittelt, daß gerade Mythologie und Symbole
hier nicht zu finden sind, sondern das Erkenntnismäßige vorherrscht.
[57] Über die Betrachtung der drei Merkmale und der vier
edlen Wahrheiten siehe den nächsten Abschnitt. Bei der Betrachtung über den
Körper wird über die einzelnen Teile meditiert, wobei jeder Teil als
vergänglich—leidvoll—nichtselbst angesehen wird. Diese einzelnen Teile sind:
Kopfhaare, Körperhaare, Nägel, Zähne, Haut, Fleisch, Sehnen, Knochen, Mark,
Nieren, Herz, Leber, Zwerchfell, Milz, Lungen, Magen, Eingeweide, Weichteile,
Kot, Galle, Schleim, Eiter, Blut, Schweiß, Lymphe, Tränen, Serum, Speichel,
Nasenschleim, Gelenköl und Urin.
Die Betrachtung über die Unreinheit der Nahrung führt zur Überwindung der
Gier.
Die Betrachtung der Vergänglichkeit zur Ausrottung des Ichdünkels.
Die erste der vier Weilungen oder Unermeßlichkeiten, die "metta", führt zur
Überwindung des Hasses und wird gehässigen Naturen empfohlen. Siehe a. a. O.
Die Betrachtung über den Atem führt zur Überwindung der unruhevollen Gedanken
und der Unruhe überhaupt und wird ruhelosen, unsteten Naturen empfohlen.
Die zehn Leichenbetrachtungen beginnen mit dem Leichenacker und enden mit der
Betrachtung des völligen Zerfalls und der Auflösung des Leichnams.
Die Betrachtung über den Tod gilt als die wichtigste, weil tiefstgreifende
aller Betrachtungen.
[58] Wie das Bewußtsein Abstufungen hat, angefangen beim
Bewußtsein des Primitiven bis zur Bewußtseinshöhe eines Kant, Christus und
Buddha, so hat sie auch das Unbewußte, angefangen bei der Oberflächenschicht des
persönlichen Unbewußten bis zur Tiefe des kollektiven Unbewussten. Ebenso
abgestuft und entwicklungsfähig ist das Überbewußte.
Verschmilzt in der Meditation das Bewußtsein mit dem Unbewußten, so tritt als
etwas ganz neues das Überbewußtsein auf, das von dem Buddha in einmalig
nüchterner Darstellung in seinen einzelnen Abstufungen dargestellt, genauestens
klassifiziert und als die 9 Jhanas bezeichnet worden ist.
Diese Jhanas oder Versenkungszustände, als Ekstasen das Hochziel der meisten
Religionen, werden in der Buddhalehre zwar auch als überweltliche, himmlische
Zustände bezeichnet, sind aber hier nicht das Hauptziel. Das Haupt- und Endziel
ist das Freiwerden von jeder Bindung und damit auch der aus dem
Überbewussten sich ergebenden Stufenfolge
der jhanas.
Innerhalb der Buddhistischen Meditationspraxis ist also wohl zu unterscheiden
die zur Einsicht führende Meditation von der zur Versenkung führenden. Nur die
zur Einsicht führende Meditationspraxis vermag die Loslösung zu verwirklichen
und damit zu dem als Ziel bezeichneten Nibbāna (Nirwana) hinzuführen, während es
die Versenkungen nicht vermögen. Es sind noch Haftenszustände, wenn auch in
einer, wie man sagt, "göttlichen" Form. In vielen Kreisen herrscht die
Auffassung, daß die Glückszustände der Versenkungen das letzte Ziel überhaupt
seien. Vgl. auch Ang. Nik. IX/38, wo es heißt, "daß die acht Versenkungsstufen
immer noch die "Welt" sind".
"Das jhana ist ein Zustand gedanklicher Vereinheitlichung in vier
Stufen aufsteigend, in immer weiter vorschreitendem Ausschalten aller
gedanklichen Regungen bestehend. In der ersten Stufe schwingen noch die
Eindrücke nach, unter denen man bisher gelebt hat. Sie klingen ab und die zweite
Stufe, die gedankliche Vereinheitlichung hat eingesetzt. Sie wird als freudiges
Glücksgefühl empfunden. Freudigkeit ist gedankliche Färbung, als solche eine
Schwingung, eine Regung, die ausgeschaltet werden muß. Mit vollendeter
Ausschaltung ist die dritte Stufe des freudfreien Glücks erreicht, die ihr Glück
schon im Genuß des Gleichmuts findet. Auch diese letzte Glücksempfindung, die
als Gegenstand den Gleichmut hat, muß verbleichen, und der reine, wirkliche
regungslose Gleichmut, der durchaus nur er selber ist, ist erreicht, die vierte
Sinnung ist da." (P. Dahlke, Anm. zur "Mittleren Slg." Seite 290 ff.)
"Allen diesen lokas, d. i. den niederen, höheren und höchsten
Daseinssphären entsprechen bestimmte Gedankenformungen. Der deva-loka bis
herab zu den untersten höllischen Welten entspricht den mit Sinnlichkeit (kama)
verbundenen Gedankenformungen. Auch die Stufen des Thatagata-Ganges, welche die
bloße Zucht (silas) behandeln, haben hier, d. h. im deva-loka,
ihren Wiedergeburtigen Gegenwert. Wer über die fünf Hemmungen hinaus die
entsinnlichten, reinen Gedankenformungen der vier jhanas in sich erlebt,
dem stehen als Wiedergeburtiger Gegenwert die sechzehn Stufen des
rupa-brahma-loka zu.
Wer über die jhanas hinaus die vier formfreien Unendlichkeiten sich
erlebt, dem stehen die vier Felder des arupa-brahma-loka zu, deren
Bewohner keine besonderen Namen führen, sondern geradezu als "Inhaber (upaga)
der Raum-Unendlichkeit", "Inhaber der Bewußtseins-Unendlichkeit", "Inhaber der
Nichtetwasheit", "Inhaber des Weder-Wahrnehmung- noch -Nichtwahrnehmung"
bezeichnet werden. Mit diesen schließt der ganze Bau der Geist-Formungen und
ihrer Gegenwerte ab.
Wir heben noch einmal hervor: Der Wert der Gedanken-Formungen, sinnlichen,
formhaften, formfreien liegt für uns nicht im Mythologischen, sondern im
Psychologischen. Der ganze weitschichtig-turmhafte Götterbau, mag er im
Brahmanismus sein was er will, wird ja im Buddhismus zu nichts als einem—nicht
transzendenten, sondern lediglich übersinnlichen (transzendentalen) Gegenwert
individueller Gedankenformungen. Das Denken des Menschen formt die Himmel. Wo im
Menschen gewisse gedankliche Bildungen sich vollziehen, da sind auch die
Daseinsbedingungen, in denen sie sich rein ausleben können. Es sind die geheimen
Wechselbeziehungen zwischen Denken und Sein, die hier in der überragenden Höhe
buddhistischer Weltanschauung ihre Verwirklichung finden. Auch diese
buddhistischen Gedanken-Himmel sind Gegenstand der Sehnsucht für den Denker,
aber nicht so, daß er nun die Aufnahme von der Güte des Gottes erwartet, sondern
so, daß er die Aufnahme aus der Bildkraft seines Denkens her aus sich selber
erlebt.
Sollten nicht auch wir Nibbana-Fernen uns mühen um ein reinlebiges Leben, daß
wir beim Zerfall des Körpers, nach dem Tode, auftauchend aus dem kama-loka
in den geistigen Stätten reinlebiger Wesen wiedererscheinen könnten? Weshalb
sollten wir das nicht können? Erster Schritt dazu ist, daß wir unser Denken
lange und innig auf diesen Dingen ruhen lassen. Denken formt, aber alles kommt
darauf an, daß dieses Denken nicht bloß in Begriffen verarbeitet wird, sondern
daß es erlebt wird, im Erleben verwirklicht wird. Denken in bloßen Begriffen hat
noch bei keinem eine Wandlung gemacht" (P. Dahlke, Anm. zur "Langen Slg." Seite
229). Auch das Festhalten am höchsten Guten, dem Hochziel in allen anderen
Religionen, ist gegensatzbedingt und führt nicht zum Frieden. Auch das höchste
Gute ist in der Buddhalehre auf diesen Stufen des Heilsweges zu lassen.
Über die Vertiefungen und Versenkungen im Einzelnen muß auf andere Werke
verwiesen werden. S. a. Literaturverzeichnis.
[59] Bekannt als der Spruch des Assajji; die kürzeste,
philosophische Formulierung über die Einmaligkeit des Buddhagedankens.
H. v. Glasenapp nennt die Dharmatheorie, Die Grundlage der buddhistischen
Heilslehre". Er sagt darüber; "Der Buddhismus unterscheidet sich von zahlreichen
indischen metaphysischen Systemen darin, daß er keine etwaige geistige oder
stoffliche Ursubstanz annimmt, aus welcher die vielheitliche Welt sich entfaltet
hat. Und ebenso wenig sucht er den Weltprozess aus dem Zusammenspiel einer
Mehrheit von ewigen Substanzen (Seelen, Atome usw.) zu erklären. Die von uns
erlebte in beständigem Wechsel begriffene Wirklichkeit zerfällt für ihn in eine
Vielheit von letzten, nicht mehr reduzierbaren Elementen, die aufeinander
reagieren und durch ihr Zusammenwirken die Fülle der Erscheinungen zustande
bringen. Diese Elemente werden als "Dharmas" bezeichnet.—Diese Dharmas sind also
die Faktoren, durch welche alles Dasein bedingt ist wie z. B. Farben, Töne,
Düfte, Geschmäcke, die Fähigkeit zu sehen, zu hören, zu denken, zu wollen, zu
fühlen, die Denkoperationen, die Lebenskraft, der Schlaf, die Rede, das
Nichtwissen, die rechte Anschauung, der Glaube, die Achtsamkeit, der Gleichmut,
Gier, Haß, Verblendung, Zorn, Eifersucht, das Geborenwerden, Atem, Sterben und
zahllose andere.
Es gibt nach buddhistischer Ansicht mithin keine Substanzen, an denen
bestimmte Eigenschaften, Zustände usw. zutage treten, sondern die Qualitäten
usw. werden gewissermaßen selbst als letzte Bestandteile betrachtet, die durch
ihre Verbindung die empirischen Dinge oder Lebewesen hervorbringen.
Die Dharmas sind "ohne Selbst" (anatman) (Pali: anatta), d. h.
sie sind keine selbständigen Wesenheiten, die in ihrem Dasein, ihrer Bewegung
und ihrem Agieren unabhängig existieren. Sie entstehen vielmehr, nachdem sie
vorher nicht da waren, bestehen nur eine kurze Zeit und vergehen dann wieder, um
anderen Platz zu machen. Sie sind mithin vergänglich und daher leidvoll. Denn
alles, was dem Verschwinden unterliegt, wird vom Buddhismus als "leidvoll"
bezeichnet, weil es ruhelos und ohne Bestand ist.
Jeder von diesen Dharmas entsteht in Abhängigkeit von anderen. "Wenn ein Auge
und wenn Farben da sind, entsteht ein Sehbewußtsein, die Verbindung dieser drei
Dharmas ergibt eine "Berührung" (d. h. Sinnenreiz). In Abhängigkeit von einer
Berührung tritt ein Lust- oder Unlustgefühl auf usw." So wie ein Feuer durch das
Reiben von zwei Hölzern erzeugt wird, so wird ein neuer Dharma durch das
Zusammenwirken von mehreren anderen hervorgebracht.
Dieses "Bedingtsein durch etwas anderes" ist ein Grundgesetz (Dharma) der
Welt, weil alle Dharmas nur infolge der ihnen innewohnenden Gesetzmäßigkeit
auftreten können, heißen sie Dharmas.
Es versteht sich von selbst, daß eine Weltanschauung, die bei jedem Phänomen
fragt, durch welche Voraussetzung es ins Dasein gerufen worden ist, nie zur
Aufstellung einer letzten Ursache gelangen kann. Die Frage nach einem ersten
Anfang kann deshalb überhaupt nicht gestellt werden und hat nur im unklaren
Denken ihren Ursprung." H. v. Glasenapp fährt dann a.a.O. weiter fort: "Der
Buddha hat den ganzen Bereich der inneren Erfahrung des Menschen zergliedert,
indem er die einzelnen Inhalte derselben als separate Elemente auffasste, die
durch die Gesetze von Ursache und Wirkung miteinander verflochten sind. Er trieb
damit eine "Psychologie ohne Seele", die den Gesichtspunkt unverbrüchlicher
Gesetzmäßigkeit, den der Europäer nur auf die Erscheinungen der natürlichen Welt
anwendete, auch in der moralischen Welt zur Geltung brachte."
H. v. Glasenapp "Die Religionen Indiens" S. 22ff. und Seite 238.
[60] Neben den "vier edlen Wahrheiten" sind die drei
Merkmale ebenso wichtige Lehrsätze und wertvolle Meditationsobjekte.
[61] "Zu den vielen stufenweisen Entwicklungen ist auch
diese Reihenfolge stehende Redewendung:
- "Erst Geben als niedrigstes, d. h. der Eingriff in das, was man hat;
- dann Zuchtbeflissenheit, d. h. der erste Eingriff in das, was man ist;
- dann Hebung der Sehnsucht aus dieser grobsinnlichen Welt in höhere,
feinere Bereiche, sogen. Himmelswelten;
- dann Aufgeben der Sehnsüchte überhaupt; die alte Sonne ist untergegangen
und aus dem Glanz und aus der Hitze, aus dem Jagen und der Last des alten
Tages erhebt sich klar, still, wie ein mächtiger Mond eine reine, kühle Freude
am Entsagen.
Das ist der neue Standpunkt, den jeder Buddha verlangt, ehe er seine
eigentliche Lehre, die Lehre vom Leiden zeigen kann. Das Ackerland muß gelockert
sein in dieser Entsagungsfreudigkeit, sonst findet diese edelste Saat, aus
welcher wirkliche Freiheit eben wahre Freiheit fruchtet, keinen Boden, wo sie
fußen könnte. Dem Weltling, dem das Leben Gut an sich ist und der Lebensbejahung
nicht nur zum höchsten Ideal, sondern zur höchsten Pflicht sich zusammengedacht
hat, etwa wie der Reiche die Sorge um seinen Reichtum zur höchsten Pflicht sich
zusammengedacht hat—ich sage: diesem Lebens-wütigen Weltling Buddhismus zu
predigen, das ist sinnlos.
Buddhismus ist ja kein Beweisgegenstand, sondern eine Sache verstehenden
Mitschwingens. Hierzu gehört gedankliche Unvoreingenommenheit und zu dieser
gehört eine gewisse Lockerheit dem Leben gegenüber. Der Weltling ist durch seine
Lebenswut dem Leben auf Gedeih und Verderb verbunden. Sein Denken fügt sich
seinem Wünschen und Wollen, ist von diesem Wünschen und Wollen schon vorher
gänzlich mit Beschlag belegt. Einem solchen Ungelockerten die Lehre zeigen,
heißt das Samenkorn auf den Estrich werfen." (P. Dahlke Lange Slg." Anm. 5129
Seite 200.)
[62] Siehe auch Anm. 55
und a. a. O.
[63] Siehe auch
Seite 13.
[64] Carlyle spricht davon, "daß die Geschichte ein
Trauerspiel sei, das auf der Bühne der Unendlichkeit aufgeführt werde, mit den
Gestirnen als Beleuchtung und der Ewigkeit als Hintergrund".
[65] Eine Rede, die in Anbetracht der Gefahr der Atombombe
heute so aktuell ist, wie vor 2500 Jahren, doch sind für den Buddha diese
Gefahren immer da als Alter, Krankheit und Tod.
[66]
- "Ich weiß nicht, woher ich komme—
- Ich weiß nicht, wo ich bin—
- Wohin ich aber immer gehe, ist der Tod".
[67] Neben der Karmalehre der wichtigste Einsatzpunkt zum
Verständnis der buddhistischen Heilslehre und zugleich vieler unerklärbarer
Zusammenhänge im Schicksalsablauf.—Dabei ist grundsätzlich die buddhistische
Lehre von der Wiedergeburt von der des Glaubens an eine Seelenwanderung zu
unterscheiden.
Im Buddhismus gibt es nicht den Seelebegriff, sondern alles ist Nicht-Selbst
(Anatta), und deshalb gibt es auch in der buddhistischen Lehre keinen
Seelenwanderungsglauben im Sinne einer sich ewig gleich bleibenden, wandernden
Seele, sondern nur eine Widergeburtslehre.
Über Empedokles und Pythagoras zitiert nach Oldenberg "Reden", S. z18.
"Und so bin ich dereinst ein Knabe gewesen, ein Mädchen und ein Strauch und
ein Adler, ein stummer Fisch in der Salzflut."
(Empedokles)
"Wenn er mit Macht anspannte die vollen Kräfte des Geistes, konnte er
überschauen die Geschicke jeglichen Daseins durch zehn, ja durch zwanzig der
menschlichen Lebensalter." (Pythagoras)
- "Sag, was will das Schicksal uns bereiten?
- Warum band es uns so rein genau?
- Ach, du warst in abgelebten Zeiten
- meine Schwester oder meine Frau."
(Goethe)
Wiedergeburt ist eine Aussage, die zu den Uraussagen der Menschheit überhaupt
gehört." (C. G. Jung "Psychologische Betrachtungen", S. 375.)
[68] "Den verschiedenen Ich-Arten laufen verschiedene Stufen
der Wiedergeburten parallel. Zu jeder geistigen Bildungsform, zu der der
Einzelne in innerer Entwicklung sich durchgearbeitet hat bzw. sich nicht
durchgearbeitet hat, gehört notwendig eine Widerverkörperung in entsprechender
Daseinssphäre.
Gleiches stimmt sich auf Gleiches ab—im Denken, (vgl. Lange Slg.
13. Lehrrede Kap. 81) denn wo Denken als Kraft begriffen ist, da wird es eben zu
jener wahrhaft ursprünglichen Bildekraft, die sich ihre neuen Möglichkeiten
selber formt. Denken ist der Gott, Denken ist der Schöpfer, den allein die
Wirklichkeit anerkennt. (s. Ausspruch des Angelus Silesins.)
Bleibt Denken formhaft grob, im Bereich der Sinne liegend, so führt es zur Wiedergeburt im
kama-loka, dieser uns allen bekannten Welt der Sinne und der
Sinnlichkeit.—Entwickelt sich Denken, wenn auch formhaft bleibend, zu
geistig-wahren, entsinnlichten Bildungen, so führt es zur Wiedergeburt im
rupa-loka, einer höheren Welt rein geistiger Formen. Entwickelt sich Denken
noch weiter, noch feiner zu formfreien, eigen-wahrnehmigen Bildungen, so führt
es zur Wiedergeburt im arupa-loka, der höchsten Welt formfreier Geistigkeit.
Der
Mensch ist nicht was er denkt, aber er wird zu dem was er denkt, bis
abschließend im End-Denken Werden, Geburt, Wiedergeburt ganz aufhört; denken,
auch die formfreien Bildungen und Welten fahren lassen, geht in sich selber
ein." (P. Dahlke Anm. "Lange Slg." S. 210/211.)
[69] "Berg Meru" entstammt der indischen Mythologie und
bedeutet: der den Himmel tragende, große Berg.
[70]
Nibbāna (Sanskrit—Nirwana) ist in der von dem Buddha
selbst gegebenen Deutung so klar und bestimmt, daß in dieser Einführungsschrift
von weiteren Erklärungen eines sowieso unerklärbaren Zustandes abgesehen werden
kann. In ihm ist die Glückseligkeit der Leidlosigkeit ausgedrückt, die schon bei
Lebzeiten zu erreichen möglich ist, während das mit dem Tode abschließende
völlige Erlöschen des Arahat als Parinibbāna bezeichnet wird.
[71] Die Zwölferreihe (Pali:
Paticcasamuppada) ist die
tiefgründige Deutung über die "Bedingte Entstehung".
Im Buddhismus gibt es keinen Uranfang, wie schon im vorigen ausgeführt. Der
dafür grundlegende Lehrsatz lautet: "Ohne Anfang und Ende ist dieser Samsara".
Die Frage, was zuerst da war, das Ei oder die Henne, läßt sich nie
beantworten. Die Frage nach dem Uranfang ist daher falsch gestellt. Sie kann
vernunftgemäß nur lauten: Aus welchen Vorbedingungen ist etwas entstanden? Im
buddhistischen Denken der "Bedingten Entstehung" ist mit dem Schlußglied
"Nichtwissen" ein Ende gesetzt. Alles darüber Hinausgehende ist Glaube oder
Spekulation. Und da das ganze Geschehen einschließlich des Kosmos nur "in
Abhängigkeit von" anderen Vorbedingungen besteht, ist jede Frage nach dem
Uranfang sinnlos. Genau so ist auch das, was wir Körper, Seele und Geist nennen
(nama-rupa = Geist-Körperlichkeit) nur ein in "Abhängigkeit von" Bestehendes,
bei dem ein Beständiges, Unwandelbares, Ewig-Gleiches nicht aufzufinden ist.
Vergl. Anm. 59.
Das Weltbild des Buddhisten ist nur auf der Einsicht in das
Entstehen-Vergehen-Leiden aufgebaut. Es gibt für ihn keine Weltenanfangs- und
keine Weltenendprobleme, sondern nur das Problem des "Bedingten Entstehens".
Dieses „Bedingte Entstehen" stellt sich der Buddhist als Weltenentstehungs-
und Weltenvergehensperioden, Kalpas, vor. Ein Kalpa ist ein unermeßlicher und in
Zahlen nicht ausdrückbarer Zeitabschnitt.
Eine Weltenentstehens- und Weltenvergehensperiode enthält viele Kalpas, denen
sich immer wieder neue Perioden anschließen
In diesen Weltenentstehens- und Weltenvergehensperloden spricht der Buddhist
von lichten Zeitaltern, in denen Buddhas erscheinen, und leeren, finsteren
Kalpas, in denen keine Buddhas lehrend auftreten. In diesem Kalpa sind bisher
vier Buddhas aufgetreten; der fünfte und letzte Buddha dieser Weltenentstehens-
und Weltenvergehensperiode wird noch erwartet.
Vgl. dazu auch H. v. Glasenapp "Die Religionen Indiens" und "Der Jainismus",
über die Kosmologie der Jainas. Dgl. "Lange Slg." 26. Rede.
Dahlke sagt dazu: "Die Evolutionstheorie liegt der ursprünglichen Lehre
Darwins von der Zuchtwahl, vom Überleben des Passendsten fern. Die ist erst von
unserer nach Lebenswerten hungrigen Zeit hineingelesen worden. Der Mensch muß
etwas haben, woran er sich hält in den schrecklichen Öden der Unendlichkeit; er
muß etwas haben, was über dieses Leben hinausweist, worauf er dieses Leben als
Ganzes beziehen kann. Für eine Welt, deren Gottglaube immer mehr dahinschwindet,
ist die Evolutionstheorie ein unschätzbarer Ersatz. Wenn sie auch keine
wirkliche Nahrung gibt, so weist sie doch im Bilde über dieses Leben des
einzelnen hinaus und befriedigt wie das Anschauen eines schönen Bildes."
In diesem Zusammenhang ist auch die Schrift von Hans Künkel "Das große Jahr"
beachtenswert (Diederichs-Vlg.), die von einem wechselnden Auftreten von
Heil-landen spricht, wobei der alle 2000 Jahre stattfindende Übergang des
Frühlingspunktes in ein anderes Tierkreiszeichen besonders bedeutsam ist und als
Umsturz der alten und Beginn einer neuen zweitausendjährigen Periode angesehen
wird. Ein Wechsel, der in unserer Gegenwart erfolgt und diese gewaltigen
Ereignisse verständlich machen kann. Demgegenüber werden von den Buddhisten für
das Auftreten der Buddhas weit größere Intervalle angenommen.
[72] Von jedem Sinn gilt wie oben.
[73]
Anatta—Nichtselbst—ist aus den beiden vorausgehenden
Leitsätzen, vergänglich und leidvoll, verständlich. Wo statt eines Uranfanges
nur Werden- Leiden erkannt ist, kann in dieser auf erkenntnismässiger Grundlage
aufgebauten Lehre auch nicht von einem Selbst, d. i. einem ewig Gleichbleibenden
gesprochen werden. Ein ewig bestehendes Selbst, Atta, Atman, Brahma, Allah,
setzt einen Glaubensakt und eine Abgrenzung im Werden voraus. Daß das Heil auch
anders angegangen und erstrebt werden kann, beweist die Buddhalehre.
Daraus den Schluss ziehen zu wollen, daß der Buddhist Wesen höherer Art
leugnet, wäre ebenso falsch. Der Buddhist leugnet Wesen höherer Art nicht. Nur
sind sie ihm genau so dem Werden, d. i. dem Entstehen-Vergehen unterworfen, wie
alles andere Leben auch.
[74] Die Ergebnisse dieser Anstrengungen vollziehen sich in
vier Phasen oder Stufen:
1. der Sotāpanna, d. i. der in den Strom Gelangte. Er ist befreit von der
Geburt in niederen Welten, wie der Höllenwelt, Gespensterwelt und Tierwelt. Er
kann aber noch siebenmal wiedergeboren werden, bevor er das Nirwana erreicht.
2. der Sakadagami, d. i. der noch einmal Zurückkehrende. Er wird nur noch
einmal in der Sinnensphäre wiedergeboren, wo er das Nirwana erreicht.
3. der Anagami, d. i. der in diese Sinnenwelt nicht mehr Wiederkehrende.
4. der Arahat erreicht die Stufe des Nirwana, das Erlöschen. Die Versenkungen
sind Glückszustände und bedeuten nicht das Nirwana. Es sind also die
Vertiefungen von den Versenkungen zu unterscheiden.
[75] Vergl. T. W. Rhys Davids "Der Buddhismus", R. Pischel
"Leben und Lehre des Buddha" und H. v. Glasenapp "Die fünf großen Religionen".
[76] Die deutschen Texte s. S. 78; 152; 27 u. 152; 155.
[77] Aus einem Brief des Ehrw. Nyanasisi Thera an den
Verfasser. Ehrw. Nyanasisi Thera verschenkte seine Besitztümer und wurde Mönch.
[78] Aus der Zeitschrift "Die Brockensammlung 1936"— Bhikkhu Nyanapiya—"Einkleidung in Polgasduwa".
[79] Diese vier Nissayas sind fakultativ und stellen die
äußerste Grenze der vom Buddha gutgeheißenen asketischen Lebensweise dar.
Außerdem ist gestattet:
- zu 1) Gemeinschaftliche Mahlzeit und gespendete Speise.
- zu 2) Leinwand, Baumwolle, Seide, Wolle, Bastgewand, hänfenes Gewand.
- zu 3) Ein Kloster, eine Halle, ein Sonnenhaus, ein Dachzimmer, eine Höhle.
- zu 4) Schmelzbutter, frische Butter, Öl, Honig, Sirup als Medizin.
Der Gebrauch von altem vergorenen Kuhharn als Medizin ist ein bekanntes
indisches Heilmittel. Es entspricht den homöopathisch-spagirischen Medizinen,
die ja auch nach Vergärung u. a. aus allen möglichen Stoffen hergestellt und
hilfreichst verwendet werden.
Die Texte sind von folgenden Übersetzern: W.Bohn, P.Dahlke, H. v. Glasenapp,
J. Lenga, Nyanatiloka, Nyanaponika, H. Oldenberg, R. Pischel, T. W. Rhys Davids,
K. Seidenstücker. Der einheitlichen Gestaltung wegen sind einige
Textabänderungen vorgenommen.
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