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DIE
HEILSLEHRE DES BUDDHA
NACHWORT
„Wer nur eine Religion kennt, kennt keine.. (Max Müller).
Wir Abendländer verbinden den Begriff Religion allein mit der Vorstellung von
Glaube und Gott, d. i. mit der des Christentums. Unter diesem Weltbild sind wir
geboren mit ihm wachsen wir auf und hören immer wieder, dass jede andere
Religion falsch oder überholt ist. In dieser Auffassung sind wir so befangen,
daß wir als Weltgeschichte immer wieder nur den westlichen Kulturkreis gelten
lassen wollen, obwohl doch lange vor dem westlichen eine weit umfassendere,
östliche Kultur bestanden hat und heute noch besteht. Eine so bedeutende
östliche Kultur, ohne deren volle Berücksichtigung alle Weltgeschichte letzten
Endes nur Halbweltgeschichte ist. Daß Religion auch anders, nämlich rein
erkenntnismäßig und ohne die uns so bekannten Attribute des Glaubens sein kann,
wie sie der Osten aufzuweisen hat, ist uns kau n oder gar nicht faßbar. So sind
wir mit der Klassifizierung, daß sie dann nur eine Morallehre oder eine
Weltanschauung oder eine materialistische oder überholte Lehre sein kann,
schnell zur Hand.
Die Buddhalehre, etwa 500 Jahre vor unserer Zeitrechnung in Indien
entstanden, ist und bleibt aber das, was wir im Westen der Welt allgemein mit
dem geistigen Hochwert "Religion" bezeichnen. Auch wenn sie nicht vom Glauben
ausgeht und in Gott einmündet, so bleibt sie dessen ungeachtet eine zur
Erlösung, zum Heil führende Religion, die ihres anderen Charakters, Ausgang- und
Endpunktes wegen, besser als Heilslehre zu bezeichnen ist, um damit auch schon
rein äußerlich das ganz andere zu kennzeichnen. Was aber Erlösung, was Heil ist,
sieht vom Standpunkt der Erkenntnis natürlich anders aus, als von dem des
Glaubens.
Wenn hier auf das rein Erkenntnismäßige der ursprünglichen Buddhalehre
verwiesen wird—und nur die ursprüngliche Buddhalehre hat diesen Charakter, im
Gegensatz zu ihrer "nördlichen" Abspaltung—so ist damit nicht etwa das
Intellektuelle gemeint, das Ausdruck einseitiger Bewußtseinsentwicklung und
einseitiger Wissensbildung ist. Diese Wissensbildung um ihrer selbst willen hat
nichts mit religiösem Denken und Wollen und ihren hohen weltabgewandten Zielen
zu tun. Sie ist genau so ein Extrem, wie die aus gefühlvoller Haltung kommende,
schwärmerische Glaubensbetonung, die vom echten Glauben wohl zu unterscheiden
ist. Diese beiden einseitigen Einstellungen haben noch nie religiöse Werte
geschaffen, wohl aber den Kampf Aller gegen Alle bewirkt, allein um extremer
Ansichten und Meinungen willen. Das hier betonte Erkenntnismäßige kommt aus
Schau und Erleben, das ein menschliches Ganzsein und damit andere
Voraussetzungen hat, als jene auf Irrwegen wandelnden, einseitigen Ansichten des
Glaubens und Wissens.
Wohl hat die Menschheitsgeschichte viele Versuche der erkenntnismäßigen
Darstellung ihrer Weltbilder aufzuweisen. Denn die in steter Wandlung begriffene
Bewußtseinslage ringt immer von neuem um sinngemäßen Ausdruck. Der Mensch fällt
immer und dann von seinem alten Weltbild ab, sobald sich seine Bewußtseinslage
ändert. Wie z. B. heute, wo nicht mehr die gläubige Hinnahme, sondern das
denkende Erkennen vorherrscht. Wo eine "Kulturepoche von einer
Zivilisationsepoche" (P. Dahlke), eine "Introversionszeit von einer
Extraversionszeit" (C. G. Jung) oder, um es an einem Weltbild auszudrücken, das
"magische Weltbild vom technischen Weltbild" (W. Danzel), abgelöst wird—wo immer
sich die Bewußtseinslage ändert, kommt es zu einem geistigen Umbruch, bei dem
die alten Werte zerbrechen und nicht eher Ruhe einzieht, bis eine neue Anpassung
erfolgt ist.
Im Abendland, von den Glaubenslehren stets aufs heftigste bekämpft, so daß es
oft zur Bildung von Geheimbünden kam, sind diese Versuche anderer religiöser
Anpassung, in den gnostischen Lehren zu finden. Aber alle diese Versuche kamen
vom Fühlen und Forschen nicht los und blieben entweder im rein schwärmerischen
oder in den Differenzierungen stecken. Die Religion, die vor diesen Klippen
warnt und in der das Erkenntnismässige nicht mehr zu überbietenden religiösen,
und Sinn und Gehalt nicht mehr zu überholenden Ausdruck gefunden haben, ist die
Lehre der Mitte, die Heilslehre des Buddha.
So ist die Buddhalehre eine Religion, die dem um Erkenntnis Ringenden ebenso
köstlich ist, wie dem Gläubigen seine Glaubenslehre, da alles Gute und Hohe, um
das der religiöse Teil der Menschheit bemüht ist, in ihr ebenso, nur in anderer
Darstellung und Zielsetzung zu finden ist. Auch die raum- und zeitweite
Verbreitung spricht für diesen tiefen, religiösen Gehalt der Buddhalehre, der
sie ihres erkenntnismäßigen Charakters wegen genau so zur Weltreligion werden
ließ, wie das Christentum seines rein glaubensmässigen Aufbaus wegen
Weltreligion wurde.
Noch ist dieser rein erkenntnismäßige Sinn der ursprünglichen Buddhalehre—der
aus jeder der Reden Buddhas unmißverständlich hervortritt—nicht genügend
bekannt, weil die Buddhalehre zuerst über die volkstümliche, sensationelle,
abgespaltene, "nördliche" Richtung (Tibet, China, Japan) im Abendland bekannt
wurde und noch heute die Literatur erfüllt. Neben den von buddhistischer Seite
vorliegenden Übersetzungen und Einführungen der "südlichen" oder "Theravadalehre",
Nyanatiloka, Nyanaponika, P. Dahlke, M. Ladner u. a., ist es das große
Verdienste des Indologen H. von Glasenapp, diesen erkenntnismäßigen Charakter
der ursprünglichen Buddhalehre in allen seinen Werken betont herausgestellt zu
haben. Auch die vorliegende Einführung zeigt das rein Erkenntnismäßige der
ursprünglichen Buddhalehre an Hand der Buddhaworte auf. Kann doch auch nur
dadurch das Einmalige der Buddhalehre und vielleicht auch die Glaubenslehre
besser verstanden werden.
In den Zeiten des geistigen Umbruchs mag die Darstellung dieser anderen
Hochreligion für manchen Suchenden von Vorteil sein, sei es um dadurch zu einem
neuen Weltbild und damit wieder zur inneren und äußeren Sicherheit zu kommen
oder um das alte Weltbild wieder besser zu verstehen, sich dem alten Weltbild
wieder mit neuen Hoffnungen zuzuwenden oder ein anderes, der neuen
Bewußtseinslage gemäßes Weltbild anzunehmen. Neigt doch der Mensch heute mehr
denn je dazu, mit der die innere Unsicherheit anzeigenden Härte einen Standpunkt
zu verteidigen, der schon längst nicht mehr der neuen Bewußtseinslage
entspricht. Oder sich allein dem Materialismus d. i. den Glücksgütern dieser
Erde zu verschreiben und jede Religion abzulehnen. "Wir aber brauchen Religion
und zwar zu einem sehr einfachen Zweck. Sie muß der Menschheit dasjenige Maß von
Sittlichkeit liefern, das zu ihrem Wohlergehen notwendig ist" (P. Dahlke).
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