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DIE
HEILSLEHRE DES BUDDHA
ERKENNTNIS 1
- „Ob Vollendete in der Welt auftreten
- oder nicht, so bleibt es dennoch wahr und
- unumstößliche Bedingung des Daseins:
- daß alle Gebilde vergänglich sind,
- daß alle Gebilde leidvoll sind,
- daß alle Dinge nichtselbst sind."
Aller "Wandel", wie er im vorigen als Sittlichkeit und Vertiefung behandelt
ist, wird in der Heilslehre des Buddha in so offener, folgerichtiger und
verständlicher Weise dargestellt, daß diese Lehre auch dem Gegner Achtung
abnötigt. Doch ist es mehr oder weniger das Allgemeingut aller Religionen. Hätte
der Buddha nur diesen "Wandel" gelehrt, seine Heilslehre wäre zufolge der klaren
und systematisch aufgebauten Darstellung wohl auch dann größter Beachtung wert,
Weltgeltung hat sie jedoch durch das Wissen, das in dem Kernstück der Lehre, den
vier edlen Wahrheiten, verkündet ist:
"Der edlen Wahrheit vom Leiden, der edlen Wahrheit von der Entstehung des
Leidens, der edlen Wahrheit von der Vernichtung des Leidens, der edlen Wahrheit
von dem zur Vernichtung des Leidens führenden Weg, dem edlen achtfachen Pfad:
Rechte Anschauung, rechter Entschluß, rechte Rede, rechtes Tun, rechter
Lebensunterhalt, rechte Anstrengung, rechte Achtsamkeit, rechte Sammlung."
Mit der unerbittlichen Konsequenz des großen Denkers und Lehrers hat der
Buddha das, worauf es im Leben der Menschen ankommt, herausgestellt und zur
Lebenslehre erhoben: Leben als Entstehen-Vergehen, als Leiden und als
seelenloser Prozeß, der jedoch die Möglichkeit zur Befreiung in sich trägt.
In der Heilslehre des Buddha wird Leben nicht als ein Wert an sich behandelt,
wie dies in allen andern Religionen geschieht, sondern als ein Werdeprozeß, der
sich aus Vorbedingungen ergibt. Hören die Vorbedingungen auf, indem sie als
Gier, Haß und Wahn, als Lebensdurst und Nichtwissen erkannt und beseitigt
werden, so kommt es zum Aufhören dieses Prozesses.
"Daß alle Dinge eine Ursache haben, hat der Erhabene gelehrt und den Weg zu
ihrer Aufhebung".[59]
Dies ist die bekannte und kürzeste Formulierung der weltanschaulichen Seite
der Heilslehre des Buddha. Weil aber das Leiden die tragische Seite im ewigen
Werden der fühlenden Wesen ist, hat der Buddha in sinngemäßer Herausstellung des
Wesentlichen auch nur dieses in seinen Leitsätzen betont:
"Nur eins verkünde ich heute wie immerdar:
Leiden und seine Vernichtung."
So darf von dieser Heilslehre, die Leben als Leiden aufzeigt, auch nicht
anderes erwartet werden, als die Befreiung vom Leiden.
Der Buddha ist nicht erschienen, um das Knäuel der Ansichten und Meinungen zu
vergrößern. Es geht ihm einzig und allein um die Befreiung vom Leiden, dieses
eigentliche Kernproblem aller Religionen wie allen Lebens:
"Weil Gefühl da ist, sind Buddhas da."
Nur aus dem rechten Wissen wird der im vorigen Abschnitt behandelte rechte
Wandel verständlich, und nur wo ein rechter Wandel vorhanden ist, kann rechtes
Wissen entstehen. Eines bedingt das andere und umgekehrt:
„Wie eine Hand die andere wäscht, kann rechte Zucht nur aus rechtem Wissen,
rechtes Wissen nur aus rechter Zucht kommen."
Der wesentliche Einsatzpunkt zum Verständnis der Heilslehre des Buddha und
damit des Lebens überhaupt sind die drei Merkmale:
- Alle Gebilde sind vergänglich,
- Alle Gebilde sind leidvoll,
- Alle Dinge sind nichtselbst.
Diese Leitsätze werden dem Anhänger und Betrachter nicht zum Glauben
vorgelegt, sondern zur Nachprüfung. In dieser Heilslehre gibt es keinen Glauben,
sondern nur eigenes, völlig selbständiges Erkennen und Erleben. Den fragenden
Kalamern: "Wem man denn glauben soll, wenn täglich neue Propheten durch die
Stadt kommen und jeder von ihnen seine Lehre als die allein rechte hinstellte",
gab der Buddha die bereits erwähnte, für einen Religionskünder ungewöhnliche
Antwort:
"Ihr müßt niemandem glauben, sondern euch alles anhören. Was sich dann mit
eurer Vernunft vereinbaren läßt, das nehmt an; was sich mit eurer Vernunft nicht
vereinbaren läßt, das lehnt ab." Ang. Nik.
Die drei Merkmale legt der Buddha seinen Anhängern immer wieder vor, dabei an
nichts anderes appellierend als an das eigene Erkennen und Erleben:
"Was entstanden ist, ist das vergänglich oder unvergänglich? Es ist
vergänglich, o Herr.
Was aber vergänglich ist, ist das freudvoll oder leidvoll? Es ist leidvoll, o
Herr. -
Was aber vergänglich und leidvoll ist, kann man von dem sagen: das gehört
mir, das bin ich, das ist mein Selbst? Nein, o Herr.
Also sollt ihr es aufgeben. Das Aufgegebene wird euch lange zum Heile
gereichen".[60]
Der erste Leitsatz "Alle Gebilde sind vergänglich" gilt als grundlegend für
alle Willens- und Wissenswendung. Deshalb wird dieses Merkmal des Lebens von dem
Buddha mit besonderer Gründlichkeit behandelt. Wer die Tatsache der
Vergänglichkeit alles Bestehenden begriffen hat und anerkennt, kann die
Schlußfolgerungen nicht ablehnen:
"Da nun begann der Erhabene mit dem Brahmanen Kutadanta das Gespräch in der
üblichen Reihenfolge, nämlich:
- das Gespräch über das Geben,
- das Gespräch über die Zucht,
- das Gespräch über Himmelsleben;
- das Elend der Lüste, ihre Eitelkeit, ihren Schmutz,
- das Segensreiche im Entsagen zeigte er.
Sobald der Erhabene erkannte, dass der Brahmane Kutadanta im Geiste
geschickt, im Geiste geschmeidig, im Geiste enthemmt, im Geiste erheitert war,
da zeigte er die Lehre, die alle Buddhas auszeichnet:
Leiden, Entstehung, Vernichtung, Weg.
Und gleichwie da ein reines Gewand, ein fleckenfreies in ganz vollkommener
Weise die Farbe annimmt, ebenso ging dem Brahmanen Kutadanta auf diesem selbigen
Sitze das reine, fleckenlose Auge der Lehre auf:
Was immer dem Entstehen unterworfen ist, alles das ist auch dem Vergehen
unterworfen." Digh. Nik.
"Der Gedanke an die Vergänglichkeit, ihr Mönche, wenn man ihn in sich fördert
und ihm weiten Raum gibt, erfaßt alle Begier, die sich auf Lust richtet, alles
Nichtwissen, allen Stolz des ,ich bin' und vernichtet alles das.
Wie in der Herbstzeit, ihr Mönche, ein Pflüger mit einem großen Pflug pflügt
und alles Wurzelgeflecht abreißt, so erfaßt auch der Gedanke an die
Vergänglichkeit, ihr Mönche, wenn man ihn in sich fördert und ihm weiten Raum
gibt, alle Begier, die sich auf Gestalt richtet, alle Begier, die sich auf
Werden richtet, alles Nichtwissen, allen Stolz des ,Ich bin' und vernichtet
alles das". [61] Samy. Nik.
Mit dem Kriterium "Alle Gebilde sind vergänglich" werden alle lebenden und
toten Gebilde gesichtet. Sonne und Mond, Könige und ihre Reiche, Weib und Kind,
Haus und Hof, Knecht und Magd, Gold und Silber, das Auge und die Gestalten, das
Ohr und die Töne, der Verstand und die Begriffe werden dieser kritischen
Sichtung unterzogen, und es gibt nichts, von dem nicht gesagt werden muß: es ist
vergänglich. Sämtliche Dinge und Gebilde einschließlich unseres Selbst mit allen
Vorstellungen und Urbildern [62], dem Bewußtsein, Unbewußten und den aus dem
Überbewußten sich ergebenden Bildern und Zuständen sind entstanden. Was
entstanden ist, muß vergehen.
"Da nun trat der Erhabene in die Einsiedelei des Brahmanen Rammaka ein und
ließ sich auf dem hergerichteten Sitze nieder. Nachdem er sich niedergelassen
hatte, redete der Erhabene die Mönche an:
,Bei welchem Gespräch, ihr Mönche, sitzt ihr jetzt hier beisammen, und welche
Unterhaltung habt ihr abgebrochen?' ,Ein den Erhabenen, o Herr, betreffendes
Lehrgespräch haben wir abgebrochen; aber nun ist der Erhabene angekommen.'
,Gut, ihr Mönche! So, ihr Mönche, ziemt es sich für Euch als Edelgeborene,
die ihr aus Vertrauen aus dem Haus in die Hauslosigkeit hinausgezogen seid, daß
ihr bei einem Gespräch über die Lehre beisammen sitzt. Wenn ihr zusammenkommt,
ihr Mönche, liegt euch eines von zweien ob: entweder Gespräch über die Lehre
oder edles Schweigen. Diese zwei Arten des Strebens, ihr Mönche, gibt es:
das edle Streben und das unedle Streben.
Und was, ihr Mönche, ist das unedle Streben?
Da sucht, ihr Mönche, Einer,
- selber der Geburt unterworfen, gerade das der Geburt Unterworfene;
- selber dem Altern unterworfen, sucht er gerade das dem Altern
Unterworfene;
- selber der Krankheit unterworfen, sucht er gerade das der Krankheit
Unterworfene;
- selber dem Sterben unterworfen, sucht er gerade das dem Sterben
Unterworfene;
- selber dem Kummer unterworfen, sucht er gerade das dem Kummer
Unterworfene;
- selber der Beschmutzung unterworfen, sucht er gerade das der Beschmutzung
Unterworfene.
Und was, ihr Mönche, nennt man ,der Geburt unterworfen'?
- Weib und Kind, ihr Mönche, sind der Geburt unterworfen;
- Knecht und Magd sind der Geburt unterworfen;
- Schaf und Ziege sind der Geburt unterworfen;
- Hahn und Schwein sind der Geburt unterworfen;
- Elefant und Rind, Roß und Stute sind der Geburt unterworfen;
- Gold und Silber sind der Geburt unterworfen;
Geburt-unterworfen, wahrlich, ihr Mönche, sind diese Belastungen. Hierin
verstrickt, geblendet, hingerissen sucht ein Solcher, selber der Geburt
unterworfen, gerade das der Geburt Unterworfene.
Und was, ihr Mönche, nennt man ,dem Altern unterworfen'?
- Weib und Kind, ihr Mönche, sind dem Altern unterworfen;
- Schaf und Ziege sind dem Altern unterworfen;
- Hahn und Schwein sind dem Altern unterworfen;
- Elefant und Rind, Ross und Stute sind dem Altern unterworfen;
- Gold und Silber sind dem Altern unterworfen.
Alter-unterworfen, wahrlich, ihr Mönche, sind diese Belastungen. Hier
verstrickt, geblendet, hingerissen sucht ein Solcher, selber dem Altern
unterworfen, gerade das dem Altern Unterworfene.
Und was, ihr Mönche, nennt man ,der Krankheit unterworfen'?
- Weib und Kind, ihr Mönche, sind der Krankheit unterworfen;
- Knecht und Magd sind der Krankheit unterworfen;
- Schaf und Ziege sind der Krankheit unterworfen;
- Hahn und Schwein sind der Krankheit unterworfen;
- Elefant und Rind, Roß und Stute, sind der Krankheit unterworfen.
Krankheit-unterworfen, wahrlich, ihr Mönche, sind diese Belastungen. Hier
verstrickt, geblendet, hingerissen sucht ein Solcher, selber der Krankheit
unterworfen, gerade das der Krankheit Unterworfene.
Und was, ihr Mönche, nennt man ,dem Sterben unterworfen'?
- Weib und Kind, ihr Mönche, sind dem Sterben unterworfen;
- Knecht und Magd sind dem Sterben unterworfen;
- Schaf und Ziege sind dem Sterben unterworfen;
- Hahn und Schwein sind dem Sterben unterworfen;
- Elefant und Rind, Roß und Stute sind dem Sterben unterworfen;
Sterben-unterworfen, wahrlich, ihr Mönche, sind diese Belastungen. Hier
verstrickt, geblendet, hingerissen sucht ein Solcher, selber dem Sterben
unterworfen, gerade das dem Sterben Unterworfene.
Und was, ihr Mönche, nennt man ,dem Kummer unterworfen'?
- Weib und Kind, ihr Mönche, sind dem Kummer unterworfen;
- Knecht und Magd sind dem Kummer unterworfen;
- Schaf und Ziege sind dem Kummer unterworfen;
- Hahn und Schwein sind dem Kummer unterworfen;
- Elefant und Rind, Roß und Stute sind dem Kummer unterworfen.
Kummer-unterworfen, wahrlich, ihr Mönche, sind diese Belastungen. Hier
verstrickt, geblendet, hingerissen sucht ein Solcher, selber dem Kummer
unterworfen, gerade das dem Kummer Unterworfene.
Und was, ihr Mönche, nennt man ,der Beschmutzung unterworfen'?
- Weib und Kind, ihr Mönche, sind der Beschmutzung unterworfen;
- Knecht und Magd sind der Beschmutzung unterworfen;
- Schaf und Ziege sind der Beschmutzung unterworfen;
- Hahn und Schwein sind der Beschmutzung unterworfen;
- Elefant und Rind, Roß und Stute sind der Beschmutzung unterworfen.
- Gold und Silber sind der Beschmutzung unterworfen.
Beschmutzung-unterworfen, wahrlich, ihr Mönche, sind diese Belastungen. Hier
verstrickt, geblendet, hingerissen sucht ein Solcher, selber der Beschmutzung
unterworfen, gerade das der Beschmutzung Unterworfene.
Dies, ihr Mönche, ist das unedle Streben."
[63] Majjh. Nik.
Die Vergänglichkeit wird als das große Gesetz des Lebens aufgezeigt; allem
Leben wesentlich ist die Vergänglichkeit in dieser und in allen anderen Welten,
in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Der Buddha gesteht keine Ausnahme zu.
Kein noch so großer Fortschritt und auch nicht die modernen wissenschaftlichen
Methoden und Erkenntnisse können dieses Lebensgesetz je ändern. Jedes Wesen
zieht seine Bahn nach dem Gesetz, nach dem es angetreten, um immer wieder zu
vergehen und von neuem zu entstehen in unablässiger Folge. Alles Leben ist
Entstehen-Vergehen. Entstehen-Vergehen war, ist und wird immer sein. Das ist die
Wirklichkeit, wie sie erkannt wird, wenn das Denken vorurteilsfrei das Leben und
seine Erscheinungen betrachtet.
- "Lebt einer hundert Jahre auch
- Und schaut Entstehen-Vergehen nicht—
- Ein Eintagsleben besser ist,
- schaut man Entstehen-Vergehen recht."
Weil das Leben den Stempel der Vergänglichkeit trägt, wird es vom Menschen
als leidvoll empfunden. Denn in dem Entstehen-Vergehen, in dem ewigen Wechsel
leben die Wesen und lebt der Mensch nicht nur als denkendes und erkennendes,
sondern in erster Linie als fühlendes Wesen. Der Buddha prüft also mit einer
zweiten bedeutsamen Frage alle Erscheinungen des Lebens und kommt so zum zweiten
großen Merkmal:
"Was vergänglich ist, ist das freudvoll oder leidvoll? Und die Antwort ist
immer die gleiche: Es ist leidvoll." Es ist eine eherne Konsequenz, auf die der
Buddha hier verweist, indem er feststellt, daß die Eigenschaft des Leidvollen
allem Vergänglichen anhaftet. Das "Alles ist leidvoll" ist die einfache
Schlußfolgerung aus der Erkenntnis des Entstehens-Vergehens. Leiden ist der
alles übertönende Klang in der Heilslehre des Buddha. Mit der Unumgänglichkeit
des Leidens in allem Leben wird das hervorgehoben und in den Mittelpunkt der
Betrachtung gestellt, was die Wesen zutiefst berührt und angeht. Ohne dieses
Leiden-Empfinden und Leiden-Erkennen wäre der ganze Kreislauf vom Leben zum Tod
und vom Tod zum Leben (samsara) nur ein interessanter Prozeß, über den
man sich unterhalten und Betrachtungen anstellen könnte, der aber sonst der
tieferen Beachtung kaum wert wäre. [64]
"Würde Gefühl nicht da sein, dann würden Buddhas nicht sein."
So aber ist, weil Entstehen-Vergehen und Gefühl da sind, das Leiden da.
Geburt, Alter, Krankheit und Tod sind die "großen Gefahren".
"Als sich nun der Kosalakönig Pasenadi zur Seite niedergesetzt hatte, fragte
ihn der Erhabene: ,Nun, großer König, wo kommst du her?' ,Ich hatte jetzt mit
den königlichen Geschäften zu tun, die den Königen obliegen, den Fürsten, deren
Haupt gesalbt ist, die trunken sind von des Herrschers Trunkenheit, die von der
Gier der Lust besessen sind, die ihrem Reich festen Bestand gesichert haben, die
den weiten Erdkreis ersiegt haben und seiner walten."
"Wie meinst du nun, großer König? Da käme zu dir von Osten her ein
glaubwürdiger, zuverlässiger Mann; der spräche zu dir: ,Ich habe zu melden,
großer König? Ich komme aus dem Osten. Da habe ich gesehen, wie ein großer Berg
gegen uns herankommt, wolkengleich, alles, was lebt, zermalmend. Tue du nun,
großer König, was da zu tun ist.'
Und ebenso käme zu dir von Westen her ein zweiter glaubwürdiger,
zuverlässiger Mann; der spräche zu dir: ,Ich habe zu melden, großer König: Ich
komme aus dem Westen. Da habe ich gesehen, wie ein großer Berg gegen uns
herankommt, wolkengleich, alles, was lebt, zermalmend. Tue du nun, großer König,
was da zu tun ist.'
Und ebenso käme zu dir von Norden ein dritter glaubwürdiger zuverlässiger
Mann; der spräche zu dir: ,Ich habe zu melden, großer König: Ich komme aus dem
Norden. Da habe ich gesehen, wie ein großer Berg gegen uns herankommt,
wolkengleich, alles, was lebt, zermalmend. Tue du nun, großer König, was da zu
tun ist.'
Und ebenso käme zu dir von Süden ein vierter glaubwürdiger, zuverlässiger
Mann; der spräche zu dir: "Ich habe zu melden, großer König: Ich komme aus dem
Süden. Da habe ich gesehen, wie ein großer Berg gegen uns herankommt,
wolkengleich, alles, was da lebt, zermalmend. Tue du nun, großer König, was da
zu tun ist.'
Wenn sich gegen dich, großer König, eine solche Riesengefahr erhebt, der
furchtbarste Untergang von Menschen, wo es doch schwer ist, menschlicher Geburt
teilhaftig zu werden: Was wäre da zu tun?
Wenn sich, Herr, eine solche Riesengefahr erhebt, der furchtbarste Untergang
von Menschen, wo es doch schwer ist, menschlicher Geburt teilhaftig zu werden:
was wäre da anderes zu tun, als in Gerechtigkeit zu wandeln, in Frieden zu
wandeln, Tugend zu üben, gute Werke zu vollbringen." "So sage ich dir, großer
König, gegen dich, großer König, ziehen Geburt, Alter, Krankheit und Tod heran.
Und wenn gegen dich, großer König, Geburt, Alter, Krankheit und Tod heranziehen,
was ist da zu tun?"
"Wenn gegen mich Geburt, Alter, Krankheit und Tod heranziehen, Herr, was wäre
da anderes zu tun, als in Gerechtigkeit zu wandeln, in Frieden zu wandeln,
Tugend zu üben, gute Werke zu vollbringen."
[65] Samy. Nik.
In der Erzählung "Kisagotami" wird von einer Frau berichtet, deren einziges
Kind starb, als es eben laufen konnte. Da sie bisher den Tod nicht gesehen
hatte, wehrte sie den Leuten, die den Knaben forttragen wollten, um ihn zu
verbrennen. Mit dem Gedanken: "Ich will für meinen Sohn ein Heilmittel erfragen"
nahm sie den Leichnam in ihre Arme und wanderte von Haus zu Haus, indem sie
fragte: "Wisset ihr nicht ein Heilmittel für meinen Sohn?" Da sagten die Leute
zu ihr: "Hast du deinen Verstand verloren, o Tochter? Du wanderst umher, indem
du ein Heilmittel für deinen toten Sohn erfragst?" Sie aber sprach zu sich:
"Sicher werde ich einen treffen, der ein Heilmittel für meinen Sohn weiß."
Da sah sie ein kluger Mann. Er sprach zu ihr: "Ich, meine Tochter, weiß kein
Heilmittel, aber ich kenne einen, der ein Heilmittel weiß. " "Wer weiß eins,
lieber Herr? " "Der Buddha, meine Tochter, weiß eins, gehe hin und frage ihn."
Mit den Worten: "Ich will hingehen, lieber Herr", ging sie zum Buddha, grüßte
ihn, stellte sich seitwärts von ihm und fragte: "Weißt du ein Heilmittel für
meinen Sohn, o Herr?" "Ja, ich weiß eins." "Was für eins soll ich nehmen?" "Nimm
eine Prise Senfkörner." „Ich will sie nehmen, o Herr, doch aus welchem Hause
soll ich sie nehmen, o Herr?" "Aus dem Hause, in dem weder ein Sohn noch eine
Tochter, noch irgend jemand zuvor gestorben ist." Sie sprach: "Gut, o Herr",
grüßte den Buddha, nahm ihren toten Sohn in ihre Arme und ging in die Stadt. An
der Tür des ersten Hauses bat sie um Senfkörner, und als sie ihr gegeben wurden,
fragte sie: "In diesem Hause (Familie) ist doch wohl weder ein Sohn, noch eine
Tochter, noch irgend jemand zuvor gestorben?" "Was sagst du? Der Lebenden sind
wenige, aber der Toten sind viel." Darauf wies sie die Senfkörner zurück und
wanderte von Haus zu Haus ohne die gewünschten Senfkörner zu erhalten. Da dachte
sie am Abend: "Ach, es ist eine schwere Arbeit. Ich glaubte, nur mein Sohn sei
tot; aber in der ganzen Stadt sind die Toten zahlreicher als die Lebenden." Als
sie so dachte, wurde ihr aus Liebe zu ihrem Sohn weiches Herz hart. Sie legte
ihren Sohn im Walde nieder, ging zum Buddha, grüßte ihn und stellte sich
seitwärts von ihm. Und der Buddha sprach zu ihr: "Hast du die Senfkörner
bekommen?" "Ich habe sie nicht bekommen, o Herr; in der ganzen Stadt sind die
Toten zahlreicher als die Lebenden."
Da sprach der Buddha zu ihr: "Du meintest, nur dein Sohn sei gestorben. Das
aber ist das ewige Gesetz für die lebenden Wesen: Der König des Todes wird wie
ein reißender Strom alle lebenden Wesen, ehe ihre Wünsche befriedigt sind, in
das Meer des Verderbens" und sprach dann, das Gesetz lehrend, die Strophe: "Dem
Mann, der stolz ist auf Kinder und Vieh, und dessen Geist am Irdischen hängt,
den rafft der Tod hinweg wie die Flut ein schlafendes Dorf."
- "Wie den Früchten, den vollreifen,
- in Morgenfrühe droht der Fall,
- also droht immerdar allem,
- was da geboren ist, der Tod.
- Was der Töpfer voll Kunst herstellt,
- die Gefäße aus Ton gemacht,
- sie müssen allzumal zerbrechen;
- dem ist das Menschenleben gleich.
- Wer jung ist, und wer hoch aufwuchs,
- Kluge und Törichte zumal,
- Ihrer aller der Tod Herr wird:
- Ihr Ziel und Ende ist der Tod.
- Wenn alle, so der Tod hinrafft,
- wenn sie hingehn in jene Welt,
- kann Vater nicht den Sohn beschützen,
- Verwandte den Verwandten nicht.
- Vor den Augen der Blutsfreunde,
- bei ihrer bittern Klage Schall,
- schleppt der Tod wie ein Stück Schlachtvieh
- den einen nach dem andern fort.
- Also des Todes Macht heimsucht,
- des Alters Macht die ganze Welt.
- Darum die Weisen nicht klagen,
- denn sie kennen den Lauf der Welt."
[66] Sutta Nip.
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