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DIE
HEILSLEHRE DES BUDDHA
SITTLICHKEIT 1
- „Arbeit an sich und Güte
- zu allen Wesen sind die Grundsätze
- in der Lehre aller Buddhas."
Diese Arbeit an sich, das Fundament jeder Lebenslehre und Religion, beginnt
in der Heilslehre des Buddha [18] mit dem Aufsichnehmen der fünf Entschlüsse:
- Ich fasse den Entschluss, nicht zu töten.
- Ich fasse den Entschluss, nichts zu nehmen, was mir nicht gegeben wird.
- Ich fasse den Entschluss, nicht unsittlich zu sein.
- Ich fasse den Entschluss, nicht zu lügen.
- Ich fasse den Entschluss, mich aller berauschenden und betäubenden
Genußmittel zu enthalten.
Diese fünf Tugendsatzungen sind grundlegend für alle Anhänger und haben nach
buddhistischer Auffassung auch stets positive Bedeutung.
Der 1. Entschluss, nicht zu töten, gilt nicht nur dem Nächsten gegenüber,
sondern umfaßt alles Lebendige.
Dhp
- "Vor Strafe alle zittern sie,
- vor Sterben fürchten alle sich—
- das eigne Selbst bedenke man
- und töte nicht und schlachte nicht.
- Vor Strafe alle zittern sie,
- für alle ist das Leben lieb—
- das eigne Selbst bedenke man
- und töte nicht und schlachte nicht." .
Ein entsprechend durchgeführtes Verhalten der Schonung alles Lebendigen,
führt zur Toleranz. Die restlose Verwirklichung gipfelt in den drei
Unermeßlichkeiten: Güte, Mitleid und Mitfreude, und damit in Güte und Wohlwollen
allen Wesen gegenüber, auch den Tieren.[19]
Der 2. Entschluss, nichts zu nehmen, was einem nicht gegeben wird, führt zum
Meiden jeder Begehrlichkeit nach fremdem Gut in Gedanken, Worten und Werken. Im
positiven Sinne bedeutet dies Freigebigkeit.
Der 3. Entschluss, nicht unsittlich zu sein, führt zur Schamhaftigkeit. Dazu
heißt es, "dass Scham und Feinfühligkeit zwei helle Tugenden sind, die die Welt
beschützen". Im anderen Sinne bedeutet die Durchführung dieses Entschlusses
Enthaltsamkeit. Zu beachten ist, dass nur der Mönch geschlechtlich enthaltsam zu
sein hat, der Laienanhänger aber sich von Ehebruch, Ausschweifung,
Geschlechtsverkehr mit Minderjährigen fernhalten soll. Im übrigen wird
geschlechtliche Enthaltsamkeit von jeher als unerläßlich für jeden höheren,
geistigen Fortschritt angesehen.
- Von dem 4. Entschluss, nicht zu lügen, sagt der Buddha in der Lehrrede "Rahulas
Ermahnung":
- "Nicht einmal im Scherze will ich Lüge reden, also hast du dich, Rahula,
wohl zu üben."
Das ganze Mönchstum wird von dem Buddha für denjenigen für null und nichtig
erklärt, der sich der bewussten Lüge hingibt. Ja, die Lüge wird allgemein als
das größte Hindernis der geistigen Entwicklung angesehen.
Der Buddha sagt von sich, dass er auf den weiten Wegen der Weltenwanderung
viele falsche Handlungen begangen, sich aber stets der Lüge enthalten habe.
"Für ein menschliches Individuum, ihr Mönche, welches sich in einem Punkte
einer Übertretung schuldig macht, gibt es keine Übeltat, die es nicht begehen
könnte, sage ich. In welchem einen Punkte? Bewusste Lüge, ihr Mönche."
Im positiven Sinne bedeutet dieser Entschluss das offene, wahre und
freundliche Wort.
Zum 5. Entschluss, "keine berauschenden und betäubenden Genussmittel zu sich
zu nehmen", wird folgende Legende erzählt: Es wird von einem Mönch berichtet,
der bei Mara, dem Bösen, in Schuld stand. Mara verlangt von ihm noch eine
schlechte Handlung zum Ausgleich seines Kontos. Er stellt ihm zur Wahl, zu
töten, unkeusch zu sein oder berauschende Genussmittel zu sich zu nehmen. Das
sind, jedes in seiner Art, schwere Fehler, besonders für einen Mönch. Er
überlegt und entscheidet sich für das seiner Ansicht nach kleinste Übel, den
Alkoholgenuß. Als er betrunken ist, begegnet ihm ein Weib; und da er nicht mehr
Herr seiner Sinne ist, steigt in ihm Gier auf. Er schließt sich ihr an. Die Frau
aber verlangt von ihm zuerst noch ein gutes Nachtmahl. Darauf geht er hin und
tötet ein Tier. So kann der scheinbar harmlose Alkoholgenuss viele falsche
Handlungen nach sich ziehen. [20]
Dem Laienanhänger sind für die Gebiete des praktischen Lebens weitere
Richtlinien gegeben:
Die Eltern sollen ihre Kinder zum Guten erziehen, sie vom Falschen und
Schlechten zurückhalten, sie etwas Ordentliches lernen lassen, ihnen mit Rat und
Tat beistehen, ihnen das Erbe nicht vorenthalten.
Die Kinder sollen den Eltern gehorsam sein, alle kindlichen Pflichten
getreulich erfüllen, der Eltern Hab und Gut nicht verschwenden, sie
unterstützen, wenn sie alt und gebrechlich sind, sich in allem würdig erweisen,
ihre Erben zu sein und stets ihr Andenken in Ehren zu halten.
Der Gatte soll sein Weib mit Liebe und Achtung behandeln, ihr treu sein, sie
allen Menschen gegenüber hochhalten und es ihr an standesgemäßer Kleidung nicht
fehlen lassen.
Die Frau soll ihren Hausstand in guter Ordnung halten, Freunde und Verwandte
gastfreundlich empfangen, ihrem Manne die Treue bewahren, sein Gut
zusammenhalten, mit Fleiß und Eifer allen Hausfrauenpflichten nachkommen.
Der Freund soll sich seinen Freunden gefällig zeigen, ihnen Geschenke machen,
höflich mit ihnen sprechen, ihre Interessen fördern und seinen Wohlstand mit
ihnen teilen. Er soll ihnen Zuflucht bieten in Gefahr, ihnen im Unglücks zur
Seite stehen, sich gütig gegen ihre Familie erweisen.
Der Herr soll für die Wohlfahrt seiner Untergebenen sorgen, indem er ihnen
keine Arbeit zumutet, welche ihre Kräfte übersteigt; er soll ihnen angemessene
Nahrung und Lohn geben, sie auch in Krankheitsfällen unterhalten, von
ungewöhnlichem Gewinn ihnen einen Teil zukommen lassen, ihnen genügende
Feiertage gewähren.
(Buddh. Katechismus—Subhadra Bhikshu.)
Diese Regeln sind als elementarste Forderungen und nur als ein geringer Teil
weit umfassender Hinweise anzusehen, welche die stufenweise Läuterung bezwecken.
Was weiter unter rechtem Wandel zu verstehen ist, ist in der Rede "Rahulas
Ermahnung" und an anderen Orten näher ausgeführt.
Alle Handlungen werden stets in dreifacher Weise erwogen und in zweierlei
Hinsicht; nämlich einmal hinsichtlich der Gedanken, Worte und Werke, und dann
hinsichtlich der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die auf das Denken
bezügliche Stelle lautet:
"Was immer du, Rahula, für einen Gedanken hegen willst, eben diesen Gedanken
sollst du dir betrachten: "Wie, wenn dieser Gedanke, den ich da hegen will, mich
selber beschwerte oder andere beschwerte oder alle beide beschwerte? Das wäre
ein unheilsamer Gedanke, der Leiden aufzieht, Leiden züchtet." Wenn du, Rahula,
bei der Betrachtung merkst: "Dieser Gedanke, den ich da hegen will, der kann
mich selber beschweren, kann andere beschweren, kann alle beide beschweren: es
ist ein unheilsamer Gedanke, der Leiden aufzieht, Leiden züchtet", so hast du,
Rahula, einen derartigen Gedanken sicherlich zu lassen.
Wenn du aber, Rahula, bei der Betrachtung merkst: "Dieser Gedanke, den ich da
hegen will, der kann weder mich beschweren, noch kann er andere beschweren, kann
keinen von beiden beschweren: es ist ein heilsamer Gedanke, der Wohl aufzieht,
Wohl züchtet", so hast du, Rahula, einen derartigen Gedanken zu hegen.
Denn wer immer auch, Rahula, von den Asketen oder den Büßern in vergangenen
Zeiten seine Taten geläutert, seine Worte geläutert, seine Gedanken geläutert
hat, ein jeder hat also und also betrachtend seine Taten geläutert, betrachtend
und betrachtend seine Worte geläutert, betrachtend und betrachtend seine
Gedanken geläutert.
Und wer immer auch, Rahula, von den Asketen oder den Büßern in künftigen
Zeiten seine Taten läutern, seine Worte läutern, seine Gedanken läutern wird,
ein jeder wird also und also betrachtend seine Taten läutern, betrachtend und
betrachtend seine Worte läutern, betrachtend und betrachtend seine Gedanken
läutern.
Und wer immer auch, Rahula, von den Asketen oder den Büßern in der Gegenwart
seine Taten läutert, seine Worte läutert, seine Gedanken läutert, ein jeder
läutert also und also betrachtend und betrachtend seine Taten, betrachtend und
betrachtend seine Worte, betrachtend und betrachtend seine Gedanken.
Darum merke hier, Rahula: Betrachtend und betrachtend wollen wir unsere Taten
läutern; betrachtend und betrachtend wollen wir unsere Worte läutern;
betrachtend und betrachtend wollen wir unsere Gedanken läutern: so habt ihr
euch, Rahula, wohl zu üben".[21] Majjh. Nik.
Das Besondere an diesen und allen anderen Tugendsatzungen ist die
Freiwilligkeit des Entschlusses zum Rechten. Kein Muß und kein Zwang lässt den
Jünger des Buddha diesen Weg gehen. Er ist eine im Brennfeuer rechten Denkens
erworbene geistige Einstellung und die Entsprechung eines geläuterten Innern.
Diese aus innerem Antriebe erwachsene Freiwilligkeit zum Guten gründet sich
auf das Wissen vom Karma [22]. Karma ist die Lehre von Ursache und Wirkung auf
geistig sittlichem Gebiet. Jede Tat, so besagt die Karmalehre, zieht stets eine
Wirkung nach sich, wie der ins Wasser geworfene Stein seine Kreise. Das gilt von
jedem Tun, auch dem geringsten.
"Wenn dies ist, ist auch jenes; wenn dies entsteht, entsteht auch jenes; wenn
dies nicht ist, ist auch jenes nicht; wenn dies vergeht, vergeht auch jenes".
Unter Karma (Pali = Kamma) ist nicht eine
überweltlich wirkende Kraft zu verstehen, etwa wie die (außen gedachten)
Schicksalsfäden spinnenden Nornen der germanischen Mythologie oder ein anderes
von außen eingreifendes Fatum oder eine von außen handelnde Vorsehung, sondern
Karma ist das Gesetz des eigenen Wirkens, das in streng eigengesetzlicher Folge
die entsprechenden Wirkungen zeitigt.
"Den Willen, o Mönche, nenne ich Karma, durch Willen übt einer die Taten
mittels des Körpers, der Sprache und des Geistes aus".
"Karma ist heilsame oder unheilsame Willenstätigkeit". (Nyanatiloka).
Aus den in stets wechselnder Folge gesetzten Ursachen entstehen ewig
wechselnde und sich einander ablösende Wirkungen. Alles Wirken, das gute wie das
schlechte, wird somit schicksalsgestaltend und kommt, mit wenigen Ausnahmen dem
Karmagesetz zufolge, immer wieder zur Auswirkung.
"Alles was geschieht, geschieht genau so, wie es geschieht." Das Gute wächst
in dem Maße, als gute Gedanken gedacht, gute Worte gesprochen und gute Taten
getan werden. Es verliert seine Wirkung und wird schwächer und schwächer und
zuletzt von der Summe anderer, falscher Gedanken, Worte und Taten überdeckt,
sobald das rechte Tun nachläßt oder völlig unterbleibt. Das Falsche wächst in
und um uns in dem Maße, als falsche Gedanken, Worte und Werke getan werden. Und
nicht nur falsches Denken, Reden und Tun ist unheilsam, sondern auch die Lauheit
(Indifferenz), da sie jeder positiven Entwicklung abhold ist; sie erzeugt
Stillstand, Verwahrlosung und damit Rückschritt. Nur das gute Tun ist das
richtige, da es das Gute erhält und verstärkt.
Dhp.
- "Was je der Feind dem Feind getan,
- was Hasser je Gehaßtem tat:
- Der Geist, der schlecht gerichtet ist,
- tut selbst sich schlimmres noch als das."
Daraus, dass unser Handeln immer wechselnd—bald richtig, bald indifferent,
bald falsch—ist, erkennen wir, dass uns von Urzeiten her ebensoviel gute als
schlechte Neigungen anhaften. Andererseits sind unsere guten und schlechten
Veranlagungen der Niederschlag unserer früheren guten und schlechten Handlungen.
Dabei kann wechselweise die eine oder die andere Auswirkung stärker in
Erscheinung treten. Gibt sich ein Mensch bösen Handlungen hin, so ist es der
eigene Dämon, der ihn überwältigt. Ebenso sind Glück und Freude eines Menschen
von ihm selbst gewirkt. Es liegt am Menschen selbst, welche "Karmischen
Bildekräfte" in ihm überwiegen.
Dhp.
- "Auch wohl der Böse schaut das Glück,
- solang das Böse nicht gereift;
- ist aber böse Tat gereift,
- dann lauter Böses kommt zur Schau.
- Auch wohl den Guten Schlechtes trifft;
- solang das Gute nicht gereift;
- ist aber gute Tat gereift,
- dann lauter Gutes kommt zur Schau."
"Gutes und Böses stehen sich jedoch nicht schroff und unvereinbar gegenüber
wie Licht und Finsternis, sondern zwischen beiden liegt eine unendliche Skala
von Abschattungen. Im Gegensatz zu Zarathustra lehrt der Buddha nicht einen
uranfänglichen polaren Dualismus von Göttlichem und Teuflischem, bei welchem
seit und für immer unabänderlich feststeht, was Ormuzd, was Ahriman angehört,
sondern eine Rangordnung der Werte, bei welcher etwas, das in Beziehung zu dem
ganz Schlechten besser ist, im Verhältnis zu dem ganz Guten noch nicht gut zu
sein braucht." (H. v. Glasenapp.)
Ob das Gute und Böse, außerhalb unserer selbst gedacht werden, personifiziert
als Götter und Engel, Teufel und Dämonen, (Standpunkt des fühlenden, gläubigen
Erkennens) oder als Archetypen in uns (Standpunkt des denkenden,
naturwissenschaftlichen Erkennens), ist völlig gleich. "Es ist im Prinzip
dasselbe, ob einer um der Erkenntnis willen zum Himmel aufschaut, oder aber sich
in die Untergründe seiner "Seele" (Unbewusstes) versenkt." (H. v. Keyserling.)
Die Bedingungen zu diesem Rechten sowohl als zu diesem Falschen werden in jedem
Falle vom Menschen selbst geschaffen und schlagen sich in seinem Unterbewussten
als seine "karmischen Bildekräfte" nieder. Fühlendes, gläubiges Erkennen
projiziert sie als handelnde Kräfte nach außen, denkendes,
naturwissenschaftliches Erkennen verlegt ihre Wirkung und gestaltende Kraft in
den Menschen selbst. Fest steht, dass gute Handlungen gute, falsche Handlungen
aber falsche Wirkungen zeitigen. Das ist Gesetz, ist Karma.
"Du hast selbst das Böse (und das Gute) in dich eingelassen, du hast deinen
eigenen Charakter geschaffen. Deswegen müssen deine Taten dir angerechnet
werden." (Kant.)
So kann das Unrichtige, das Böse, im Unbewussten eine solche Anhäufung
erfahren, dass das dort vorhandene Richtige und Gute völlig unterdrückt wird und
kaum mehr zum Durchbruch zu kommen vermag. Das sind dann die Zeiten der Trübsal
und Not, in denen der Mensch überwiegend von dem Falschen, Schlechten und Bösen
aufgeladen und damit voll unendlicher Leidensfülle ist, die sich als Krankheit,
Spannung, Hemmung, Zwiespalt des Körperlichen, "Seelischen" und Geistigen
auswirkt.
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