SUTTA-NIPĀTA, Lehr-Dichtungen

IV.3. Boshaft (Dutthatthaka-Sutta)

(Eine Achter-Sutte)

 

780

Boshaften Sinns verleumden da die einen,
Die anderen tun's im Glauben, es sei Wahrheit.
Gerede wenn entstanden, nicht geht drauf ein der Muni.
So trifft den Muni nirgendwo Verstörung.

 


Verleumden (vadanti; wtl.: reden). MNidd und K erklären mit upavadanti (verleumden) und zwar als Verleumdung des Buddha und der Mönchsgemeinde. K gibt als Entstehungsgeschichte für diese Sutte die Episode von der Asketin Sundari (siehe Udāna IV, 8), die auf Geheiß andersgläubiger Asketen ermordet wurde, um die Jünger des Buddha mit dieser Tat zu belasten. Auch eine so alte Quelle wie MNidd weist ausdrücklich auf diese Geschichte hin. Dieser alten Tradition wurde daher in der Übersetzung gefolgt. Eine andere Möglichkeit wäre jedoch, vadanti als 'disputieren' aufzufassen, d.h. es auf die religiösen Streitgespräche zu beziehen, von denen das Achter-Buch so häufig handelt. Das in Zeile b folgende vādo hat sehr häufig die Bedeutung 'Disputation'. Aufgrund solcher Auffassung wäre dann zu übersetzen:

"Boshaften Geistes disputieren manche;
Die anderen tun's im Glauben, es sei Wahrheit.
Wenn Meinungsstreit entstanden, nicht geht drauf ein der Muni.
So trifft den Muni nirgendwo Verstörung."

Diese Wiedergabe würde gut zum Hauptinhalt dieser Sutte passen, die vorwiegend das Aufgeben von Ansichten und Meinungen behandelt.

Verstörung (khilo). Hier im MNidd erklärt als 'Niedergeschlagenheit des Geistes' (āhata-cittatā).


 

781

Wie könnte eigene Ansicht einer überwinden,
Den seine Willkür lenkt, der festgelegt auf sein Belieben.
Der selbst zurecht sich macht 'Vollkommenheiten'?
So wie er's gerad' versteht, so wird er reden.

 


Folgt man der traditionellen Auffassung der ersten Strophe so könnte der innere Zusammenhang dieses Verses mit dem vorhergehenden etwa derart gedacht werden: Wenn jene andersgläubigen Asketen sich von der 'Willkür' und dem 'Belieben' ihrer üblen Gesinnung selbst bis zur Verleumdung und zum Mord treiben lassen, dann kann freilich nicht erwartet werden, daß sie ihre eigene falsche Ansicht aufgeben können. -

Die beiden Begriffe in Zeile b sind jedoch besser aufzufassen
1) als die 'willkürlichen' Theorien jener Andersgläubigen,
2) als ihre 'Vorliebe' (ruci) für diese Theorien.
Eine alternative Übersetzung wäre dann:
"Den hierin Willkür lenkt, der festgelegt auf Lieblings-Theorien."

Vollkommenheiten (samattāni); d.h. jene Ideale, Idole oder 'Götter', die er sich, in Feuerbachs Sinn, nach seinem eigenen Bilde zurechtmacht, "so wie er's gerad' versteht". MNidd: "Gemeint ist einer, der seinen eigenen Meister und dessen Lehre und Gemeinde für die besten und vollkommensten hält."


 

782

Ein Mensch, der eigene Tugend, eigenes Regeltum,
Auch wenn er nicht gefragt, den anderen kündet,
Unedel nennen Kundige diese Art,
Die eben nur das eigene Ich verkündet.

 


K erklärt den Zusammenhang der Verse 782-783 mit der obigen Entstehungs-Geschichte wie folgt: Als nach Aufdeckung der Mord-Schuld der König den Erhabenen fragte, warum er ihm denn nicht früher von diesen Verleumdungen Mitteilung gemacht hätte, antwortete der Buddha: "Es ist nicht die Art von Edlen, über ihre Tugendhaftigkeit zu anderen zu sprechen."


 

 

783

Ein Mönch, der ruhevoll, gestillt im Herzen,
Der nicht sich seiner Tugend rühmet: "So bin ich!",
Als edel künden Kundige seine Art,
Die nirgend in der Welt von Hochmut weiß.

 

784

Wer Dinge sich ergrübelt und ersinntt,
Vorschwebend ihm als unklare Idole,
In denen er sein Heil erblickt,
Darauf gestützt, auf Schwankes gründet sich sein Frieden.

 


Dinge (dhammā); K = Ansichten. - Ergrübelt und ersinnt (pakappitā samkhatā). Beide Begriffe bedeuten wtl.: 'zurechtgemacht'; hier auf Geistiges bezogen, d.h.: erdacht, geistig konstruiert, fantasiert. MNidd unterscheidet tanhā- und ditthipakappanā, d.h. Wunsch-Fantasien und spekulative Fantasien (oder fantastische Ansichten).

Vorschwebend . . . als Idole (purakkhatā santi). Das Verb purakkharoti (wie in v. 794; s. Reg.) hat folgende Bedeutungen: voranstellen; nachfolgen (wie in v. 199, 277), verehren, schätzen, bevorzugen; umgeben. Über das entspr. Substantiv heißt es im MNidd: "Zwei Arten von Idolen (purakkhāra) gibt es: das durch Begehren und das durch Ansichten (beeinflußte) Idol (tanhā-p-, ditthi-p-). Von jenem Menschen nun (tassa, als das im Vers fehlende Korrelat zu yassa in Zeile a) ist das Begehrens-Idol nicht aufgegeben, das Ansichten-Idol nicht abgetan. Daher wandelt er, indem er sein Begehren oder seine Ansichten 'vor sich aufstellt' (purato katvā; d.h. ihnen folgt). Er geht einher mit dem Begehren oder den Ansichten als Banner, als Flagge, als seinem beherrschenden Prinzip; von ihnen ist er 'umgeben' (d.h. begleitet)."

Heil; lt. MNidd sind damit die auf falsche Ansichten gestützten Glückserwartungen für Diesseits und Jenseits zu verstehen.


 

785

Gewohnte Ansicht, schwer ist sie zu lassen,
Ein Dogma, unter Lehren ausgesucht.
Daher aus allen den Gewohnheiten des Denkens,
Verwirft man eine Lehre, nimmt die andere an.

 


Ein Dogma, unter Lehren ausgesucht (dhammesu niccheyya samuggahītam). Diese in ihrer Bedeutung nicht ganz gesicherte Phrase gehört zum typischen Wortschatz des Achter-Buches (siehe vv. 801, 837, 907). Samuggahītam, wtl.: 'das (geistig) stark Aufgegriffene', erscheint auch noch gesondert in vv. 759, 841. MNidd umschreibt es mit gāha, d.h. (geistiger) Greifakt, und erklärt: "Das als alleinige Wahrheit Ergriffene."

Aus allen den Gewohnheiten des Denkens (tesu nivesanesu). Das allein stehende nivesana bezieht sich hier wohl vor allem auf die 'gewohnte Ansicht' (ditthinivesa) in Zeile a, mag aber auch auf alles andere abträgliche 'Eingewöhnen' angewandt werden. Es entspricht, ebenso wie abhinivesa, dem deutschen 'Gewohnheit', d.h. dem 'Wohnungnehmen' des Geistes.

Verwirft . . . nimmt an (nirassati ādiyati); K gibt hierzu das in v. 791 enthaltene Gleichnis vom Affen. Von der entgegengesetzten Haltung wird in v. 787e gesprochen. Mit den gleichen Ausdrücken wie hier wird sie in v. 954 formuliert: n'ādeti na nirassati, "Nicht greift er auf, verwirft auch nicht."


 

 

786

Wer abgeschüttelt hat, hegt nicht erdachte Ansicht,
Von irgendeinem Sein aus dieser ganzen Welt.
Wer Schein und Dünkel lassend, alles abgeschüttelt,
Womit sollt' man ihn angehen? Nahe geht er nimmer.

 


Wer abgeschüttelt hat (dhona). MNidd gibt für diesen Beg,riff, dessen Ableitung nicht eindeutig feststeht, zwei verschiedene Erklärungen: "Die Weisheit wird dhonā genannt, weil durch sie (alles Schlechte) abgeschüttelt (dhuta) und abgewaschen wird (dhota)." Die erste Bedeutung bekommt durch das entsprechende Verb adhosi in v. 787d größere Wahrscheinlichkeit, da dort die Bedeutung 'abwaschen- oder 'läutern' weniger gut passen würde. - Vgl. dhutanga, die Regel des radikalen 'Abschüttelns', d.i. der strengen Askese.

Womit sollt' man ihn angehen? (sa kena gaccheyya). K: "Womit sollte er jetzt oder künftig, hinsichtlich der verschiedenen Daseinsfährten, in eine (Bezeichnung Klassifizierung oder) Benennung eingehen (sankham gaccheyya) (MNidd: nämlich als Höllenwesen . . . Gott, körperlich, unkörperlich usw.)?"

Nahe geht er nimmer (anupayo); zu upeti (upayati), heran- oder nahegehen, eingehen auf (v. 780c), eingehen in (v. 209d), sich anschließen. Vgl. Samyutta-Nik. III, 53(??): "Wer nahe geht (oder sich anschließt; upayo), ist unerlöst; wer nicht nahe geht (anupayo) ist erlöst. Wenn das Bewußtsein in der Annäherung (im Anschluß) an Körperlichkeit (rūpupāyam), an Gefühl usw. verharrt, wenn es die Körperlichkeit usw. als Objekt, als Grundlage nimmt, dann erlangt das Suchen nach Lust Wachstum, Entwicklung und Fülle." Upaya erscheint auch in einem Kompositum mit upādāna (Anhaften), als dessen schwächere Form, in Sam.Nik. II.15 (s. Geigers Übers.); III, 3 und 4.


 

787

Wer nahe geht den Dingen, nah' ist er dem Meinungs-Streit.
Wer nicht mehr nahe geht, wodurch und wie sollt' Rede je ihn treffen?
Aufgreifen und Verwerfen gibt es nicht für ihn,
Der hier schon abgeschüttelt alle Ansicht.

 


Upayo hi dhammesu upeti vādam; wtl.: "Wer nahe geht, der ist nahe einem Meinungsstreit hinsichtlich der Dinge (oder Lehren; d.h. er geht darauf ein)." MNidd: "Es gibt eine zweifache 'Annäherung' (upaya): durch Begehren und durch Ansichten."

Aufgreifen und Verwerfen (attam nirattam); so auch in vv. 858, 919. - K. E. N. übersetzt fälschlich mit 'Eigen und Uneigen', vielleicht auch beeinflußt durch eine von ihm zitierte und nachstehend wiedergegebene Stelle aus dem MNidd zu unserem Vers. Dort wird freilich u.a. auch von attā (Ich, Selbst) gesprochen, aber ganz offensichtlich nur als ein Wortspiel, während die eigentliche Worterklärung dort durch den Begriff gahana (annehmen) gegeben wird. Das attam unserer Textstellen mit 'ich' oder ähnlich wiederzugeben, würde eine sonst nicht nachweisbare grammatische Form erfordern, nämlich einen Nominativ neutri attam von der nur rudimentär vorkommenden a-Stammform, statt attā von der gebräuchlichen n-Stammform (attan).

Attam hat hier nichts mit attā zu tun, sondern ist Part.Perf. (Skr.: ātta) von ādadāti (aufnehmen). In der gleichen Bedeutung kommt es im Sn vor als attañjaha (v. 790), attam pahāya (v. 800) und attadanda (v. 935), sämtlich im Achter-Buch. Nirattam ist Part.Perf. von nirassati (Skr. nirasta, nirasyati) das in v. 785 vorkommt, wo das folgende ādiyati (nimmt an) dem attam in v. 787 entspricht.

Da diese beiden Begriffe in mehreren deutschen und englischen Übersetzungen falsch wiedergegeben wurden, sei die hier gegebene Übersetzung durch eine kurze inhaltliche Prüfung der fraglichen Textstellen belegt. In unserem v. 787 beziehen sich die beiden Begriffe deutlich auf das parteiische Behaupten und Ablehnen im Meinungsstreit. Daß hier Ich (attā) und Nicht-Ich (anattā) als die beiden entgegengesetzten und 'abzuschüttelnden Ansichten' bezeichnet werden sollten, darf wohl ohne weiteres ausgeschlossen werden; ebensowenig kann Zeile c den Sinn haben: er hat (oder es gibt für ihn) kein Ich oder Nicht-Ich. - In v. 858b werden die beiden Begriffe auf die vorerwähnten Besitztümer bezogen; auch hier wäre die Bedeutung 'Ich, Nicht-Ich' völlig unpassend. In v. 1098 wird unserem Begriff nirattam nicht attam, sondern uggahītam (wtl.: das Aufgegriffene) gegenübergestellt, was allein schon über die Bedeutung unseres Begriffspaares keinen Zweifel läßt.

MNidd: "Aufgreifen und Verwerfen gibt es nicht für ihn", d.h. es gibt für ihn weder die Ewigkeits-Ansicht eines Ich, noch die Vernichtungs-Ansicht eines (nihilistischen Alles-) Verwerfens (nirattā'ti). Es gibt für ihn weder die Annahme eines Selbst (attā'ti gahanam), noch etwas durch (nihilistisches) Verwerfen Ablehnbares (nirattā'ti rnuñcitabbam). Für wen es eine Annahme (oder begriffliche Bejahung) gibt, für den gibt es auch etwas Ablehnbares (begriffliche Verneinung, Negation). Für wen es etwas Ablehnbares (Negationen) gibt, für den gibt es auch Annahmen (Affirmationen). Der Heilige aber hat Annehmen und Ablehnen (gahanamuñcana) völlig, überwunden, er ist hinaus über Zunahme und Abnahme (Fortschritt und Rückschritt, Positionen und Negationen; vuddhi parihāni)." (Attā'ti sassata-ditthi natthi, nirattā'ti uccheda-ditthi natthi; attā'ti gahitam natthi, nirattā'ti muñcitabbam natthi. Yass'-atthi gahitam tass'atthi muñcitabbam; yass'atthi muñcitabbam tass'atthi gahitam. Gahana-muñcanam samatikkanto arahā vuddhi parihāni vītivatto.)

Beachtenswert ist der letzte Teil der MNidd-Stelle, wo die wechselseitige Erfordernis der Glieder eines Gegensatzpaares an dogmatischer Bejahung und Verneinung aufgezeigt wird. Vgl. Dschuangdsi: "Jedem Ja kann man ein Nein entgegensetzen "


IV.4. Rein (Suddhatthaka-Sutta)

 

(Eine Achter-Sutte)

 

788

"Ich schaue einen Reinen, völlig Siechtumsfreien!
Durch dessen Anblick wird dem Menschen Reinheit!'
Gewiß darüber so, es für das Höchste haltend,
Reines betrachtend, glaubt man's als Erkenntnis.

 


K gibt zur Erklärung die legendäre Geschichte eines jungen Mannes, von dessen Brust Strahlen ausgingen. Die Brahmanen führten ihn durch die Lande und ließen ihn von den Menschen verehren, indem sie behaupteten, daß sein Anblick Ansehen, Reichtum und himmlische Wiedergeburt bringe. Solange sich keine andere begründete Erklärung für den Beginn dieser Sutte bietet, muß man wohl darin dem K folgen, daß man als den Einsatzpunkt dieser und auch der folgenden Sutte tatsächlich jenen Volksglauben annimmt, dem zufolge der Anblick gewisser Menschen oder Dinge das Hören gewisser Tone oder Worte usw. glückbringend oder unheilbringend sei. MNidd zu v. 790 gibt hierfür Beispiele. - Wie es sich auch hiermit verhalten mag, so wendet sich jedenfalls dieser und der folgende Text, über den krassen Einzelfall eines Aberglaubens hinaus, im Allgemeinen gegen jede Befangenheit in der Wahrnehmung (siehe v. 792) und gegen die aus Wahrnehmungen abgeleiteten spekulativen Ansichten.

Durch dessen Anblick (ditthena; wtl.: durch Gesehenes oder Erkanntes) K. E. N. übersetzt 'durch Ansicht', was jedoch ditthiyā erfordern würde. Obwohl diese letztere Übersetzung durch das ñānena (Erkennen) des folgenden Verses nahegelegt wird, spricht doch der Zusammenhang mit Zeile a für die kommentarielle Auffassung. Es ist auch sehr unwahrscheinlich, daß für das gebräuchliche ditthi (Ansicht) hier dittham substituiert sein sollte. K. E. N. schreibt diesen ganzen Vers einem Gesprächspartner zu, wovon jedoch weder Text noch K etwas sagt.

Erkenntnis (ñāna); ebenso in v. 789b durch Erkennen. MNidd "Man glaubt, das Sehen von Formen durch das Sehbewußtsein sei 'Erkenntnis', sei 'der Weg', 'der Pfad', 'die Erlösung'."


 

789

Wenn durch das Sehen dem Menschen Reinheit würde,
Wenn er durch (solch) Erkennen Leiden aufgibt,
So würde einer, der am Leben hängt,
Durch anderes (als den Heiligen Pfad) gereinigt werden.
Doch bloße Ansicht ist dies derer, die so sprechen.

 


Der am Leben hängt (sopadhīka; metri causa hier mit langem ī); wtl.: einer mit Daseins-Stützen (sa-upādhika), d.h. einer, der an den Daseins-Stützen hängt; siehe v. 364 Anm.

Die Hinzufügung in Klammern, auch in 790b, folgte MNidd, wo es heißt: "durch einen anderen, nicht läuternden Weg, einen falschen, nicht zur Erlösung führenden Pfad, außerhalb der Vierfachen Vergewärtigung der Achtsamkeit . . . des Heiligen Achtfachen Pfades."


 

 

790

Nicht sagt ein wahrer Priester, daß die Reinheit
Aus anderem komme (als dem Heiligen Pfad),
Sei's durch Gesehenes, Gehörtes, anderswie Erfahrenes,
Sei es durch Regeln oder auch Gelübde.
Von Gutem und von Bösem unbefleckt,
Hat er von dem gelassen, was er (einst) ergriff
Und läßt sich nicht mehr ein auf (neues) Wirken*.

 


Anderswie Erfahrenes (mutam = Pali u. Skr. mata, gedacht, ver-mutet; aber auch, wie hier, 'erfahren'; s. Boeht., Skr.Wtb.). Hiermit werden die drei anderen Körpersinne (Geruch, Geschmack und Getast) umschrieben.

Hat er von dem gelassen, was er einst ergriff (attañjaho); wtl.: das Aufgegriffene lassend; nicht etwa von attā (Selbst), wie bei K. E. N.: "sich selber lassend". Siehe Anm. 787c.

* na pakubbamāno- s. Geigers Samy.-Übers. I, S. 38. MNidd: "Er erzeugt weder gute, schlechte noch reglose Karma-Gestaltungen ."


 

791

Das Frühere lassend, sich an Neues hängend:
Den Süchten folgend, nicht entgehen sie dem Sich-Binden.
Sie greifen auf, verwerfen wieder, wie ein Affe,
Der losläßt einen Ast und einen anderen packt.

 

792

Ein Mensch, der sich Gelübden hingegeben,
Hierhin und dorthin wird ein solcher schweifen,
Der im Bereich der Wahrnehmung gefangen.
Doch wer durch den Gewinn der Hohen Wissen
Die Lehre als ein Weiser hat durchdrungen,
Kein Schweifen kennt er mehr nach hierhin oder dorthin.

 


Hierhin und dorthin (uccāvacam); MNidd: "von einem Meister zum anderen, von einer Lehre, Anhängerschar, Ansicht zu einer anderen "

Im Bereich der Wahrnehmung befangen (saññā-satto). K erklärt wieder mit dem dreifachen üblen Gedanken der Sinnlichkeit usw.; doch sicherlich ist die hier behandelte, mißdeutete Wahrnehmung, d.i. des Gesehenen usw., gemeint.


 

793

Von all den Dingen keinem sich verbindend,
Was auch gesehen ward, gehört und anderswie erfahren:
Ihn, der da wirklich sieht, in Klarheit wandelt,
Worin hier in der Welt könnt' man ihn einbegreifen!

 


Keinem sich verbindend (visenibhūto; wohl von Ö , liegen, lehnen, neigen). Zur Bedeutung dieses Wortes ist heranzuziehen: usseneti (freundlich geneigt sein) und der Gegensatz patiseneti (sich [feindlich] entgegenstellen; s. v. 832: patisenikattā). Auf den Ausschluß dieses Gegensatzpaares bezieht sich offenbar das verneinende vi in visenibhūto (vgl. visenikatvā in vv. 833, 1078). Es bezeichnet also einen, der weder zu- noch abgeneigt ist, der nicht Partei ergreift, ein 'Unzugehöriger'. In diesem Sinne wurde die Wiedergabe mit 'sich nicht verbinden' gewählt. Ferner ist für den Sinn dieses Wortes auch v. 787a/b heranzuziehen; das dortige anupayo entspricht dem Sinne nach genau unserem visenibhūto. Für die hier gewählte Wiedergabe spricht übrigens auch deutlich die Gegenüberstellung v. 832 patisenikattā mit v. 833 visenikatvā, sowie der Inhalt der gesamten Pasūra-Sutte: die Ablehnung, sich an Streitgesprächen zu beteiligen. Vgl. auch Samy.22.79: viseneti, dort 'sich entziehen'. - Vers 793 a/b = 914 a/b.

# . . . könnt' man ihn einbegreifen (ken'īdha lokasmim vikappayeyya); vikappeti bedeutet hier: einreihen, zuordnenoder auch: beschreiben, kennzeichnen. Vgl. kappam neti (geht nicht in Begreifbarkeit ein; v. 521 Anm.) und na kappayanti (ergrübelnd nichts), in der folg. Verszeile. Die stilistische Form unserer Verszeile entspricht anderen sinngleichen Wendungen im Achter-Buch:

1) sa kena gaccheyya (Womit sollt' man ihn angehen? v. 786); das dort folgende 'Nahe geht er nimmer' entspricht, wie bereits bemerkt, dem visenibhūto unserer Stelle (keinem sich verbindend);

2) kena katham vadeyya (Wodurch und wie sollt' Rede je ihn treffen? v. 787).

Wörtlich kehrt unsere Verszeile wieder in v. 802d, auch dort gefolgt von 'Ergrübelnd nichts . . .' - MNidd: "Da er sich der Gedanken des Begehrens und der Ansichten (tanhā-, ditthi-kappa) entäußert hat, unter welcher Gier, welchem Haß und Wahn . . . welcher Ansicht . . . sollte er begriffen werden (kappeyya)? Da er karmisches Gestalten aufgegeben hat, unter welcher Daseinsfährte sollte er erfaßt werden (kappeyya); als Höllenwesen, Tier, Geist, Mensch, Gott, als formhaft oder formfrei . . .?"

Zu dieser 'Unzugehörigkeit' vgl. v. 455 und Anguttara-Nikāya IV.36, wo der Buddha von sich sagt: "Jene Triebe, durch deren Nicht-Aufgeben ich etwa ein Gott wäre oder ein Gandharve, ein Geist, ein Mensch, die sind für mich aufgegeben."


 

794

Ergrübelnd nichts und nicht Idolen folgend,
Nicht sprechen sie von 'Höchster Reinheit'.
Nachdem des Greifens fest geknüpfte Bande sie gelöst,
Sehnsucht erzeugen sie nach nichts mehr in der Welt.

 


MNidd: "Nicht bezeichnen sie als höchste Reinheit' solche Lehren wie die Reinigung durch den Ablauf des Samsara (samsāra-suddhi), die moralische Wirkungslosigkeit des Handenls (akiriya-suddhi), die Ewigkeits-Ansicht (sassata-vāda)."


 

795

Begrenzung überschritten hat der wahre Priester.
Wenn er erkannt hat, klar geschaut die Dinge,
Dogmen ergreifen gibt es nicht für ihn.
Er ist nicht gierentbrannt und nicht erregt durch Abscheu.
Nicht gibt es das für ihn: nach einem Jenseits greifen!

 


Begrenzung überschritten . . . (sīmātigo). Dies dürfte sich vielleicht darauf beziehen, daß jedes 'Ergreifen von Dogmen' (Zeile c) eine Selbst-Begrenzung der Erkenntnis ist. MNidd erklärt allerdings sīmā (Grenze) als die vier 'begrenzten' Gruppen von Fesseln (samyojana) und hanghaften Neigungen, die durch die vier Hohen Pfade 'überschritten', d.h. überwunden werden.

Dogmen ergreifen (samuggahītam); s. 785 Anm.

na rāgarāgī na virāgaratto. MNidd erklärt den ersten Begriff mit 'Verlangen nach der Sinnenwelt', den zweiten mit 'Verlangen nach der feinkörperlichen und unkörperlichen Welt'. Dies ist jedoch kaum zutreffend. Heranzuziehen ist vielmehr: v. 813 na hi so rajjati no virajjati, (Nicht süchtet er und hegt nicht Abscheu) (vgl. die dortige Anm.). Virāga wäre dann hier nicht, wie meist, als 'Entsüchtung' aufzufassen, d.i. als die Indifferenz gegenüber der Gier (rāga), sondern als ihr emotioneller Gegensatz, 'Abscheu'. Hier wird also die Freiheit vom 'Annehmen und Verwerfen' auf ein anderes Gebiet, das der Leidenschaften, bezogen, als ein weiteres Beispiel der zu erstrebenden Übergegensätzlichkeit.

Nach einem Jenseits greifen (param uggahītam); param kann auch, wie im MNidd, aufgefaßt werden als paramam, das in der folgenden Sutte vorkommt, und wäre dann wiederzugeben mit 'nach einem Höchsten'; 'greifen' (uggahītam), vermutlich im Sinne von sam-uggahītam (Zeile c), d.h. das Ergreifen durch dogmatische Spekulationen.


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