SUTTA-NIPĀTA, Lehr-Dichtungen

IV.14. Schnell (Tuvataka-Sutta)

 

(Für den Titel, Tuvataka-sutta, gibt die Sutte selber keinen Anhalt. Im Kommentar zum Mahā-samaya-sutta des Dīgha-Nikāya (s. Anhang) wird unser Text als Tuvataka-patipadā bezeichnet, d.h. 'Der schnelle Weg' oder 'Schneller Fortschritt'. Diese Bedeutung dürfte wohl beabsichtigt sein und sich vielleicht auf die zusammenhängende 'Anweisung zum mönchischen Leben' (v. 922ff) beziehen.)

 

915 (DER FRAGENDE)

Den Sonnen-Sohn befrage ich, den großen Seher,
Um Abgeschiedenheit und um die Friedens-Stätte.
Wenn was erkannt wird, ist ein Mönch gestillt,
Nicht haftend mehr an irgend etwas in der Welt?

 

916 (DER ERHABENE)

Die Wurzel dieser Vielheits-Welt in ihren Teilen,
Den Dünkel des 'Ich bin', ihn soll der Weise ganz vernichten
Was an Begehrungen im Inneren haust,
Sie zu beseitigen übe er sich achtsam.

 


Zeile a. - Mūlam papañca-samkhāyā; vgl. v. 874 m. Anm.


 

917

Welch' Tugend man auch mag erkennen
Sei's bei sich selber, sei es außen auch,
Nicht soll man deshalb Stolz erzeugen,
Denn nicht wird 'Stillung' dies genannt von Guten.

 


Zeile a. - Tugend = dhamma, hier als guna (gute Eigenschaft) erklärt.

Zeile b. - MNidd: "Was auch immer man als eigenen Vorzug erkennen mag oder den seines Lehrers usw."


 

918

Man möge nicht darum sich besser dünken,
Nicht unterlegen und auch nicht als gleich.
Obwohl mit vielen Tugenden versehen,
Nicht möge man sich selbst vergleichend unterscheiden.

 


Zeile c. - phuttho anekarūpehi; die Übersetzung folgte K und MNidd.

Zeile d. - Nämlich im Sinne der drei obigen vergleichenden Selbstbewertungen.


 

919

In sich nur möge Stillung man erzeugen.
Nicht soll der Mönch in irgend anderem Frieden suchen.
Wer so in sich die Stillung fand,
Kein Greifen kennt er und auch kein Verwerfen.

 


Zeile a. - Ajjhattam eva upasame: wtl.: '.Das Innere eben möge man beruhigen", d.h., lt. MNidd, seine Gier, seinen Haß und seinen Wahn, sowie alle anderen Befleckungen und unheilsamen Eigenschaften des Inneren.

Zeile d. - natthi attam kuto nirattam vā; vgl. 787c.


 

920

Wie in des Meeres Mitte keine Welle sich erhebt,
In Stetigkeit und Stille sich das Meer befindet,
So sei man stetig, still, sei ohne Wunsches-Regung,
Aufwallung möge nicht der Mönch
Bei irgend etwas je in sich erzeugen.

 


Zeile a. - MNidd: "Es ist dies das 84000 Yojanas tiefe Weltmeer. Unten, bis zu einer Tiefe von 40 000 Yojanas, ist nämlich das Wasser durch die Fische in Bewegung gesetzt. Oben, in einem Gebiet von gleichfalls 40 000 Yojanas, wird das Wasser von den Winden bewegt. In der Mitte jedoch, in einem Bereich von 4000 Yojanas, bewegt sich das Wasser nicht, es wird nicht aufgerührt, es ist unbeweglich, still."

Zeile d. - Aufwallung (ussadam), wohl auf das Bild vom Meer anspielend; gemeint sind die Aufwallungen sämtlicher Leidenschaften .


 

921 (DER FRAGENDE)

Das hüllenfreie Auge hat gekündet
Die selbst-erschaute Lehre, meisternd alle Fährnis.
Vom Übungs-Pfade spreche nun, Verehrter,
Von Ordensregel und auch von der Sammlung!

 

922 (DER ERHABENE)

Mit seinen Blicken schweife nicht umher der Mönch;
Vor niedrigem Gespräch verschließe er sein Ohr.
Auch den Geschmäcken giere er nicht nach
Und schätze in der Welt nichts als sein eigen.

 

923

Wenn Krankheit an ihn rührt,
Soll keine Klage je dem Mönch entfahren.
Nach Dasein trag' er kein Gelüsten,
Nicht zittern soll er in Gefahr.

 


Zeile a. - phassena yathā phuttha'assa; MNidd: roga-phassena (durch Krankheits-Berührung). Vgl. 966a: ātankaphassena. . . phuttho, wtl.: von Siechtums-Berührung berührt.


 

924

Erhält er Nahrung und Getränk.
Kaubare Speise und Gewand,
So speichere er's nicht auf,
Erhält er diese nicht,
So bleib' er unbewegt.

 

925

Der Schauung hingegeben, schweif' er nicht umher;
Von Unrast halte er sich fern und sei nicht lässig.
An lärm-entlegenen Stätten soll der Mönch verweilen.

 

926

Nicht mög' er langem Schlafe sich ergeben,
Voll Eifer pflege er die Wachsamkeit.
Trägheit und Trug, das Lachen und das Spielen,
Geschlechtlichkeit samt ihrem Schmuck und Beiwerk,
Dies alles möge völlig er verlassen.

 


Zeile b. - MNidd: "Tag und Nacht in sechs Abschnitte teilend, wache er während fünf dieser Zeitabschnitte und nur während eines einzigen möge er sich niederlegen (nämlich während des fünften, der mittleren Nachtwache von 10-2 Uhr)."


 

927

Nicht Zauberwerk, nicht Traum- und Zeichenkunde,
Auch nicht das Deuten der Gestirne üb' er aus.
Mit Tierlaut-Deutung, Fruchtbarkeits-Bewirkung,
Mit Heilkunst soll sich nicht befassen, wer mir anhängt.

 


Zauberwerk, āthabbanam = der Atharva, eine Sammlung von Zaubersprüchen erst später als der vierte Veda anerkannt.


 

928

Vor Tadel soll der Mönch nicht zittern,
Und wenn gelobt, nicht mög' ihn Stolz befallen.
Die Gier zusammen mit dem Neide,
Den Ärger, das Verleumden möge er verwinden.

 

929

Mit Kauf und Verkauf geb' er sich nicht ab,
Nicht irgend Tadelnswertes soll der Mönch verüben.
Nicht mach' er heimisch sich im Dorfe,
Sprech' nicht zu Leuten mit der Absicht auf Gewinn.

 


Zeile b. - Tadelnswertes (upavādam), so lt. MNidd: "er erzeuge in sich keine tadelbewirkenden Befleckungen" (upavādakare kilese na karevya).


 

930

Kein Prahler sei der Mönch
Und spreche kein berechnend Wort.
Dreistes Betragen möge er nicht zeigen
Und streitendes Gespräch nicht führen.

 


Zeile b. - D.h. Äußerungen, die auf den Erhalt von Spenden usw. abzielen.


 

 

931

Zu Lügenworten sei er nicht verleitet
Und füge keinen Nachteil zu bewußt.
Nicht wegen Lebensführung oder Weisheit,
Und wegen Regeltreue oder auch Gelübden
Soll über andere sich der Mönch erheben.

 

932

Hat von Asketen, die so wortereich,
Er reichlich Schimpfwort angehört,
Rauh möge er erwidern nicht:
Nicht stellen Edle sich zum Kampf.

 


Zeile d. - Na ... patisenikaronti, wtl.: stellen sich nicht entgegen; vgl. v. 832 und 793 Anm.


 

933

Hat diese Lehre er verstanden,
Tief sie erforschend, übe sich in ihr
Mit steter Achtsamkeit der Mönch.
Hat die Erlöschung als den Frieden er erkannt,
Nicht sei er lässig in der Satzung Gotamas!

 


Zeile d. - MNidd: die Erlöschung von Gier, Haß und Wahn.


 

 

934

Bezwinger ist Er, selber unbezwungen,
Mit eigenen Augen sah Er jene Lehre,
Die nicht auf Überlieferungsglauben ist gegründet.
Daher, in dieses Hehren Satzung unermüdlich,
Stets möge man sich üben voller Ehrfurcht!

 


Zeile e.- Voller Ehrfurcht (namassam); wtl.: verehrend. MNidd: "Verehrend mit Tat, Wort und Gedanke, verehrend durch guten, lehrgemäßen Wandel."

Dieser Vers schließt ab mit -ti Bhagavā, wird also, ebenso wie der vorhergehende, von den alten Textredaktoren dem Buddha zugeschrieben. Daß der Buddha von sich in v. 933e als Gotama, in v. 943a/b in der dritten Person und in v. g34e als Hehrem oder Erhabenem (bhagavā) gesprochen haben sollte, ist allerdings nicht sehr wahrscheinlich. Dies mag der Grund dafür gewesen sein, daß K. E. N. diese beiden Verse dem 'Fragenden' in den Mund legt. Wir haben es jedoch hier grundsätzlich ausgeschlossen, in der Übersetzung selber von der vorliegenden Textfassung abzuweichen.


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