Der Weg zur Erlösung

Zur vierten Wahrheit

 

 

Die zwei Extreme und der Mittelweg

46

S.56, 11

Zwei Extreme, ihr Mönche, möge der Hauslose nicht befolgen: Welche beiden?

Sich dem sinnlichen Genusse hingeben, dem niedrigen, gemeinen, weltlichen, unedlen, sinnlosen; und sich der Selbstkasteiung hingeben, der leidvollen, unedlen, sinnlosen. Diese beiden Extreme, ihr Mönche, hat der Vollendete vermieden und den mittleren Pfad erkannt, der sehend und wissend macht und zur Stillung, Durchschauung, Erleuchtung und zum Nirvana führt.

Was aber, ihr Mönche, ist jener mittlere Pfad? Es ist jener edle achtfache Pfad, nämlich rechte Erkenntnis, rechte Gesinnung, rechte Rede, rechtes Tun, rechter Lebensunterhalt, rechte Anstrengung, rechte Achtsamkeit, rechte Sammlung . . .

 

47

A. VIII, 90

Zur Erkennung und völligen Durchschauung von Gier, so ihr Mönche, von Haß, Verblendung, Wut, Verkleinerungssucht, Neid, Geiz, Gleisnerei, Falschheit, Hartnäckigkeit, Heftigkeit, Dünkel, Hochmut, Eitelkeit und Nachlässigkeit und zu dieser Dinge völliger Vernichtung, Überwindung, Versiegung, Erlöschung, Abwendung, Zerstörung, Entsagung und Loslösung hat man diese acht Dinge zu entfalten.

 

Dhp. 274-76

Kein andrer Pfad wie dieser ist’s,
Der zur Erkenntnisreinheit führt.
Drum wandelt diesen Pfad entlang,
Dann wird der Mahr geblendet sein.
Denn wenn ihr diesem Pfade folgt,
Macht ihr ein Ende allem Leid.
Gelehrt hab’ ich den Pfad, erkannt,
Wie man vom Stachel sich befreit.
Ihr selbst müßt eifrig euch bemüh’n,
Die Buddhas zeigen bloß den Weg.
Wer diesem folget selbstvertieft,
Wird aus den Banden Mahrs erlöst.

 

Pali māra, wörtl. Mörder, Tod (offenbar verwandt mit nord. mara, deutsch Mahr, Mahre, lat. mors usw.) ist die Personifikation der die Menschen überwältigenden sinnlichen Begehrensobjekte. „Was da, Radha, den Mahr betrifft so hast du dein Verlangen danach zu überwinden. Was aber ist der Mahr? Die Körperlichkeit ist Mahr: Da hast du das Verlangen danach zu überwinden. Gefühl . . . Wahrnehmung . . . Geistesformationen . . . Bewußtsein ist Mahr: Da hast du das Verlangen danach zu überwinden." (S. 23, 35). Die dann weiter folgenden Sutten in S. bezeichnen mit Mahr alles Vergängliche, Leidvolle, Unpersönliche, Hinschwindende, Versiegende usw. (Wtb.)

 

 

Rechte Erkenntnis

48

A. X, 121

Dem Sonnenaufgang, ihr Mönche, geht als Vorläufer und erstes Anzeichen die aufsteigende Morgenröte vorauf. Ebenso auch, ihr Mönche, geht den heilsamen Dingen als Vorläufer und erstes Anzeichen die rechte Erkenntnis vorauf . . .

 

49

A. III, 65

„Geht nicht, Kalamer, nach Hörensagen, nicht nach dem, was von altersher einer dem anderen nachredet, nicht nach Gerüchten, nicht nach der Überlieferung der Schriften, nicht nach bloßen Vernunftgründen und logischen Folgerungen, nicht nach äußerlichen Erwägungen, nicht nach der Übereinstimmung mit euren Ansichten und Grübeleien, nicht nach dem Scheine der Wirklichkeit, nicht danach, daß der Asket euer Meister ist! Wenn ihr, Kālāmer, selber erkennt, daß diese oder jene Dinge echt und verwerflich sind, von den Verständigen getadelt werden und, ausgeführt oder unternommen, zu Unheil und Leiden führen, so möget ihr, Kālāmer, dieselben aufgeben.

Was meint ihr, Kālāmer: Gereichen Gier, Haß und Verblendung, die im Menschen aufsteigen, ihm zum Heile oder Unheile?"

„Zum Unheile, o Ehrwürdiger."

„Aus Gier, Haß oder Verblendung, Kālāmer, von Gier, Haß oder Verblendung überwältigt, gefesselten Geistes, tötet man Lebendes, nimmt man Nichtgegebenes, vergeht man sich an seines Nächsten Weib, redet man falsch, und auch die anderen spornt man zu solchen Dingen an, was einem lange Zeit zu Unheil und Leiden gereicht."

„So ist es, o Ehrwürdiger."

„Was meint ihr, Kālāmer, sind diese Dinge heilsam oder unheilsam?"

„Unheilsam, o Ehrwürdiger."

„Tatelig oder untatelig?"

„Tatelig, o Ehrwürdiger."

„Und führen diese Dinge, ausgeführt oder unternommen, zu Unheil und Leiden oder nicht?"

„Diese Dinge, o Ehrwürdiger, führen zu Unheil und Leiden. So denken wir hierüber . . ."

„Was meint ihr, Kālāmer: Gereichen Begehrlosigkeit oder Haßlosigkeit oder Unverblendung, die im Menschen aufsteigen, ihm zum Heile oder Unheile?"

„Zum Heile, o Ehrwürdiger."

„Frei von Gier, Haß und Verblendung, von Gier, Haß und Verblendung nicht überwältigt, tötet man nichts Lebendes, nimmt man nichts Ungegebenes, vergeht man sich nicht an seines Nächsten Weib, redet man nicht falsch und spornt nicht die anderen zu diesen Dingen an, was einem lange Zeit zum Segen und Wohle gereicht."

„So ist es, o Ehrwürdiger . . ."

„Also von Begierde und Übelwollen befreit, Kālāmer, wahnlos, wissensklar, achtsam, durchdringt der edle Jünger mit einem von Güte, Mitleid, Mitfreude oder Gleichmut erfüllten Geiste erst eine Richtung, dann die zweite, dann die dritte, dann die vierte. Ebenso durchdringt er nach oben, nach unten, nach allen vier Winden, überall, allerwärts, die ganze Welt mit einem von Güte, Mitleid, Mitfreude oder Gleichmut erfüllten Geiste, einem weiten, umfassenden, unermeßlichen, von Haß und Übelwollen befreiten.

Mit einem von Begierde und Übelwollen also befreiten, unbefleckten und geläuterten Geiste, Kālāmer, ist dem edlen Jünger schon bei Lebzeiten ein vierfacher Trost gewiß: ,Gibt es eine andere Welt und eine Frucht, ein Ergebnis der heilsamen und unheilsamen Taten, so mag es sein, daß ich beim Verfall des Körpers, nach dem Tode, auf glückliche Fährte, in himmlischer Welt wiedererscheine’; dieses ersten Trostes ist er gewiß. ,Gibt es aber keine andere Welt und keine Frucht und kein Ergebnis der heilsamen und unheilsamen Taten, so lebe ich eben hier in dieser Welt ein leidloses, glückliches Leben, frei von Haß und Übelwollen’; dieses zweiten Trostes ist er gewiß. ,Wenn nun einem Übeltäter Böses widerfährt - ich sinne ja gegen niemanden etwas Böses - wie kann da wohl mir, der ich nichts Übles tue, Böses widerfahren?’ dieses dritten Trostes ist er gewiß. ,Wenn aber einem Übeltäter nichts Böses widerfährt, so weiß ich mich hier eben beiderseits rein’; dieses vierten Trostes ist er gewiß . . ."

50

M. 43

Zwei Bedingungen gibt es, ihr Brüder, zum Aufsteigen der rechten Erkenntnis: Belehrung durch einen anderen und eigenes weises Erwägen.

 

51

A. I, 23

Gleichwie, ihr Mönche, wenn man den Nimba-Samen oder den Kosātaki-Samen oder den Samen des bitteren Kürbis auf feuchten Boden sät, er all das, was er an Erdsubstanzen oder Wassersubstanzen in sich aufnimmt, zu bitterem, scharfem und widrigem Geschmacke führt - eben wegen des bitteren Samens - ebenso, ihr Mönche, was auch immer ein Mensch, der von verkehrten Ansichten geleitet wird, seinen Ansichten folgend in Werken, Worten oder Gedanken wirkend ausführt oder unternimmt, und was er auch denkt und wonach er strebt, was sein Verlangen, seine Neigungen auch immer seien: So führt das alles zu Unerwünschtem, Unerfreulichem, Unangenehmem, zu Verderben und Leiden - eben wegen der verkehrten Ansichten.

52

A. I, 20

Nicht möglich ist es, ihr Mönche, ist ausgeschlossen, daß ein von rechter Erkenntnis durchdrungener Mensch irgend ein Gebilde (sankhāra) für unvergänglich (nicca) halten sollte. Wohl aber, ihr Mönche, ist es möglich, daß der Weltling irgend ein Gebilde für unvergänglich hält.

Nicht möglich ist es, ihr Mönche, ist ausgeschlossen, daß ein von Erkenntnis durchdrungener Mensch irgend ein Gebilde für (wirkliches) Glück (sukha) halten sollte. Nicht möglich ist das. Wohl aber, ihr Mönche, ist es möglich, daß der Weltling irgend ein Gebilde für Glück hält.

Nicht möglich ist es, ihr Mönche, ist ausgeschlossen daß ein von Erkenntnis durchdrungener Mensch irgend etwas für ein Ich (attā) halten sollte. Nicht möglich ist das. Wohl aber, ihr Mönche, ist es möglich, daß der Weltling irgend etwas für ein Ich hält.

Nicht möglich ist es, ihr Mönche, ist ausgeschlossen, daß ein von Erkenntnis durchdrungener Mensch seine Mutter des Lebens berauben sollte . . . seinen Vater des Lebens berauben sollte . . . einen Heiligen des Lebens berauben sollte . . . ruchlosen Herzens eines vollendeten Blut vergießen sollte . . . eine Spaltung in dem Orden der Jünger bewirken sollte. Nicht möglich ist das. Wohl aber, ihr Mönche, ist es möglich, daß der Weltling . . . eine Spaltung im Orden der Jünger bewirkt.

 

 

Die im letzten Abschnitt genannten fünf üblen Taten, d. i. Vatermord, Muttermord usw., gelten als die zu unmittelbarer Wiedergeburt (in der Hölle) führenden Taten (ānantarika-kamma; s Wtb.). Für den damit Behafteten ist es nicht möglich, schon bei Lebzeiten in den Strom einzutreten.

 

 

Rechte Gesinnung, rechte Rede, rechtes Tun

 

53

A. X, 176

Der Erhabene zu Cunda, dem Schmiedesohn.

Dreifach ist, Cunda, Reinheit in Werken, vierfach in Worten, dreifach in Gedanken.

Wie aber, Cunda, ist Reinheit in Werken dreifach? - (1) Da, Cunda, meidet einer die Zerstörung von Leben, enthält sich der Zerstörung von Leben; Stock und Waffe verwerfend, verweilt er voll Liebe und Wohlwollen zu allen lebenden Wesen. - (2) Er meidet das Stehlen, steht ab vom Nehmen des Nichtgegebenen; was ein anderer im Dorfe oder Walde an Hab und Gut besitzt, das nimmt er nicht in diebischer Absicht weg. - (3) Er meidet geschlechtliche Ausschreitungen, steht ab von geschlechtlichen Ausschreitungen; er vergeht sich nicht gegen Mädchen, die unter der Obhut von Vater, Mutter, Bruder, Schwester oder Verwandten oder unter dem Schutze des Gesetzes stehen, oder gegen verheiratete Frauen oder gegen weibliche Sträflinge oder gar gegen blumengeschmückte Bräute. So, Cunda, ist Reinheit in Werken dreifach.

Wie aber, Cunda, ist Reinheit in Worten vierfach? - (1) Da, Cunda, meidet einer die Lüge, enthält sich der Lüge. Befindet er sich in einer Versammlung oder unter Menschen oder unter seinen Verwandten oder inmitten einer Gesellschaft, oder wird er vor Gericht geladen und als Zeuge befragt: ,Komm, lieber Mann, sage aus, was du weißt!’, so sagt er, wenn er nichts weiß: ,Ich weiß es nicht’, und wenn er etwas weiß: ,Ich weiß es’. Hat er nichts gesehen, so sagt er: ,Ich habe nichts gesehen’, und hat er etwas gesehen, so sagt er: ,Ich habe es gesehen’.

So spricht er weder um seiner selbst willen noch um eines anderen willen, noch um irgend eines weltlichen Vorteils willen eine bewußte Lüge. - (2) Er meidet die Zwischenträgerei, enthält sich der Zwischenträgerei; was er hier gehört hat, erzählt er dort nicht wieder, um diese zu entzweien; und was er dort gehört hat, erzählt er hier nicht wieder, um jene zu entzweien. So einigt er die Entzweiten, ermutigt die Geeinten, findet Freude, Lust und Gefallen an Eintracht, und Eintracht fördernde Worte spricht er. - (3) Er meidet rohe Worte, enthält sich roher Worte; milde Worte, die dem Ohre angenehm sind, liebevoll, zu Herzen gehend, höflich, viele erfreuend, viele beglückend: solcher Worte bedient er sich. - (4) Er meidet das leere Geplapper, enthält sich des leeren Geplappers; er redet zur rechten Zeit, den Tatsachen gemäß, zweckmäßig, im Sinne des Gesetzes und der Disziplin, führt Reden, die wertvoll sind, mit passenden Gleichnissen ausgestattet, angemessen und sinnvoll. So, Cunda, ist Reinheit in Worten vierfach.

Wie aber, Cunda, ist Reinheit in Gedanken dreifach? - (1) Da, Cunda, ist einer ohne Habgier; was ein anderer an Hab und Gut besitzt, danach giert er nicht. - (2) Er ist voll wohlwollender Gesinnung, trägt unverdorbene Gedanken in seinem Herzen, wie: ,Ach, möchten doch diese Wesen ohne Übel und Beschwerden sein und ein leidloses, glückliches Leben führen! - (3) Er hat die rechte Erkenntnis, die unbeirrte Ansicht: Gaben, Geschenke und Opfer sind nicht wertlos; es gibt eine Frucht und ein Ergebnis der heilsamen und unheilsamen Taten; es gibt sowohl diese Welt als auch die nächste Welt; Vater Mutter und geistgeborene Wesen sind keine leeren Worte, es gibt in der Welt Mönche und Priester von rechtem und vollkommenen Wandel, die diese Welt wie die nächste Welt selber erkannt und verwirklicht haben und sie erklären können. So ist Lauterkeit in Gedanken dreifach.

Dies, Cunda, sind die zehn heilsamen Wissensfährten (kamma-patha).

 

 

Vermeidung niedriger Gespräche

54

S. 46, 10

Gebt euch nicht, ihr Mönche, den vielerlei niedrigen Gesprächen hin, wie Gesprächen über Fürsten, Räuber, Minister, Heere, Gefahren, Krieg, Essen und Trinken, Kleider und Lagerstätten, Blumenschmuck und Düfte, Verwandte, Wagen, Dörfer, Marktflecken, Städte und Länder, Weiber und Helden, Straßen- und Brunnengesprächen, Gesprächen über die Geister der Verstorbenen, Klatschereien, Gesprächen über Welt und Meer, über Gewinn und Verlust.

 

 

In den Kommentaren werden noch vier weitere niedrige Gespräche, wörtlich ,tierische Gespräche’ (tiracchāna-kathā), aufgezählt, so daß sich damit die Zahl von achtundzwanzig auf zweiunddreißig erhöht, nämlich: Gespräche über Sinnengenuß und Selbstkasteiung, Ewigkeit und Vernichtung.

 

Und warum sollt ihr euch diesen Gesprächen nicht hingeben? Weil diese Gespräche sinnlos sind, nicht dem urheiligen Wandel angemessen, und nicht zur Abwendung, Loslösung, Erlöschung führen, nicht zum Frieden, zur Durchschauung, Erleuchtung und zum Nirvana.

Wollt ihr euch unterhalten, ihr Mönche, so sprechet darüber, was Leiden ist, was die Entstehung des Leidens ist, was die Erlöschung des Leidens ist, was der zur Erlöschung des Leidens führende Pfad ist. Und warum?

Weil solches Gespräch sinnvoll ist, dem urheiligen Wandel angemessen, und zur Abwendung, Loslösung, Erlöschung führt, zum Frieden, zur Durchschauung, Erleuchtung und zum Nirvana.

 

 

 

Rechte Anstrengung

55

A. IV, 14

Vier Kämpfe gibt es, ihr Mönche: Welche vier?

Den Kampf zur Vermeidung, den Kampf zur Überwindung, den Kampf zur Erweckung, den Kampf zur Erhaltung.

Was aber, ihr Mönche, ist der Kampf zur Vermeidung (samvara)? Erblickt da, ihr Mönche, der Mönch mit dem Auge eine Form, so haftet er weder am Ganzen noch an den Einzelheiten. Denn da, unbewachten Auges weilend, Begierde und Trübsal und andere üble, unheilsame Dinge auf ihn eindringen möchten, so wacht er darüber, hütet er das Auge, wacht er über das Auge. Hört er mit dem Ohre einen Ton . . . riecht er mit der Nase einen Duft . . . schmeckt er mit der Zunge einen Saft . . . empfindet er im Körper einen Eindruck . . . ist er sich im Geiste eines Dinges bewußt, so haftet er weder am Ganzen noch an den Einzelheiten. Denn da, unbewachten Geistes weilend, Begierde und Trübsal und andere üble, unheilsame Dinge auf ihn eindringen möchten, so wacht er darüber, hütet er den Geist, wacht er über den Geist. Das, ihr Mönche, nennt man den Kampf zur Vermeidung.

Was aber, ihr Mönche, ist der Kampf zur Überwindung (pahāna)? Da läßt, ihr Mönche, der Mönch einen aufgestiegenen Gedanken der Begierde nicht Fuß fassen, überwindet, vertreibt, vernichtet ihn und bringt ihn zum, Schwinden. Er läßt einen aufgestiegenen Gedanken des Hasses, einen aufgestiegenen Gedanken der Grausamkeit nicht Fuß fassen - läßt aufgestiegene üble, unheilsame Dinge nicht Fuß fassen, überwindet, vertreibt, vernichtet sie und bringt sie zum Schwinden. Das, ihr Mönche, nennt man den Kampf zur Überwindung.

Was aber, ihr Mönche, ist der Kampf zur Entfaltung (bhāvanā)? Da, ihr Mönche, entfaltet der Mönch die auf Entsagung, Loslösung und Erlöschung gerichteten und zur Befreiung führenden Erleuchtungsglieder, wie: Achtsamkeit, Wahrheitsergründung, Willenskraft, Verzückung, Gestilltheit, Sammlung und Gleichmut. Das, ihr Mönche, nennt man den Kampf zur Entfaltung.

Was aber, ihr Mönche, ist der Kampf zur Erhaltung (anurakkhana)? Da hält, ihr Mönche, der Mönch einen aufgestiegenen Gegenstand der Vertiefung im Geiste fest, wie die Vorstellung eines Knochengerippes, die Vorstellung eines von Würmern zernagten Leichnams, die Vorstellung eines blau verfärbten Leichnams, die Vorstellung eines in Fäulnis übergegangenen Leichnams, die Vorstellung eines zerstückelten Leichnams, die Vorstellung eines aufgedunsenen Leichnams. Das, ihr Mönche, nennt man den Kampf zur Erhaltung.

 

Über die Leichenbetrachtungen s. Kap. 83.

 

Diese vier Kämpfe gibt es, ihr Mönche.

Überwindung und Vermeidung,
Entfaltung und Erhaltung:
Diese vier gewalt’gen Kämpfe
Wies des Lichtes hehrer Sproß.
Wer sich darin standhaft zeiget,
Mag des Leidens Ende schau’n.

 

 

Rechte Sammlung

56

M. 44

Was aber, o Ehrwürdige (Dhammadinnā), ist Sammlung (samādhi), was sind die Objekte der Sammlung, was die Erfordernisse, was die Entfaltung der Sammlung?

Was da, Bruder Visākha, Einspitzigkeit (Auf-ein-Objekt-Gerichtetsein) des Geistes ist, das gilt als Sammlung. Die vier Grundlagen der Achtsamkeit (satipatthāna): Körperlichkeit, Gefühl, Geist oder Geistobjekte (s. Kap. 141 ff) sind die Objekte der Sammlung. Die vier rechten Kämpfe (s. Kap. 55) sind die Erfordernisse der Sammlung. Was da aber Übung, Entfaltung und Pflege aller dieser Dinge ist, das gilt hierbei als die Entfaltung der Sammlung (samādhi-bhāvanā).

 

57

S. 22, 5

Entfaltet die Sammlung, ihr Mönche! Der gesammelte Mönch, ihr Mönche, erkennt die Dinge der Wirklichkeit gemäß. Und welche Dinge erkennt er der Wirklichkeit gemäß? Er erkennt das Entstehen und Hinschwinden der Körperlichkeit der Wirklichkeit gemäß, erkennt das Entstehen und Hinschwinden des Gefühls der Wirklichkeit gemäß, erkennt das Entstehen und Hinschwinden der Wahrnehmung der Wirklichkeit gemäß, erkennt das Entstehen und Hinschwinden der Geistesformationen der Wirklichkeit gemäß, erkennt das Entstehen und Hinschwinden des Bewußtseins der Wirklichkeit gemäß.

 

 

Dreiteilung des Pfades (Sittlichkeit. Sammlung, Wissen)

58

 

 

Für allen wirklichen Fortschritt und die Erreichung der vier überweltlichen Pfade bildet rechte Erkenntnis die Voraussetzung und Grundlage, weshalb sie auch als erstes Glied des achtfachen Pfades genannt wird. Doch die stufenweise Entwicklung und die Erreichung der höchsten Vollkommenheit in den einzelnen Pfadgliedern vollzieht sich in der folgenden Reihenfolge der in Kap. 1 vermerkten Dreiteilung des Pfades: Sittlichkeit (síla), Sammlung (samādhi), Wissen (paññā). Diese drei Gebiete (wörtlich: Gruppen, khandha; s. Kap. 62) des Pfades sind auch identisch mit den drei Schulungen (sikkhā; s. Kap. 60).

 

A. V, 22

Nicht möglich ist es, daß man, ohne das Gebiet der Sittlichkeit bemeistert zu haben, das Gebiet der Sammlung bemeistern wird. Nicht möglich ist es, daß man, ohne das Gebiet der Sammlung bemeistert zu haben, das Gebiet des Wissens bemeistern wird.

 

59

D. 16 (= A. IV, 1)

Durch das Nichtverstehen, Nichtdurchdringen von vier Dingen, ihr Mönche, haben sowohl ich als auch ihr in diesen langen Zeiten die Geburten durchwandert, die Geburten durcheilt. Von welchen vier Dingen aber?

Durch das Nichtverstehen, Nichtdurchdringen der edlen Sittlichkeit (síla), ihr Mönche, der edlen Sammlung (samādhi), des edlen Wissens (paññā) und der edlen Erlösung haben sowohl ich als auch ihr in diesen langen Zeiten die Geburten durchwandert, die Geburten durcheilt.

Nun ist aber, ihr Mönche, diese edle Sittlichkeit, diese edle Sammlung, dieses edle Wissen und diese edle Erlösung verstanden und durchdrungen, das Daseinsbegehren abgeschnitten, der Daseinsstrom versiegt, und keine weitere Wiedergeburt steht mehr bevor.

 

 

Dreifache Schulung

60

A. III, 88f.

Drei Arten der Schulung gibt es, ihr Mönche: Welche drei? Hohe Sittlichkeitsschulung, hohe Geistesschulung, hohe Wissensschulung.

Was aber, ihr Mönche, ist die hohe Sittlichkeitsschulung (adhisíla-sikkhā)? Da, ihr Mönche, ist ein Mönch sittenhaft, beherrscht sich hinsichtlich der Ordenssatzung, ist vollkommen im Wandel und Umgang, und vor den geringsten Vergehen zurückschreckend, übt er sich in den auf sich genommenen Übungsregeln. Das, ihr Mönche, nennt man die hohe Sittlichkeitsschulung.

Was aber, ihr Mönche, ist die hohe Geistesschulung (adhicitta-sikkhā)? Da, ihr Mönche, gewinnt der Mönch, abgeschieden von den sinnlichen Dingen, abgeschieden von unheilsamen Dingen, die erste, zweite, dritte oder vierte Vertiefung. Das, ihr Mönche, nennt man die hohe Geistesschulung.

Was aber, ihr Mönche, ist die hohe Wissensschulung (adhipaññā-sikkhā)? Da, ihr Mönche, erkennt der Mönch der Wirklichkeit gemäß, was Leiden ist, erkennt der Wirklichkeit gemäß, was die Entstehung des Leidens ist, erkennt der Wirklichkeit gemäß, was die Erlöschung des Leidens ist, erkennt der Wirklichkeit gemäß, was der zur Leidenserlöschung führende Pfad ist. Und durch Versiegung der Triebe gelangt der Mönch in den Besitz der von Trieben freien Geisteserlösung und Wissenserlösung, in dem er sie selber erkennt und verwirklicht. Das, ihr Mönche, ist die hohe Wissensschulung.

Diese drei Arten der Schulung gibt es, ihr Mönche.

 

 

Die Mittel zur Triebversiegung

61

M. 6

Wünscht sich, ihr Mönche, der Mönch: ,Ach, möchte ich doch nach Versiegung der üblen Triebe die von allen Trieben freie Gemütserlösung und Wissenserlösung schon bei Lebzeiten selber erkennen, verwirklichen und mir zu eigen machen!’, so soll er eben vollkommene Sittlichkeit (síla) üben, sich der Geistesruhe (samatha = samādhi) hingeben und die Vertiefung nicht vernachlässigen, soll mit Hellblick (vipassanā = paññā) ausgestattet sein und einsame Behausungen aufsuchen.

 

 

Der Pfad und seine Dreiteilung

62

M. 44

„Sind wohl, o Ehrwürdige (Dhammadinnā), in dem edlen achtfachen Pfade die drei Gebiete (Sittlichkeit, Sammlung, Wissen) eingeschlossen, oder ist in den drei Gebieten der edle achtfache Pfad eingeschlossen?"

„Nicht sind, Visākha, in dem edlen Pfade die drei Gebiete eingeschlossen, wohl aber ist in den drei Gebieten der edle achtfache Pfad eingeschlossen. Was da nämlich rechte Rede, rechte Werke und rechter Lebensunterhalt anbetrifft, so sind diese Dinge im Sittlichkeitsgebiete (síla-kkhandha) eingeschlossen. Was da rechte Anstrengung, rechte Achtsamkeit und rechte Sammlung anbetrifft, so sind diese Dinge in dem Sammlungsgebiete (samādhikkhandha) eingeschlossen. Was da aber rechte Erkenntnis und rechte Gesinnung anbetrifft, so sind diese Dinge in dem Wissensgebiete (paññā-kkhandha) eingeschlossen."

 

 

Das Sittlichkeitsgebiet nämlich umfaßt alles, was es überhaupt an Sittenregeln gibt, also selbst alle rein äußerlichen Mönchsregeln, während die Sittlichkeit des achtfachen Pfades nur aus dem dreifachen rechten Wandel in Werken, dem vierfachen rechten Wandel in Worten und dem rechten Lebensunterhalt besteht. Auch die beiden anderen Gebiete haben weiteren Umfang als die entsprechenden Pfadglieder. Neumanns Übersetzung dieser ganzen Stelle ist nicht nur philologisch, sondern auch sachlich nicht haltbar.

 

 

 

Die sieben Stufen der Reinheit

63

 

 

Die Entfaltung des achtfachen Pfades, genauer gesagt, die stufenweise Vollendung in Sittlichkeit, Sammlung und Wissen, vollzieht sich in den als die sieben Stufen der Reinheit (satta visuddhi) bezeichneten Stadien. Diese sind:

  1. Reinheit der Sittlichkeit (síla-visuddhi)
  2. Reinheit des Geistes (citta-visuddhi)
  3. Reinheit der Erkenntnis (ditthi-visuddhi)
  4. Reinheit der Zweifelentrinnung (kankhāvitarana-visuddhi)
  5. Reinheit des Erkenntnisblicks mit Hinsicht auf Pfad und Nichtpfad (maggāmagga-ñānadassana-visuddhi)
  6. Reinheit des fortschreitenden Erkenntnisblicks (patipadā-ñānadassana-visuddhi)
  7. Reinheit des Erkenntnisblicks (ñānadassana-visuddhi)

Die einzige Stelle im Kanon, wo diese sieben Stufen der Reinheit nicht nur aufgezählt, sondern auch durch ein Gleichnis erläutert werden, ist M. 24, das Gleichnis von dem Wagengespann. In D. 34 findet sich eine bloße Aufzählung derselben und zwar als ,zu entfaltende Dinge’.

 

 

Das Ziel des heiligen Wandels

64

M. 24

Zur Seite sitzend sprach der ehrwürdige Sāriputta zum ehrwürdigen Punna, der Mantāni Sohn (der den Sāriputta nicht erkennt), also:

„Wir führen da, o Bruder, unter dem Erhabenen den heiligen Wandel."

„Ja, o Bruder."

„Führt man nun wohl, o Bruder, den heiligen Wandel unter dem Erhabenen der Reinheit der Sittlichkeit wegen?"

„Nein, o Bruder."

„Oder der Reinheit des Geistes wegen?"

„Nein, o Bruder."

„Oder der Reinheit der Erkenntnis wegen?"

„Nein, o Bruder."

„Oder der Reinheit der Zweifelentrinnung wegen?"

„Nein, o Bruder."

„Oder wegen der Reinheit des Erkenntnisblicks mit Hinsicht auf Pfad und Nichtpfad?"

„Nein, o Bruder."

„Oder der Reinheit des fortschreitenden Erkenntnisblicks wegen?"

„Nein, o Bruder."

„Oder der Reinheit des Erkenntnisblicks wegen?"

„Nein, o Bruder."

„Wie aber, o Bruder? Auf alle meine Fragen antwortest du jedesmal: ,Nein, o Bruder.’ Zu welchem Zwecke nun aber führt man da wohl unter dem Erhabenen den heiligen Wandel?"

„Zum Zwecke des völligen Nirvanas (Erlöschens) führt man unter dem Erhabenen den heiligen Wandel."

„Wie nun, o Bruder, gilt wohl die Reinheit der Sittlichkeit als das von Haften freie völlige Nirvana?"

„Nein, o Bruder."

„Oder gilt etwa die Reinheit des Geistes als das von Anhaften völlige Nirvana? . . . oder die Reinheit der Erkenntnis? . . . oder die Reinheit der Zweifelentrinnung? . . . oder die des Erkenntnisblicks mit Hinsicht auf Pfad und Nichtpfad? . . . oder die des fortschreitenden Erkenntnisblicks? . . .oder die Reinheit des Erkenntnisblicks?"

„Nein, o Bruder."

„Wie aber, o Bruder, hat man den Sinn dieser Worte zu verstehen?"

„Hätte, o Bruder, der Erhabene die Reinheit der Sittlichkeit als das von Haften freie völlige Nirvana erklärt, so hätte er etwas noch mit Haften Verbundenes als das von Haften freie völlige Nirvana erklärt. Hätte er die Reinheit des Geistes, der Erkenntnis, der Zweifelentrinnung, des Erkenntnisblicks mit Hinsicht auf Pfad und Nichtpfad, des fortschreitenden Erkenntnisblicks oder die Reinheit des Erkenntnisblicks als das von Haften freie völlige Nirvana erklärt, so hätte er etwas noch mit Haften Verbundenes als das von Haften freie völlige Nirvana erklärt. Wäre aber die Verwirklichung des von Haften freien völligen Nirvanas unabhängig von diesen Dingen, dann könnte selbst der Weltling das Nirvana erreichen, denn der Weltling ist ohne diese Dinge. So werde ich dir denn ein Gleichnis geben, denn auch durch ein Gleichnis mag manch ein verständiger Mann den Sinn der Worte verstehen.

Nimm an, o Bruder (Sāriputta), Pasenadi, der Kosaler König, habe während seines Aufenthaltes in Sāvatthi irgend eine dringende Angelegenheit in Sāketa zu erledigen, und man halte zwischen Sāvatthi und Sāketa sieben Gespanne für ihn bereit. Und Pasenadi, der Kosaler König, träte aus Sāvatthi durch das Palasttor hinaus, bestiege das erste Gespann und führe mit diesem ersten Gespann bis zum zweiten Gespann. Dann entließe er das erste Gespann, bestiege das zweite Gespann und führe mit dem zweiten Gespann bis zum dritten Gespann. Dann entließe er das zweite Gespann und führe mit dem dritten Gespann bis zum vierten . . . fünften . . . sechsten Gespann. Dann entließe er das sechste Gespann, bestiege das siebente Gespann und führe mit dem siebenten Gespann bis Sāketa vor das Palasttor. Nehmen wir nun an: Während der König sich im Palast befindet, fragten ihn seine Freunde, Vettern und Blutsverwandten, ob er mit diesem Gespann von Sāvatthi bis an das Palasttor in Sāketa gefahren sein. Wie möchte da wohl, o Bruder, Pasenadi, König der Kosaler, richtig antworten?"

„Richtig antworten würde er, wenn er erklärte: ,Während ich in Sāvatthi weilte, hatte ich plötzlich eine dringende Angelegenheit in Sāketa zu erledigen. Man hielt daher zwischen Sāvatthi und Sāketa sieben Gespanne für mich bereit. Und ich trat aus Sāvatthi durch das Palasttor hinaus, bestieg das erste Gespann und fuhr mit diesem zum zweiten Gespann . . . dritten . . . vierten . . . fünften . . . sechsten . . . siebenten Gespann und fuhr mit diesem bis an das Palasttor in Sāketa.’ Durch solche Erklärung würde der König Pasenadi, der Kosaler König, die richtige Antwort geben."

„Genau so auch, o Bruder, hat die Reinheit der Sittlichkeit bloß die Reinheit des Geistes zum Ziele, die Reinheit des Geistes die Reinheit der Erkenntnis, die Reinheit der Erkenntnis die Reinheit der Zweifelentrinnung, die Reinheit der Zweifelentrinnung die Reinheit des Erkenntnisblicks mit Hinsicht auf Pfad und Nichtpfad, diese die Reinheit des fortschreitenden Erkenntnisblicks, diese die Reinheit des Erkenntnisblicks. Die Reinheit des Erkenntnisblicks aber hat das haftlose völlige Nirvana zum Ziele. Und wegen des haftlosen völligen Nirvanas, o Bruder, führt man unter dem Erhabenen den heiligen Wandel."


  Oben zeilen.gif (1054 bytes)


">  Oben zeilen.gif (1054 bytes)