Anguttara Nikaya

12. Kapitel: paccorohani-vagga

A.X. 113 Lehrwidrig und lehrgemäß - I

Das Lehrwidrige und Schädliche, ihr Mönche, soll man kennen, sowie das Lehrgemäße und Förderliche; und hat man das Lehrwidrige und Schädliche sowie das Lehrgemäße und Förderliche erkannt, so soll man dem Lehrgemäßen und Förderlichen entsprechend leben.

Und was ist, ihr Mönche, das Lehrwidrige und Schädliche? Verkehrte Ansicht... verkehrte Befreiung.

Und was ist, ihr Mönche, das Lehrgemäße und Förderliche? Rechte Erkenntnis... rechte Befreiung.


A.X. 114 Lehrwidrig und lehrgemäß - II

Gleichlautend mit der Erklärung in Text 115.


A.X. 115 Lehrwidrig und lehrgemäß - III

»Das Lehrwidrige, ihr Mönche, soll man kennen und das Lehrgemäße sowie das Schädliche und das Förderliche; und hat man das Lehrwidrige und das Lehrgemäße, das Schädliche und das Förderliche erkannt, so soll man dem Lehrgemäßen und Förderlichen entsprechend leben.«

Also sprach der Erhabene. Nach diesen Worten aber erhob sich der Erhabene von seinem Sitze und begab sich in seine Zelle.

Nicht lange aber, nachdem der Erhabene gegangen war, da sagten sich die Mönche: »Der Erhabene, ihr Brüder, hat uns da in kurzen Worten einen Lehrsatz gegeben, und ohne den Sinn näher zu erklären, hat er sich in seine Zelle begeben. Wer vermöchte wohl, den Sinn des vom Erhabenen in Kürze gegebenen Lehrsatzes näher zu erklären?« Und der Gedanke kam ihnen: »Dieser ehrwürdige Ananda wird ja vom Meister selber gepriesen und ist angesehen bei seinen Ordensbrüdern. Der ehrwürdige Ananda ist wohl dazu imstande, den Sinn zu erklären. So wollen wir denn zum ehrwürdigen Ananda hingehen und ihn darum befragen. Wie es uns der ehrwürdige Ananda erklären wird, so wollen wir es uns merken.« Darauf begaben sich jene Mönche zum ehrwürdigen Ananda und trugen ihm ihr Anliegen vor.

(Ananda:) »Gleichwie, ihr Brüder, ein Mann, der Kernholz wünscht, nach Kernholz sucht, auf Kernholz ausgeht, über die Wurzeln eines dastehenden Baumes hinwegklettert, über den Stamm hinwegklettert und in den Zweigen und im Laubwerk Kernholz zu finden hofft, genauso verhält es sich hier. Obwohl der Meister zugegen war, habt ihr ihn, den Erhabenen, übergangen und glaubt, mich befragen zu sollen. Jener Erhabene, wahrlich, ihr Brüder, erkennt das Erkennbare, durchschaut das Durchschaubare, er ist verkörperte Einsicht, verkörperte Erkenntnis, verkörperte Lehre, verkörperte Heiligkeit; er ist der Künder und Verkünder, der Erschließer des Sinnes, der Spender des Todlosen, der Lehre Herr, der Vollendete. Ihr hattet ja Zeit, euch zum Erhabenen zu begeben und ihn um die Sache zu befragen. Wie es euch dann der Erhabene erklärt hätte, so hättet ihr es euch merken sollen.«

»Freilich, Bruder Ananda, erkennt der Erhabene das Erkennbare..., und wohl hatten wir Zeit, uns zum Erhabenen zu begeben und ihn darum zu befragen. Doch der ehrwürdige Ananda wird ja vom Meister selber gepriesen, und angesehen ist er bei den Ordensbrüdern. Wohl wäre der ehrwürdige Ananda dazu imstande, den Sinn des vom Erhabenen in Kürze gegebenen Lehrsatzes ausführlich zu erklären. Erklären möge es der ehrwürdige Ananda, wenn es ihm nicht beschwerlich ist!«

»So höret denn, Brüder, und achtet wohl auf meine Worte!« - »Ja, Bruder«, widerten jene Mönche, und der ehrwürdige Ananda sprach:

»'Das Lehrwidrige, ihr Mönche, soll man kennen, und das Lehrgemäße sowie das Schädliche und das Förderliche; und hat man das Lehrwidrige und Lehrgemäße, das Schädliche und das Förderliche erkannt, so soll man dem Lehrgemäßen und Förderlichen entsprechend leben.' Diesen kurzen Lehrsatz, ihr Brüder, hat euch der Erhabene gegeben, und ohne den Sinn näher zu erklären, hat er sich in seine Zelle begeben. Was ist nun, ihr Brüder, das Lehrwidrige und was das Lehrgemäße, was ist das Schädliche und was das Förderliche?

Verkehrte Ansicht, Brüder, ist das Lehrwidrige, rechte Erkenntnis das Lehrgemäße. Die vielen üblen, unheilsamen Dinge, die zufolge verkehrter Ansicht entstehen, diese sind das Schädliche; die vielen heilsamen Dinge, die auf Grund rechter Erkenntnis entstehen, diese sind das Förderliche. Verkehrte Gesinnung ist das Lehrwidrige, rechte Gesinnung das Lehrgemäße - verkehrte Rede ist das Lehrwidrige, rechte Rede as Lehrgemäße - verkehrte Handlungsweise ist das Lehrwidrige, rechte Handlungsweise das Lehrgemäße - verkehrter Lebensunterhalt ist das Lehrwidrige, rechter Lebensunterhalt das Lehrgemäße - verkehrtes Streben ist das Lehrwidrige, reches Streben das Lehrgemäße - verkehrte Achtsamkeit ist das Lehrwidrige, rechte Achtsamkeit das Lehrgemäße - verkehrte Sammlung ist das Lehrwidrige, rechte Sammlung das Lehrgemäße - verkehrtes Wissen ist das Lehrwidrige, rechtes Wissen das Lehrgemäße - verkehrte Befreiung ist das Lehrwidrige, rechte Befreiung das Lehrgemäße. Die vielen üblen, unheilsamen Dinge, die zufolge verkehrter Befreiung entstehen, diese sind das Schädliche; die vielen heilsamen Dinge, die auf Grund rechter Befreiung entstehen, diese sind das Förderliche.

So, ihr Brüder, verstehe ich den ausführlichen Sinn des Lehrsatzes, den der Erhabene in Kürze gegeben hatte, ohne den Sinn näher zu erklären. Wenn ihr wollt, ihr Brüder, so möget ihr nun zum Erhabenen hingehen und ihn um den Sinn befragen. Wie es euch der Erhabene erklären wird, so mögt ihr es euch merken.«

»Gut, o Bruder«, erwiderten jene Mönche dem ehrwürdigen Ananda. Durch die Worte des ehrwürdigen Ananda erfreut und befriedigt, erhoben sie sich von ihren Sitzen und begaben sich zum Erhabenen. Dort angelangt, begrüßten sie ehrfurchtsvoll den Erhabenen und setzten sich zur Seite nieder. Seitwärts sitzend, sprachen jene Mönche zum Erhabenen also:

»Nicht lange, o Herr, nachdem der Erhabene gegangen war, da sagten wir uns: Der Erhabene, o Brüder, hat uns da in kurzen Worten einen Lehrsatz gegeben, und ohne den Sinn näher zu erklären, hat er sich in seine Zelle begeben. Wer vermöchte wohl, den Sinn des vom Erhabenen in kurzen Worten gegebenen Lehrsatzes näher zu erklären?' Und der Gedanke kam uns: 'Dieser ehrwürdige Ananda wird ja vom Meister selber gepriesen und ist angesehen bei seinen Ordensbrüdern. So wollen wir denn zum ehrwürdigen Ananda hingehen und ihn darum befragen. Wie es uns der ehrwürdige Ananda erklären wird, so wollen wir es uns merken.' Darauf begaben wir uns zum ehrwürdigen Ananda und befragten hin. Und der ehrwürdige Ananda legte uns in solcher Weise, in solchen Sätzen und solchen Worten den Sinn ausführlich dar.«

»Recht so, ihr Mönche, recht so! Weise, ihr Mönche, ist Ananda, ein großes Wissen, ihr Mönche, besitzt Ananda. Auch wenn ihr zu mir gekommen wäret, ihr Mönche, und hättet mich nach dieser Sache gefragt, so hätte ich dies genauso erklärt, wie es Ananda erklärt hat. Das eben ist der Sinn davon, und so möget ihr ihn euch merken.«


A.X. 116 Maßstäbe des Gelehrtentums

Ajita, ein Wanderasket, begab sich zum Erhabenen und sprach zu ihm also:

»Unter uns, Herr Gotama, gibt es einen gelehrten Ordensbruder, der fünfmal hundert Gedankenarten ausgesonnen hat, wobei die Andersgläubigen, sobald sie überführt sind, sich als überführt bekennen.«

Der Erhabene aber wandte sich an die Mönche und sprach:

»Entsinnt ihr euch, ihr Mönche, auf die Maßstäbe des Gelehrtentums?«

»So ist es an der Zeit, Erhabener, so ist es an der Zeit, Gesegneter, daß der Erhabene davon spricht. Des Erhabenen Worte werden die Mönche sich merken.«

»So höret denn und achtet wohl auf meine Worte!«

»Ja, o Herr.«

»Da, ihr Mönche, widerlegt und bezwingt einer eine lehrwidrige Behauptung durch eine lehrwidrige Behauptung. Dadurch aber begeistert er eine dem Lehrwidrigen ergebene Menge, und sie stimmt darüber ein lautes, helles Geschrei an: 'Welch ein Gelehrter ist dieser Verehrte! Welch ein Gelehrter ist dieser Verehrte!'

»Ferner, ihr Mönche, widerlegt und bezwingt da einer eine lehrgemäße Behauptung durch eine lehrwidrige Behauptung. Dadurch aber begeistert er eine dem Lehrwidrigen ergebene Menge, und sie stimmt darüber ein lautes, helles Geschrei an: 'Welch ein Gelehrter ist dieser Verehrte! Welch ein Gelehrter ist dieser Verehrte!'

»Ferner, ihr Mönche, widerlegt und bezwingt da einer durch eine lehrwidrige Behauptung eine teils lehrgemäße, teils lehrwidrige Behauptung. Dadurch aber begeistert er eine dem Lehrwidrigen ergebene Menge, und sie stimmt darüber ein lautes, helles Geschrei an: 'Welch ein Gelehrter ist dieser Verehrte! Welch ein Gelehrter ist dieser Verehrte!'

»Ferner, ihr Mönche, widerlegt und bezwingt da einer eine lehrwidrige Behauptng durch eine lehrgemäße Behauptung. Dadurch aber begeistert er eine der Lehre ergebene Menge, und sie stimmt darüber ein lautes, helles Geschrei an: 'Welch ein Gelehrter ist dieser Verehrte! Welch ein Gelehrter ist dieser Verehrte!'

»Das Lehrwidrige, ihr Mönche, soll man kennen, und das Lehrgemäße sowie das schädliche und das Förderliche; und hat man das Lehrwidrige und Lehrgemäße, sowie das Schädliche und das Förderliche erkannt, so soll man dem Lehrgemäßen und dem Förderlichen entsprechend leben.

»Verkehrte Ansicht ist das Lehrwidrige, rechte Erkenntnis das Lehrgemäße... (wie in Text 115).«


A.X. 117 Das diesseitige und das jenseitige Ufer

Sangārava, der Brahmane, begab sich zum Erhabenen und sprach zu ihm also:

»Was ist wohl, Herr Gotama, das diesseitige Ufer und was das jenseitige Ufer?«

»Verkehrte Ansicht, Brahmane, ist das diesseitige Ufer, rechte Erkenntnis das jenseitige Ufer. Verkehrte Gesinnung ist das diesseitige Ufer, rechte Gesinnung das jenseitige Ufer. Verkehrte Rede ist das diesseitige Ufer, rechte Rede das jenseitige Ufer. Verkehrte Handlungsweise ist das diesseitige Ufer, rechte Handlungsweise das jenseitige Ufer. Verkehrter Lebensunterhalt ist das diesseitige Ufer, rechter Lebensunterhalt das jenseitige Ufer. Verkehrtes Streben ist das diesseitige Ufer, rechtes Streben das jenseitige Ufer. Verkehrte Achtsamkeit ist das diesseitige Ufer, rechte Achtsamkeit das jenseitige Ufer. Verkehrte Sammlung ist das diesseitige Ufer, rechte Sammlung das jenseitige Ufer. Verkehrtes Wissen ist das diesseitige Ufer, rechtes Wissen das jenseitige Ufer. Verkehrte Befreiung ist das diesseitige Ufer, rechte Befreiung das jenseitige Ufer. Das, Brahmane, ist das diesseitige Ufer, und das ist das jenseitige Ufer.«

Die bei der recht gewiesenen Lehre im Einklang mit der Lehre leben, das andere Ufer werden sie erreichen, wenn sie das Todesreich durchkreuzt, das schwer man überwindet.

Nur eine kleine Menschenschar
gelangt zum anderen Ufer hin;
die anderen aber laufen alle
entlang dem Ufer auf und ab.
Die bei der recht gewiesenen Lehre
im Einklang mit der Lehre leben,
das andere Ufer werden sie erreichen,
wenn sie das Todesreich durchkreuzt,
das schwer man überwindet.
Das Düstere gebe auf der Weise,
das Lichte, das entfalte er.
Vom Haus ins Hauslose gelangt,
such' er das Glück der Einsamkeit,
wo man nicht leicht sich glücklich fühlt.
Und ohne Wunsch und Eigentum
mög' läutern der Verständige
von Geistestrübungen sein Herz.
Die in den Gliedern der Erleuchtung
entfaltet haben ihren Geist,
durch Loslösung vom Daseinsdrang
beglückt sind ohne jeden Hang -
die Triebversiegten, Strahlenden
sind allem Wahn der Welt entflohen.

A.X. 118 (Wie Text 117)

Text 118 ist gleichlautend mit Text 117, doch an die Mönche gerichtet.


A.X. 119 Die edle Reinigung - I

Es war an einem Fasttage (Uposatha), da stand der Brahmane Jānussoni mit gewaschenem Haupte und in ein frisches Paar von Leinengewändern gekleidet, mit einer Handvoll feuchten Kusagrases, unweit vom Erhabenen an der Wegseite. Der Erhabene erblickte ihn und sprach:

»Was stehst du da, Brahmane, am heutigen Fasttage, gebadeten Hauptes, in ein frisches Gewänderpaar gekleidet, mit einer Handvoll Kusagras, an der Wegseite? Was findet denn heute in der Brahmanenkaste statt?«

»Reinigung (paccorohanī, wtl: das Wiederhinabsteigen; ein brahmanisches Fest) übt heute die Brahmanenkaste, Herr Gotama.«

»Wie, Brahmane, vollzieht sich denn die Reinigung bei den Brahmanen?«

»Heute, am Fasttage, Herr Gotama, bestreichen die Brahmanen, gebadeten Hauptes und in ein frisches Paar Leinengewänder gekleidet, den Boden mit frischem Kuhdünger, bedecken ihn darauf mit frischem Kusagrase und bereiten ihr Lager zwischen dem Sand und der Feuerstätte. Dreimal erheben sie sich des Nachts und verehren erhobenen Händen das Feuer, dabei sprechend: 'Wir reinigen dich, Ehrwürdiger! Wir reinigen dich, Ehrwürdiger!' Und sie speisen das Feuer reichlich mit Butteröl, Sesamöl und Butter. Nach Verlauf der Nacht aber bewirten sie die Priester mit auserlesenen harten und weichen Speisen. So, Herr Gotama, vollzieht sich die Reinigung bei den Brahmanen.«

»Anders freilich, Brahmane, vollzieht sich die Reinigung bei den Brahmanen, anders aber in der Disziplin des Edlen.«

»Wie denn, Herr Gotama, vollzieht sich die Reinigung in der Disziplin des Edlen? Möge mir doch der Herr Gotama die Lehre darlegen, wie sich in der Disziplin des Edlen die Reinigung vollzieht!«

»So höre denn, Brahmane, und achte wohl auf meine Worte!«

»Ja, o Herr«, erwiderte der Brahmane Jānussoni, und der Erhabene sprach:

»Da, Brahmane, überlegt der edle Jünger also bei sich: 'Verkehrter Ansicht ist ein übles Ergebnis beschieden, gegenwärtig und in künftigem Dasein.' So überlegend, gibt er verkehrte Ansicht auf, reinigt sich von verkehrter Ansicht. Er überlegt bei sich: Verkehrter Gesinnung - verkehrter Rede - verkehrter Handlungsweise - verkehrtem Lebensunterhalt - verkehrtem Streben - verkehrter Achtsamkeit - verkehrter Sammlung - verkehrtem Wissen - verkehrter Befreiung ist ein übles Ergebnis beschieden, gegenwärtig und in künftigem Dasein. So überlegend, gibt er verkehrte Befreiung auf, reinigt sich von verkehrter Befreiung. So, Brahmane, vollzieht die Reinigung in der Disziplin des Edlen.«

»Anders freilich, Herr Gotama, vollzieht sich die Reinigung bei den Brahmanen, anders in der Disziplin des Edlen. Von dieser Reinigung in der Disziplin des Edlen die Reinigung der Brahmanen auch nicht den sechzehnten Teil wert. Vortrefflich, err Gotama! Vortrefflich, Herr Gotama! Ich nehme meine Zuflucht zum Herrn Gotama, zur Lehre und zur Mönchsgemeinde. Möge mich der Herr Gotama als Anhänger betrachten, der von heute ab zeitlebens Zuflucht genommen hat.«


A.X. 120 Die edle Reinigung - I a

Text 120 enthält den Passus über die »Reinigung in der Disziplin des Edlen«, gleichlautend mit Text 119, jedoch an die Mönche gerichtet.


A.X. 121 Die Morgenröte der Erkenntnis

Dem Sonnenaufgang, ihr Mönche, geht als Vorläufer und erstes Anzeichen die aufsteigende Morgenröte voran. Ebenso auch, ihr Mönche, geht den heilsamen Dingen als Vorläufer und erstes Anzeichen die rechte Erkenntnis voran. Dem recht Erkennenden entsteht rechte Gesinnung; dem recht Gesinnten entsteht rechte Rede... dem rechtes Wissen Besitzenden entsteht rechte Befreiung.


A.X. 122 Triebversiegung

Zehn Dinge, ihr Mönche, entfaltet und häufig geübt, führen zur Versiegung der Triebe. Welche zehn?

Rechte Erkenntnis... rechte Befreiung.


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