Anguttara Nikaya

2. Kapitel: cara-vagga

A.IV. 11 In allen Körperhaltungen I

Wenn, ihr Mönche, einem Mönch beim Gehen, Stehen, Sitzen oder Wachliegen ein Gedanke der Sinnlichkeit, des Hasses oder der Schädigung anderer aufsteigt, und der Mönch ihn in sich duldet, ihn nicht aufgibt, nicht vertreibt, nicht vernichtet, nicht zum Schwinden bringt, ein solcher Mönch, der in dieser Weise ohne Eifer und Schamgefühl ist, den nennt man 'ganz und gar lässig und willensschwach'.

Wenn, ihr Mönche, einem Mönch beim Gehen, Stehen, Sitzen oder Wachliegen ein Gedanke der Sinnlichkeit, des Hasses oder der Schädigung anderer aufsteigt, und der Mönch ihn nicht in sich duldet, ihn aufgibt, vertreibt, vernichtet, zum Schwinden bringt, ein solcher Mönch, der in dieser Weise voll Eifer ist und Schamgefühl, den nennt man 'ganz und gar willensstark und entschlossen'.

»Wer gehend, stehend, sitzend oder liegend
Gedanken hegt, die übel, weltgebunden,
hierdurch betört, kommt auf den Abweg er.
Unfähig ist ein solcher Mönch,
höchste Erleuchtung zu erringen.
Doch wer da gehend, stehend, sitzend, liegend
zur Ruhe bringt die üblen Gedanken,
an dieser Geistesstillung Freude findet,
wohl fähig ist ein solcher Mönch,
höchste Erleuchtung zu erringen.«

(Vgl. Kommentar zum Satipatthāna-Sutta (Christiani), S. 61ff, 88ff.)


A.IV. 12 In allen Körperhaltungen II

Der Sittlichkeit ergeben möget ihr weilen, ihr Mönche, der Ordenssatzung ergeben, in der Zucht der Ordenssatzung gezügelt, seid vollkommen im Wandel und Umgang! In den kleinsten Vergehungen die Gefahr sehend, übet euch in den Regeln, die ihr auf euch genommen! Ist aber einer der Sittlichkeit ergeben, der Ordenssatzung ergeben, gezügelt in der Zucht der Ordenssatzung, vollkommen im Wandel und Umgang, sieht er in den kleinsten Vergehungen die Gefahr und übt sich in den Regeln, die er auf sich genommen, was bleibt da ferner zu tun?

Wenn da, ihr Mönche, der Mönch beim Gehen, Stehen, Sitzen und Wachliegen frei ist von Sinnenlust und Ärger, wenn Starrheit und Mattigkeit, Aufgeregtheit und Gewissensunruhe sowie Zweifelsucht (nīvarana) aufgegeben sind, stark ist dann seine Willenskraft, unbeugsam; gewärtig die Achtsamkeit, unverwirrt; gestillt der Körper, unerregt; gesammelt der Geist, einsgeworden. Wenn nun der Mönch in dieser Weise voll Eifer ist und Schamgefühl, dann gilt er als 'ganz und gar willensstark und entschlossen'.

»Beherrscht im Gehen, Stehen, Sitzen und im Liegen,
beim Beugen und beim Strecken sei der Mönch beherrscht,
auch seiner ganzen Umwelt (*1) sorgsamer Betrachter (*2);
der Dinge Ablauf wird sich ihm dann zeigen,
der Daseinsgruppen Werden und Vergehen.
Wer solchem Wandel eifrig hingegeben,
wer friedlich lebt, mit unerregtem Geist,
den Übungspfad der Geistesstillung pflegend,
zu jeder Zeit voll wacher Achtsamkeit -
'Allzeit entschlossen' nennt man solchen Mönch.«

(Die Übersetzung von Text 11 und 12 folgte der Wiedergabe in Nyanaponika, Der einzige Weg (Christiani Vlg.), S. 64f.)

(*1) Wtl: »oben, unten und inmitten, soweit das Gebiet der Erde reicht«; K: im gesamten Bereich.

(*2) samavekkhitā; K: in rechter Weise, ursächlich, methodisch betrachtend.


A.IV. 13 Die vier rechten Kämpfe I

Vier rechte Kämpfe (*1) gibt es, ihr Mönche. Welche vier?

Da erzeugt, ihr Mönche, der Mönch in sich den Willen, nicht aufgestiegene üble, unheilsame Dinge nicht aufsteigen zu lassen; er strebt danach, setzt seine Willenskraft ein, spornt seinen Geist an und kämpft darum. Er erzeugt in sich den Willen, aufgestiegene üble, unheilsame Dinge zu überwinden; er strebt danach, setzt seine Willenskraft ein, spornt seinen Geist an und kämpft darum.

Er erzeugt in sich den Willen, nicht aufgestiegene heilsame Dinge aufsteigen zu lassen; er strebt danach, setzt seine Willenskraft ein, spornt seinen Geist an und kämpft darum.

Er erzeugt in sich den Willen, aufgestiegene heilsame Dinge zu festigen, nicht schwinden zu lassen, sondern sie zu Wachstum und voller Entfaltung zu bringen; er strebt danach, setzt seine Willenskraft ein, spornt seinen Geist an und kämpft darum.

Diese vier rechten Kämpfe gibt es, ihr Mönche.
»Die den rechten Kampf bestehen
und des Todes Macht bezwingen,
losgelöst sind sie entronnen
der Geburt, des Todes Schrecken.
Den Māra (*2) haben jene Seligen
samt seiner Heerschar unterjocht,
und seinem (*3) ganzen Machtbereich
sind wunschlos, selig sie entgangen.«

(*1) Die 4 rechten Kämpfe bilden das 6. Glied des achtfachen Pfades, Rechte Anstrengung (samma-ppadhāna).

(*2) Māra ist die Personifikation des Bösen, die Versuchergestalt im Buddhismus; die Verkörperung des Todes wie auch des Lebens und wird daher auch mit den fünf Daseinsgruppen (khandha), gleichgesetzt. Vgl. das Māra-Samyutta (Geiger, Bd.I).

(*3) Im Orig. steht eine andere Bezeichnung Māras, Namuci.


A.IV. 14 Die vier rechten Kämpfe II

Vier Kämpfe gibt es, ihr Mönche. Welche vier? Den Kampf zur Vermeidung, den Kampf zur Überwindung, den Kampf zur Entfaltung, den Kampf zur Erhaltung (*1).

Was aber, ihr Mönche, ist der Kampf zur Vermeidung? Erblickt da der Mönch mit dem Auge eine Form, so haftet er weder am Ganzen noch an den Einzelheiten; und weil bei unbewachtem Auge Begehren und Mißstimmung, üble, unheilsame Einflüsse in ihn einströmen möchten, daher bemüht er sich, dem zu wehren: er bewacht das Auge und zügelt es. Vernimmt er mit dem Ohre einen Ton - riecht er mit der Nase einen Duft - schmeckt er mit der Zunge einen Saft - fühlt er mit dem Körper etwas Tastbares - ist er sich im Geiste eines Gedankens bewußt, so haftet er weder am Ganzen noch an den Einzelheiten; und weil bei unbewachtem Geiste Begehren und Mißstimmung, üble, unheilsame Einflüsse in ihn einströmen möchten, daher bemüht er sich, dem zu wehren: er bewacht den Geist und zügelt ihn. Das, ihr Mönche, nennt man den Kampf zur Vermeidung.

Was aber ist der Kampf zur Überwindung? Da läßt der Mönch einen aufgestiegenen Gedanken der Begierde nicht Fuß fassen, überwindet, vertreibt, vernichtet ihn und bringt ihn zum Schwinden. Er läßt einen aufgestiegenen Gedanken des Hasses, einen aufgestiegenen Gedanken der Schädigung nicht Fuß fassen, überwindet, vertreibt, vernichtet ihn und bringt ihn zum Schwinden. Er läßt aufgestiegene üble, unheilsame Dinge nicht Fuß fassen, überwindet, vertreibt, vernichtet sie und bringt sie zum Schwinden. Das, ihr Mönche, nennt man den Kampf zur Überwindung.

Was aber ist der Kampf zur Entfaltung? Da entfaltet der Mönch die auf Entsagung, Loslösung und Erlöschung gerichteten und zur Entledigung führenden Erleuchtungsglieder der Achtsamkeit, der Wirklichkeitsergründung, der Willenskraft, der Verzückung, der Ruhe, der Sammlung und des Gleichmuts. Das, ihr Mönche, nennt man den Kampf zur Entfaltung.

Was aber ist der Kampf zur Erhaltung? Da hält der Mönch einen sich ihm bietenden günstigen Gegenstand der Sammlung im Geiste fest, wie die Vorstellung eines Knochengerippes, die Vorstellung eines von Würmern zernagten Leichnams, eines blau-verfärbten Leichnams, eines in Fäulnis übergegangenen Leichnams, eines zerstückelten Leichnams, eines aufgedunsenen Leichnams (*2). Das, ihr Mönche, nennt man den Kampf zur Erhaltung.

Diese vier Kämpfe gibt es, ihr Mönche.

Ȇberwindung und Vermeidung,
die Entfaltung und Erhaltung:
diese vier gewaltigen Kämpfe
wies des Lichtes hehrer Sproß.
Und wer darin voller Eifer,
mag des Leids Versiegung finden.«

(*1) Die Pāli-Begriffe sind: samvara-ppadhāna (wtl: Kampf zur Zügelung), pahāna-p., bhāvanā-p., anurakkhana-p.

(*2) Über die Leichenbetrachtungen s. W. z. Erl., S. 94; VisM VI.


A.IV. 15 Die vier Ersten

Vier Wesen, ihr Mönche, sind als die Ersten bekannt. Welche vier?

Der erste an Körpergröße ist Rāhu, der Titanenkönig; der erste in Genüssen ist König Mandhātar (ein mythischer König); der erste an Einfluß ist Māra, der Böse; als erster aber in der Welt mit ihren guten und bösen Geistern, ihren Brahmagöttern, der Schar der Asketen und Priester, Götter und Menschen, gilt der Vollendete, der Heilige, der vollkommen Erleuchtete.

»An Wuchs ist Rāhu überlegen,
Mandhātar ist es im Genuß,
an Einfluß Māra steht zuerst.
Doch in Macht und Würde strahlend,
oben, unten, in der Mitte,
gilt, soweit die Erde reicht,
ja, selbst in den Himmelswelten,
der Erleuchtete als Höchster.«

A.IV. 16 Subtilität

Vier Arten subtilen (*1) Einblickes gibt es, ihr Mönche. Welche vier?

Da besitzt, ihr Mönche, ein Mönch hohen Einblick in die Subtilität des Körperlichen. Einen anderen höheren oder edleren Einblick in die Subtilität des Körperlichen als jenen kennt er nicht; und einen anderen höheren oder edleren Einblick in die Subtilität des Körperlichen als jenen begehrt er nicht (*2).

Er besitzt hohen Einblick in die Subtilität des Gefühls. Einen anderen höheren oder edleren Einblick in die Subtilität des Gefühls als jenen kennt er nicht; und einen anderen höheren oder edleren Einblick in die Subtilität des Gefühls als jenen begehrt er nicht.

Er besitzt hohen Einblick in die Subtilität der Wahrnehmung. Einen anderen höheren oder edleren Einblick in die Subtilität der Wahrnehmung als jenen kennt er nicht; und einen anderen höheren oder edleren Einblick in die Subtilität der Wahrnehmung als jenen begehrt er nicht.

Er besitzt hohen Einblick in die Subtilität der geistigen Bildekräfte. Einen anderen höheren oder edleren Einblick in die Subtilität der geistigen Bildekräfte als jenen kennt er nicht; und einen anderen höheren oder edleren Einblick in die Subtilität der geistigen Bildekräfte als jenen begehrt er nicht.

Diese vier Arten subtilen Einblicks gibt es, ihr Mönche.

(Diese vier bilden, zusammen mit dem Bewußtsein, die fünf Daseinsgruppen, khandha).

»Er kennt den Körper, den subtilen;
kennt die Entstehung des Gefühls,
woraus die Wahrnehmung entsteht
und wann sie wieder untergeht.
Die Geistgebilde kennt er auch
als fremd, als leidvoll, wesenlos.
Solch klar geäugter Mönch fürwahr,
gestillt, froh auf dem Friedenspfad,
trägt seinen letzten Leib zu Grab.
Mahr samt der Heerschar ist besiegt!«

(*1) sokkhommāni, wtl: Subtilitäten. K: die durchdringende Erkenntnis der subtilen Merkmale des Körperlichen usw. Diese Merkmale sind die Vergänglichkeit, Leidhaftigkeit und Ichlosigkeit.

(*2) Diese durch die Hellblickmeditation vollzogene Erkenntnis der subtilen Merkmale des Körperlichen usw. führt nämlich lt. K bis zu den dem Stromeintritt unmittelbar vorausgehenden Stufen der Anpassungs- und Reife-Erkenntnis (VisM XXI.9, VisM XXII).


A.IV. 17 Die vier üblen Wege

Vier üble Wege (agati; siehe A.II.47) gibt es, ihr Mönche. Welche vier?

Diese vier üblen Wege gibt es, ihr Mönche.

»Wer aus Gier, Haß, Furcht und Irre
von dem rechten Pfade abweicht,
dessen Ansehen wird geringer,
wie der Mond beständig abnimmt.«

A.IV. 18 Die vier guten Wege

Vier gute Wege gibt es, ihr Mönche. Welche vier?

Diese vier guten Wege gibt es, ihr Mönche.

»Wer frei von Gier, Haß, Furcht und Wahn,
vom rechten Pfade nimmer weicht,
der nimmt an Anseh'n ständig zu,
so wie der Mond stets voller wird.«

A.IV. 19 Die üblen und die guten Wege

(Dieser Text besteht in der Verbindung der beiden vorhergehenden.)


A.IV. 20 Der Speiseverteiler

Ein Speiseverteiler (bhattuddesaka; s. auch A.V.272), ihr Mönche, der vier Eigenschaften besitzt, verfällt, wie er sich's erwirkt, der Hölle. Welches sind diese vier Eigenschaften? Er wandelt auf dem üblen Weg des Begehrens, auf dem üblen Weg des Hasses, auf dem üblen Weg der Verblendung, auf dem üblen Weg der Furcht.

Ein Speiseverteiler, der vier Eigenschaften besitzt, gelangt, wie er sich's erwirkt, in himmlisches Dasein. Welches sind diese vier Eigenschaften? Er wandelt auf dem guten Wege der Gierlosigkeit, auf dem guten Wege der Haßlosigkeit, auf dem guten Wege der Unverblendung, auf dem guten Wege der Furchtlosigkeit.

»Die ungezügelt den Begierden frönen,
die ungerecht und ohne Achtung vor der Lehre,
von Gier und Haß erfüllt, von Furcht und Wahn,
als Schandfleck der Gemeinschaft gelten sie.
So hat der Kenner, der Asket, gesprochen.
Darum gebührt den guten Menschen Lob,
die rechtlich leben und nichts Schlechtes tun,
die frei von Gier und Haß, von Furcht und Wahn:
als Zierde der Gemeinschaft gelten sie.
So hat der Kenner, der Asket, gesprochen.«

    Oben  


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