wörtl. ‘Sehen' (v. Ö dis, sehen), ‘Ansicht, Anschauung, Einsicht, Erkenntnis'. Wenn nicht bezeichnet mit sammā, 'recht', meist gebraucht im Sinne von verkehrter Ansicht, falscher Erkenntnis usw., nur in einigen wenigen Fällen im Sinne von rechter Erkenntnis (z.B. siehe ditthi-ppatta, ditthi-visuddhi, ditthi-sampanna, von Erkenntnis erfüllt).

Verkehrte Ansichten werden als äußerst verwerflich bezeichnet, da sie die Grundlage bilden zu verkehrter Gesinnung und verkehrtem Wandel und bisweilen fähig sind, den Menschen in die tiefsten Abgründe zu führen. Wie es heißt (A. I. 14, A.I.27):

»Nichts kenne ich, ihr Mönche, wodurch so sehr die noch unaufgestiegenen unheilsamen Dinge zum Aufsteigen kommen und die bereits aufgestiegenen unheilsamen Dinge anwachsen, als wie die verkehrten Ansichten . . .

Nichts kenne ich, wodurch die noch unaufgestiegenen heilsamen Dinge so sehr am Aufsteigen gehindert werden und die bereits aufgestiegenen heilsamen Dinge schwinden, als wie die verkehrten Ansichten . . .

Nichts kenne ich, wodurch die Menschen bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, so sehr zu einem niederen Reiche gelangen, einer Leidensfährte, in verstoßene Welt, zur Hölle gelangen, als wie die verkehrten Ansichten.« -

»Was auch immer der von verkehrten Ansichten erfüllte Mensch, seinen Ansichten folgend, in Werken, Worten und Gedanken verübt oder beginnt, und was auch immer er an Willen, an Sehnsucht, an Verlangen und an Strebungen besitzt, so führt dies alles zu Unerwünschtem, Unliebsamem, Unerfreulichem, zu Unheil und Leiden.« (A. I. 15)

 

Nach dem Abhidhamma (Dhs.) sind verkehrte und verderbliche Ansichten, wenn sie aufsteigen, immer mit begehrlichem Bewußtsein verbunden (s.Tab.I,22,23,26,27). Unzählige spekulative Ansichten und Theorien, die das menschliche und besonders das indische Denken von jeher beeinflußt haben und noch immer beeinflussen, werden in den Suttentexten angeführt. Unter diesen aber ist die zu allen Zeiten und allerorten die Menschen überall am meisten irreführende und betörende Ansicht der Persönlichkeitsglaube, die Ich-Illusion.

 

»Persönlichkeitsglaube« (sakkāya-ditthi) oder Ich-Ansicht (atta-ditthi) ist von zweierlei Art:
 

 
 

 

 

(Über die in den Sütten häufig angeführten 20 Arten des Persönlichkeitsglaubens s. Pug. 143, Anm.)

 

Der Buddha hingegen lehrt, daß es weder eine Persönlichkeit gibt, die nach dem Tode fortbesteht, noch auch eine Persönlichkeit, die beim Tode vernichtet wird, sondern daß ‘Persönlichkeit', ‘Ich', ‘Mensch' usw. lediglich konventionelle Bezeichnungen (vohāra-vacana) sind; und daß eben bloß dieser Prozeß der vom Augenblick zu Augenblick sich selbst verzehrenden, unaufhörlich entstehenden und gleich darauf wieder für immer verschwindenden körperlichen und geistigen Daseinserscheinungen anzutreffen ist. Diese Leerheit und Unpersönlichkeit des Daseins ist die Kernlehre des ganzen Buddhismus, die einzige spezifisch buddhistische Lehre, mit der das ganze buddhistische Lehrgebäude steht und fällt. Näheres siehe anattā, ferner khandha, paticcasamuppāda.

 

Die den letzten Punkt der zehnfachen unheilsamen Wirkensfährte (siehe kammapatha) bildenden und als ‘mit festbestimmtem Ausgang verbunden' bezeichneten ‘verkehrten Ansichten' (niyata_micchāditthi) sind:

 

  1. Die fatalistische Ansicht von der Ursachlosigkeit des Daseins (ahetuka-ditthi),
  2. die Ansicht von der Wirkungslosigkeit der Taten (akiriya-ditthi),
  3. Nihilismus (natthika-ditthi).

 

  1. wurde gelehrt von Makkhali-Gosāla, einem Zeitgenossen des Buddha, der jede Ursache für die Verderbtheit oder Reinheit der Wesen ableugnet und behauptet, daß alles genau vom Schicksal vorherbestimmt sei.
  2. wurde gelehrt von Pūrana-Kassapa, der jedwede karmische Wirkung für edle wie unedle Taten ableugnet: »Wer tötet, stiehlt, raubt usw., dem widerfährt nichts Böses. Für Edelmut, Selbstbeherrschung und Wahrheitsliebe usw. steht kein Lohn zu erwarten. (karato na kiriyati pāpam, dem Täter widerfährt nichts böses)«
  3. wurde gelehrt von Ajita-kesa-kambali, der behauptet, jeder Glaube an gute Taten und ihre Wirkung sei ein Wahn. Kein Weiterleben gebe es nach dem Tode, sondern der Mensch löse sich beim Tode in die Elemente auf.

 

Weiteres über diese 3 Ansichten siehe D.2, M.60.

 

Häufig erwähnt werden die 10 Antinomien (antagāhikā-micchā-ditthī): ‘Ewig ist die Welt' oder ‘Zeitlich ist die Welt', ‘Endlich ist die Welt' oder ‘Unendlich ist die Welt' . . . ‘Leib und Seele sind Eines' oder ‘Leib und Seele sind etwas Verschiedenes'.

 Über die Ansichten der zur Zeit des Buddha lebenden 6 Irrlehrer handelt ausführlich D.2. Weitere Ansichten werden erwähnt in D.15, D.23, D.24, D.28; M.11, M.12, M.25, M.60, M.63, M.72, M.76, M.101, M.102, M.110; A.II.126-127; A.X.93; S.24. usw.

 

Alle nur denkbaren Ansichten über die Natur des Menschen, der Welt usw. sind in D.1 in 62 Ansichten zusammengefaßt.


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