Majjhima Nikaya, Mittlere Sammlung

M. 25. (III,5) Nivāpa Sutta, Das Futter

DAS HAB' ICH GEHÖRT. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapindikos. Dort nun wandte sich der Erhabene an die Mönche: "Ihr Mönche!" - "Erlauchter!" antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

"Nicht streut der Wildsteller, ihr Mönche, dem Wilde Futter aus in dem Gedanken : 'Von dem Futter, das ich hier ausstreue, möge das Wild genießen, um gesund zu bleiben und alt zu werden, lange Zeit hindurch soll es sich davon ernähren', sondern, ihr Mönche, er denkt dabei: 'Von dem Futter, das ich hier ausstreue, angelockt wird sich das Wild blindem Genusse ergeben; angelockt, blindem Genusse ergeben wird es behaglich werden; behaglich geworden wird es sich gehen lassen; und wenn es sich gehen läßt, wird es in diesem Gehege meinem Gefallen überliefert sein.'

"Da kam, ihr Mönche, die erste Herde Wildes heran, angelockt von dem Futter, das der Wildsteller ausgestreut hatte, und ergab sich blindem Genusse; angelockt, blindem Genusse ergeben wurden die Tiere behaglich; behaglich geworden ließen sie sich gehen; und als sie sich gehen ließen, waren sie in jenem Gehege dem Gefallen des Wildstellers überliefert. Und so konnte, ihr Mönche, die erste Herde Wildes aus dem Machtbereich des Wildstellers nicht entkommen.

"Da gedachte, ihr Mönche, die zweite Herde Wildes: 'Jene Ersten sind von dem ausgestreuten Futter des Wildstellers angelockt worden, haben sich blindem Genusse ergeben; angelockt, blindem Genusse ergeben wurden sie behaglich; behaglich geworden ließen sie sich gehen; und als sie sich gehen ließen, waren sie in jenem Gehege dem Gefallen des Wildstellers überliefert. Und so konnten jene Ersten aus Wildstellers Machtbereich nicht entkommen. Wir aber wollen uns von allem ausgestreuten Futter fern halten, fern von der Unglückspeise tief in den Wald zurückziehen.' Und sie hielten sich fern von allem ausgestreuten Futter, fern von der Unglückspeise zogen sie sich tief in den Wald zurück. Und im letzten Monat des Sommers, als Gras und Wasser versiegte, wurden sie außerordentlich mager; außerordentlich mager geworden verloren sie die Kraft; entkräftet gingen sie nun zu jenem Futter heran, das der Wildsteller ausgestreut hatte. Angelockt ergaben sie sich blindem Genusse; angelockt, blindem Genusse ergeben wurden sie behaglich; behaglich geworden ließen sie sich gehen; und als sie sich gehen ließen, waren sie in jenem Gehege dem Gefallen des Wildstellers überliefert. Und so konnte, ihr Mönche, auch die zweite Herde Wildes aus dem Machtbereich des Wildstellers nicht entkommen.

"Da gedachte, ihr Mönche, die dritte Herde Wildes: 'Jene Ersten und auch jene Zweiten konnten also aus des Wildstellers Machtbereich nicht entkommen. Wie, wenn wir uns nun in der Nähe jenes Platzes aufhielten, wo der Wildsteller Futter ausstreut? Dort weilend werden wir nicht angelockt und nicht blindlings die Nahrung genießen; nicht angelockt und nicht blindlings die Nahrung genießend werden wir nicht behaglich werden; nicht behaglich geworden werden wir uns nicht gehen lassen, und wenn wir uns nicht gehen lassen, werden wir in jenem Gehege dem Gefallen des Wildstellers nicht überliefert sein.' Und sie hielten sich in der Nähe jenes Platzes auf, wo der Wildsteller Futter ausstreute; dort weilend genossen sie nicht angelockt und nicht blindlings die Nahrung; nicht angelockt und nicht blindlings die Nahrung genießend wurden sie nicht behaglich; nicht behaglich geworden ließen sie sich nicht gehen; und da sie sich nicht gehen ließen, waren sie in jenem Gehege dem Gefallen des Wildstellers nicht überliefert. Da sagten sich, ihr Mönche, der Wildsteller und seine Gesellen: 'Schlau ist wahrhaftig dieses dritte, gewitzigte Rudel, magische Macht muß dieses dritte, fremde Rudel besitzen, da es ja hier das ausgestreute Futter verzehrt und keiner von uns entdecken kann, woher es kommt oder wohin es geht! Wir wollen jetzt den Futterplatz, mit großen Pfählen rings umstecken, von allen Seiten, damit wir vielleicht auf solche Weise auskundschaften, wo sich das dritte Rudel aufhält, wo es sich verbirgt.' Und sie säumten den Futterplatz ringsumher, von allen Seiten, mit großen Pfählen ein. Und der Wildsteller und seine Gesellen, ihr Mönche, sahen nun, wo sich die dritte Herde Wildes aufhielt, wo sie sich verbarg. Und so konnte, ihr Mönche, auch die dritte Herde Wildes aus dem Machtbereich des Wildstellers nicht entkommen.

"Da gedachte, ihr Mönche, die vierte Herde Wildes: 'Jene Ersten und auch jene Zweiten und selbst jene Dritten konnten also aus des Wildstellers Machtbereich nicht entkommen. Wie, wenn nun wir eine Stätte aufsuchten, die dem Wildsteller und seinen Gesellen unzugänglich wäre? Von dort aus mögen wir kommen und nicht angelockt und nicht blindlings die Nahrung genießen; nicht angelockt und nicht blindlings die Nahrung genießend werden wir nicht behaglich werden; nicht behaglich geworden werden wir uns nicht gehen lassen; und wenn wir uns nicht gehen lassen, werden wir in jenem Gehege dem Gefallen des Wildstellers nicht überliefert sein.' Und sie suchten eine Stätte auf, die dem Wildsteller und seinen Gesellen unzugänglich blieb; von dort aus kamen sie und genossen nicht angelockt und nicht blindlings die Nahrung; nicht angelockt und nicht blindlings die Nahrung genießend wurden sie nicht behaglich; nicht behaglich geworden ließen sie sich nicht gehen; und da sie sich nicht gehen ließen, waren sie in jenem Gehege dem Gefallen des Wildstellers nicht überliefert. Da sagten sich, ihr Mönche, der Wildsteller und seine Gesellen: 'Schlau ist wahrlich dieses vierte, gewitzigte Rudel, magische Macht muß dieses vierte, fremde Rudel besitzen, da es ja hier das ausgestreute Futter verzehrt und keiner von uns entdecken kann, woher es kommt oder wohin es geht! Wir wollen diesen Futterplatz mit großen Pfählen rings umstecken, von allen Seiten, und glücklich erspähen, wo sich das vierte Rudel aufhält, wo es sich verbirgt.' Und sie säumten den Futterplatz von allen Seiten mit großen Pfählen ringsumher ein. Aber der Wildsteller und seine Gesellen, ihr Mönche, fanden keine Spur zu dem Orte, wo sich die vierte Herde Wildes aufhielt, wo sie sich verbarg. Da sagten sich, ihr Mönche, der Wildsteller und seine Gesellen: 'Wenn wir nun das vierte Rudel verscheuchen wollten, so würde dieses, verscheucht, andere verscheuchen, diese anderen wieder andere, und so möchte das Futter, das wir hier ausstreuen, von allem Wilde gemieden werden: lasset uns doch über das vierte Rudel hinwegsehen!' Und der Wildsteller und seine Gesellen, ihr Mönche, sahen über die vierte Herde Wildes hinweg. Und so konnte, ihr Mönche, die vierte Herde Wildes aus dem Machtbereich des Wildstellers entkommen.

"Ein Gleichnis habe ich da, meine Mönche, gegeben, um den Sinn zu erklären. Das aber ist nun der Sinn. Das Futter: das ist, ihr Mönche, eine Bezeichnung der fünf Begehrungen (kāma-guna). Der Wildsteller: das ist, ihr Mönche, eine Bezeichnung für Maro, den Bösen. Die Gesellen des Wildstellers: das ist, ihr Mönche, eine Bezeichnung der Gesellen des Maro. Die Herde Wildes: das ist, ihr Mönche, eine Bezeichnung der Asketen und Büßer."

"Da haben sich, ihr Mönche, die ersten Asketen und Büßer, angelockt von dem Futter, das Maro ausstreut, von der Lust an der Welt, blindem Genusse ergeben; angelockt, blindem Genusse ergeben wurden sie behaglich; behaglich geworden ließen sie sich gehen; und als sie sich gehen ließen, waren sie in jenem Gehege, in jener Lust an der Welt, dem Gefallen Maros überliefert. Und so konnten, ihr Mönche, die ersten Asketen und Büßer aus dem Machtbereich Maros nicht entkommen. Wie die erste Herde Wildes, ihr Mönche, erscheinen mir diese ersten Asketen und Büßer."

"Da gedachten, ihr Mönche, die zweiten Asketen und Büßer: 'Jene ersten Asketen und Büßer sind von dem Futter, das Maro ausstreut, von der Lust an der Welt, angelockt worden, haben sich blindem Genusse ergeben; angelockt, blindem Genusse ergeben wurden sie behaglich; behaglich geworden ließen sie sich gehen; und als sie sich gehen ließen, waren sie in jenem Gehege, in jener Lust an der Welt, dem Gefallen Maros überliefert. Und so konnten jene ersten Asketen und Büßer aus dem Machtbereich Maros nicht entkommen. Wir aber wollen uns von allem Futtergenusse, von aller Weltlust, fern halten, fern von der Unglückspeise tief in den Wald zurückziehen.' Und sie hielten sich fern von allem Futtergenusse, von aller Weltlust, fern von der Unglückspeise zogen sie sich tief in den Wald zurück. Und sie lebten von Kräutern und Pilzen, von wildem Reis und Korn, von Samen und Kernen, von Pflanzenmilch und Baumharz, von Gräsern, von Kuhmist, fristeten sich von Wurzeln und Früchten des Waldes, lebten von abgefallenen Früchten. Und im letzten Monat des Sommers, als Gras und Wasser versiegte, wurden sie außerordentlich mager; außerordentlich mager geworden verloren sie die Kraft; entkräftet verloren sie die Geistesruhe; verstört gingen sie nun zu jenem Futter heran, das Maro ausstreut, zu jener Lust an der Welt. Angelockt ergaben sie sich blindem Genusse; angelockt, blindem Genusse ergeben wurden sie behaglich; behaglich geworden ließen sie sich gehen; und als sie sich gehen ließen, waren sie in jenem Gehege, in jener Lust an der Welt, dem Gefallen Maros überliefert. Und so konnten, ihr Mönche, auch die zweiten Asketen und Büßer aus dem Machtbereich Maros nicht entkommen. Wie die zweite Herde Wildes, ihr Mönche, erscheinen mir diese zweiten Asketen und Büßer.

"Da gedachten, ihr Mönche, die dritten Asketen und Büßer: 'Jene Ersten und auch jene Zweiten konnten also aus dem Machtbereich Maros nicht entkommen. Wie, wenn wir uns nun in der Nähe des Futters aufhielten, das Maro ausstreut, in der Nähe der weltlichen Lust? Dort weilend werden wir nicht angelockt und nicht blindlings die Nahrung genießen; nicht angelockt und nicht blindlings die Nahrung genießend werden wir nicht behaglich werden; nicht behaglich geworden werden wir uns nicht gehen lassen; und wenn wir uns nicht gehen lassen, werden wir in jenem Gehege, in jener Lust an der Welt, dem Gefallen Maros nicht überliefert sein.' Und sie hielten sich in der Nähe des Futters auf, das Maro ausstreut, in der Nähe der weltlichen Lust; dort weilend genossen sie nicht angelockt und nicht blindlings die Nahrung; nicht angelockt und nicht blindlings die Nahrung genießend wurden sie nicht behaglich; nicht behaglich geworden ließen sie sich nicht gehen; und da sie sich nicht gehen ließen, waren sie in jenem Gehege, in jener Lust an der Welt, dem Gefallen Maros nicht überliefert. Aber sie bekamen nun Ansichten wie: 'Ewig ist die Welt' oder 'Zeitlich ist die Welt', 'Endlich ist die Welt' oder 'Unendlich ist die Welt', 'Seele und Leib sind ein und dasselbe' oder 'Anders ist die Seele, anders der Leib', 'Der Vollendete besteht nach dem Tode' oder 'Der Vollendete besteht nicht nach dem Tod,' oder 'Der Vollendete besteht und besteht nicht nach dem Tode' oder 'Weder besteht noch besteht nicht der Vollendete nach dem Tode'. Und so konnten, ihr Mönche, auch die dritten Asketen und Büßer aus dem Machtbereich Maros nicht entkommen. Wie die dritte Herde Wildes, ihr Mönche, erscheinen mir diese dritten Asketen und Büßer.

"Da gedachten, ihr Mönche, die vierten Asketen und Büßer: Jene Ersten und auch jene Zweiten und selbst jene Dritten konnten also aus dem Machtbereich Maros nicht entkommen. Wie, wenn nun wir eine Stätte aufsuchten, die Maro und seinen Gesellen unzugänglich wäre? Von dort aus mögen wir herantreten zu dem Futter, das Maro ausstreut, zu der weltlichen Lust, und nicht angelockt und nicht blindlings die Nahrung genießen; nicht angelockt und nicht blindlings die Nahrung genießend werden wir nicht behaglich werden; nicht behaglich geworden werden wir uns nicht gehen lassen; und wenn wir uns nicht gehen lassen, werden wir in jenem Gehege, in jener Lust an der Welt, dem Gefallen Maros nicht überliefert sein.' Und sie suchten eine Stätte auf, die Maro und seinen Gesellen unzugänglich blieb; von dort aus traten sie heran zu dem Futter, das Maro ausstreut, zu der weltlichen Lust, und genossen nicht angelockt und nicht blindlings die Nahrung; nicht angelockt und nicht blindlings die Nahrung genießend wurden sie nicht behaglich; nicht behaglich geworden ließen sie sich nicht gehen; und da sie sich nicht gehen ließen, waren sie in jenem Gehege, in jener Lust an der Welt, dem Gefallen Maros nicht überliefert. Und so konnten, ihr Mönche, die vierten Asketen und Büßer aus dem Machtbereich Maros entkommen. Wie die vierte Herde Wildes, ihr Mönche, erscheinen mir diese vierten Asketen und Büßer.

"Wie aber, ihr Mönche, ist Maro und seinen Gesellen der Zugang verwehrt? Da weilt, ihr Mönche, ein Mönch, gar fern von Begierden, fern von unheilsamen Dingen, in sinnend gedenkender ruhegeborener seliger Heiterkeit, in der Weihe der ersten Schauung. Ein solcher, ihr Mönche, wird Mönch genannt: geblendet hat er Maro, spurlos vertilgt sein Auge, entschwunden ist er dem Bösen.

"Weiter sodann, ihr Mönche: nach Vollendung des Sinnens und Gedenkens erreicht der Mönch die innere Meeresstille, die Einheit des Gemütes, die von sinnen, von gedenken freie, in der Einigung geborene selige Heiterkeit, die Weihe der zweiten Schauung. Ein solcher, ihr Mönche, wird Mönch genannt: geblendet hat er Maro, spurlos vertilgt sein Auge, entschwunden ist er dem Bösen.

"Weiter sodann, ihr Mönche: in heiterer Ruhe verweilt der Mönch gleichmütig, einsichtig, klar bewußt, ein Glück empfindet er im Körper, von dem die Heiligen sagen: 'Der gleichmütig Einsichtige lebt beglückt'; so erwirkt er die Weihe der dritten Schauung. Ein solcher, ihr Mönche, wird Mönch genannt: geblendet hat er Maro, spurlos vertilgt sein Auge, entschwunden ist er dem Bösen.

"Weiter sodann, ihr Mönche: nach Verwerfung der Freuden und Leiden, nach Vernichtung des einstigen Frohsinns und Trübsinns erwirkt der Mönch die Weihe der leidlosen, freudlosen, gleichmütig einsichtigen vollkommenen Reine, die vierte Schauung. Ein solcher, ihr Mönche, wird Mönch genannt: geblendet hat er Maro, spurlos vertilgt sein Auge, entschwunden ist er dem Bösen.

"Weiter sodann, ihr Mönche: nach williger Überwindung der Formwahrnehmungen, Vernichtung der Gegenwahrnehmungen, Verwerfung der Vielheitwahrnehmungen gewinnt der Mönch in dem Gedanken 'Grenzenlos ist der Raum' das Reich des unbegrenzten Raumes. Ein solcher, ihr Mönche, wird Mönch genannt: geblendet hat er Maro, spurlos vertilgt sein Auge, entschwunden ist er dem Bösen.

"Weiter sodann, ihr Mönche: nach völliger Überwindung der unbegrenzten Raumsphäre gewinnt der Mönch in dem Gedanken 'Grenzenlos ist das Bewußtsein' das Reich des unbegrenzten Bewußtseins. Ein solcher, ihr Mönche, wird Mönch genannt: geblendet hat er Maro, spurlos vertilgt sein Auge, entschwunden ist er dem Bösen.

"Weiter sodann, ihr Mönche: nach völliger Überwindung der unbegrenzten Bewußtseinsphäre gewinnt der Mönch in dem Gedanken 'Nichts ist da' das Reich des Nichtdaseins. Ein solcher, ihr Mönche, wird Mönch genannt: geblendet hat er Maro, spurlos vertilgt sein Auge, entschwunden ist er dem Bösen.

"Weiter sodann, ihr Mönche: nach völliger Überwindung der Nichtdaseinsphäre erreicht der Mönch die Grenzscheide möglicher Wahrnehmung. Ein solcher, ihr Mönche, wird Mönch genannt: geblendet hat er Maro, spurlos vertilgt sein Auge, entschwunden ist er dem Bösen.

"Weiter sodann, ihr Mönche: nach völliger Überwindung der Grenzscheide möglicher Wahrnehmung erreicht der Mönch die Auflösung der Wahrnehmbarkeit, und des weise Sehenden Wahn ist aufgehoben. Ein solcher, ihr Mönche, wird Mönch genannt: geblendet hat er Maro, spurlos vertilgt sein Auge, entschwunden ist er dem Bösen, entronnen der Weltlichkeit."

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des Erhabenen.


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