Anguttara Nikaya

5. Kapitel: rohitassa-vagga

A.IV. 41 Die Entfaltung der Geistessammlung

Vier Entfaltungen der Geistessammlung (samādhi-bhāvanā) gibt es, ihr Mönche. Welche vier?

Es gibt, ihr Mönche, eine Entfaltung der Sammlung, die, geübt und beharrlich gepflegt,

  1. zu gegenwärtigem Wohlsein führt.
  2. zur Erlangung des Erkenntnisblickes führt.
  3. zur Achtsamkeit und Wissensklarheit führt.
  4. zur Versiegung der Triebe führt.

Welche Entfaltung der Sammlung aber, ihr Mönche, führt, geübt und beharrlich gepflegt, zu gegenwärtigem Wohlsein?

Da gewinnt der Mönch, ganz abgeschieden von den Sinnendingen, abgeschieden von unheilsamen Geisteszuständen, die mit Gedankenfassen und Überlegen verbundene, in der Abgeschiedenheit geborene, von Verzückung und Glücksgefühl erfüllte erste Vertiefung und verweilt in ihr. -

Nach Stillung von Gedankenfassen und Überlegen gewinnt er den inneren Frieden, die Einheit des Geistes, die von Gedankenfassen und Überlegen freie, in der Sammlung geborene, von Verzückung und Glücksgefühl erfüllte zweite Vertiefung und verweilt in ihr. -

Nach Loslösung von der Verzückung weilt er gleichmütig, achtsam, klar bewußt, und ein Glücksgefühl empfindet er in seinem Inneren, von dem die Edlen künden: 'Der Gleichmütige, Achtsame weilt beglückt'; so gewinnt er die dritte Vertiefung und weilt in ihr. -

Nach dem Schwinden von Wohlgefühl und Schmerz und dem schon früheren Erlöschen von Frohsinn und Trübsinn, gewinnt er die leidlos-freudlose, in der völligen Reinheit von Gleichmut und Achtsamkeit bestehende vierte Vertiefung und weilt in ihr.

Dies gilt als jene Entfaltung der Sammlung, die, geübt und beharrlich gepflegt, zu gegenwärtigem Wohlsein führt.

Welche Entfaltung der Sammlung aber, ihr Mönche, führt, geübt und beharrlich gepflegt, zur Erlangung des Erkenntnisblickes.(ñānadassana bezeichnet hier das 'himmlische Auge', die vierte höhere Geistesfähigkeit' abbiññā)?

Da richtet der Mönch seine Aufmerksamkeit auf die Wahrnehmung des Lichtes (āloka saññā), heftet seinen Geist auf die Wahrnehmung des Tages; wie  bei Tage, so des Nachts, und wie des Nachts, so bei Tage. So entfaltet er mit wachem, ungetrübtem Geiste einen von Helligkeit erfüllten Bewußtseinszustand. (sappabhāsam cittam; K: durch die Leuchtkraft der mit dem 'himmlischen Auge' verbundenen Erkenntnis). 

Dies gilt als jene Entfaltung der Sammlung, die, geübt und beharrlich gepflegt, zur Erlangung des Erkenntnisblickes führt.

Welche Entfaltung der Sammlung aber, ihr Mönche, führt, geübt und beharrlich gepflegt, zur Achtsamkeit und Wissensklarheit? (Vgl. das Satipatthāna-Sutta, M. 10)

Dies gilt als jene Entfaltung der Sammlung, die, geübt und beharrlich gepflegt, zu Achtsamkeit und Wissensklarheit führt.

Welche Entfaltung der Sammlung aber, ihr Mönche, führt, geübt und beharrlich gepflegt, zur Versiegung der Triebe?

Da verweilt der Mönch in der Betrachtung des Entstehens und Vergehens bei den fünf Gruppen des Anhaftens: 'So ist die Körperlichkeit, so die Entstehung der Körperlichkeit, so die Auflösung der Körperlichkeit; so ist das Gefühl, so die Entstehung des Gefühls, so die Auflösung des Gefühls; so ist die Wahrnehmung, so die Entstehung der Wahrnehmung, so die Auflösung der Wahrnehmung; so sind die geistigen Bildekräfte, so die Entstehung der geistigen Bildekräfte, so die Auflösung der geistigen Bildekräfte; so ist das Bewußtsein, so die Entstehung des Bewußtseins, so die Auflösung des Bewußtseins (siehe Satipatthāna-Sutta, M. 10).' Dies gilt als jene Entfaltung der Sammlung, die, geübt und beharrlich gepflegt, zur Versiegung der Triebe führt.

Diese vier Entfaltungen der Geistessammlung gibt es, ihr Mönche.

Dies aber habe ich mit Bezug hierauf bezüglich Punnakas Frage im 'Wege zum anderen Ufer' erwidert:

»An wen nichts in der Welt mehr rühren kann,
da ihre Tiefen, ihre Höhen er ergründet,
der still und klar ist, unverstört und wunschlos,
Geburt und Altern hat er überwunden, sag' ich.«
(Wie Snp. 1048; auch zitiert in A.III.32.)

(*1) Als Methode für die bewußte Erfassung des Gefühls empfiehlt K und Subk. die vorherige klare Erfassung von Wahrnehmungs-Organ und desjenigen Wahrnehmungsaktes, der das betreffende Gefühl hervorruft. 

Subk. bemerkt: Wie einer, der Schlangen sucht, sie zunächst in ihrem Schlupfloch suchen wird, so wird man auch das Gefühl am leichtesten in seiner Wohnstätte oder Basis auffinden, nämlich dem Organ und dem Objekt des betreffenden Wahrnehmunsvorgangs. 

Für das Entstehen und Vergehen verweist Subk. auf die 5 Bedingungen dafür, wie sie z.B. im K zum Satipatthāna-Sutta (Komm. 107 f.) genannt werden. Das 'Bestehen' des Gefühls wird erfaßt durch die Einsicht in seine vergängliche, leidverknüpfte und substanzlose Natur, wie sie sich ergibt aus der meditativen Erfahrung seiner Flüchtigkeit (khay'upatthāna) des ihm innewohnenden Furchterregenden und Gefährlichen (bhay'upatthāna; s. VisM XXI) und seiner Leerheit hinsichtlich Ich und Mein.


A.IV. 42 Frage und Antwort

Auf viererlei Weise, ihr Mönche, hat man Fragen zu beantworten. Auf welche vier Weisen?

Es gibt, ihr Mönche, Fragen, die eine direkte Antwort erfordern; es gibt Fragen, die eine erläuternde Antwort erfordern; es gibt Fragen, die eine Gegenfrage erfordern; es gibt Fragen, die abzuweisen sind (siehe A.III.68).

»Direkte Antwort [, wo es möglich],
im anderen Fall Erläuterung,
im dritten eine Gegenfrage,
Verwerfung in dem vierten Fall.

Wer da überall bei Fragen
stets die rechte Antwort findet,
'Wohlvertraut mit den vier Fragen'
wird ein solcher Mönch genannt.

Unbezwingbar, unversehrbar,
tiefen Geistes, unerschüttert,
ist er wohl bekannt mit beidem:
dem Guten und dem Schädlichen (*1).
 
Das Schädliche verwirft der Weise,
das Gute aber nimmt er auf,
und ist das hohe Ziel errungen (*2),
so heißt er wissensreich und stark.«

(*1) atthe anatthe ca; auch an die folgenden Bedeutungen dieses Begriffspaars mag hier gedacht werden: zutreffend - falsch; sinnvoll - sinnlos; nützlich - schädlich; heilsam - unheilsam.

(*2) atth'abhisamayā; hier mag attha die Bedeutung 'Ziel' haben, abhisamayā bezeichnet meist die Erkenntnis auf den Heiligkeitsstufen, insbesondere die des Stromeintritts.


A.IV. 43 Der Lehre ergeben I

Vier Menschen, ihr Mönche, sind in der Welt anzutreffen. Welche vier?

  1. Einer, der dem Zorn ergeben ist, nicht der Guten Lehre; 
  2. der Heuchelei ergeben ist, nicht der Guten Lehre; 
  3. dem Gewinn ergeben ist, nicht der Guten Lehre; 
  4. der äußeren Ehre ergeben ist, nicht der Guten Lehre. 

Diese vier Menschen sind in der Welt anzutreffen.

Vier Menschen, ihr Mönche, sind in der Welt anzutreffen. Welche vier?

Einer, der der Guten Lehre ergeben ist, nicht dem Zorne; der der Guten Lehre ergeben ist, nicht der Heuchelei; der der Guten Lehre ergeben ist, nicht dem Gewinn; der der Guten Lehre ergeben ist, nicht äußerer Ehre. Diese vier Menschen sind in der Welt anzutreffen.

»Der Mönch voll Zorn und Heuchelei,
voll Sucht nach Ehre und Gewinn,
reift in der Guten Lehre nie,
die uns der Buddha kundgetan.
Doch die Verehrer edler Wahrheit,
ob jetzt, ob in vergangener Zeit,
die reifen in der Guten Lehre,
die uns der Buddha kundgetan.«

A.IV. 44 Der Lehre ergeben II

Vier Eigenschaften gibt es, ihr Mönche, die nicht der Guten Lehre entsprechen. Welche vier?

  1. Dem Zorne ergeben sein und nicht der Guten Lehre; 
  2. der Heuchelei ergeben sein und nicht der Guten Lehre; 
  3. dem Gewinn ergeben sein und nicht der Guten Lehre; 
  4. äußerer Ehre ergeben sein und nicht der Guten Lehre. 

Diese vier Eigenschaften entsprechen nicht der Guten Lehre.

Vier Eigenschaften gibt es, ihr Mönche, die der Guten Lehre entsprechen. Welche vier?

  1. Der Guten Lehre ergeben sein und nicht dem Zorne; 
  2. der Guten Lehre ergeben sein und nicht der Heuchelei; 
  3. der Guten Lehre ergeben sein und nicht dem Gewinn; 
  4. der Guten Lehre ergeben sein und nicht äußerer Ehre. 

Diese vier Eigenschaften entsprechen der Guten Lehre.

»Der Mönch voll Zorn und Heuchelei,
voll Sucht nach Ehre und Gewinn,
reift in der Guten Lehre nie,
gleich fauler Saat auf gutem Feld.
Doch die Verehrer edler Wahrheit,
ob jetzt, ob in vergangener Zeit,
sie reifen in der Guten Lehre,
wie's Heilkraut reift auf feuchtem Grund.

A.IV. 45 Rohitassa I (*1)

Einst weilte der Erhabene im Jeta-Hain bei Sāvatthī, im Kloster des Anāthapindika. Da nun begab sich zu vorgeschrittener Nachtzeit Rohitassa, ein himmlischer Geist, zum Erhabenen, mit seiner strahlenden Schönheit den ganzen Jeta-Hain erhellend. Beim Erhabenen angelangt, begrüßte er ihn ehrerbietig und stellte sich zur Seite hin. Seitwärts stehend, sprach nun Rohitassa, der himmlische Geist, zum Erhabenen also:

»Ist man wohl imstande, o Herr, durch Gehen das Ende der Welt zu kennen, zu sehen oder zu erreichen, da wo es weder Geburt gibt, noch Altern und Sterben, weder Erstehen noch Abscheiden?« -

»Nicht ist man imstande, sage ich, o Freund, durch Gehen das Ende der Welt zu kennen, zu sehen oder zu erreichen, da wo es weder Geburt gibt, noch Altern und Sterben, weder Erstehen noch Abscheiden.« -

»Wunderbar ist es, o Herr, erstaunlich ist es, o Herr, wie da der Erhabene so richtig sagt: 'Nicht ist man imstande, sage ich, o Freund, durch Gehen das Ende der Welt zu kennen, zu sehen oder zu erreichen.' Einst, in einer früheren Geburt, o Herr, da war ich ein Einsiedler, Rohitassa mit Namen, der Sohn des Bhoja, und magiegewaltig konnte ich durch die Lüfte schreiten. Derart, o Herr, war meine Geschwindigkeit, daß ich etwa in der Zeit, die ein mit starkem Bogen versehener (*2), geübter, gewandter und erprobter Bogenschütze braucht, um mühelos mit leichtem Pfeile über den Schatten einer Palme hinweg zu schießen, daß ich in solcher Zeit einen Schritt zurücklegte, der so groß war, wie das östliche Meer vom westlichen entfernt ist. Solche Geschwindigkeit, solchen Schritt besitzend, o Herr, kam mir der Wunsch, durch Gehen das Ende der Welt zu erreichen. Und in der [mir verbliebenen] Lebenszeit und Lebensfrist von hundert Jahren, bloß abgesehen von der Zeit für Essen, Trinken, Kauen und Schmecken, für die Verrichtung der Notdurft, für Schlaf und Rast, da wanderte ich hundert Jahre hindurch und starb auf dem Wege, ohne jedoch das Ende der Welt erreicht zu haben. Wunderbar ist es, o Herr, erstaunlich ist es, o Herr, wie da der Erhabene so richtig gesagt hat: 'Nicht ist man imstande, sage ich, o Freund, durch Gehen das Ende der Welt zu kennen, zu sehen oder zu erreichen, da wo es weder Geburt gibt, noch Altern und Sterben, weder Erstehen, noch Abscheiden.'« -

»Wahrlich, so sage ich, o Freund: Nicht ist man imstande, durch Gehen das Ende der Welt zu erreichen, da wo es weder Geburt gibt, noch Altern und Sterben, weder Erstehen, noch Abscheiden. Doch nicht kann man, sage ich, o Freund, ohne der Welt Ende erreicht zu haben, dem Leiden ein Ende machen. Das aber verkünde ich, o Freund: in eben diesem klafterhohen, mit Wahrnehmung und Bewußtsein versehenen Körper, da ist die Welt enthalten, der Welt Entstehung, der Welt Ende und der zu der Welt Ende führende Pfad.«

»Durch Gehen kann man nie gelangen
bis an das Ende dieser Welt;
doch ohne dies erreicht zu haben,
wird man vom Leiden nimmer frei.
Daher ein weiser Weltenkenner,
der, heilig, hin zum Ende kam,
der, still geworden, um das Weltenende weiß,
verlangt nicht mehr nach dieser Welt und jener.«

(*1) Auch in Samy. 2.26; vgl. Samy. 35.116; A.IX.38.

(*2) Lesarten: dalhadhamma (ChS), dalhadhammo, Subk.: »'dalhadhanvā', einer mit kräftigem Bogen; eben dieser wird dalhadhammo genannt.« Vgl. in Samy. 8,I dalhadhammino (Nom Sing. dhammin), was an Skr. dalhadhanvin, 'starken Bogen besitzend', denken läßt, woraus vielleicht der Pāli-Ausdruck stammt.


A.IV. 46 Rohitassa II

Als nun jene Nacht zu Ende war, wandte sich der Erhabene an die Mönche und sprach: »Diese Nacht, ihr Mönche, zu vorgeschrittener Nachtzeit, da kam zu mir Rohitassa, ein himmlischer Geist . . .«

(Es folgt der genaue Bericht, einschließlich der Verse, wie in Text 45.)


A.IV. 47 Vier gewaltige Entfernungen

Vier gewaltige Entfernungen gibt es, ihr Mönche. Welche vier?

Himmel und Erde, ihr Mönche: diese, als erstes, sind in gewaltiger Entfernung voneinander. Das diesseitige und das jenseitige Ufer des Meeres: diese, als zweites, sind in gewaltiger Entfernung voneinander. Der Punkt, wo die strahlende Sonne aufgeht, und der Punkt wo sie untergeht: diese, als drittes, sind in gewaltiger Entfernung voneinander. Die Lehre der Guten und die Lehre der Schlechten: diese, als viertes, sind in gewaltiger Entfernung voneinander.

Diese vier gewaltigen Entfernungen gibt es, ihr Mönche.

»Gar weit entfernt sind Himmel und die Erde,
und ebenso des Meeres beide Ufer.
Fern voneinander sind auch jene Orte,
wo strahlend sich erhebt der Sonnenball,
und wo, der uns das Licht bringt, wieder schwindet.
Doch weiter noch als diese, sagt man recht,
ist gute Lehre von der schlechten fern.
Unwandelbar ist guter Menschen Freundschaft
und bleibt sich während ihrer Dauer gleich.
Doch schnell vergeht die Freundschaft zwischen Schlechten;
daher liegt Schlechtes weltenfern vom Guten.«

A.IV. 48 Visākha (*1)

Einst weilte der Erhabene im Jeta-Hain bei Sāvatthī, im Kloster des Anāthapindika. Zu jener Zeit nun unterwies der ehrwürdige Visākha, der Sohn der Pañcāli, in der Empfangshalle die Mönche in der Lehre, ermahnte, ermutigte und erheiterte sie in gefälliger Rede, die fließend war, fehlerlos in der Aussprache, verständlich im Sinn, vollendet und ungezwungen. Nachdem sich der Erhabene gegen Abend aus seiner Selbstvertiefung erhoben hatte, begab er sich zur Empfangshalle. Dort angekommen, setzte er sich auf vorbereitetem Sitze nieder und sprach zu den Mönchen:

»Wer war es, ihr Mönche, der da in der Empfangshalle die Mönche in der Lehre unterwies, sie ermahnte, ermutigte und erheiterte, in gefälliger Rede, die fließend war, fehlerlos in der Aussprache, verständlich im Sinn, vollendet und ungezwungen?«

»Der ehrwürdige Visākha war es, o Herr, der Sohn der Pañcāli.«

Und der Erhabene sprach zum ehrwürdigen Visākha, dem Sohn der Pañcāli, also:

»Recht so, recht so, Visākha! Gut hast du in der Empfangshalle die Mönche in der Lehre unterwiesen, ermahnt, ermutigt und erheitert, in gefälliger Rede, die fließend war, fehlerlos in der Aussprache, verständlich im Sinn, vollendet und ungezwungen!«

»Nicht kennt man, ohne daß er spricht,
den Weisen unter Toren aus;
doch wenn er spricht, so kennt man ihn,
da zum Nibbāna hin den Pfad er weist.
Beleuchte, künde gut die Wahrheit,
der Heiligen Banner richte auf!
Ihr Banner ist das wohlgesprochene Wort:
der Heiligen Banner ist die Lehre.«

(*1) Auch in Samy.21.7; der Ort ist dort jedoch Vesalī. Verse des Mönches Visākha in Thag. 209-210.


A.IV. 49 Die vier Verkehrtheiten

Vier Verkehrtheiten gibt es, ihr Mönche, in der Wahrnehmung, den Gedanken und den Ansichten (*1). Welche vier?

Vier richtige Betrachtungsweisen (na-vipallāsā, wtl: Nicht-Verkehrtheiten) gibt es, ihr Mönche, in der Wahrnehmung, in Gedanken und in Ansichten. Welche vier?

»Flüchtiges für dauernd halten,
für ein Glück, was leidvoll ist;
Ichloses als Ich vermeinend
und was widerlich als schön. -

In die Bande falscher Ansicht
sind die Wesen so geschlagen;
Sinnentäuschung auch befängt sie,
und verworren ist ihr Denken.
 
Māras Fesselwerk umfängt sie,
fern sind sie der Fessellösung;
und so wandern diese Wesen
in der Daseinsrunde Kreislauf
ständig durch Geburt und Sterben.

Doch wenn in der Welt erscheinen
Buddhas, die das Licht uns bringen,
dann verkünden sie die Lehre,
die zur Leidensstillung führt.

Und die Weisen, sie vernehmend,
werden nachdenklichen Herzens:
Flüchtiges sehen sie als flüchtig,
Leidiges als leidvoll an;
sehen als Nicht-Ich, was kein Ich birgt,
und was widerlich als solches.
Derart rechte Ansicht hegend,
werden sie dem Leid entgehen.«

(*1) saññā-vipallāsa, citta-v., ditthi-vi. Außer einer Wiederholung unseres Textes mit kurzem Zusatz im Patisambhidā-Magga (Band II: vipallāsa-kathā) ist dies wohl die einzige Stelle im Kanon, in der diese vier 'Verkehrtheiten' oder 'Illusionen' vorkommen. In der exegetischen Literatur, einschließlich dem frühen Nettippakarana werden sie häufiger behandelt (s. Heilsweg 108, VisM XIV, XXII).

Das dreifache Vorkommen dieser vier 'Verkehrtheiten' wurde vom ehrw. Vajiranāna Mahā-Nāyakathera, eine der bedeutendsten zeitgenössischen Mönchsgestalten Ceylons (gest. 1955), wie folgt illustriert:

Bei jeder dieser drei Vorkommensarten können die vier verkehrten Betrachtungsweisen entstehen, die Vergängliches für ewig halten usw.


A.IV. 50 Die Trübungen

Vier Trübungen der Sonne und des Mondes gibt es, ihr Mönche, durch welche getrübt Sonne und Mond weder leuchten, noch glänzen, noch scheinen. Welches sind diese vier?

Wolken, Nebel, Rauch und Staub, und die Verfinsterungen: dies sind die vier Trübungen, durch welche getrübt Sonne und Mond weder leuchten, noch glänzen, noch scheinen.

Ebenso nun auch, ihr Mönche, gibt es vier Trübungen bei den Asketen und Priestern, durch welche getrübt gewisse Asketen und Priester weder leuchten, noch glänzen, noch scheinen. Welches sind diese vier?

Es gibt, ihr Mönche, gewisse Asketen und Priester, die Wein und berauschende Getränke trinken und sich nicht des Weins und der berauschenden Getränke enthalten. Das, ihr Mönche, ist die erste Trübung bei Asketen und Priestern.

Es gibt gewisse Asketen und Brahmanen, welche dem Geschlechtsverkehr huldigen und sich nicht des Geschlechtsverkehrs enthalten. Das, ihr Mönche, ist die zweite Trübung bei Asketen und Priestern.

Es gibt gewisse Asketen und Priester, welche Gold und Silber annehmen und sich nicht des Annehmens von Gold und Silber enthalten. Das, ihr Mönche, ist die dritte Trübung bei Asketen und Priestern.

Es gibt gewisse Asketen und Priester, die auf unrechte Weise ihr Leben fristen und sich unrechter Lebensweise nicht enthalten. Das, ihr Mönche, ist die vierte Trübung bei Asketen und Priestern.

Diese vier Trübungen, ihr Mönche, gibt es bei Asketen und Priestern, durch welche getrübt gewisse Asketen und Priester weder leuchten noch glänzen noch scheinen.

»Priester gibt es und Asketen,
die von Gier und Haß umfangen.
Diese wahnumhüllten Wesen
nach dem Lieblichen verlangen.

Sie genießen Wein und Branntwein,
frönen dem Geschlechtsverkehr,
und verblendet nehmen diese
Gold und Silber, das man gibt.
 
Einige Priester und Asketen
fristen unrecht auch ihr Leben.

Der Buddha, er des Lichtes Sproß,
hat dies als Trübungen genannt,
durch welche Trübungen getrübt,
gar mancher Priester und Asket
nicht leuchtet und nicht mehr erglänzt;
und von dem Staub der Welt befleckt,
ein tiergleich niedres Leben führt (*1).
 
In finsteres Dunkel eingehüllt,
der Gier versklavt, von ihr gelenkt,
vermehren sie die Leichenfelder,
erfahren immer neue Wiederkehr.«

(*1) Unsichere Lesart; die wahrscheinlichste ist ChS: asuddhā sarajā magā, wtl: unreine, staubbedeckte Tiere.


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257; sarajā magā, wtl: unreine, staubbedeckte Tiere.


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