Visuddhi Magga XVII

Schlusskapitel vom Boden des Wissens

Die Bedingte Entstehung (paticca-samuppāda)
Die 24 Bedingungen (paccaya)

 1. Wurzel-Bedingung (hetu-paccaya)
 2. Objekt-Bedingung (ārammana-paccaya)
 3. Vorherrschafts-Bedingung (adhipati-paccaya)
 4. Angrenzungs-Bedingung (anantara-paccaya) und
 5. Unmittelbarkeits-Bedingung (samanantara-paccaya)
 6. Zusammenentstehungs-Bedingung (saha-jāta-paccaya)
 7. Gegenseitigkeits-Bedingung (aññamañña-paccaya)
 8. Grundlagen-Bedingung (nissaya-paccaya)
 9. Anlaß-Bedingung (upanissaya-paccaya)
 10. Vorherentstehungs-Bedingung' (pure-jāta-paccaya)
 11. Nachherentstehungs-Bedingung ( pacchā-jāta-paccaya)
 12. Wiederholungs-Bedingung' (āsevanā-paccaya)
 13. Karma-Bedingung (kamma-paccaya)
 14. Karmawirkungs-Bedingung (vipāka-paccaya)
 15. Nahrungs-Bedingung āhāra-paccaya)
 16. Fähigkeits-Bedingung (indriya-paccaya)
 17. Jhāna-Bedingung' (jhāna-paccaya)
 18. Pfad-Bedingung (magga-paccaya)
 19. Verbundenseins-Bedingung (sampayutta-paccaya)
 20. Unverbundenseins-Bedingung (vippayutta-paccaya)
 21. Anwesenheits-Bedindung (atthi-paccaya)
 22. Abwesenheits-Bedingung (natthi-paccaya)
 23. Geschwundenseins-Bedingung (vigata-paccaya).
 24. Nichtgeschwundenseins-Bedingung (avigata-paccaya)
Weitere Erklärung zur Bedingten Entstehung
(I-II) "Durch Unwissenheit bedingt sind die Karmaformationen" (avijjā-paccaya sankhārā)
(II-III) "Durch die Karmaformationen bedingt ist das Bewußtsein" (sankhāra-paccayā viññānam)
(III-IV) "Durch das Bewußtsein bedingt ist das Geistige und Körperliche" (viññāna-paccayā nāma-rūpam)
(IV-V) "Durch das Geistige und Körperliche bedingt sind die 6 Grundlagen" (nāma-rūpa-paccaya salāyatanam)
(V-VI) "Durch die 6 Grundlagen bedingt ist der Bewußtseinseindruck" (sal-āyatana-paccayā phasso)
(VI-VII) "Durch den Bewußtseinseindruck bedingt ist das Gefühl" (phassa-paccayā vedanā)
(VII-VIII) "Durch Gefühl bedingt ist das Begehren" (vedanā paccayā tanhā)
(VIII-IX) "Durch Begehren bedingt ist das Anhaften" (tanhā-paccayā upādānam)
(IX-X) "Durch Anhaften bedingt ist der Werdeprozeß" (upādāna-paccayā bhavo)
(X-XI) "Durch den Werdeprozeß bedingt ist die Geburt, usw." (bhava-paccayā jāti)
(XI-XII) "Durch Geburt bedingt sind Altern und Sterben (jāti-paccayā jarā-maranam)


Die Bedingte Entstehung (paticca-samuppāda)
 

Nunmehr kommt an die Reihe die Erklärung der 'Bedingten Entstehung' (paticca-samuppāda) und der in den Worten 'usw.' zusammengefaßten 'bedingt entstandenen Dinge' (paticca-samuppannā dhammā). Denn nur noch diese beiden sind übrig von den als Boden des Wissens (paññā-bhūmi) bezeichneten Dingen, d.i. den Daseinsgruppen, Grundlagen, Elementen, Fähigkeiten, Wahrheiten, der Bedingten Entstehung usw.
 

Hierbei nun ist die mit Unwissenheit beginnende Reihe der Dinge als die Bedingte Entstehung aufzufassen. Der Erhabene nämlich hat gesagt (S.12):-
 

"Was nun, ihr Mönche, ist die 'Bedingte Entstehung'?
 

  1.  durch Unwissenheit (avijjā), ihr Mönche, bedingt sind die Karmaformationen (sankhāra),
  2.  durch die Karmaformationen das Bewußtsein (viññāna),
  3.  durch das Bewußtsein das Geistige und Körperliche (nāma-rūpa),
  4.  durch das Geistige und Körperliche die 6 Grundlagen (āyatana),
  5.  durch die 6 Grundlagen der Bewußtseinseindruck (phassa),
  6.  durch den Bewußtseinseindruck das Gefühl (vedanā),
  7.  durch das Gefühl das Begehren (tanhā),
  8.  durch das Begehren das Anhaften (upādāna),
  9.  durch das Anhaften der Werdeprozeß (bhava),
  10.  durch den Werdeprozeß die Geburt (jāti);
  11.  durch die Geburt aber bedingt entstehen Altern und Sterben (jarāmarana), Sorge, Klage, Schmerz, Trübsal und Verzweiflung.

So, ihr Mönche, kommt es zur Entstehung dieser ganzen Leidensfülle. Das, ihr Mönche, nennt man die Bedingte Entstehung."
 

Die Dinge aber wie Altern und Sterben usw. sind als die 'bedingt entstandenen Dinge' zu betrachten. Vom Erhabenen nämlich wurde gesagt (S.12.20):

 

"Was aber, ihr Mönche, sind die 'bedingt entstandenen Dinge'? Altern und Sterben, ihr Mönche, sind vergänglich, erschaffen, bedingt entstanden, dem Schwinden und Vergehen, Abscheiden und Untergange unterworfen. Geburt, ihr Mönche... der Werdeprozeß... Anhaften... Gefühl... Bewußtseinseindruck... die 6 Grundlagen... das Geistige und Körperliche... Bewußtsein... die Karmaformationen... Unwissenheit, ihr Mönche, ist vergänglich, erschaffen, bedingt entstanden, dem Schwinden und Vergehen, Abscheiden und Untergange unterworfen. Das, ihr Mönche, nennt man die bedingt entstandenen Dinge."

 

Folgendes aber ist die kurze Erklärung hierzu: - Als Bedingte Entstehung gelten die Dinge, sofern sie Bedingungen sind; als bedingt entstanden, sofern sie durch diese oder jene Bedingungen entstanden sind:

 

Wie aber kann man das wissen! Auf Grund der Worte des Erhabenen. In der 'Sutte von der Bedingten Entstehung und den bedingt entstandenen Dingen' (S.12.20) erklärt nämlich der Erhabene durch solche ähnlichbedeutenden Worte wie 'Wahrheit' (tathatā, wörtl. 'So-sein') u. dgl. die als Bedingungen geltenden Dinge als die Bedingte Entstehung. Denn dort sagt er in seiner Darlegung der Bedingten Entstehung so: -

 

"Was aber, ihr Mönche, ist die Bedingte Entstehung? Durch Geburt, ihr Mönche, bedingt ist Altern und Sterben. Ob da Vollendete in der Welt erscheinen oder nicht erscheinen, es bleibt eben eine Tatsache, ein feststehendes, unabänderliches Gesetz, daß da Eines durch ein Anderes bedingt ist (ida-paccayatā). Diese Tatsache erkennt und durchdringt der Vollendete, und hat er sie erkannt und durchdrungen, so legt er sie dar, verkündet sie, richtet sie auf, enthüllt sie, setzt sich auseinander, macht sie offenbar und spricht: 'Ihr sehet also, daß durch die Geburt Altern und Sterben bedingt ist'. Durch den Werdeprozeß bedingt ist die Geburt... usw.... Durch Unwissenheit bedingt sind die Karmaformationen. Ob da Vollendete in der Welt erscheinen oder nicht erscheinen, es bleibt eben eine Tatsache, ein feststehendes, unabänderliches Gesetz; daß da Eines durch ein Anderes bedingt ist. Diese Tatsache erkennt und durchdringt der Vollendete, und hat er sie erkannt und durchdrungen, so legt er sie dar, verkündet sie, richtet sie auf, enthüllt sie, setzt sie auseinander, macht sie offenbar und spricht: 'Ihr sehet also, daß durch Unwissenheit die Karmaformationen bedingt sind'. Was da in solcher Weise, ihr Mönche, Wahrheit, Unumstößlichkeit und Untrüglichkeit ist, nämlich die 'Bedingtheit des Einen durch ein Anderes', das, ihr Mönche, gilt als die Bedingte Entstehung."

 

Somit hat man das Merkmal der Bedingten Entstehung darin zu sehen, daß sie die Bedingung bildet für solche Dinge wie Altern, Sterben usw.; ihr Wesen darin, daß sie an das Leiden kettet; ihre Äußerung darin, daß sie eine verkehrte Fährte ist. Daß nun durch gerade diese oder jene Bedingung, und durch nichts mehr und nichts weniger, diese oder jene Erscheinung entsteht, das gilt als ihr Wahrsein (wörtl. 'So-sein'). Daß aber, sobald einmal die Bedingungen zusammengetreten sind, es selbst schon in diesem Augenblicke unmöglich ist, daß die entstehenden Dinge nicht entstehen sollten, das gilt als ihre Unumstößlichkeit (wörtl. 'Nicht-Nichtsosein'). Daß aber auf Grund der (bloß) für das eine Ding bestimmten Bedingungen die anderen Dinge nicht entstehen können, das gilt als ihre Untrüglichkeit (wörtl. 'Nicht-anderssein'). Daß aber für jene erwähnten Dinge wie Altern, Sterben usw., es eine Bedingung oder eine Ansammlung von Bedingungen gibt, das wird als 'ida-paccayatā', d.i. das 'Bedingtsein des Einen durch ein Anderes' bezeichnet. Oder, die Ansammlung von Bedingungen für dies oder das gilt als 'ida-paccayatā'. Diesen Ausdruck hat man hier im Sinne der Sprachlehre zu untersuchen.

 

Einige nun erklären den Paticcasamuppāda als ein bloßes Entstehen, indem sie behaupten, der Paticcasamuppāda bedeute ein Entstehen in der herkömmlichen und richtigen Weise ('paticca' ist offenbar von 'sammā' zu trennen. In welchem Sinne Buddhaghosa hier diese beiden Begriffe verstanden wissen will, ist nicht ganz klar), unabhängig von dem von den Andersgläubigen angenommenen Urstoffe (pakati) oder der Weltseele (purisa) und ähnlichen Dingen. Dies ist nicht richtig.

Und warum nicht?

1. Weil solches in den Sutten nicht zu finden ist,
2. weil es den Sutten widerspricht,
3. weil es keine tiefgehende Erklärung ist,
4. weil es ungrammatisch ist.

zu 1. Es gibt nämlich keine Sutte, worin der Paticcasamuppāda als bloßes Entstehen bezeichnet wird.

zu 2. Wer den Paticcasamuppāda so erklärt, widerspricht der Padesa-vihāra-Sutte (Mah.). Und wieso? In jener Sutte nämlich heißt es:

"Und der Erhabene erwog zur ersten Nachtwache die Bedingte Entstehung vorwärts und rückwärts usw." Nach diesen Worten des Erhabenen war die Erwägung des Paticcasamuppāda eine Beschäftigung (vihāra) des eben erst Erleuchteten; und padesa-vihāra bedeutet, daß es ein Teil (eka-desa) dieser Beschäftigung war.

Wie es heißt (S. 45.11f): "Mit jener (geistigen) Beschäftigung, ihr Mönche, die ich unmittelbar nach Erreichung der vollen Erleuchtung pflegte, mit einem Teil davon verbrachte ich meine Zeit". Dabei aber verweilte der Erhabene in Betrachtung der verschiedenartigen Bedingungen, nicht aber in Betrachtung des bloßen Entstehens.

 

Wie es heißt (ib.): "Solcherart erkannte ich: 'Durch verkehrte Erkenntnis bedingt entsteht Fühlen, und auch durch rechte Erkenntnis bedingt entsteht Fühlen. Durch verkehrte Gesinnung bedingt entsteht Fühlen usw." Auf diese Weise ist das Ganze ausführlich anzugeben.

 

Wer somit den Paticcasamuppāda als bloße Entstehung erklärt, der gerät in Widerspruch mit der Padesavihāra-Sutte.

 

Genau so aber auch widerspricht er der Kaccāna-Sutte. In der Kaccāna-Sutte (S.12.15) nämlich heißt es: "Wer, Kaccāna, der Welt Entstehung der Wirklichkeit gemäß in rechter Einsicht durchschaut, dem kommt nicht die Ansicht vom Nichtsein der Welt." Damit wurde der vorwärtslaufende Paticcasamuppāda, insofern er die Bedingung bildet für die Welt, als der Welt Entstehung bezeichnet und dargelegt, um die Vernichtungsansicht (uccheda-ditthi) auszurotten; nicht aber wurde er als bloßes Entstehen erklärt. Niemals nämlich gelangt durch Erkenntnis des bloßen Entstehens die Vernichtungsansicht zur Aufhebung, wohl aber durch das Erkennen der endlosen Reihe der Bedingungen, da eben bei der endlosen Reihe der Bedingungen auch die Ergebnisse endlos sind.

Wer somit den Paticcasamuppāda als bloßes Entstehen erklärt, der gerät in Widerspruch mit der Kaccāna-Sutte.

zu 3. "Weil es keine tiefgehende Erklärung ist": - Vom Erhabenen nämlich wurde gesagt (D. 15): "Tiefgründig, Ananda, ist diese Bedingte Entstehung, und auch tiefgründig erscheint sie." Ihre Tiefgründigkeit nämlich ist vierfach, wie wir später erläutern werden. Dies aber ist nicht der Fall mit bloßem Entstehen. Auch in vierfacher Art und Weise ausgeschmückt legt man den Paticcasamuppāda dar. Und auch diese vierfache Art und Weise trifft man nicht beim bloßen Entstehen. Weil es somit hierfür keine tiefgründige Erklärung gibt, darum gilt der Paticcasamuppāda nicht als bloßes Entstehen.

 

zu 4. "Weil es den Begriff entstellt": - Das Wort paticca (wörtl. 'zurückgegangen seiend auf'), das mit der Vergangenheit konstruiert ist und sich auf dasselbe Subjekt wie das Wort 'Entstehung' bezieht, ergibt einen Sinn, z.B. (ib. 43): "Durch Auge und Sehobjekt bedingt (paticca) entsteht (uppajjati) das Sehbewußtsein." Wenn aber hier (bei Auffassung des P. als bloße Entstehung) (das Wort paticca mit dem Wort uppāda (Entstehung) verbunden und so als Substantiv gebraucht wird, so ergibt dies einen grammatischen Fehler, weil kein gemeinsames Subjekt da ist (wie beim vorhergehenden Zitat) und sich so keinerlei Sinn ergibt. Daher wäre es ungrammatisch, den P. als bloße Entstehung zu erklären.

 

Es möchte da nun einem der Gedanke kommen, mit dem Worte paticcasamupāda das Verb 'hoti' (wird, entsteht) zu verbinden, also 'paticcasamuppādo hoti' (,die Bedingte Entstehung entsteht'). Das aber ist nicht angebracht. Und warum nicht? Weil eine solche Konstruktion unmöglich ist und es verkehrt wäre, eine Entstehung der Entstehung anzunehmen. Es heißt (ib. 1): "Die bedingte Entstehung, ihr Mönche, will ich euch weisen... . Und was, ihr Mönche, (ist) die Bedingte Entstehung?" Aber nicht mit einem einzigen von diesen Worten ist das Verb 'hoti' (entsteht) verbunden, noch auch findet man solchen Ausdruck wie uppādo hoti (,die Entstehung entsteht'). Fände sich solches, so ließe sich auch noch 'die Entstehung der Entstehung' finden.

 

Einige wieder meinen, 'ida-paccaya-tā' bezeichne die 'Wesenheit spezifischer Bedingungen' (ida-paccayānam bhāvo), d. h. jene Beschaffenheit (ākāra) der Unwissenheit und der übrigen Dinge die die Grundbedingung bei Entstehung der Karmaformationen usw. bildet, und dies gelte bei Verwandlung in die Karmaformationen als der Paticcasamuppāda. Diese ihre Meinung ist nicht angängig. Und warum nicht? Weil die Unwissenheit und die übrigen Dinge (selber) als die Grundbedingungen bezeichnet werden. Der Erhabene nämlich hat gesagt (ib. 15): "Darum eben, Ananda, ist dies der Grund, dies der Ursprung, dies die Entstehung, dies die Bedingung von Altern und Sterben, nämlich die Geburt...... dies die Bedingung der Karmaformationen, nämlich die Unwissenheit." Somit werden die Unwissenheit und übrigen Glieder selber als die Grundbedingungen bezeichnet, nicht aber deren Umwandlungen. Daher hat man die Aussage, daß man unter dem Paticcasamuppāda die als Bedingungen (paccaya) geltenden Dinge zu verstehen habe, als die rechte Auffassung zu betrachten. Die Meinung, die, unter dem Vorwand der Wörtlichkeit, den Paticcasamuppāda als bloßes Entstehen erklärt, muß man verwerfen, sobald man den Sinn dieses Ausdrucks in folgender Weise erfaßt hat. Der Erhabene nämlich hat gesagt: -
 
 

 

Bei dieser durch Bedingtheit entstandenen Gruppe von Erscheinungen nämlich hat man für das Wort Paticcasamuppāda einen doppelten Sinn anzunehmen. Weil nämlich, sobald der Paticcasamuppāda erkannt wird (patīyamāno = pati+i), er zum Segen und Heile führt, darum sollten ihn die Weisen erkennen, und darum spricht man von paticca (erkennenswert), (ein Adjektiv 'paticca', wie hier angegeben, dürfte es wohl in Wirklichkeit nicht geben). Und weil das Entstehen 'zusammen' (saha = sam) damit oder 'in rechter Weise' (sammā) geschieht, nicht einzeln, auch nicht ohne Bedingung, darum spricht man von 'sam-uppāda'. Somit ergeben paticca + samuppāda = paticca-samuppada.

 

Fernerhin gilt auch sam-uppāda als das Zusammen-Entstehen. Da der Paticcasamuppāda aber durch das Zusammentreffen von Bedingungen bedingt ist, nicht unabhänig davon, so gilt er auch auf diese Weise als 'bedingt' und als 'Entstehung', also als 'Bedingte Entstehung'.

 

Und diese Ansammlung von Ursachen ist eine Bedingung für jene (Ansammlung von bedingt entstandenen Dingen; tassa... paccayo); daher, weil er eine Bedingung dafür ist (tappayattā), wird auch dieser (Paticcasamuppāda danach benannt). Es ist hiermit gerade so, wie in aller Welt die Melasse eine Bedingung ist für Schleimbildung und man daher Melasse auch als Schleim bezeichet, oder wie man die als Bedingung für den Segen der Lehre geltende Geburt der Erleuchteten auch selber schon als Segen bezeichnet. So auch sollte man wissen, daß man vom Paticcasamuppāda spricht mit einem Ausdruck, der gewöhnlich für das Ergebnis gebraucht wird.

 

Oder aber, weil diese Gruppe von Bedingungen 'entgegen' (patimukham) 'gekommen' (ita) ist, heißt sie 'paticca' (,entgegengekommen seiend'); und weil sie die Dinge zusammen entstehen läßt, nennt man sie das 'Zusammenentstehenlassen' (samuppāda). Was nämlich die durch jedesmal eine einzige Grundbedingung als Stichwort angedeutete Gruppe von Bedingungen anbetrifft - wie die zum Entstehen der Karmaformationen usw. nötige Unwissenheit usw. - so wird diese Gruppe, dadurch daß sie ein gemeinsames Ergebnis hervorruft und vollständig ist und so den miteinandervereinigten Faktoren entgegengekommen ist, als 'entgegengekommen seiend' (paticca) bezeichnet. Diese Gruppe von Bedingungen wird ferner auch Zusammenentstehung genannt, weil sie die miteinander verbundenen und von einander untrennbaren Dinge (die 4 geistigen Gruppen) entstehen läßt. Auch auf diese Weise ergibt 'bedingt' und 'Zusammenentstehung' die 'Bedingte Zusammenentstehung'.

Eine fernere Erklärung ist diese :

 

Diejenigen unter den durch 'Unwissenheit' (avijjā) usw. als Stichwort angedeuteten Bedingungen, die die Karmaformationen usw. entstehen lassen, diese wären nicht dazu imstande, wären sie von einander unabhängig und unvollständig. Darum läßt diese Gruppe von Bedingungen die Dinge (d.i. die 4 geistigen Daseinsgruppen) bedingt entstehen, zugleich und zusammen, nicht einzeln, auch nicht aufeinanderfolgend. Auf diese Weise hat der des sinngemäßen Wortgebrauchs kundige Weise hier die Gruppe der Bedingungen als die Bedingte Entstehung erklärt: dies ist der Sinn. Von ihm aber, der so lehrt, heißt es:

 

 

"Durchs erste Wort" besagt: durch das die Vereinigung der Bedingungen andeutende Wort 'bedingt' (paticca) zeigt er (der Buddha), daß wegen der Abhängigkeit der entstehenden Dinge von der Vereinigung der Bedingungen für sie die verschiedenen Ewigkeitslehren u. dgl. nicht zutreffen, wie z. B. der Glaube an Ewigkeit (von Ich, Welt usw. sassata-vāda) oder Ursachlosigkeit (ahetuka-vāda) oder an verkehrte Ursachen (Urstoff, Atom, Zeit usw.) oder an ein allmächtiges Wesen (vasavatti-vāda). Wozu sollten auch die ewig oder ohne Ursache usw. ablaufenden Dinge ein Zusammenwirken von Bedingungen nötig haben?

 

"Durchs spät're Wort" besagt: durch das das Entstehen der Dinge andeutende Wort 'Entstehung' (samuppāda) lehrt der Buddha, daß wegen des Entstehens der Erscheinungen und durch die Zusammenwirkung von Bedingungen der Vernichtungsglaube usw. ausgeschlossen wird, nämlich der Glaube an einen Zerstörer, an Vernichtung (uccheda-vāda), an Nichtsein (natthika-vāda) oder an die Wirkungslosigkeit der Taten (akiriya-vāda). Wie könnte auch wohl hinsichtlich der durch jedesmal frühere Bedingungen immer wieder neu entstehenden Dinge der Glaube an Vernichtung, an Nichtsein oder an die Wirkungslosigkeit der Taten aufsteigen?

 

"Durch beide Worte" aber besagt: durch den vollständigen Begriff 'Bedingte Entstehung'. Weil nämlich ohne Unterbrechung der Kontinuität der jedesmaligen Verbindung von Bedingungen jedesmal die Dinge zum Entstehen kommen, so zeigt er durch die Bedingte Entstehung den mittleren Pfad, die rechte Methode, d.i. die Überwindung solcher Ansichten wie: 'Ein und derselbe ist es, der die Tat vollbringt und die Früchte der Tat erntet'; oder 'Ein anderer ist es, der die Tat vollbringt, ein anderer der die Früchte der Tat erntet'; ferner, daß man an volkstümliche Ausdrucksweisen (,Ich', 'Persönlichkeit', 'Mensch' usw.) sich zwar nicht anklammern, aber doch nicht die konventionellen Bezeichnungen verwerfen solle (vgl. M. 139).

Dies nun ist vorerst die bloße Erklärung des Wortes 'Paticcasamuppāda'.

 

Was aber den Text anbetrifft, den der Erhabene bei Darlegung der Bedingten Entstehung festgelegt hat in den Worten:
"Durch Unwissenheit bedingt sind die Karmaformationen usw.", so verbleibe man, wenn man den Sinn dieses Textes erläutert, innerhalb des Gebietes der Kritischen Schule (vibhajja-vādin, d.i. der Theravādin), lege nicht die Meister falsch aus, entferne sich nicht von der eigentlichen Lehre, verfalle nicht in die Lehre der anderen, entstelle nicht die Sutten, bleibe in 'Übereinstimmung mit dem Vinaya, beachte die Großen Aussagen (erkl. A. IV. 180), beleuchte das Gesetz, mache den Sinn begreiflich; und eben diesen Sinn ziehe man immer wieder heran und erkläre ihn auf immer wieder andere Weise. Schon an und für sich ist es schwer, den Sinn der Bedingten Entstehung zu erklären.
Wie die Alten sagen: 

(*) 'satta', Wesen, Lebewesen. Gemeint ist hier die Unauffindbarkeit einer im absoluten Sinne wirklich vorhandenen Ichwesenheit
 
 
Nicht leicht ist es somit, den Sinn der Bedingten Entstehung zu erklären, außer für solche, die Kenntnis und Verständnis der Texte besitzen. Dies wohl erwägend
 

(*) d.i. mit Hilfe der verschiedenen Darlegungsmethoden und mit Hilfe der alten Kommentatoren
 

Gesagt nämlich wurde dies von den früheren Meistern:
 

 

Was da nämlich diese Sätze betrifft wie "Durch Unwissenheit bedingt sind die Karmaformationen usw.", so gilt da von Anfang an vorerst folgendes:
 

 

"Nach den verschied'nen Darlegungen" bedeutet da: genau wie bei vier Menschen, welche Schlingpflanzen sammeln, das Ergreifen der Schlingpflanzen (in verschiedener Weise) geschieht, genau so hat der Erhabene die Bedingte Entstehung in vierfacher Weise dargelegt: vom Anfang oder von der Mitte ab bis zum Ende, ebenso vom Ende oder von der Mitte ab bis zum Anfang:

 

1. Gleichwie nämlich unter den vier die Schlingpflanzen sammelnden Menschen der eine zuerst die Wurzel der Schlingpflanze erblickt und, die Schlingpflanze an der Wurzel abschneidend, ganz an sich heranzieht; mitnimmt und zur Arbeit verwendet, genau so auch wies der Erhabene die Bedingte Entstehung von Anfang an bis zum Ende in dem Ausspruche (z.B. M.38): "So also, ihr Mönche, sind durch die Unwissenheit die Karmaformationenbedingt... usw.... durch die Geburt das Altern und Sterben."
 

2. Gleichwie aber ein anderer unter jenen Menschen zuerst die Mitte der Schlingpflanze erblickt und, die Schlingpflanze in der Mitte abschneidend, bloß die obere Hälfte derselben an sich heranzieht, mitnimmt und zu seiner Arbeit verwendet, genau so auch wies der Erhabene die Bedingte Entstehung von der Mitte ab bis zum Ende in dem Ausspruche (ib.): "Indem er sich aber über jenes 'Gefühl' freut, es gut heißt und daran haftet, steigt ihm die Lust (Begehren) auf. Die Lust bei den Gefühlen aber gilt als Anhaften. Durch Anhaften aber bedingt ist der Werdeprozeß, durch den Werdeprozeß die Geburt usw."
 

3. Gleichwie nun aber ein dritter unter jenen Menschen zuerst das Ende der Schlingpflanze erblickt und, sie am Ende ergreifend und ihr vom Ende bis zur Wurzel nachgehend, sie ganz mitnimmt und zur Arbeit verwendet, genau so auch wies der Erhabene die Bedingte Entstehung vom Ende an bis zum Anfang in dem Ausspruche (ib.): "'Durch Geburt bedingt ist Altern und Sterben': so wurde gesagt. Sind nun aber, ihr Mönche, wirklich durch die Geburt Altern und Sterben bedingt, oder nicht, oder wie steht es damit?" - Durch Geburt, o Ehrwürdiger, sind Altern und Sterben bedingt: so denken wir darüber." "Durch den Werdeprozeß bedingt ist die Geburt'... 'durch Unwissenheit die Karmaformationen', so wurde gesagt. Sind nun aber, ihr Mönche, wirklich durch die Unwissenheit die Karmaformationen bedingt, oder nicht, oder wie steht es damit?"
 

4. Gleichwie nun aber der vierte unter jenen Menschen zuerst die Mitte der Schlingpflanze erblickt und, dieselbe in der Mitte abschneidend, ihr von der Mitte ab bis zur Wurzel nachgeht, sie mitnimmt und zur Arbeit verwendet, genau so auch wies der Erhabene die Bedingte Entstehung von der Mitte ab bis zum Anfang in dem Ausspruch (z.B. S.12.11): "Wodurch, ihr Mönche, sind die vier Nährstoffe bedingt, wodurch entstanden, wodurch geworden, woraus hervorgegangen? Diese vier Nährstoffe sind durch Begehren bedingt, durch Begehren entstanden, durch Begehren geworden, aus Begehren hervorgegangen. Wodurch aber, ihr Mönche,ist das Begehren bedingt... wodurch Gefühl... wodurch der Bewußtseinseindruck.... wodurch die 6 Grundlagen... wodurch das Geistige und Körperliche... wodurch das Bewußtsein... wodurch die Karmaformationen? Durch Unwissenheit bedingt sind die Karmaformationen... aus Unwissenheit hervorgegangen."

 

Warum aber hat der Erhabene die Bedingte Entstehung auf diese Weise dargelegt? Weil die bedingte Entstehung an jeder Stelle heilbringend ist und weil ihm die Anmut in der Darlegung eignet. Die Bedingte Entstehung nämlich ist deshalb an jeder Stelle heilbringend, weil sie von jeder Stelle aus zur Durchdringung des rechten Pfades führt. Dem Erhabenen aber eignet die Anmut in der Darlegung, da er ausgerüstet ist mit den vier Arten des Selbstvertrauens (vesārajja; s. M. 12) und mit den Analytischen Wissen, und er die vierfache Geistestiefe besitzt. Da ihm aber die Anmut in der Darlegung eignet, darum legt er auf vielerlei Weise das Gesetz dar.
 

Was aber die Einzelheiten hierbei anbetrifft, so sollte man da folgendes wissen:
 

Erblickte da der Erhabene einen belehrbaren Menschen, der über die Anordnung der Entstehungsgründe im Unklaren war, so legte er die Bedingte Entstehung von Anfang an in vorwärtsschreitender Ordnung dar, um zu zeigen, wie die Dinge jedesmal auf Grund ihrer eigenen Bedingungen eintreten und wie die Reihenfolge in ihrer Entstehung ist.

 

Betrachtete er aber die dem Elend verfallene Welt, etwa in der Weise; "Dem Elend, wahrlich, ist diese Welt verfallen! Man wird geboren, altert, stirbt, scheidet ab, wird wiedergeboren usw.", so legte er die Bedingte Entstehung vom Ende ab in rückläufiger Ordnung dar, um für dieses und jenes Leiden, wie Geburt und Sterben usw., die Bedingungen anzugeben, die er selber auf Grund vorangegangener Durchdringung entdeckt hatte.

 

Die von der, Mitte ab bis zum Anfang zurückgehende Darlegung gab er, um auf Grund der Feststellung der Entstehung der Nährstoffe die Reihenfolge der Grundbedingungen und Ergebnisse zu zeigen und um zu zeigen, wie diese auf das frühere Leben (Unwissenheit, Karmaformationen) hinübergreifen und wiederum vom früheren Leben ab vorwärts arbeiten.

 

Die von der Mitte ab bis zum Ende fortschreitende Darlegung gab der Erhabene, um zu zeigen, wie das künftige Leben (Geburt, Altern und Sterben usw.) aus den im gegenwärtigen Leben aufsteigenden Ursachen des nächsten Lebens entspringt.

 

Von jenen Darlegungen nun hat man als die hier gegebene Darlegung diejenige zu verstehen, die von Anfang an vorwärtsschreitet und die gegeben wurde, um dem belehrbaren Menschen, der über die Entstehungsgründe im Unklaren ist, zu zeigen, wie die Dinge jedesmal auf Grund ihrer eigenen Bedingungen bestehen und wie die Reihenfolge in ihrer Entstehung ist.

 

Warum aber wird die Unwissenheit zu Anfang genannt? Ist wohl, etwa wie der Urstoff (pakati) der Urstofflehrer, auch die Unwissenheit der ursachlose Urgrund der Welt? - Nein, nicht ursachlos ist die Unwissenheit, denn die Ursache der Unwissenheit wurde erklärt in den Worten (M.9):
 

"Durch Entstehung der Triebe (āsava) ist die Entstehung der Unwissenheit (avijjā) bedingt."
 

Trotzdem aber mag in gewisser Weise die Unwissenheit als Wurzelbedingung gelten, insofern sie eben den Ausgangspunkt bildet in der Erklärung der Daseinsrunde. Indem nämlich der Erhabene die Erklärung der Daseinsgründe gab, machte er zwei Dinge zu Ausgangspunkten. Der eine Ausgangspunkt ist die Unwissenheit (avijjā), gemäß den Worten (Vgl. Mil.3; S.15.1 u. S.22.99):

 

"Nicht ist, ihr Mönche, ein erster Anfang der Unwissenheit anzutreffen, vor dem es etwa keine Unwissenheit gegeben hätte und wonach erst später die Unwissenheit entstanden sei.

 

Obwohl dies so gesagt wurde, ihr Mönche, so läßt sich doch eine besondere Bedingung für die Unwissenheit erkennen." Der andere Ausgangspunkt aber ist das Daseinsbegehren (bhava-tanhā), nach den Worten:

 

"Nicht ist, ihr Mönche, ein erster Anfang des Daseinsbegehrens anzutreffen, vor dem es etwa kein Daseinsbegehren gegeben hätte und wonach erst später das Daseinsbegehren entstanden sei.

 

Obwohl dies so gesagt wurde, ihr Mönche, so läßt sich doch eine besondere Bedingung für das Daseinsbegehren erkennen."

 

 

Warum aber hat der Erhabene bei Erklärung der Daseinsrunde diese beiden Dinge zum Ausgangspunkt genommen? Weil sie die Hauptbedingungen des zu glücklicher und unglücklicher Daseinsfährte führenden Wirkens sind.

 

Eine Hauptbedingung des zu unglücklicher Daseinsfährte führenden Wirkens nämlich bildet die Unwissenheit. Und warum? Weil der von Unwissenheit überwältigte Weltling vielerlei zu unglücklicher Daseinsfährte führende Taten verübt, wie Zerstörung von Leben u. dgl., Taten, trotzdem sie wegen der Glut der Leidenschaften qualvoll sind, ihn zu unglücklicher Daseinsfährte führen und ihm zum Unheile gereichen. Es ist gerade so, wie wenn eine zum Schlachten bestimmte Kuh, die man durch Brennen gepeinigt und mit Knütteln geschlagen hat, von Qual überwältigt ist und, erschöpft durch diese Qual, heißes Wasser trinkt, obwohl ihr solches doch qualvoll ist und zu ihrem eigenen Unheile führt.

 

Eine Hauptbedingung aber des zu glücklicher Daseinsfährte führenden Wirkens bildet das Daseinsbegehren. Und warum? Weil der von Daseinsbegehren überwältigte Weltling vielerlei zu glücklicher Daseinsfährte führende Taten vollbringt, wie Vermeidung des Tötens u. dgl., Taten, die durch Abwesenheit der Glut der Leidenschaften Freude bereiten und durch ihr Hinführen zu glücklicher Daseinsfährte die Leiden und Gefahren einer unglücklichen Daseinsfährte fernehalten. Es ist gerade so, wie wenn die oben erwähnte Kuh kühles Wasser tränke, das ihr wegen ihres Durstes danach Genuß bereitet und ihre Erschöpfung vertreibt.

 

Von diesen als Ausgangspunkte für die Erklärung der Daseinsrunde geltenden beiden Dingen (Unwissenheit und Daseinsbegehren) verwendete der Erhabene bisweilen ein einzelnes als Ausgangspunkt seiner Darlegung, z.B. (S.12.23): "So also, ihr Mönche, sind von der Unwissenheit die Karmaformationen abhängig, von den Karmaformationen das Bewußtsein usw." Ebenso (ib.52):

 

"Wer, ihr Mönche, bei den das Anhaften veranlassenden Dingen in Betrachtung des Genusses verweilt, in dem wächst das Begehren an. Durch das Begehren aber bedingt ist das Anhaften usw."

 

Bisweilen gibt der Erhabene seine Darlegung mit beiden Ausgangspunkten, z.B. (ib.19):

 

"Durch Unwissenheit gehemmt und von Begehren gefesselt, ist dem Toren dieser Körper (gemeint ist hier der mit Bewußtsein usw. behaftete Körper, m.a.W. die 5 Daseinsgruppen) entstanden. Und somit gibt es diesen (mit Bewußtsein behafteten) Körper, und auch außerhalb gibt es Geistiges und Körperliches. So bilden denn diese beiden ein Paar, und durch dieses Paar bedingt sind der Bewußtseinseindruck sowie die 6 Grundlagen (Auge Ohr usw. und Sehobjekt, Hörobjekt usw.), durch die getroffen der Tor Freuden und Leiden erfährt usw."

 

- Von diesen beiden Darlegungen nun ist hier die die 'Unwissenheit' zum alleinigen Ausgangspunkte nehmende Darlegung gemeint, nämlich: 'Durch Unwissenheit bedingt sind die Karmaformationen usw.'

 

Auf diese Weise hat man hier die Erklärung mit Hinsicht auf die verschiedenen Darlegungen zu verstehen.


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