Anguttara Nikaya

6. Kapitel: gotamī-vagga

A.VIII. 51 Die Gründung des Nonnenordens

Einst weilte der Erhabene im Lande der Sakyer bei Kapilavatthu im Feigenbaumkloster. Da begab sich Mahā-Pajāpati Gotamī (*1) zum Erhabenen, begrüßte ihn ehrfurchtsvoll, und, seitwärts sitzend, sprach sie also:

"Gut wäre es, o Herr, wenn das Weib die Erlaubnis erhielte, unter der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Zucht vom Hause in die Hauslosigkeit zu ziehen."

-"Genug, Gotamī! Mögest du es nicht gutheißen, daß das Weib die Erlaubnis erhält, unter der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Zucht vom Hause in die Hauslosigkeit zu ziehen."

Und zum zweiten und dritten Male sprach Mahā-Pajāpati Gotamī zum Erhabenen also:

"Gut wäre es, o Herr, wenn das Weib die Erlaubnis erhielte, unter der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Disziplin vom Hause in die Hauslosigkeit zu ziehen!"

-"Genug, Gotamī! Mögest du es nicht gutheißen, daß das Weib die Erlaubnis erhält, unter der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Zucht vom Hause in die Hauslosigkeit zu ziehen."

Als nun Mahā-Pajāpati Gotamī sah, daß der Erhabene dem Weibe nicht gestatten wollte, unter der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Zucht vom Hause in die Hauslosigkeit zu ziehen, da war sie voller Schmerz und Trübsal. Weinend, mit tränenbedecktem Antlitz begrüßte sie den Erhabenen ehrfurchtsvoll, und, ihm die Rechte zukehrend, entfernte sie sich.

Nachdem nun der Erhabene, solange es ihm gefiel, in Kapilavatthu geweilt hatte, machte er sich auf den Weg nach Vesālī. Allmählich weiterwandernd, langte er vor Vesālī an und blieb dort im Großen Walde bei Vesālī, in der Halle des Giebelhauses.

Mahā-Pajāpati Gotamī aber ließ sich die Haare scheren, legte fahle Gewänder an und begab sich, von zahlreichen Sakyerinnen begleitet, ebenfalls auf den Weg nach Vesālī. Nach und nach kam sie nach Vesālī und begab sich zum Großen Walde, zur Halle des Giebelhauses. Mit geschwollenen Füßen und staubbedeckten Gliedern, voller Schmerz und Trübsal, weinend, tränenüberströmten Antlitzes stand Mahā-Pajāpati Gotamī vor dem Toreingang. Es sah nun der ehrwürdige Ananda, wie sie da vor dem Toreingange stand, und sprach zu ihr:

"Warum, o Gotamī, stehst du so vor dem Toreingange, mit geschwollenen Füßen und staubbedeckten Gliedern, voller Schmerz und Trübsal, weinend, tränenüberströmten Antlitzes?"

-"Weil, o Herr, der Erhabene es dem Weibe nicht gestattet hat, unter der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Zucht vom Hause in die Hauslosigkeit zu ziehen...

-"So warte, Gotamī, noch solange hier, bis ich den Erhabenen darum gebeten habe, daß das Weib unter der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Zucht vom Hause in die Hauslosigkeit ziehen mag!"

Und der ehrwürdige Ananda ging zum Erhabenen, begrüßte ihn ehrerbietig und setzte sich zur Seite nieder. Darauf sprach er zum Erhabenen:

"Mahā-Pajāpati Gotamī, o Herr, steht da vor dem Toreingang, mit geschwollenen Füßen und staubbedeckten Gliedern, voller Schmerz und Trübsal, weinend, tränenüberströmten Antlitzes, weil nämlich der Erhabene es dem Weibe nicht gestattet, unter der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Zucht vom Hause in die Hauslosigkeit zu ziehen. Gut wäre es, o Herr, wenn der Erhabene dies gestatten würde."

-"Genug, Ananda! Mögest du es nicht gutheißen, daß das Weib unter der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Zucht vom Hause in die Hauslosigkeit zieht."

Und zum zweiten und dritten Male richtete der ehrwürdige Ananda seine Bitte an den Erhabenen. Dieser aber sprach:

"Genug, Ananda! Mögest du es nicht gutheißen, daß das Weib unter der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Zucht vom Hause in die Hauslosigkeit zieht."

Da dachte der ehrwürdige Ananda: "Nicht will es der Erhabene dem Weibe gestatten, unter der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Zucht vom Hause in die Hauslosigkeit zu ziehen. So will ich denn den Erhabenen noch auf eine andere Weise darum bitten!" Und er sprach zum Erhabenen wie folgt:

"Ist wohl, o Herr, ein Weib, wenn es unter der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Zucht vom Hause in die Hauslosigkeit zieht, imstande, das Ziel des Stromeintritts, der Einmalwiederkehr, der Nichtwiederkehr und der Heiligkeit zu verwirklichen?"

-"Ja, Ananda, dazu ist das Weib imstande."

-"Wenn nun also, o Herr, das Weib dazu imstande ist und weil ja auch Mahā-Pajāpati Gotamī dem Erhabenen große Dienste erwiesen hat, seine Tante ist, seine Erzieherin und Ernährerin war, die den Erhabenen nach dem Tode seiner Mutter mit ihrer eigenen Milch stillte - daher, o Herr, wäre es gut, wenn der Erhabene es dem Weibe gestattet, unter der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Zucht vom Hause in die Hauslosigkeit zu ziehen."

-"Wenn, Ananda, Mahā-Pajāpati Gotamī die acht wichtigen Gebote auf sich nehmen will, so möge das als ihre Weihe (upasampadā) gelten:

Eine Nonne soll, auch wenn sie schon vor hundert Jahren die Weihe erhalten hat, selbst einen erst am selben Tage geweihten Mönch ehrerbietig begrüßen, sich vor ihm erheben, ihm den ehrfurchtsvollen Handgruß (*2) darbieten und ihm Achtung erweisen. Dieses Gebot soll sie ehren, achten, würdigen, hochhalten und es zeitlebens nicht übertreten.

In einer Klause, die den Mönchen nicht zugänglich ist (*3), soll die Nonne nicht die Regenzeit antreten. Auch dieses Gebot soll sie ehren, achten, würdigen, hochhalten und es zeitlebens nicht übertreten.

Eine Nonne soll jeden halben Monat die Mönchsgemeinde um zwei Dinge ersuchen: um den Tag der Uposatha-Observanz (*4) und um den Besuch eines Unterweisers. Auch dieses Gebot soll sie ehren, achten, würdigen, hochhalten und zeitlebens nicht übertreten.

Wenn die Nonne die Regenzeitklausur (s. A.II.10) beendet hat, soll sie beiden Ordensgemeinden in dreifacher Hinsicht 'Genugtuung' (pavāranā, siehe A.II.201) geben: darüber, was man (während der Regenzeit bei ihr an Verletzungen der Ordensregeln) gesehen, gehört oder vermutet hat. Auch dieses Gebot soll sie ehren, achten, würdigen, hochhalten und es zeitlebens nicht übertreten.

Wenn die Nonne ein schweres Vergehen begangen hat, so soll sie vor den beiden Ordensgemeinden vierzehn Tage lang 'Sühne' (mānatta, A.II.201) tun. Auch dieses Gebot soll sie ehren, achten, würdigen, hochhalten und es zeitlebens nicht übertreten.

Eine Übende (sikkhamānā), die sich zwei Jahre lang in den sechs Regeln (*5) geübt hat, soll bei beiden Ordensgemeinden um die Weihe (upasampadā) nachsuchen. Auch dieses Gebot soll sie ehren, achten, würdigen, hochhalten und es zeitlebens nicht übertreten.

In keinerlei Weise darf die Nonne einen Mönch beschimpfen oder verleumden. Auch dieses Gebot soll sie ehren, achten, würdigen, hochhalten und es zeitlebens nicht übertreten.

Von heute ab ist es den Nonnen untersagt, die Mönche (mit einer Ermahnung) anzureden; nicht aber ist es den Mönchen untersagt, die Nonnen (mit einer Ermahnung) anzureden. Auch dieses Gebot soll sie ehren, achten, würdigen, hochhalten und es zeitlebens nicht übertreten.

Wenn, Ananda, Mahā-Pajāpati Gotamī diese acht wichtigen Gebote auf sich nehmen will, so möge das als ihre Weihe gelten."

Nachdem nun der ehrwürdige Ananda vom Erhabenen diese acht wichtigen Gebote gelernt hatte, begab er sich zu Mahā-Pajāpati Gotamī und teilte ihr mit, daß, wenn sie diese acht wichtigen Gebote auf sich nehmen will, dies dann als ihre Weihe gelten mag.

(Gotamī) "Gleichwie, o Ananda, wenn eine Frau oder ein Mann, jung, jugendlich, schmuckliebend, mit reingewaschenem Haupte, einen Kranz aus Lotusblumen oder Jasmin oder anderen wohlriechenden Blüten erhält, ihn mit beiden Händen in Empfang nimmt und ihn auf dem edelsten Körperteile, dem Haupte, befestigen möchte; genauso nehme ich, o Herr, diese acht zeitlebens nicht zu übertretenden wichtigen Gebote auf mich."

Darauf begab sich der ehrwürdige Ananda zum Erhabenen und sprach:

"Mahā-Pajāpati Gotamī, o Herr, hat die acht zeitlebens nicht zu übertretenden wichtigen Gebote auf sich genommen."

-"Hätte, Ananda, das Weib nicht die Erlaubnis erlangt, unter der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Zucht vom Hause in die Hauslosigkeit zu ziehen, so würde der Heilige Wandel noch langen Bestand haben, so würde die Gute Lehre noch tausend Jahre fortbestehen. Nun aber, Ananda, da das Weib die Erlaubnis erhalten hat, unter der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Zucht vom Hause in die Hauslosigkeit zu ziehen, wird jetzt der Heilige Wandel keinen langen Bestand haben, nur noch fünfhundert Jahre wird jetzt die Gute Lehre bestehen.

Gleichwie, Ananda, diejenigen Familien, in denen es viele Frauen und wenig Männer gibt, leicht durch Räuber und Einbrecher (*6) zugrunde gerichtet werden; ebenso auch, Ananda, ist in einer Lehre und Zucht, unter der das Weib vom Hause in die Hauslosigkeit zieht, der Heilige Wandel nicht von langer Dauer. Oder gleichwie, Ananda, wenn in einem reifen Reisfeld eine gewisse mit Meltau bezeichnete Krankheit ausbricht, dabei jenes Reisfeld nicht lange bestehen kann, oder wenn in einem Zuckerrohrfelde die mit Röte bezeichnete Krankheit ausbricht, dabei jenes Zuckerrohrfeld nicht lange bestehen kann; ebenso auch, Ananda, ist in einer Lehre und Zucht, unter der das Weib vom Hause in die Hauslosigkeit zieht, der Heilige Wandel nicht von langer Dauer (vergl.Mil.4.1.14).

Wie aber, Ananda, ein Mann bei einem großen Teiche schon im voraus einen Damm errichtet, damit das Wasser nicht überfließen kann, ebenso auch, Ananda, habe ich schon im voraus den Nonnen die acht zeitlebens nicht zu übertretenden wichtigen Gebote gegeben."


(*1) Die Tante und Pflegemutter des Buddha. Sie war die Mutter Nandas (s. A.VIII.9).

(*2) Mit vor der Brust gefalteten Händen (añjali).

(*3) Zum Beispiel der weiten Entfernung vom Mönchskloster wegen. Die Nonne muß die Möglichkeit haben, Ermahnung und Unterweisung der Mönche zu erhalten; siehe die nächste Vorschrift.

(*4) Siehe Anm. A.III.38a.

(*5) Diese sechs Regeln sind: Vermeidung von Töten, Stehlen, Unkeuschheit, Lüge, Rauschmitteln und Essen zur Unzeit.

(*6) kumbha-thenaka; wtl: topf[tragende] Diebe. K ein Licht in einem Topf anzündend, suchen sie mit diesem Licht in den Häusern nach Beute.


A.VIII. 52 Der würdige Ermahner der Nonnen

Im Großen Walde bei Vesālī, in der Halle des Giebelhauses.

Der ehrwürdige Ananda sprach zum Erhabenen:

"Wie viele Eigenschaften, o Herr, soll ein Mönch besitzen, um zum Ermahner der Nonnen ernannt zu werden?"

-"Acht Eigenschaften, Ananda. Und welches sind die acht?

Da ist, Ananda, der Mönch sittenrein, er befolgt die Ordenssatzung, ist vollkommen in Wandel und Umgang, und, vor dem kleinsten Vergehen zurückschreckend, schult er sich in den Übungsregeln, die er auf sich genommen. Er besitzt großes Wissen. Mit beiden Ordenssatzungen hat er sich in allen Einzelheiten vertraut gemacht, kennt sie gut in ihren Gliederungen, beherrscht sie vollständig und hat sie gut studiert nach Regeltext und zusätzlichen Erläuterungen. (Siehe A.VII.72 mit Anm). Er ist ein guter Sprecher, ein guter Redner; seine Rede ist gefällig und fließend, fehlerlos in der Aussprache und verständlich im Sinn. Er besitzt die Fähigkeit, die Nonnengemeinde durch einen Lehrvortrag zu unterweisen, zu ermahnen, zu ermutigen und zu ermuntern. Er ist im allgemeinen den Nonnen lieb und angenehm. Nicht hat er jemals ein schweres Vergehen begangen mit einer, die als Jüngerin des Erhabenen, mit fahlem Gewande bekleidet, in die Hauslosigkeit zog. Er hat zwanzig oder noch mehr Ordensjahre hinter sich. Diese acht Eigenschaften, Ananda, soll ein Mönch besitzen, um zum Ermahner der Nonnen ernannt zu werden."


A.VIII. 53 Die Merkmale der Guten Lehre

Im Großen Walde bei Vesālī, in der Halle des Giebelhauses. Mahā-Pajāpati Gotamī sprach zum Erhabenen also:

"Gut wäre es, o Herr, wenn mir der Erhabene in kurzen Worten die Lehre darlegte, auf daß ich, nachdem ich vom Erhabenen die Lehre vernommen habe, einsam, abgeschieden, unermüdlich, eifrig und entschlossen weilen möge."

-"Bei denjenigen Erscheinungen, Gotamī, von denen du weißt, daß sie zur Gier führen und nicht zur Abwendung von der Gier, daß sie zur Bindung (K: zur Bindung an den Daseinskreislauf) führen und nicht zur Loslösung, daß sie zur Aufschichtung führen und nicht zur Abschichtung (*1), daß sie zur Unbescheidenheit führen und nicht zur Bescheidenheit, zur Ungenügsamkeit und nicht zur Genügsamkeit, zur Geselligkeit und nicht zur Abgeschiedenheit, zur Trägheit und nicht zur Willenskraft, daß sie zu Unterstützungsschwierigkeiten führen und nicht zu leichter Unterstützbarkeit, da magst du als sicher annehmen, daß dies nicht die Lehre ist, nicht die Zucht, nicht die Weisung des Meisters.

Bei denjenigen Erscheinungen aber, Gotamī, von denen du weißt, daß sie zur Abwendung von der Gier führen und nicht zur Gier, daß sie zur Loslösung führen und nicht zur Bindung, zur Abschichtung und nicht zur Aufschichtung, zur Bescheidenheit und nicht zur Unbescheidenheit, zur Genügsamkeit und nicht zur Ungenügsamkeit, zur Abgeschiedenheit und nicht zur Geselligkeit, zur Willenskraft und nicht zur Trägheit, daß sie zu leichter Unterstützbarkeit führen und nicht zu Unterstützungsschwierigkeiten, da magst du als sicher annehmen, daß dies die Lehre ist, dies die Zucht, dies die Weisung des Meisters."


(*1) Nämlich zur Abschichtung des in immer neuer Wiedergeburt sich äußernden Daseinsprozesses.


A.VIII. 54 Grundlagen der Wohlfahrt (Vyagghapajja-Sutta)

(Diese Rede, in den buddhistischen Ländern meist als Vyagghapajja-Sutta bekannt, ist einer der populärsten Texte über Laienethik).

Einst weilte der Erhabene im Lande der Koliyer, in der Koliyerstadt Kakkarapatta. Da nun begab sich Dīghajanu (*1), der Koliyersohn, zum Erhabenen. Bei ihm angelangt, begrüßte er den Erhabenen ehrerbietig, setzte sich zur Seite nieder und sprach:

"Wir als Hausleute, o Herr, die wir die Sinnenfreuden genießen, wohnen mitten im Gedränge von Weibern und Kindern. Wir gebrauchen feinstes Sandelholz, verwenden Blumen, Riechstoffe und Salben, benutzen Gold und Silber. Möge doch, o Herr, der Erhabene uns so die Lehre weisen, daß es uns zum Heil und Wohl gereiche, diesseits und jenseits!"

-"Vier Dinge, Vyagghapajja, gereichen einem edlen Sohne zum diesseitigen Heil und Wohl. Welche vier? Bewährung in Fleiß, Bewährung in Wachsamkeit, edler Umgang und maßvolle Lebensweise.

Was aber, Vyagghapajja, ist Bewährung in Fleiß? Da, Vyagghapajja, erwirbt sich ein edler Sohn durch irgendeine Arbeit seinen Lebensunterhalt, sei es durch Ackerbau, durch Handel oder durch Viehzucht, als ein Bogenschütze oder königlicher Beamter oder durch irgendein Handwerk. Darin aber ist er tüchtig und nicht nachlässig, und er versteht sich auf die richtigen Mittel zu handeln und anzuordnen. Das, Vyagghapajja, nennt man Bewährung in Fleiß. Was aber, Vyagghapajja, ist Bewährung in Wachsamkeit? Da besitzt ein edler Sohn Güter, die er sich durch Fleiß und Strebsamkeit erworben, durch seiner Hände: Arbeit, im Schweiße seines Angesichts angesammelt hat, rechtliche Güter, rechtschaffen erlangt. Diese hütet und bewacht er, damit nicht Fürsten oder Räuber sie fortnehmen oder das Feuer sie zerstört, das Wasser sie fortspült oder lieblose Erben sie an sich reißen. Das, Vyagghapajja, nennt man Bewährung in Wachsamkeit.

Was aber, Vyagghapajja, ist edler Umgang? In dem Dorfe, Vyagghapajja, oder der Stadt, wo der edle Sohn wohnt, was es dort an Hausvätern gibt oder Hausväter-Söhnen, jung und von reifem Charakter oder alt und von reifem Charakter, denen Vertrauen, Sittlichkeit, Freigebigkeit und Weisheit eignet, mit solchen pflegt er Umgang, unterhält sich mit ihnen, führt Gespräche mit ihnen. Und den solcherart Vertrauensvollen eifert er im Vertrauen nach, den solcherart Sittenreinen eifert er in Sittlichkeit nach, den solcherart Freigebigen eifert er in Freigebigkeit nach, den solcherart Weisen eifert er in Weisheit nach. Das, Vyagghapajja, nennt man edlen Umgang.

Was aber, Vyagghapajja, ist maßvolle Lebensweise? Da, Vyagghapajja, kennt der edle Sohn seine Einnahmen und Ausgaben und richtet demgemäß seine Lebensweise ein, nicht zu üppig und nicht zu dürftig, wissend: 'Auf diese Weise werden die Einnahmen meine Ausgaben übertreffen und nicht meine Ausgaben die Einnahmen.' Gleichwie ein Goldschmied (*2) oder sein Gehilfe, wenn er die Waage vor sich hält, weiß, daß sie um so viel sich gesenkt hat oder um so viel in die Höhe geht, ebenso auch, Vyagghapajja, kennt der edle Sohn seine Einnahmen und Ausgaben und richtet demgemäß seine Lebensweise ein, nicht zu üppig und nicht zu dürftig, wissend: 'Auf diese Weise werden die Einnahmen meine Ausgaben übertreffen und nicht meine Ausgaben die Einnahmen.'

Führt, Vyagghapajja, der edle Sohn bei geringem Einkommen eine üppige Lebensweise, so sagt man von ihm, daß er seinen Besitz vergeudet wie ein Feigenesser (*3). Führt er aber bei großem Einkommen eine dürftige Lebensweise, so sagt man von ihm, daß er wie ein Hungerleider sterben wird (*4). Wenn aber, Vyagghapajja, der edle Sohn seine Einnahmen und Ausgaben kennt und seine Lebensweise demgemäß einrichtet, so nennt man das eine maßvolle Lebensweise.

Für den so erlangten Besitz, Vyagghapajja, gibt es vier Abflüsse: Unzucht, Trunksucht, Würfelspiel und Umgang mit schlechten Freunden, schlechten Gefährten, schlechten Genossen. Wenn da bei einem großen Teiche, der vier Zuflüsse und vier Abflüsse hat, ein Mann die Zuflußkanäle verstopft, die Abflußkanäle aber öffnet und die Wolken keinen rechten Regen spenden, so hat man da bei jenem großen Teiche eine Abnahme zu erwarten, keine Zunahme. Ebenso auch, Vyagghapajja, gibt es für den erlangten Besitz vier Abflüsse: Unzucht, Trunksucht, Würfelspiel und Umgang mit schlechten Freunden, schlechten Gefährten, schlechten Genossen.

Für den so erlangten Besitz, Vyagghapajja, gibt es vier Zuflußkanäle: das Meiden von Unzucht, von Trunksucht, von Würfelspiel und der Umgang mit edlen Freunden, edlen Gefährten, edlen Genossen. Wenn da bei einem großen Teiche, der vier Zuflüsse und vier Abflüsse hat, ein Mann die Zuflußkanäle öffnet, die Abflußkanäle aber verstopft und die Wolken rechten Regen spenden, so hat man da bei jenem großen Teiche eine Zunahme zu erwarten, keine Abnahme. Ebenso auch, Vyagghapajja, gibt es für den erlangten Besitz vier Zuflüsse: das Meiden von Unzucht, von Trunksucht, von Würfelspiel und der Umgang mit edlen Freunden, edlen Gefährten, edlen Genossen.

Diese vier Dinge, Vyagghapajja, gereichen dem edlen Sohne zu diesseitigem Heil und Wohl.

Vier Dinge aber, Vyagghapajja, gereichen dem edlen Sohne zu jenseitigem Heil und Wohl. Welche vier?

Bewährung in Vertrauen, Bewährung in Sittlichkeit, Bewährung in Freigebigkeit und Bewährung in Weisheit.

Was aber, Vyagghapajja, ist Bewährung in Vertrauen? Da besitzt der edle Sohn Vertrauen. Er glaubt an die Erleuchtung des Vollendeten, so nämlich: 'Dies, wahrlich, ist der Erhabene: er ist ein Heiliger, vollkommen Erleuchteter, der in Wissen und Wandel Bewährte, der Gesegnete, der Kenner der Welt, der unübertreffliche Lenker führungsbedürftiger Menschen, der Meister der Götter und Menschen, der Erleuchtete, der Erhabene.'

Was aber, Vyagghapajja, ist Bewährung in Sittlichkeit? Da enthält sich der edle Sohn von Lebenszerstörung, enthält sich vom Nehmen des Nichtgegebenen, enthält sich von unrechtem Wandel in Sinnenlüsten, enthält sich von der Lüge, enthält sich vom Genuß von Rauschmitteln, der Ursache der Lässigkeit.

Was aber, Vyagghapajja, ist Bewährung in Freigebigkeit? Da lebt der edle Sohn im Hause mit einem vom Laster des Geizes freien Herzen; er ist freigebig und spendet mit offenen Händen; er gibt gern, ist den Bedürftigen zugetan und hat Freude am Austeilen von Gaben.

Was aber, Vyagghapajja, ist Bewährung in Weisheit? Da eignet dem edlen Sohne Weisheit. Ausgerüstet ist er mit jener Weisheit, die das Entstehen und Vergehen begreift, der edlen, durchdringenden, zu völliger Leidensvernichtung führenden.

Diese vier Dinge, Vyagghapajja, gereichen dem edlen Sohne zu jenseitigem Heil und Wohl."

"Voll Fleiß in allem, was er tut,
voll Tatkraft und voll Ordnungssinn,
sein Leben er gar maßvoll führt
und hütet seine Schätze wohl.
Vertrauensvoll und sittenrein,
freigebig, ohne jeden Geiz,
bereitet er den Pfad stets vor
zum Heil in einer anderen Welt.
So führen diese Dinge acht,
vom Wahrheitslehrer kundgetan,
zu beiderseit'gem Heil den Mann,
der voll Vertraun im Hause weilt,
Zum Wohlergehen in dieser Welt
und künftiger Glückseligkeit.-
So wächst Verdienst dem Hausner zu
und milder Sinn von Tag zu Tag."

(*1) D.i. 'Langknie'; vielleicht ein Spitzname. Sein Familienname war Vyagghapajja, d.i. Tiegerfährtler.

(*2) tuladhāro, wtl: einer der die Waage hält.

(*3) Der mehr Feigen vom Baume schüttelt, als er zum Essen braucht.

(*4) Lies mit K: ajaddhumārikam.


A.VIII. 55 Ujjaya

Einst begab sich der Brahmane Ujjaya zum Erhabenen, und nach Austausch freundlicher, höflicher Worte setzte er sich seitwärts nieder und sprach zum Erhabenen also:

"Ich möchte, o Herr, in die Fremde ziehen. Möge mir der Herr Gotama derart die Lehre weisen, daß uns die Belehrungen zum diesseitigen Heil und Wohl gereichen und zu jenseitigem Heil und Wohl."

(Das folgende ist gleichlautend mit Text 54.)


A.VIII. 56 Das Elend der Sinnenlüste

(Vgl. A.VI.23)

Als eine Gefahr, ihr Mönche, bezeichnet man die Sinnenlüste, als ein Leiden, eine Krankheit, ein Geschwür, einen Stachel, eine Fessel, als einen Morast und eine Brutstätte.

Warum aber, ihr Mönche, bezeichnet man die Sinnenlüste als eine Gefahr? In Sinnengier entbrannt, wird der in seiner Begehrlichkeit Verstrickte nicht frei von den Gefahren gegenwärtigen Daseins, wird er nicht frei von den Gefahren künftigen Daseins. Darum bezeichnet man die Sinnenlüste als eine Gefahr.

Warum aber bezeichnet man die Sinnenlüste als ein Leiden - eine Krankheit ein Geschwür - einen Stachel - eine Fessel - einen Morast - eine Brutstätte? In Sinnengier entbrannt, wird der in seiner Begehrlichkeit Verstrickte nicht frei von der Brutstätte gegenwärtigen Daseins, wird er nicht frei von der Brutstätte künftigen Daseins. Darum bezeichnet man die Sinnenlüste als eine Brutstätte.

Als Fährnis, Leiden, Siechtum, Schwären,
als Fessel, Stachel und als Sumpf
und auch als Brutstätte der Leiden
bezeichnet man die Sinnenlüste,
woran die große Menge hängt.
Vom Lieblich-Schönen überwältigt,
zu neuem Schoße eilt sie hin.
Doch wenn den Mönch, der eifrig kämpft,
die Geistesklareit nicht verläßt,
mag er aus diesem Sumpf sich retten,
dem man nur schwer entrinnen kann,
und schauen, wie die Welt sich quält,
versunken in Geburt und Tod.

A.VIII. 57-58 Der würdige Mönch

Ein Mönch, der acht Eigenschaften besitzt, ist würdig der Opfer, würdig der Gastspende, würdig der Gaben, würdig des ehrfurchtsvollen Grußes und ist der beste Boden für gute Werke in der Welt. Welches sind diese acht Eigenschaften? (57) Da ist der Mönch sittenrein. Er ist wissensreich. Er pflegt Umgang mit edlen Freunden, edlen Gefährten, edlen Genossen. Er besitzt rechte Erkenntnis, hat richtige Anschauungen. Der vier Vertiefungen, der erhaben-geistigen, gegenwärtiges Glück bringenden, wird er nach Wunsch teilhaftig, ohne Mühe und Schwierigkeit. Er erinnert sich mancher früherer Daseinsformen. Mit dem himmlischen Auge, dem geklärten, übermenschlichen, sieht er, wie die Wesen schwinden und wiedererscheinen. Durch Versiegung der Triebe hat er schon bei Lebzeiten die triebfreie Gemütserlösung und Weisheitserlösung selber erkannt, verwirklicht und sich zu eigen gemacht.

  1. Da ist der Mönch sittenrein. Er ist wissensreich. Willenskraft eignet ihm. Im Walde wohnt er, in abgeschiedener Behausung. Über Lust und Unlust hat er Gewalt, beherrscht die jeweils aufsteigende Unlust. Über Furcht und Angst hat er Gewalt, beherrscht die jeweils aufsteigende Furcht und Angst. Der vier Vertiefungen wird er nach Wunsch teilhaftig, ohne Mühe und Schwierigkeit. Durch Versiegung der Triebe hat er schon bei Lebzeiten die triebfreie Gemütserlösung und Weisheitserlösung selber erkannt, verwirklicht und sich zu eigen gemacht.

A.VIII. 59 Acht würdige Menschen I

Acht Menschen, ihr Mönche, sind würdig der Opfer, würdig der Gastspende, würdig der Gaben, würdig des ehrfurchtsvollen Grußes, sind der beste Boden für gute Werke in der Welt. Welches sind diese acht?

Der in den Strom Eingetretene (sotāpanna) und derjenige, der auf dem Wege ist, das Ziel des Stromeintritts zu verwirklichen. Der Einmalwiederkehrer (sakadāgāmī) und derjenige, der auf dem Wege ist, das Ziel der Einmalwiederkehr zu verwirklichen Der Nichtwiederkehrer (anāgāmī) und derjenige, der auf dem Wege ist, das Ziel der Nichtwiederkehr zu verwirklichen. Der Heilige (arahat) und derjenige, der auf dem Wege ist, das Ziel der Heiligkeit zu verwirklichen.

Die vier, die auf den Pfaden wandeln,
die vier, die hingelangt zum Ziel:
Das ist die wahre Jüngerschaft,
in Weisheit und in Sitte fest.
Den Menschen, die da Gaben spenden,
den Weisen, die Verdienst erwarten
und weltlich gute Werke tun,
bringt Ordensgabe hohen Lohn.

A.VIII. 60 Acht würdige Menschen II

(Prosa wie in Text 59; die Verse lauten hier wie folgt:)

Die vier, die auf den Pfaden wandeln,
die vier, die hingelangt zum Ziel,
das ist die höchste Jüngerschaft:
Acht Jünger nur gibt's in der Welt.
Den Menschen, die da Gaben spenden,
den Weisen, die Verdienst erwarten
und weltlich gute Werke tun,
bringt hier die Gabe hohen Lohn.

    Oben  


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    Oben