Anguttara Nikaya

A.VII. 67 Ohne Übung kein Fortschritt

So sehr auch, ihr Mönche, ein Mönch, der keine Geistesschulung pflegt, den Wunsch hegen mag: "Ach, daß doch mein Herz von den Trieben haftlos befreit werde!", so wird es eben dennoch nicht befreit. Und warum nicht? "Weil er seinen Geist nicht entfaltet hat", wäre zu erwidern. Und worin?

In den vier Grundlagen der Achtsamkeit, den vier Rechten Anstrengungen, den vier Machtfährten, den fünf geistigen Fähigkeiten, den fünf geistigen Kräften, den sieben Gliedern der Erleuchtung und dem Edlen Achtfachen Pfade*.

*[Diese sieben Gruppen von Lehrbegriffen bilden die 37 'zur Erleuchtung führenden Dinge' (bodhipakkhiya-dhamma)]

Gesetzt, ihr Mönche, eine Henne habe da acht oder zehn oder zwölf Eier gelegt, habe sie aber nicht genügend bebrütet, nicht genügend erwärmt, nicht genügend zur Entwicklung gebracht. Wie sehr nun auch jene Henne wünschen mag: "Ach, daß doch meine Küchlein mit den Krallenspitzen oder dem Schnabel die Eierschale durchbrechen und heil ausschlüpfen möchten!", so werden sie eben doch noch nicht dazu imstande sein Und warum nicht? Weil eben die Henne ihre Eier nicht genügend bebrütet, nicht genügend erwärmt, nicht genügend zur Entwicklung gebracht hat. So ist es auch mit einem Mönch, der keine Geistesschulung pflegt.

Doch selbst wenn, ihr Mönche, ein Mönch, der Geistesschulung pflegt, nicht den Wunsch hegen sollte, daß sein Herz haftlos von den Trieben befreit werden möchte, so wird er eben dennoch von den Trieben befreit. Und warum? "Weil er eben seinen Geist entfaltet hat", wäre zu erwidern. Und worin? In den vier Grundlagen der Achtsamkeit, den vier Rechten Anstrengungen, den vier Machtfährten, den fünf geistigen Fähigkeiten, den fünf geistigen Kräften, den sieben Gliedern der Erleuchtung und dem Edlen Achtfachen Pfade.

Gesetzt, ihr Mönche, eine Henne habe da acht oder zehn oder zwölf Eier gelegt, und sie hätte sie genügend bebrütet, genügend durchhitzt, genügend zur Entwicklung gebracht. Selbst wenn diese Henne nicht den Wunsch hegen sollte, daß ihre Küchlein mit den Krallenspitzen oder dem Schnabel die Eierschale durchbrechen und heil ausschlüpfen möchten, so werden sie eben dennoch auskriechen. Und warum? Weil eben die Henne ihre Eier genügend bebrütet, genügend erhitzt, genügend zur Entwicklung gebracht hat. So ist es auch mit einem Mönch, der Geistesschulung pflegt.

Oder gleichwie, ihr Mönche, wenn einem Tischler oder Tischlergesellen der Griff seines Beiles abgenützt ist, sich Fingerabdrücke zeigen, er dennoch nicht weiß, daß heute soviel, gestern soviel und zu anderer Zeit soviel vom Beilgriff abgenutzt wurde, sondern er eben das, was abgenutzt ist, als abgenutzt erkennt; ebenso auch, ihr Mönche, steht es mit dem Mönch, der Geistesschulung pflegt: wenn er auch nicht weiß, daß ihm heute soviel, gestern soviel und zu anderer Zeit soviel von den Trieben geschwunden ist, so erkennt er doch das Geschwundene als geschwunden.

Oder gleichwie, ihr Mönche, bei einem an einen Pfosten angebundenen Seeboote, nachdem es sechs Monate lang im Wasser umhergefahren und dann im Winter ans Land gezogen wurde, die durch Wind und Sonne geschwächten, dem Monsunregen ausgesetzten Stricke leicht mürbe werden und abfaulen; ebenso auch, ihr Mönche, lösen sich bei dem Mönche, der Geistesschulung pflegt, ganz ohne Mühe die Fesseln und faulen ab.


A.VII. 68 Das Los des falschen Asketen - Aggikkhandha-Sutta

So habe ich gehört. Einst wanderte der Erhabene mit einer großen Schar von Mönchen durch das Land der Kosaler. Während aber der Erhabene auf der Straße einherzog, bemerkte er an einer gewissen Stelle ein großes flackerndes, loderndes, leuchtendes Feuer. Bei seinem Anblick bog er vom Wege ab und nahm am Fuß eines Baumes auf einem hergerichteten Sitze Platz. Darauf wandte er sich an die Mönche und sprach:

"Seht ihr wohl, ihr Mönche, jenes große flackernde, lodernde, leuchtende Feuer?" - "Gewiß, o Herr."

-"Was haltet ihr da wohl für besser, ihr Mönche: daß man jenes große flackernde, lodernde, leuchtende Feuer umarmt, sich daneben hinsetzt, sich daneben legt, oder aber daß man eine mit weichen, zarten Händen und Füßen begabte Jungfrau aus dem Adels-, Brahmanen oder Bürgerstande umarmt und sich neben sie hinsetzt oder sich neben sie legt?"

-"Besser ist es freilich, o Herr, daß man eine mit weichen, zarten Händen und Füßen begabte Jungfrau aus dem Adels-, Brahmanen- oder Bürgerstande umarmt und sich neben sie hinsetzt oder sich neben sie legt; denn Schmerzen bringt es, o Herr, wollte man jenes große flackernde, lodernde, leuchtende Feuer umarmen, sich daneben hinsetzen, sich daneben legen."

-"Ich sage euch, ihr Mönche, ich künde euch, ihr Mönche: besser wäre es wahrlich für den sittenlosen, dem Schlechten ergebenen Mönch von unlauterem und verdächtigem Benehmen, von versteckter Tat, für den Nichtasketen, der sich als Asketen ausgibt, für den unkeuschen, der sich als keusch lebend ausgibt, der innerlich verdorben ist, befleckt, von schmutzigem Wesen, daß er jenes große flackernde, lodernde, leuchtende Feuer umarmt und sich daneben hinsetzt, daneben legt, als daß er eine mit weichen, zarten Händen und Füßen begabte Jungfrau aus dem Adels-, Brahmanen- oder Bürgerstande umarmt und sich neben sie hinsetzt oder neben sie legt. Und warum? Dadurch mag er zwar dem Tode oder tödlichem Schmerz verfallen; nicht aber gerät er darum beim Zerfall des Körpers, nach dem Tode, in niedere Welt, auf eine Leidensfährte, in die Daseinsabgründe, zur Hölle. Wenn aber ein solcher eine mit weichen, zarten Händen und Füßen begabte Jungfrau aus dem Adels-, Brahmanen- oder Bürgerstande umarmt und sich neben sie hinsetzt oder sich neben sie legt, so gereicht ihm das, ihr Mönche, lange Zeit zum Unheil und Leiden; und beim Zerfall des Körpers, nach dem Tode, gerät er in niedere Welt, auf eine Leidensfährte, in die Daseinsabgründe, zur Hölle.

Was haltet ihr wohl für besser, ihr Mönche: daß ein kräftiger Mann einem einen festen, härenen Strick um beide Beine schlingt und hin und her reibt, so daß der Strick erst die Oberhaut durchschürft, dann die Unterhaut, dann das Fleisch, dann die Sehnen, dann die Knochen durchschneidet und schließlich am Knochenmark anlangt - oder daß man von mächtigen Adeligen, Brahmanen oder Bürgern ehrfurchtsvolle Begrüßung entgegennimmt?"

-"Besser ist es freilich, o Herr, daß man von mächtigen Adeligen, Brahmanen oder Bürgern ehrfurchtsvolle Begrüßung entgegennimmt; denn Schmerzen bringt es, o Herr, wenn ein kräftiger Mann einem einen festen, härenen Strick um beide Beine schlingt und hin und her reibt."

-"Ich sage euch, ihr Mönche, ich künde euch, ihr Mönche: besser wäre es wahrlich für den sittenlosen, dem Schlechten ergebenen Mönch von unlauterem und verdächtigem Benehmen, von versteckter Tat, für den Nichtasketen, der sich als Asketen ausgibt, den Unkeuschen, der sich als keusch lebend ausgibt, der innerlich verdorben ist, befleckt, von schmutzigem Wesen, daß ihm ein kräftiger Mann einen starken, härenen Strick um beide Beine schlingt und hin und her reibt. . ., als daß er von mächtigen Adeligen, Brahmanen oder Bürgern ehrfurchtsvolle Begrüßung entgegennimmt....

"... Ich sage euch, ihr Mönche, ich künde euch, ihr Mönche: besser wäre es wahrlich für einen solchen, daß ihm ein kräftiger Mann einen scharfen, mit Öl gereinigten (zwecks Schärfens) Speer in die Brust stieße, als daß er von mächtigen Adeligen, Brahmanen oder Bürgern ehrerbietigen Handgruß (*1) entgegennimmt....

"... Ich sage euch, ihr Mönche, ich künde euch, ihr Mönche: besser wäre es wahrlich für einen solchen, daß ihm ein kräftiger Mann einen glühenden, feurigen, flammenden, lodernden Eisenpanzer um den Leib legte, als daß er das von mächtigen Adeligen, Brahmanen oder Bürgern aus Vertrauen gespendete Gewand anlegt....

"... Ich sage euch, ihr Mönche, ich künde euch, ihr Mönche: besser wäre es wahrlich für einen solchen, daß ihm ein kräftiger Mann mit einer glühenden, feurigen, flammenden, lodernden Eisenstange den Mund aufrisse und eine glühende, feurige, flammende, lodernde Eisenkugel in seinen Mund fallen ließe, die ihm Lippen, Mund, Zunge, Kehle und Leib verbrennt und Eingeweide und Gekröse mit sich führend hinten wieder herauskommt, als daß er die von mächtigen Adeligen, Brahmanen oder Bürgern aus Vertrauen gespendete Almosenspeise verzehrt....

"... Ich sage euch, ihr Mönche, ich künde euch, ihr Mönche: besser wäre es wahrlich für einen solchen, daß ihn ein kräftiger Mann am Schopf oder an den Schultern packt und ihn auf ein glühendes Eisenbett oder auf einen glühenden Eisenstuhl niederzwingt, als daß er ein von mächtigen Adeligen, Brahmanen oder Bürgern aus Vertrauen gespendetes Bett oder einen Stuhl benutzt....

"... Ich sage euch, ihr Mönche, ich künde euch, ihr Mönche: besser wäre es wahrlich für einen solchen, daß ihn ein starker Mann an den Füßen packt und ihn kopfüber in einen glühenden, feurigen, flammenden, lodernden Erzkessel wirft und er, während er dort kocht, mit dem aufsiedenden Schaum einmal nach oben, einmal nach unten und einmal quer hinüber getrieben wird, als daß er ein von mächtigen Adeligen, Brahmanen oder Bürgern aus Vertrauen gespendetes Kloster bewohnt. Und warum? Dadurch mag er zwar dem Tode oder tödlichem Schmerz verfallen; nicht aber gerät er darum beim Zerfall des Körpers, nach dem Tode, in niedere Welt, auf eine Leidensfährte, in die Daseinsabgründe, zur Hölle. Wenn aber ein solcher ein von mächtigen Adeligen, Brahmanen oder Bürgern aus Vertrauen gespendetes Kloster bewohnt, so gereicht ihm das, ihr Mönche, lange Zeit zum Unheil und Leiden; und beim Zerfall des Körpers, nach dem Tode, gerät er in niedere Welt, auf eine Leidensfährte, in die Daseinsabgründe, zur Hölle.

Darum, ihr Mönche, soll man in solcher Weise streben: 'Mögen denen, deren Gewänder, Almosenspeise, Lagerstatt und Arzneien wir benutzen, ihre Gabe hohen Lohn und Segen bringen! Und möge unsere Weltentsagung nicht fruchtlos sein, sondern Frucht und Ergebnis bringen!' Danach, ihr Mönche, sollt ihr streben!

Angesichts des eigenen Heiles, ihr Mönche, ist es angebracht, unermüdlich nach dem Ziele zu streben. Angesichts des fremden Heiles, ihr Mönche, ist es angebracht, unermüdlich nach dem Ziele zu streben. Und angesichts des beiderseitigen Heiles, ihr Mönche, ist es angebracht, unermüdlich nach dem Ziele zu streben."

Also sprach der Erhabene. Während aber der Erhabene diese Erklärung gab, quoll sechzig Mönchen das Blut aus dem Munde hervor (*2); und weitere sechzig Mönche gaben die Askese auf (*3) und kehrten zum niederen Weltleben zurück, denkend: 'Gar schwer ist es, Erhabener! Gar schwer ist es, Erhabener!' Sechzig Mönchen aber wurde das Herz haftlos von den Trieben befreit (*4).


(*1) añjalikammam; mit gefalteten, zur Stirn oder vor die Brust gehobenen Händen. Der vorher gehende Begriff bezieht sich auf die fußfällige Verehrung.

(*2) Diese hatten, laut K, die vier schweren Vergehen (pārājika) begangen.

(*3) Diese hatten geringere Vorschriften gebrochen.

(*4) Dieser Text, das Aggikkhandha-Sutta, wird in den 'Fragen des Milinda' (Übers., I, 256 f.) erwähnt. - K zu I, 12, sagt, daß nach der ernsten Ermahnung dieser Lehrrede viele Mönche kleinmütig wurden und das Mönchstum aufgaben. Darauf habe der Buddha zur Ermunterung und zum Troste die 'Kurze Lehrrede vom Fingerschnalzen' (A.I.12, 'Die Güte') gesprochen.


A.VII. 69 Schmähung der Edlen

"Einst, ihr Mönche, da lebte ein Meister und Glaubensstifter namens Sunetta, der frei war von Gier nach den Sinnendingen. Und es lebte einst ein Meister und Glaubensstifter namens Mūgapakkha - namens Aranemi - namens Kuddālaka - namens Hatthipāla - namens Jotipāla - namens Araka, der frei war von Gier nach den Sinnendingen. Dieser Meister aber hatte viele Hunderte von Jüngern. Und diesen Jüngern wies er den Weg zur Wiedergeburt unter den Göttern der Brahmawelt. Diejenigen nun, die kein Vertrauen zeigten, als der Meister den Weg zur Wiedergeburt in der Brahmawelt wies, alle diese gelangten beim Zerfall des Körpers, nach dem Tode, in niederes Dasein, auf eine Leidensfährte, in die Daseinsabgründe, zur Hölle. Diejenigen aber, die Vertrauen zeigten, alle diese gelangten beim Zerfall des Körpers, nach dem Tode, auf glückliche Fährte, in himmlische Welt.

Was meint ihr, o Mönche? Wenn da einer diese sieben Meister und Glaubensstifter, die von den Sinnendingen abgewandten, um die sich viele Hunderte von Jüngern scharten, in boshafter Gesinnung beschimpfte oder schmähte, würde nicht ein solcher große Schuld auf sich laden?"

-"Gewiß, o Herr."

-"Wer aber, ihr Mönche, einen einzigen von Erkenntnis erfüllten Menschen (d.i. ein Stromergriffener, sotāpanna) in boshafter Gesinnung beschimpft oder schmäht, der ladet eine noch größere Schuld auf sich. Und warum? Weil es eben außerhalb dieser Lehre keine solch schwere Verschuldung gibt wie die gegen die eigenen Ordensbrüder. Darum, ihr Mönche, hat man danach zu streben: 'Nicht wollen wir gegen unsere Ordensbrüder boshaft gesinnt sein!' Danach, ihr Mönche, hat man zu streben."

(Dieser Text ist gleichlautend mit dem Schlußteil von A.VI.54, jedoch ohne die dortigen Verse; hier aber mit Hinzufügung eines siebenten Meisters der Vorzeit, Araka.)


A.VII. 70 Gar kurz ist das Leben

Einst in alter Zeit, ihr Mönche, da lebte ein Meister und Glaubensstifter namens Araka, der frei war von Gier nach den Sinnendingen. Dieser Meister Araka aber hatte viele Hunderte von Jüngern. Denen kündete er solche Lehre:

"Gar kurz, Brahmane, ist das Leben der Menschen, begrenzt und flüchtig, voller Leiden und Qualen. Weise sollte man dies erkennen, Gutes tun und den Reinheitswandel führen, denn kein Geborener entrinnt dem Tode.

Gleichwie etwa, Brahmane, der Tautropfen an der Spitze eines Grashalmes beim Aufgehen der Sonne gar schnell vergeht, nicht lange bleibt, so auch, Brahmane, ist das dem Tautropfen vergleichbare Leben der Menschen gar begrenzt und flüchtig, voller Leiden und Qualen. Weise sollte man dies erkennen, Gutes tun und den Reinheitswandel führen, denn kein Geborener entrinnt dem Tode.

Gleichwie etwa, Brahmane, wenn eine mächtig geballte Regenwolke sich ergießt, die Blasen auf dem Wasser gar schnell vergehen, nicht lange bleiben, so auch, Brahmane, ist das der Wasserblase vergleichbare Leben der Menschen gar begrenzt und flüchtig, voller Leiden und Qualen. Weise sollte man dies erkennen, Gutes tun und den Reinheitswandel führen, denn kein Geborener entrinnt dem Tode.

Gleichwie, Brahmane, die mit einem Stocke im Wasser gezogene Furche gar schnell vergeht, nicht lange bleibt, so auch, Brahmane, ist das der Wasserfurche vergleichbare Leben der Menschen gar begrenzt und flüchtig, voller Leiden und Qualen. Weise sollte man dies erkennen, Gutes tun und den Reinheitswandel führen, denn kein Geborener entrinnt dem Tode.

Gleichwie, Brahmane, der fernhin eilende, schnell strömende, alles mit sich fortreißende Gebirgsstrom auch nicht für einen Augenblick, eine Weile, eine Minute stille steht, sondern immer weitereilt, weiterfließt, weiterströmt, so auch, Brahmane, ist das dem Gebirgsstrom vergleichbare Leben der Menschen gar begrenzt und flüchtig, voller Leiden und Qualen. Weise sollte man dies erkennen, Gutes tun und den Reinheitswandel führen, denn kein Geborener entrinnt dem Tode.

Gleichwie, Brahmane, ein kräftiger Mann mit der Zungenspitze einen Speichelkloß bildet und ihn ohne jede Anstrengung ausspeit, so auch, Brahmane, ist das dem Speichelkloß vergleichbare Leben der Menschen gar begrenzt und flüchtig, voller Leiden und Qualen. Weise sollte man dies erkennen, Gutes tun und den Reinheitswandel führen, denn kein Geborener entrinnt dem Tode.

Gleichwie, Brahmane, wenn man in einen tagsüber erhitzten Metalltopf ein Stück Fleisch wirft, dasselbe gar schnell zergeht, nicht lange bleibt, so auch, Brahmane, ist das dem Fleischklumpen vergleichbare Leben der Menschen gar begrenzt und flüchtig, voller Leiden und Qualen. Weise sollte man dies erkennen, Gutes tun und den Reinheitswandel führen, denn kein Geborener entrinnt dem Tode.

Gleichwie, Brahmane, ein Schlachtvieh, das zur Schlachtstelle geführt wird, ganz gleich welchen Fuß es auch hochhebt, ganz nahe der Schlachtung ist, ganz nahe dem Tode, so auch, Brahmane, ist das dem Schlachtvieh vergleichbare Leben der Menschen gar begrenzt und flüchtig, voller Leiden und Qualen. Weise sollte man dies erkennen, Gutes tun und den Reinheitswandel führen, denn kein Geborener entrinnt dem Tode."

Zu jener Zeit aber, ihr Mönche, betrug das Alter eines Menschen sechzigtausend Jahre. Mit fünfhundert Jahren wurde ein Mädchen heiratsfähig. Und zu jener Zeit gab es unter den Menschen bloß sechs Leiden: Kälte, Hitze, Hunger, Durst, Kot und Urin. Aber obgleich die Menschen solch, hohes Alter erreichten, so lange lebten und so wenige Krankheiten kannten, so verkündete Araka, der Meister, seinen Jüngern doch solche Lehre: "Gar kurz, Brahmane, ist das Leben der Menschen, begrenzt und flüchtig, voller Leiden und Qualen. Weise sollte man dies erkennen, Gutes tun und den Reinheitswandel führen, denn kein Geborener entrinnt dem Tode."

Heute aber, ihr Mönche, kann man wahrlich mit Recht sagen: "Gar kurz ist das Leben der Menschen, begrenzt und flüchtig, voller Leiden und Qualen. Weise sollte man dies erkennen, Gutes tun und den Reinheitswandel führen, denn kein Geborener entrinnt dem Tode." Denn wer heute lange lebt, lebt hundert Jahre oder etwas darüber. Während der hundert Jahre seines Lebens aber verlebt er dreihundert Jahreszeiten: hundert Winter, hundert Sommer und hundert Regenzeiten. Während er aber dreihundert Jahreszeiten lebt, verlebt er zwölfhundert Monate: vierhundert Wintermonate, vierhundert Sommermonate und vierhundert Regenzeit-Monate. Während er aber zwölfhundert Monate lebt, verlebt er vierundzwanzighundert Halbmonate: achthundert Winterhalbmonate, achthundert Sommerhalbmonate und achthundert Halbmonate der Regenzeit. Während er aber vierundzwanzighundert Halbmonate lebt, verlebt er sechsunddreißigtausend Tage: zwölftausend Wintertage, zwölftausend Sommertage und zwölftausend Regenzeit-Tage. Während er aber sechsunddreißigtausend Tage lebt, verzehrt er zweiundsiebenzigtausend Mahlzeiten: vierundzwanzigtausend Mahlzeiten im Sommer, vierundzwanzigtausend Mahlzeiten im Winter und vierundzwanzigtausend Mahlzeiten in der Regenzeit, insofern man das Säugen der Mutter und den Ausfall von Mahlzeiten mitzählt. Folgende Mahlzeiten nämlich fallen aus: wenn man erregt ist (*1), ißt man nichts; wenn man mißgestimmt ist, ißt man nichts; wenn man krank ist, ißt man nichts; wenn man den Fasttag hält, ißt man nichts; und wenn man nichts erhält, ißt man nichts. Somit, ihr Mönche, habe ich das Leben eines hundertjährigen Menschen berechnet: die Altersgrenze, die Anzahl der Jahreszeiten, der Jahre, Monate, Halbmonate, der Tage und Nächte, der Mahlzeiten, sowie des Ausfalls von Mahlzeiten. Was, ihr Mönche, ein Meister seinen Jüngern aus Wohlwollen und Liebe, von Mitleid bewogen, tun kann, das habe ich für euch getan. Hier sind Plätze unter den Bäumen, dort sind einsame Behausungen. Übet Vertiefung, ihr Mönche, auf daß ihr nicht lässig werdet und euch später keine Reue ankommt! Das, ihr Mönche, ist meine Weisung für euch!


(*1) PTS: kupito; ChS: kapimiddho, 'der die Affenmüdigkeit hat'. Vgl. kapi-nidda, der affengleich leichte Schlaf. Sollte dies bedeuten: ermüdet nach unruhiger oder schlafloser Nacht?


8. Kapitel: vinaya-vagga

A.VII. 71-78 Hüter der Ordenszucht

Mit sieben Eigenschaften ausgestattet, ihr Mönche, gilt der Mönch als ein Hüter der Ordenszucht. Welches sind diese sieben Eigenschaften?

(71) Er weiß, was ein Vergehen ist; er weiß, was kein Vergehen ist; weiß, was ein leichtes Vergehen ist; weiß, was ein schweres Vergehen ist; er ist sittenrein, er befolgt die Ordenssatzung, ist vollkommen in Wandel und Umgang und, vor dem kleinsten Vergehen zurückschreckend, schult er sich in den Übungsregeln, die er auf sich genommen; die vier Vertiefungen, die erhaben-geistigen, gegenwärtiges Glück gewährenden, gewinnt er nach Wunsch, ohne Mühe und Schwierigkeit; durch Versiegung der Triebe gewinnt er schon bei Lebzeiten die triebfreie Gemütserlösung und Weisheitserlösung, sie selber erkennend und verwirklichend.

(72) Er weiß, was ein Vergehen ist; weiß, was kein Vergehen ist; weiß, was ein leichtes Vergehen ist; weiß, was ein schweres Vergehen ist; hat sich mit beiden Ordenssatzungen (für Mönche und Nonnen) in allen Einzelheiten gut vertraut gemacht, kennt sie gut in ihren Gliederungen, beherrscht sie vollständig und hat sie gut studiert nach Regeltext (*1) und zusätzlichen Erläuterungen (*2); die vier Vertiefungen gewinnt er nach Wunsch; und die triebfreie Gemütserlösung und Weisheitserlösung hat er sich schon bei Lebzeiten zu eigen gemacht.

(73) Er weiß, was ein Vergehen ist; weiß, was kein Vergehen ist; weiß, was ein leichtes Vergehen ist; weiß, was ein schweres Vergehen ist; in der Ordenszucht ist er fest und unerschütterlich; die vier Vertiefungen gewinnt er nach Wunsch; und die triebfreie Gemütserlösung und Weisheitserlösung hat er sich schon bei Lebzeiten zu eigen gemacht.

(74) Er weiß, was ein Vergehen ist; weiß, was kein Vergehen ist; weiß, was ein leichtes Vergehen ist; weiß, was ein schweres Vergehen ist; er erinnert sich an seine früheren Daseinsstätten, als wie an eine Geburt, zwei Geburten ...; mit dem himmlischen Auge, dem geklärten, übermenschlichen, erkennt er, wie die Wesen ihren Taten entsprechend wiedererscheinen; und die triebfreie Gemütserlösung und Weisheitserlösung hat er sich schon bei Lebzeiten zu eigen gemacht.

Mit diesen sieben Eigenschaften ausgestattet, ihr Mönche, gilt der Mönch als ein Hüter der Ordenszucht.

(75-78) Und mit all diesen Eigenschaften ausgestattet (wie obige Texte 71-74) leuchtet der Mönch als ein Hüter der Ordenszucht.


(*1) suttato; d.i. der im Pātimokkha enthaltene Text der Ordensregeln und deren Erläuterung im Suttavibhanga des Vinaya-Pitaka.

(*2) anubyañjanato; K: gemäß den Khandhakas (Mahā- und Cūla-Vagga) und dem Parivāra des Vinaya-Pitaka.


A.VII. 79 Das wahre Gesetz des Meisters

Der ehrwürdige Upāli begab sich zum Erhabenen, begrüßte ihn ehrfurchtsvoll und setzte sich zur Seite nieder. Seitwärts sitzend, sprach nun der ehrwürdige Upāli zum Erhabenen also:

"Gut wäre es, o Herr, wollte mir der Erhabene in Kürze die Lehre darlegen, auf daß ich nach Vernehmen der Lehre einsam, abgeschieden, unermüdlich, eifrig und entschlossen verweilen möge."

-"Von denjenigen Dingen, Upāli, von denen du merkst, daß sie nicht zur völligen Abwendung, Entsüchtung, Aufhebung, Stillung, Durchschauung und nicht zum Nibbāna führen, da magst du, Upāli, mit Sicherheit annehmen, daß dies nicht die Lehre ist, nicht die Zucht, nicht des Meisters Weisung.

Von denjenigen Dingen aber, Upāli, von denen du merkst, daß sie zur völligen Abwendung führen, zur Entsüchtung, Aufhebung, Stillung, Durchschauung und zum Nibbāna, da magst du, Upāli, mit Sicherheit annehmen, daß dies die Lehre ist, dies die Zucht, dies des Meisters Weisung."


A.VII. 80 Die siebenfache Schlichtung von Streitfällen

Sieben Schlichtungen von Streitfällen (im Orden) gibt es, ihr Mönche, um die jeweils entstehenden Streitfälle zu schlichten und beizulegen. Welches sind diese sieben?

  1. Beilegung durch Gegenüberstellung [der streitenden Parteien],
  2. durch [Unschuldserklärung bei untrüglicher] Erinnerung [seitens eines Heiligen],
  3. durch Wiederzulassung nach überstandener Geisteskrankheit,
  4. durch Geständnis,
  5. durch Mehrheitsentscheidung,
  6. durch in die Acht erklären im Falle einer Verschlimmerung und dadurch,
  7. daß man Gras darüber streut.

(Siehe A.II.201 f.; M. 104)


9. Kapitel: samana-vagga

A.VII. 81 Würdig des Mönchsnamens

Weil einer, ihr Mönche, sieben Dinge zerstört hat, darum ist er ein Bhikkhu (Mönch) (*1). Welche sieben?

  1. Weil Persönlichkeitsglaube zerstört ist,
  2. weil Zweifelsucht,
  3. Hang an Regeln und Riten,
  4. Gier,
  5. Haß,
  6. Verblendung und
  7. Dünkel zerstört sind.

(*1) bhinnattā, als Anklang an bhikkhu. Dies und das folgende sind Wortspiele mit den zu erklärenden Bezeichnungen, deren Wiedergabe im Deutschen nicht möglich ist. Sie sind teilweise auch enthalten in M. 40 und im Sabhiya-Sutta des Sutta-Nipāta.

(*2) nissutattā sottiyo = Skr: srotriya, ein mit den vedischen Texten (sruti) vertrauter Brahmane. Nissuta = Skr: nihsruta, abgeflossen, geschwunden; man mag hierbei auch an die āsava, 'Triebe', denken. Zusatz in Klammern laut M. 40.

(*3) nhātattā nhātako = Skr: snātako, lt. Capeller: ein Brahmane, der seine Lehrzeit beendet, eigentlich: das Schlußbad genommen hat.


A.VII. 82 Gute und schlechte Eigenschaften

Sieben schlechte Eigenschaften gibt es, ihr Mönche. Welche sieben? 

Vertrauenslosigkeit, Schamlosigkeit, Gewissenlosigkeit, Unwissenheit, Trägheit, Unachtsamkeit und Torheit.

Sieben gute Eigenschaften gibt es, ihr Mönche. Welche sieben? 

Vertrauen, Schamgefühl, sittliche Scheu, Wissensreichtum, Willenskraft, Achtsamkeit und Weisheit.


10. Kapitel: āhuneyya-vagga

A.VII. 83 Sieben verehrungswürdige Menschen

Sieben Menschen, ihr Mönche, sind würdig der Opfer, würdig der Gastspende, würdig der Gaben, würdig des ehrfurchtsvollen Grußes, sind der beste Boden in der Welt für gute Werke. Welche sieben?

Da, ihr Mönche, weilt ein Mensch beim Auge in der Betrachtung der Vergänglichkeit. Der Vergänglichkeit ist er gewahr, er kennt die Vergänglichkeit, beständig, immerdar, unbeirrt, standhaften Geistes, sich weise darin vertiefend. Und er gewinnt durch Versiegung der Triebe schon bei Lebzeiten die triebfreie Gemütserlösung und Weisheitserlösung, sie selber erkennend und verwirklichend. Dies ist der erste Mensch, der würdig ist der Opfer ...

Oder, so verweilend, tritt bei ihm zu ein und derselben Zeit das Ende der Triebe ein und das Ende des Lebens (sama-sīsī; s. Pug.19). Dies ist der zweite Mensch, der würdig ist der Opfer ...

Oder, so verweilend, wird er, nach Aufhebung der fünf niederen Fesseln, ein auf halber Fährte Erlöschender. Dies ist der dritte Mensch, der würdig ist der Opfer ...

Oder, so verweilend, wird er ein nach halber Fährte Erlöschender. Dies ist der vierte Mensch, der würdig ist der Opfer ...

Oder, so verweilend, wird er ein Mühelos Erlöschender. Dies ist der fünfte Mensch, der würdig ist der Opfer ...

Oder, so verweilend, wird er ein Mühsam Erlöschender. Dies ist der sechste Mensch, der würdig ist der Opfer ...

Oder, so verweilend, wird er ein stromaufwärts zu den Hehren Göttern Eilender. Dies ist der siebente Mensch, der würdig ist der Opfer ...

Ferner weilt ein Mensch beim Auge in der Betrachtung der Leidhaftigkeit ... der Unpersönlichkeit ... des Versiegens ... des Schwindens ... der Aufhebung ... der Loslösung. Der Loslösung ist er gewahr, er kennt die Loslösung, beständig, immerdar, unbeirrt, standhaften Geistes, sich weise darin vertiefend.

Ferner weilt ein Mensch

... Oder, so verweilend, wird er ein stromaufwärts zu den Hehren Göttern Eilender. Dies ist der siebente Mensch, der würdig ist der Opfer, würdig der Gastspende, würdig der Gaben, würdig des ehrfurchtsvollen Grußes, der beste Boden in der Welt für gute Werke.

Diese sieben Menschen, ihr Mönche, sind würdig der Opfer, würdig der Gastspende, würdig der Gaben, würdig des ehrfurchtsvollen Grußes, sind der beste Boden in der Welt für gute Werke.

(Siehe A.VII.16-17; A.VII.52)


A.VII. 84 Der Reihentext von der Erkenntnis der Gier

Zur völligen Erkenntnis von Gier, Haß und Verblendung, von Zorn, Wut, Verkleinerungssucht, Herrschsucht, Neid, Geiz, Gleisnerei, Falschheit, Hartnäckigkeit, Heftigkeit, Dünkel, Hochmut, Rausch und Lässigkeit; sowie zu deren Durchschauung, Überwindung, Vernichtung, Erlöschung, Abwendung, Zerstörung, Entäußerung und zur Loslösung von ihnen sind sieben Dinge zu entfalten. Welche sieben?

Das Erleuchtungsglied der Achtsamkeit, der Wirklichkeitsergründung, der Willenskraft, der Verzückung, der Ruhe, der Sammlung und des Gleichmuts.

Oder: die Vorstellung der Vergänglichkeit, der Unpersönlichkeit, des Unreinen, des Elends, der Überwindung, der Entsüchtung und der Aufhebung.

Oder: die Vorstellung des Unreinen, des Todes, der Widerlichkeit der Nahrung, der Reizlosigkeit des ganzen Daseins, der Vergänglichkeit, des Leidvollen bei der Vergänglichkeit, der Ichlosigkeit beim Leidvollen.

Ende des Siebener-Buches


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len.

Ende des Siebener-Buches


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