Anguttara Nikaya

1. Kapitel: mettā-vagga

A.VIII. 1 Die Segnungen der Güte

(Sāvatthī) Hat man ihr Mönche, die Güte, die gemütserlösende, gepflegt, entfaltet, häufig geübt, zum Förderungsmittel und zur Grundlage gemacht, sie gefestigt, gestärkt und zur rechten Vollendung gebracht, so hat man acht Segnungen zu erwarten: man schläft friedlich, erwacht friedlich, hat keine bösen Träume, ist den Menschen lieb, ist den Geistern lieb, die Gottheiten beschützen einen; Feuer, Gift und Waffen können einem nicht schaden; und sollte man nicht zu noch Höherem vordringen, so erscheint man in der Brahmawelt wieder.

Wer wohl bedacht in sich entfaltet
ein Herz voll unbegrenzter Güte,
dem lockern sich die Daseinsfesseln,
wenn er der Dinge Ende schaut.
Wenn einem einzigen Wesen nur, mit reinem Herzen,
man Güte gibt, so wirkt man Gutes.
Doch, wahrlich, wer da allen Wesen wohl will,
solch Edler wirkt gewaltiges Verdienst.
Einst haben weise Könige sich erobert
durch Gaben diese völkerreiche Erde.
Das Rosseopfer und das Menschenopfer,
der Reistrank, Bolzenwurf, das Barrenlose Opfer (*1),
die rechnen nicht ein sechzehntel soviel
wie ein in Güte wohlerzogenes Herz,
gleichwie der Mond die Sterne überstrahlt.
Wer nicht mehr tötet, nicht mehr schlägt,
nicht mehr zerstört, zerstören läßt,
wer da in Güte allen zugetan,
den trifft fürwahr nichts Böses mehr.

(*1) Hier gibt der Kommentar, mit Benutzung von Wortspielen, eine lange Erklärung der fünf Opfer. In alter Zeit, so berichtet er, wandten die Könige vier Gunstbezeigungen an, um das Volk zu gewinnen, nämlich sassa-medha, das Reisopfer (später entstellt zu assa-medha. Roßopfer!); das Menschenopfer; samma-pāsa, die rechte Schlinge (später entstellt zu samm-āpāsa, der Bolzenwurf); vācā-peyya, liebevolle Worte (später entstellt zu vāja-peyya, Reissuppentrank). Das Reisopfer (wtl: das Getreideopfer) bestand darin, daß der König bei der Ernte ein Zehntel seines Getreides dem Volke opferte. Die Krieger mit Waffen und Löhnen zu versehen, galt als das Menschenopfer. Bedürftigen Menschen auf drei Jahre eine Geldsumme ohne Zinsen zu leihen, galt als die 'rechte Schlinge', um die Menschen an sich zu fesseln. Freundliche, milde Redeweise gilt als die 'liebevollen Worte'. Das durch solche vierfache Gunstbezeigung gewonnene Land blühte und gedieh. Überall herrschte Sicherheit, so daß man die Häuser tags und nachts unverschlossen ließ; und da man keiner Torbarren mehr bedurfte, nannte man diese vier Gunstbezeigungen das 'barrenlose Opfer'. In späteren Zeiten jedoch, unter der Herrschaft von König Okkāka, führten die Brahmanen die blutigen Opfer ein, indem sie den Sinn der früheren Opfer verdrehten, und brachten so Unheil über das Land.


A.VIII. 2 Entfaltung der Weisheit

Acht Umstände und Bedingungen, ihr Mönche, führen zur Erlangung der noch unerlangten, dem urheiligen Wandel eigenen Weisheit (*1) und zu der erlangten Weisheit Erweiterung, Ausdehnung, Entfaltung und Vollendung. Welche acht?

Da, ihr Mönche, lebt ein Mönch in der Nähe des Meisters oder eines verehrungswürdigen Ordensbruders, und er ist von äußerster Schamhaftigkeit und sittlicher Scheu, von Liebe und Achtung erfüllt. Das, ihr Mönche, ist der erste Umstand, die erste Bedingung zur Erlangung der bisher noch unerlangten, dem urheiligen Wandel eigenen Weisheit und zu der erlangten Weisheit Erweiterung, Ausdehnung, Entfaltung und Vollendung.

Während er aber in der Nähe des Meisters oder eines verehrungswürdigen Ordensbruders weilt und dabei von äußerster Schamhaftigkeit und sittlicher Scheu, von Liebe und Achtung erfüllt ist, da begibt er sich zu ihnen von Zeit zu Zeit und befragt sie, ersucht sie um Aufklärung: 'Wie ist dies, o Ehrwürdiger? Wie hat man dies zu verstehen?' Und jene Ehrwürdigen enthüllen ihm das Unverstandene, erklären ihm das Unklare und lösen in mancherlei zweifelhaften Punkten seine Zweifel. Das, ihr Mönche, ist der zweite Umstand ...

Nachdem er aber die Lehre vernommen hat, erfüllt er sie durch zweifache Absonderung: durch körperliche Absonderung und durch geistige Absonderung (*2). Das, ihr Mönche, ist der dritte Umstand ...

Er ist sittenrein, befolgt die Ordenssatzung, ist vollkommen in Wandel und Umgang und, vor dem kleinsten Vergehen zurückschreckend, schult er sich in den Übungsregeln, die er auf sich genommen. Das, ihr Mönche, ist der vierte Umstand ...

Er ist wissensreich, ein Bewahrer des Wissens, hat sich große Kenntnisse angesammelt; und jene Lehren, die im Anfang vorzüglich sind, in der Mitte vorzüglich und am Ende vorzüglich, die in vollendetem Sinn und Ausdruck ein ganz vollkommenes und geläutertes Reinheitsleben verkünden, diese Lehren hat er sich häufig angehört, sich eingeprägt, hat sie im Wortlaut gelernt, im Geiste erwogen und sie weise verstanden. Das, ihr Mönche, ist der fünfte Umstand ...

Er setzt seine Willenskraft ein, um die unheilsamen Dinge zu überwinden und die heilsamen Dinge zu erwecken; er ist standhaft, von gestählter Kraft, nicht nachlässig im Guten. Das, ihr Mönche, ist der sechste Umstand ...

Befindet er sich innerhalb der Mönchsgemeinde, so führt er nicht allerhand niedrige Gespräche, sondern er trägt entweder selber die Lehre vor oder ersucht einen anderen darum, auch verschmäht er nicht das edle Schweigen. Das, ihr Mönche, ist der siebente Umstand ...

Bei den die Objekte des Anhaftens bildenden fünf Daseinsgruppen (pañc'upādānakkhandha) weilt er in der Betrachtung ihres Entstehens und Vergehens: 'So ist die Körperlichkeit, so entsteht sie, so löst sie sich auf; so ist das Gefühl, so entsteht es, so löst es sich auf; so ist die Wahrnehmung, so entsteht sie, so löst sie sich auf; so sind die Geistesformationen, so entstehen sie, so lösen sie sich auf; so ist das Bewußtsein, so entsteht es, so löst es sich auf.' Das, ihr Mönche, ist der achte Umstand, die achte Bedingung zur Erlangung der bisher noch unerlangten, dem urheiligen Wandel eigenen Weisheit und zu der erlangten Weisheit Erweiterung, Ausdehnung, Entfaltung und Vollendung.

Seine Ordensbrüder aber erweisen ihm Achtung, da sie sich sagen: 'Dieser Ehrwürdige lebt da in der Nähe des Meisters oder eines ehrwürdigen Ordensbruders und dabei ist er von äußerster Schamhaftigkeit und sittlicher Scheu, von Liebe und Achtung erfüllt. Sicherlich versteht der Ehrwürdige das zu Verstehende, erkennt das zu Erkennende.' Dieser Umstand aber führt zur Freundschaft, Achtung und Ehrfurcht, zur Eintracht und Einigkeit.

(Und seine Ordensbrüder sagen sich ferner:) 'Während dieser Ehrwürdige in der Nähe des Meisters oder eines verehrungswürdigen Ordensbruders weilt, begibt er sich von Zeit zu Zeit zu ihnen, befragt sie, ersucht sie um Aufklärung. Nachdem er die Lehre vernommen hat, erfüllte er sie durch zweifache Absonderung: durch körperliche und durch geistige. Er ist sittenrein und befolgt die Ordenssatzung. Er ist wissensreich, ein Bewahrer des Wissens. Er ist voller Willenskraft. Befindet er sich inmitten der Mönchsgemeinde, so führt er nicht allerhand niedrige Gespräche. Bei den fünf die Objekte des Anhaftens bildenden Daseinsgruppen weilt er in der Betrachtung ihres Entstehens und Vergehens. Sicherlich versteht der Ehrwürdige das zu Verstehende, erkennt das zu Erkennende.' Diese Umstände aber führen zur Freundschaft, Achtung und Ehrfurcht, zur Eintracht und Einigkeit.

Diese acht Umstände und Bedingungen, ihr Mönche, führen zur Erlangung der noch unerlangten, dem urheiligen Wandel eigenen Weisheit und zu der erlangten Weisheit Erweiterung, Ausdehnung, Entfaltung und Vollendung.


(*1) Dies bezieht sich auf den mit den vier Heiligkeitsstufen (Stromeintritt usw.) verbundenen Hellblick (vipassanā), d.h. den Einblick in die Vergänglichkeit, Leidhaftigkeit und Ichlosigkeit alle Daseinsformen.

(*2) Körperliche Absonderung (kāya-vūpakāsa), d.i. Leben in der Einsamkeit; geistige Absonderung (citta-vūpakāsa), d.i. die innere Loslösung von den Befleckungen des Geistes. Siehe Wtb: viveka.


A.VIII. 3-4 Acht Gründe der Unbeliebtheit

(3a) Mit acht Dingen behaftet, ihr Mönche, wird der Mönch von seinen Ordensbrüdern nicht geliebt, geschätzt, geachtet und geehrt. Welches sind diese acht Dinge? Da, ihr Mönche, lobt der Mönch den Unfreundlichen, tadelt den Freundlichen, sucht nach Gewinn, sucht nach Ehre, ist schamlos, ohne sittliche Scheu, voll übler Wünsche und hat falsche Ansichten.

(4a) Er sucht nach Gewinn, sucht nach Ehre, sucht nach Anerkennung. kennt nicht die rechte Zeit, kennt nicht das rechte Maß, ist unlauter (in Werken, Worten und Gedanken), ein großer Schwätzer, und er schmäht und beschimpft seine Ordensbrüder.

Mit diesen acht Dingen behaftet, ihr Mönche, wird der Mönch von seinen Ordensbrüdern nicht geliebt, geschätzt, geachtet und geehrt.

(3b, 4b) Mit acht Dingen ausgestattet, ihr Mönche, wird der Mönch von seinen Ordensbrüdern geliebt, geschätzt, geachtet und geehrt. Welches sind diese acht Dinge? (Umkehrung von 3a, 4a.)


A.VIII. 5 Die acht Weltgesetze I

Acht Weltgesetze, ihr Mönche, folgen dem Weltlauf, und der Weltlauf folgt diesen acht Weltgesetzen. Welches sind sie?

Gewinn und Verlust, Ehre und Verachtung, Lob und Tadel, Freude und Leid (vgl. A.IV.192).

Gewinn, Verlust, Verehrung und Verachtung,
auch Lob und Tadel, Freude sowie Leid,
gar wandelbar sind diese Weltgesetze,
voll Unbestand, dem Wechsel unterworfen.
Der Weise, der Besonnene durchschaut sie,
erkennt sie als dem Wechsel unterworfen.
Erwünschte Dinge quälen ihn nicht mehr
und auch bei unerwünschten kommt ihm kein Verdruß.
In ihm sind Hingeneigtsein und auch Widerwille
zerstört, vergangen, nicht mehr da.
Die sorgenfreie, laut're Stätte kennend,
ist zu des Daseins anderem Ufer er gelangt.

A.VIII. 6 Die acht Weltgesetze II

"Acht Weltgesetze, ihr Mönche, folgen dem Weltlauf, und der Weltlauf folgt diesen Weltgesetzen. Welches sind sie?

Genau wie den unwissenden Weltling, ihr Mönche, treffen auch den wissenden, edlen Jünger Gewinn und Verlust, Ehre und Verachtung, Lob und Tadel, Freude und Leid. Worin besteht nun hierbei die Verschiedenheit, die Besonderheit, worin der Unterschied zwischen dem wissenden, edlen Jünger und dem unwissenden Weltling?

-"Im Erhabenen, o Herr, wurzeln unsere Lehren. Im Erhabenen haben sie ihren Führer, ihre Stütze Gut wäre es, o Herr, wenn dem Erhabenen selber die Antwort auf diese Worte einfiele. Die Mönche werden sich dann des Erhabenen Worte merken."

-"So höret denn, ihr Mönche, und achtet wohl auf meine Worte!"

-"Ja, o Herr", erwiderten die Mönche dem Erhabenen, und der Erhabene sprach:

"Da, ihr Mönche, wird dem unwissenden Weltling Gewinn zuteil. Nicht aber überlegt er sich dabei und versteht es nicht der Wirklichkeit gemäß: 'Entstanden ist mir zwar dieser Gewinn, doch er ist vergänglich, elend, dem Wechsel unterworfen.' Und es wird ihm Verlust zuteil, Ehre, Verachtung, Lob, Tadel, Freude und Leid. Nicht aber überlegt er sich dabei und versteht es nicht der Wirklichkeit gemäß: 'Entstanden ist mir zwar ... dieses Leid, doch es ist vergänglich, elend, dem Wechsel unterworfen.' Und Gewinn und Verlust, Ehre und Verachtung, Lob und Tadel, Freude und Leid halten seinen Geist umsponnen. Am Gewinn, der ihm zuteil wird, hängt er, und Verlust verdrießt ihn. An der Ehre, die ihm zuteil wird, hängt er, und Verachtung verdrießt ihn. Am Lob, das ihm zuteil wird, hängt er und Tadel verdrießt ihn. An der Freude, die ihm zuteil wird, hängt er, und das Leid verdrießt ihn. So der Zuneigung und Abneigung verfallen, wird er nicht erlöst vom Geborenwerden, Altern und Sterben, von Sorge, Jammer, Schmerz, Trübsal und Verzweiflung, wird er nicht erlöst vom Leiden, so sage ich.

"Da wird nun aber, ihr Mönche, einem wissenden, edlen Jünger Gewinn zuteil. Er aber überlegt dabei und versteht es der Wirklichkeit gemäß: 'Entstanden ist mir zwar dieser Gewinn, doch er ist vergänglich, elend, dem Wechsel unterworfen.' Und es wird ihm Verlust zuteil, Ehre, Verachtung, Lob, Tadel, Freude und Leid. Er aber überlegt dabei und versteht es der Wirklichkeit gemäß: 'Entstanden ist mir zwar... dieses Leid, doch es ist vergänglich, elend, dem Wechsel unterworfen.' Und Gewinn und Verlust, Ehre und Verachtung, Lob und Tadel, Freude und Leid halten seinen Geist nicht umsponnen Am Gewinn, der ihm zuteil wird, hängt er nicht, und Verlust verdrießt ihn nicht. An der Ehrung, die ihm zuteil wird, hängt er nicht, und Verachtung verdrießt ihn nicht. Am Lob, das ihm zuteil wird, hängt er nicht, und Tadel verdrießt ihn nicht. An der Freude, die ihm zuteil wird, hängt er nicht, und Leid verdrießt ihn nicht. Sich so von Zuneigung und Abneigung frei machend, wird er erlöst vom Geborenwerden, Altern und Sterben, von Sorge, Jammer, Schmerz, Trübsal und Verzweiflung, wird er erlöst vom Leiden, so sage ich.

"Das, ihr Mönche, ist die Verschiedenheit, das die Besonderheit, das der Unterschied zwischen dem wissenden, edlen Jünger und dem unwissenden Weltling. (Verse wie in Text S.)


A.VIII. 7 Devadattas Untergang I

Einst weilte der Erhabene auf der Geierspitze bei Rājagaha, kurz nach dem Abfall Devadattas. Dort nun wandte sich der Erhabene mit Bezug auf Devadatta an die Mönche:

"Gut ist es, ihr Mönche, wenn der Mönch von Zeit zu Zeit die eigenen Fehltritte betrachtet; gut ist es, wenn er von Zeit zu Zeit der anderen Fehltritte betrachtet. Gut ist es, ihr Mönche, wenn der Mönch von Zeit zu Zeit die eigenen Fortschritte betrachtet; gut ist es, wenn er von Zeit zu Zeit der anderen Fortschritte betrachtet.

Von acht üblen Dingen überwältigt und umsponnen, ihr Mönche, ist Devadatta der niederen Welt, der Hölle verfallen, äonenlang und unrettbar. Welches sind diese acht Dinge? Gewinn und Verlust, Ehre und Verachtung, gute Behandlung und schlechte Behandlung, üble Wünsche und schlechter Umgang. Von diesen acht üblen Dingen überwältigt und umsponnen, ist Devadatta der niederen Welt, der Hölle verfallen, äonenlang und unrettbar.

Gut ist es, ihr Mönche, daß, wenn immer Gewinn auftritt, der Mönch ihn überwindet; wenn immer Verlust, Ehre, Verachtung, gute und schlechte Behandlung, üble Wünsche und schlechter Umgang auftreten, daß der Mönch diese Dinge überwindet. Und aus welchem Grunde soll er sie überwinden? Weil eben, ihr Mönche, dem, der diese Dinge nicht überwindet, verstörende und quälende Triebe entstehen möchten. Für ihn aber, der diese Dinge überwindet, bestehen jene verstörenden, quälenden Triebe nicht mehr.

Daher, ihr Mönche, sollt ihr danach trachten: 'Sobald Gewinn und Verlust, Ehre und Verachtung, gute und schlechte Behandlung, üble Wünsche und schlechter Umgang auftreten, so wollen wir diese Dinge überwinden.' Das, ihr Mönche, sei euer Streben."


A.VIII. 8 Devadattas Untergang II

Einst weilte der ehrwürdige Uttara bei Mahisavatthu, im Dhavadickicht (*1) auf dem Sankheyyaberge. Dort wandte sich der ehrwürdige Uttara an die Mönche und sprach:

"Gut ist es, ihr Brüder, wenn der Mönch von Zeit zu Zeit die eigenen Fehltritte betrachtet; gut ist es, wenn er von Zeit zu Zeit der anderen Fehltritte betrachtet. Gut ist es, ihr Brüder, wenn der Mönch von Zeit zu Zeit die eigenen Fortschritte betrachtet; gut ist es, wenn er von Zeit zu Zeit der anderen Fortschritte betrachtet."

Eben zu dieser Zeit nun zog der große König Vessavana (*2) von Norden gen Süden wegen irgendeiner Angelegenheit. Der König Vessavana hörte nun, wie der ehrwürdige Uttara im Dhavadickicht auf dem Sankheyyaberge, bei Mahisavatthu, den Mönchen in diesen Worten die Lehre darlegte. Und gerade wie ein starker Mann den gebeugten Arm ausstreckt oder den ausgestreckten Arm beugt, ebenso schnell verschwand der große König Vessavana von dort und trat bei den Göttern der Dreiunddreißig wieder in Erscheinung. Darauf trat der große König Vessavana zu Sakka, dem Götterkönig,und sprach:

"Auf daß du es wissen mögest, o Herr: jener ehrwürdige Uttara hat im Dhavadickicht auf dem Sankheyyaberge, bei Mahisavatthu, den Mönchen in folgenden Worten die Lehre darlegt: 'Gut ist es, ihr Brüder, wenn der Mönch ...'"

Und gerade wie ein starker Mann den gebeugten Arm ausstreckt oder den gestreckten Arm beugt, ebenso schnell verschwand darauf Sakka, der Götterkönig, aus dem Himmel der Dreiunddreißig und trat bei Mahisavatthu im Dhavadickicht auf dem Sankheyyaberge wieder in Erscheinung. Darauf trat Sakka, der Götterkönig, zum ehrwürdigen Uttara, begrüßte ihn ehrerbietig und stellte sich zur Seite. Seitwärts stehend, sprach er zu ihm:

"Ist es zutreffend, o Herr, daß der ehrwürdige Uttara den Mönchen so die Lehre dargelegt hat: 'Gut ist es, ihr Brüder, wenn der Mönch ...'?"

-"So ist es, o Götterkönig."

-"Ist dies nun, o Herr, dem ehrwürdigen Uttara selber eingefallen, oder ist es das Wort des Erhabenen, Heiligen, vollkommen Erleuchteten?"

-"So will ich dir denn, o Götterkönig, ein Gleichnis geben; denn auch durch ein Gleichnis wird da manchen einsichtigen Menschen der Worte Sinn verständlich. Nehmen wir an, o Götterkönig, unweit eines Dorfes oder einer Stadt läge ein großer Haufen Korn; und eine große Menge Menschen holte sich Korn davon, mittels Tragstangen, in Körben, im Schurze oder in der Hand. Wenn nun jemand an diese Menschenmenge herantritt und sie fragt, von wo sie das Korn hergeholt hätten, wie möchte da wohl jene Menschenmenge eine richtige Antwort geben?"

-"Wenn sie sagen, daß sie es von jenem großen Kornhaufen geholt hätten, so, o Herr, würden sie die richtige Antwort geben."

-"Ebenso auch, o Götterkönig, was immer richtig dargelegt wird, das alles gilt als ein Wort des Erhabenen, Heiligen, vollkommen Erleuchteten; und davon entnehmen wir immer, wenn wir und andere sprechen."

-"Wunderbar ist es, o Herr, außerordentlich ist es, o Herr, wie da der ehrwürdige Uttara so treffend gesagt hat: 'Was immer richtig dargelegt wird, das gilt als ein Wort des Erhabenen, Heiligen, vollkommen Erleuchteten; und davon entnehmen wir immer, wenn wir und andere sprechen.'

Einst, o ehrwürdiger Uttara, weilte der Erhabene auf der Geierspitze bei Rājagaha, kurz nach dem Abfall Devadattas. Dort nun wandte sich der Erhabene mit Bezug auf Devadatta an die Mönche:

'Gut ist es, ihr Mönche, wenn der Mönch von Zeit zu Zeit die eigenen Fehltritte betrachtet ...

(Hier folgt der gesamte Prosatext No. 7.)

Von jenen vier Menschenklassen aber, o Herr, nämlich den Mönchen, Nonnen, männlichen und weiblichen Laienjüngern, da hat sich keiner diesen Lehrvortrag zu eigen gemacht. Möge doch der ehrwürdige Uttara sich diesen Lehrvortrag aneignen! Möge doch der ehrwürdige Uttara diesen Lehrvortrag sich einprägen! Möge doch der ehrwürdige Uttara sich diesen Lehrvortrag merken! Sinnreich, o Herr, ist dieser Lehrvortrag, dem urheiligen Wandel dienlich!"


(*1) Der Name eines Klosters, das in einem Dhavadickicht gelegen war. Gemäß Clough, Sinhalese Dictionary ist dhava identisch mit dem ceylonesischen Malita (auch Mayila), einem Strauch, der beständig schöne rote Blüten hat. - PTS und K lesen dhava, ChS: vata, Siam: vatta.

(*2) Der Herr des Nordens unter den vier Großen Götterkönigen; in der hinduistischen Mythologie identisch mit Kubera, dem Gott des Reichtums. Siehe A.VII.50.


A.VIII. 9 Die Vorzüge des Nanda

Mit Recht, ihr Mönche, kann man Nanda (*1) als einen edlen Sohn bezeichnen. Mit Recht kann man ihn als kraftbegabt bezeichnen, mit Recht als anmutig, mit Recht als von starkem Eifer erfüllt. Wie könnte sonst wohl Nanda das ganz und gar geläuterte keusche Leben führen, wenn er nicht über seine Sinnentore wachte, nicht mäßig wäre beim Mahle, nicht die Wachsamkeit pflegte und keine Achtsamkeit und Wissensklarheit besäße?

Das, ihr Mönche, gilt bei Nanda als das Bewachtsein der Sinnentore: wenn er nach Osten, Westen, Norden oder Süden zu blicken hat, oder nach oben, unten oder einer Zwischenrichtung, so faßt er beim Hinblicken alles im Geiste zusammen und sagt sich: 'Wenn ich auf solche Weise hinblicke, da können Begierde und Trübsal sowie andere üble, unheilsame Dinge nicht in mich eindringen.' So ist er dabei klar bewußt. Das, ihr Mönche, ist Nandas Bewachtsein der Sinnentore.

Das aber, ihr Mönche, ist Nandas Mäßigkeit beim Mahle: da nimmt Nanda weise besonnen die Nahrung ein, weder zum Zeitvertreib, noch zum Genusse, noch zur Verschönerung und Zier, sondern eben bloß zur Erhaltung und Fristung dieses Körpers, um Schaden zu verhüten und den Heiligen Wandel führen zu können; und er sagt sich: 'So werde ich das frühere Gefühl vertreiben und kein neues Gefühl aufkommen lassen; und langes Leben, Untadeligkeit und Wohlbefinden wird mir beschieden sein.' Das, ihr Mönche, gilt als Nandas Mäßigkeit beim Male.

Das aber, ihr Mönche, ist Nandas Pflege der Wachsamkeit: da läutert Nanda bei Tage und während der ersten Nachtwache, gehend oder sitzend, seinen Geist von hemmenden Dingen; in der mittleren Nachtwache ruht er wie ein Löwe auf der rechten Seite, ein Bein über dem anderen, nachdem er achtsam und klar bewußt seinen Geist auf den Gedanken des Aufstehens gerichtet hat. In der letzten Nachtwache erhebt er sich wieder und, gehend oder sitzend, läutert er seinen Geist von hemmenden Dingen (*2). Das, ihr Mönche, gilt als Nandas Pflege der Wachsamkeit.

Das aber, ihr Mönche, ist Nandas Achtsamkeit und Wissensklarheit: da merkt Nanda, wie die Gefühle in ihm aufsteigen, wie sie bestehen und wie sie schwinden; er merkt, wie die Wahrnehmungen in ihm aufsteigen, wie sie bestehen und wie sie schwinden; er merkt, wie die Gedanken in ihm aufsteigen, wie sie bestehen und wie sie schwinden. Das, ihr Mönche, gilt als Nandas Achtsamkeit und Wissensklarheit.

Wie könnte sonst wohl Nanda das ganz und gar geläuterte keusche Leben führen, wenn er nicht über die Sinnentore wachte, nicht mäßig wäre beim Mahle, nicht die Wachsamkeit pflegte und keine Achtsamkeit und Wissensklarheit besäße?


(*1) Nanda, Sohn der Mahā-Pajāpati, der Tante und Pflegemutter des Buddha. Er wurde von Buddha an die Spitze derjenigen Jünger gestellt, welche die Sinnentore bewachen. Siehe A.I.24 und Anhang.

(*2) Die drei Nachtwachen sind von 6 bis 10, 10 bis 2, 2 bis 6 Uhr.


A.VIII. 10 Das Unkraut

Einst weilte der Erhabene bei Campā, am Ufer des Gaggarā-Teiches. Damals nun wiesen die Mönche einen Mönch wegen eines Vergehens zurecht. Von den Mönchen wegen seines Vergehens zurechtgewiesen, schweifte aber jener von einem Gegenstand auf den anderen ab, lenkte das Gespräch auf unzugehörige Dinge und legte Zorn, Groll und Mißtrauen an den Tag. Und der Erhabene sprach zu den Mönchen:

"Jaget diesen Menschen fort, ihr Mönche, verstoßet ihn! Fortzuweisen, ihr Mönche, hat man einen solchen Menschen! Wie darf wohl jener Bursche (paraputto; wtl: Sohn anderer, d.i. ein Unzugehöriger) euch beleidigen?

Da, ihr Mönche, erscheint einer beim Gehen, Kommen, Hinblicken, Wegblicken, beim Beugen und Strecken der Glieder und beim Tragen von Gewand und Almosenschale genauso wie die anderen guten Mönche, solange eben die anderen Mönche sein Vergehen nicht bemerken. Sobald aber die Mönche sein Vergehen bemerken, da wissen sie von ihm, daß er den Asketen Schande bereitet, daß er wie Spreu ist unter den Asketen, wie Abfall. Ihn als solchen erkennend, stoßen sie ihn aus. Und warum? Damit er die anderen guten Mönche nicht verderbe.

Angenommen, ihr Mönche, es entstünde da in einem reifen Gerstenfelde ein verderbliches, schädliches Unkraut, dessen Wurzeln, Halme und Blätter aussähen wie die der übrigen guten Gerste, solange sich eben die Ähre noch nicht gebildet hat. Sobald sich aber seine Ähre bildet, da merkt man, daß es ein verderbliches, schädliches Unkraut ist; und dies merkend, reißt man es mit der Wurzel aus und wirft es außerhalb des Gerstenfeldes. Und warum? Damit es eben die andere gute Gerste nicht verderbe.

Oder wenn da, ihr Mönche, ein großer Haufen Korn gesichtet wird, so bilden die harten, gehaltvollen Körner auf der einen Seite einen Haufen, während der Wind die dürren Körner und die Spreu auf die andere Seite weht; und die Eigentümer kehren sie dann noch weiter weg. Und warum? Damit sie eben die anderen guten Körner nicht verunreinigen.

Oder angenommen, ihr Mönche, ein Mann wollte eine Wasserleitung herrichten. Er geht daher, mit einer scharfen Axt versehen, in den Wald. Von allen Bäumen aber, die er mit dem Axtrücken anschlägt, geben die festen, kernigen Bäume einen starken Klang; diejenigen Bäume aber, die innen faul, morsch und verdorben sind, geben einen ganz hohlen Klang. Diese nun fällt er an der Wurzel, schneidet ihre Kronen ab, höhlt die Stämme innen sauber aus und stellt damit die Wasserleitung her.

Ebenso auch, ihr Mönche, erscheint einer beim Gehen, Kommen, Hinblicken, Wegblicken, beim Beugen und Strecken der Glieder und beim Tragen von Gewand und Almosenschale genauso wie die anderen guten Mönche, solange eben die anderen Mönche sein Vergehen nicht bemerken. Sobald aber die Mönche sein Vergehen bemerken, da wissen sie von ihm, daß er den Asketen Schande bereitet, daß er wie Spreu ist unter den Asketen, wie Abfall. Ihn als solchen erkennend, stoßen sie ihn aus. Und warum? Damit er die anderen guten Mönche nicht verderbe."

"Im Umgang möget ihr erfahren,
ob er voll Haß und Habsucht ist,
ein Heuchler, Starrkopf, Eiferer,
voll Neid und Geiz und Hinterlist.
Zwar unter Leuten redet er
gar milde wie ein wahrer Mönch,
doch heimlich übt er böse Tat,
respektlos, falscher Ansicht hold;
Ein unaufricht'ger und verlog'ner Mensch.
wen ihr als so geartet kennt,
(Von hier an = Snp. 281-283)
so tut euch alle da zusammen
und jaget diesen Menschen fort!
Das Unkraut reißet völlig aus!
Fegt weit den Unrat von euch fort!
Beiseite blaset diese Spreu:
Den Nichtmönch, der als Mönch sich dünkt!
Die Schlechtgesinnten weiset fort,
die schlechtem Wandel zugetan!
Selbst rein, sollt mit den Reinen ihr
gemeinsam leben, klar bewußt.
In Eintracht mögt ihr weise dann
ein Ende machen allem Leid."

    Oben  



    Oben