Visuddhi Magga III

Die 40 Übungsobjekte (kamma-tthāna)

 

"Hinsichtlich ihrer Aufzählung": - dies wird hier gesagt mit Beziehung auf die 40 Übungsobjekte. Hier nun gelten als die 40 Übungsobjekte:

 

(Statt der letzten beiden werden in den Sutten das Raumkasina und Bewußtseinskasina genannt).

(Etwas verschieden von den obigen Ekelbetrachtungen sind die 9 Leichenbetrachtungen des Satipathana-Sutta D.22; M.10.)

 

 

 

 

 

 

So also hat man die Darstellung hinsichtlich der Aufzählung zu verstehen.

 

 

"Hinsichtlich ihrer Erzeugung von Angrenzender oder Voller Sammlung"; - Unter diesen Übungsobjekten führen 10 zu 'Angrenzender Sammlung' (upacāra-samādhi), nämlich: mit Ausnahme von der Betrachtung über den Körper und Ein- und Ausatmung, führen alle die übrigen 8 Betrachtungen zu Angrenzender Sammlung; ferner die Vorstellung des Ekels hinsichtlich der Nahrung und die Analyse der 4 Elemente. Die übrigen Übungsobjekte führen zu 'Voller Sammlung' (appanā-samādhi).

 

Das also gilt hinsichtlich ihrer Erzeugung von Angrenzender und Voller Sammlung.

 

"Hinsichtlich ihrer Einteilung gemäß den Vertiefungen": - Unter den zu Voller Sammlung führenden Übungen erzeugen die 10 Kasinas und die Betrachtung über Ein- und Ausatmung die 4 Vertiefungen (jhāna). Die 10 Ekelobjekte und die Betrachtung über den Körper erwirken die 1. Vertiefung. Die ersten 3 'Göttlichen Verweilungszustände' erzeugen 3 Vertiefungen. Der 4. Göttliche Verweilungszustand (Gleichmut) und die Unkörperlichen Gebiete erzeugen die 4 Vertiefungen.

 

Das also gilt hinsichtlich ihrer Einteilung gemäß den Vertiefungen.

 

"Hinsichtlich der Überwindungen": - Zweierlei Überwindungen gibt es: Überwindung der (Vertiefungs-) Glieder und Überwindung der Vorstellungen.

 

Hier nun findet bei allen die 3 oder 4 Vertiefungen erzeugenden Übungen eine Überwindung der Vertiefungsglieder statt, weil bei eben jenen Vorstellungen nur durch Überwindung von Gedankenfassung und Diskursivem Denken (vitakka-vicāra) usw. (d.i. Verzückung und Glücksgefühl) die 2. Vertiefung und die übrigen Vertiefungen erreicht werden können. Ebenso ist es auch beim 4. 'Göttlichen Verweilungszustand' (dem Gleichmut), denn auch dieser ist nur erreichbar durch Überwindung des Frohsinns bei der Vorstellung von Allgüte usw.

 

In den 4 Unkörperlichen Gebieten aber findet eine Überwindung der Vorstellungen statt. Das Raumunendlichkeitsgebiet ist nur zu erlangen durch Überwindung eines der ersten 9 Kasinas. Und die Gebiete wie das der Bewußtseinsunendlichkeit usw. sind erreichbar nur durch Überwindung des Raumes (genauer: des Raumunendlichkeitsgebietes) usw.

 

Bei den übrigen Übungen findet keine Überwindung statt.

 

Das also gilt hinsichtlich der Überwindungen.

 

"Hinsichtlich der Erweiterung und Nichterweiterung": - Von diesen 40 geistigen Übungsobjekten darf man nur die 10 Kasinas erweitern; denn wieviel Raum man auch immer mit dem Kasina durchdringt, innerhalb dieses Raumes ist man imstande, mit dem Himmlischen Ohre Töne zu vernehmen, mit dem Himmlischen Auge Formen zu erblicken, und der anderen Wesen Herzen im Geiste zu erkennen (XIII).

 

Die Betrachtung über den Körper und die Ekelobjekte aber darf man nicht erweitern. Und warum nicht? Weil sie durch den Raum begrenzt sind und in ihrer Erweiterung kein Vorteil besteht. Das durch den Raum bedingte Begrenztsein dieser Übungsobjekte wird klar werden in der Methode ihrer Entfaltung. Würden aber diese Übungsobjekte erweitert, so wüchse bloß der Leichenhaufen an, und keinerlei Vorteil bestünde darin. Auch in der Erklärung auf die Frage des Sopaka heißt es: "Deutlich, o Erhabener, ist die Wahrnehmung der Form, nicht-deutlich aber die Wahrnehmung eines Skelettes." Dort nämlich wird im Sinne der Erweiterung des geistigen Bildes (nimitta) die Wahrnehmung der Form als deutlich bezeichnet, die Wahrnehmung des Skelettes aber im Sinne der Nichterweiterung als nicht-deutlich. Wenn da gesagt wird: "Diese ganze Erde durchdrang ich mit der Vorstellung eines Skelettes", so wurde dies gesagt, weil in dem diese Vorstellung Gewinnenden das Objekt anwesend zu sein scheint. Gerade wie nämlich zur Zeit des Dhammasoka ein indischer Kuckuck, als er ringsherum in den Spiegelwänden sein eigenes Spiegelbild erblickte, in allen Richtungen Kuckucke wahrzunehmen glaubte und alsbald seine liebliche Stimme ertönen ließ, ebenso auch meinte der Ordensältere, als er bei Gewinnung der Skelettvorstellung das in jeder Richtung anwesende geistige Bild (nimitta) wahrnahm, daß auch die ganze Erde von Skeletten erfüllt sei. Widerspricht aber in diesem Falle das nicht wohl der Behauptung, daß die durch die Ekelobjekte gewonnenen Vertiefungen ungewöhnlich große Vorstellungen hätten? Nein, es widerspricht dem nicht, denn der eine gewinnt das geistige Bild bei einem großen aufgedunsenen Leichnam, der andere aber bei einem kleinen. Auf diese Weise hat bei dem einen die Vertiefung eine begrenzte Vorstellung, bei dem anderen eine ungewöhnlich große. Oder: wer, ohne einen Nachteil im Erweitern zu erblicken, dieses (Ekelobjekt) erweitert, hinsichtlich eines solchen spricht man von einer ungewöhnlich großen Vorstellung. Insofern aber kein Vorteil im Erweitern besteht, soll man diese Vorstellungen nicht erweitern. Und ebenso wie diese, soll man auch die übrigen (der 10 Betrachtungen) nicht erweitern. Und warum nicht? Weil z.B. bei demjenigen, der unter diesen Vorstellungen das in Ein- und Ausatmung bestehende Objekt erweitert, bloß die Luftmenge zunimmt, (das Objekt) aber durch den Raum begrenzt ist (durch Nasenspitze und Oberlippe, sagt Parākr.). Weil sonst solches mit Nachteil verknüpft und das Objekt begrenzt ist, darum soll man dasselbe nicht erweitern. In den Göttlichen Verweilungszuständen (Güte, Mitleid, Mitfreude, Gleichmut) nun bilden die Wesen das Vorstellungsobjekt; würde man also dieses Objekt der Göttlichen Verweilungszustände erweitern, so nähme eben bloß die Menge der Wesen zu; dazu aber liegt keine Notwendigkeit vor. Somit soll man diese Objekte nicht erweitern. Wenn es aber heißt: "Mit einem von Güte erfüllten Geiste durchdringt er eine Richtung usw.", so wurde dies des Einbezugs wegen gesagt. Wer nämlich der Reihe nach, erst hinsichtlich einer Wohnung, dann hinsichtlich von zwei Wohnungen usw., die Wesen in der einen Richtung einbeziehend, das Wohlwollen entfaltet, von dem heißt es zwar, daß er eine Richtung durchdringt, aber nicht, daß er das Objekt (geistige Bild) erweitert. Und hierbei gibt es keinerlei geistiges 'Gegenbild' (patibhāga-nimitta), das jener erweitern könnte. Das Begrenztsein und Unbegrenztsein der Vorstellungen ist hier bloß im Sinne des Einbezugs (von lebenden Wesen) zu verstehen.

 

Auch von den Unkörperlichen Vorstellungen soll die Raumvorstellung nicht erweitert werden, weil darin das Kasina aufgehoben ist; jene Raumvorstellung nämlich soll man nur mit Hinsicht auf das Schwinden des Kasina erwägen. Darüber hinaus gibt es nichts, auch wenn man sie zu erweitern (versucht). Das Bewußtsein (Bewußtseinsunendlichkeitsgebiet) soll man nicht erweitern, weil es ein realer Zustand (sabāhava-dhamma) (siehe weiter unten) ist; ein realer Zustand nämlich läßt sich nicht erweitern. Das Schwinden des Bewußtseins (das Nichtsheitgebiet) soll man nicht erweitern, weil es lediglich in der Abwesenheit des Bewußtseins besteht. Die Vorstellung der Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmung soll man nicht erweitern, weil sie ein realer Zustand ist; die übrigen Vorstellungen (die 10 Betrachtungen: über Buddha usw.), weil sie ohne geistiges 'Gegenbild' (patibhāga-nimitta) sind; ein geistiges 'Gegenbild' könnte man nämlich erweitern. Die Betrachtungen über Buddha usw. aber sind Vorstellungen ohne geistiges 'Gegenbild'; darum vermag man diese nicht zu erweitern.

 

Das nun gilt hinsichtlich des Erweiterns und Nichterweiterns.

 

 

"Hinsichtlich der Vorstellungen": - Von diesen 40 Übungsobjekten bestehen 22 in Vorstellungen mit geistigem 'Gegenbild' (patibhāga-nimitta), nämlich die 10 Kasinas, die 10 Ekelobjekte, die Betrachtung über Ein- und Ausatmung und die Betrachtung über den Körper; die übrigen 18 bestehen in Vorstellungen ohne Gegenbild.

 

Ebenso haben 12 von den Übungen 'reale Zustände' (sabhāva-dhamma) als Vorstellungen, nämlich: von den 10 Betrachtungen, ausnehmend die Betrachtung über Ein- und Ausatmung und die Betrachtung über den Körper, alle übrigen 8 Betrachtungen; ferner die Vorstellung des Ekels bei der Nahrung, die Analyse der 4 Elemente, das Bewußtseinsunendlichkeitsgebiet und das Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmungsgebiet. Die 22 mit dem geistigen (Gegen-) Bild verbundenen Vorstellungen, nämlich: die 10 Kasinas, die 10 Ekelobjekte, die Betrachtung über Ein- und Ausatmung und die Betrachtung über den Körper, sowie die übrigen 6 (d.i. die 4 Göttlichen Verweilungszustände, Raumunendlichkeit, Nichtsheit): diese sind unwirkliche Objekte.

 

Ebenso haben folgende 8 Übungen bewegliche Vorstellungsobjekte, und zwar zu Beginn (d.i. vor Eintritt des Gegenbildes), nämlich: das Eitrige Objekt, das Blutige Objekt, das Wurmige Objekt, die Betrachtung über Ein- und Ausatmung, das Wasser-, Feuer- und Windkasina, und unter den Lichtkasinas die Vorstellung der leuchtenden Sonnenscheibe usw.; das Gegenbild jedoch ist durchaus stetig. Die übrigen haben keine beweglichen Vorstellungsobjekte.

 

Das nun gilt hinsichtlich der Vorstellungen.

 

 

"Hinsichtlich der Daseinsebenen": - Was diese betrifft, finden sich folgende 12 Vorstellungen nicht bei den Himmelswesen, nämlich: die 10 Ekelobjekte, die Betrachtung über den Körper und die Vorstellung des Ekels hinsichtlich der Nahrung. 13 Vorstellungen, nämlich diese 12 und die Betrachtung über Ein- und Ausatmung, finden sich nicht in der Brahmawelt. In dem Unkörperlichen Dasein aber gibt es nichts außer den 4 Unkörperlichen Zuständen. Unter den Menschen dagegen bestehen alle diese Vorstellungen. Das nun gilt hinsichtlich der Daseinsebenen.

 

"Hinsichtlich des Auffassens der Objekte": - Hier nun hat man die Erklärung im Sinne von Auffassen vermittels des Sehens, Berührens oder Wissens (eigentlich Gehörten, Gelernten) zu verstehen.

 

Folgende 19 Vorstellungen sind vermittels des Sehens aufzufassen, nämlich: abgesehen vom Windkasina, alle übrigen 9 Kasinas; ferner die 10 Ekelobjekte. Der Sinn ist der, daß man das Objekt zuerst mit dem Auge wiederholt zu betrachten und dann (im Geiste) aufzufassen hat.

 

Bei der Betrachtung über den Körper hat man die 5 Bestandteile endend mit 'Haut' (d.s. Kopfhaare, Körperhaare, Nägel, Zähne, Haut) vermittels des Sehens aufzufassen, die übrigen vermittels des Wissens. Somit hat man die Vorstellung in dieser Betrachtung (über den Körper) vermittels des Sehens und Wissens aufzufassen.

 

Die Betrachtung über Ein- und Ausatmung ist vermittels des Berührens (Tastempfindens) aufzufassen, das Windkasina vermittels des Sehens und Berührens, die übrigen 18 vermittels des Wissens.

 

Hierbei nun können der Göttliche Verweilungszustand 'Gleichmut' und die 4 Unkörperlichen Gebiete von einem Anfänger nicht aufgefaßt werden; die übrigen 35 Vorstellungen aber kann er auffassen.

 

Das nun gilt hinsichtlich des Auffassens.

 

 

"Als Grundlage (Bedingung)": - Unter diesen geistigen Übungsobjekten aber bilden, abgesehen vom Raumkasina, alle übrigen 9 Kasinas die Grundlagen zu den Unkörperlichen Zuständen; und die 10 Kasinas bilden die Grundlagen zu den Höheren Geisteskräften (abhiññā), die 3 Göttlichen Verweilungszustände (Güte, Mitleid, Mitfreude) zum 4. Göttlichen Verweilungszustand (Gleichmut), die jedesmal niederen Unkörperlichen Zustände zu den jedesmal höheren, das Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmungsgebiet zum Erlöschungszustande (nirodha-samāpatti); und alle diese Übungen sind mit Wohlsein verbundene Zustände und bilden die Grundlagen zum Hellblick (vipassanā) und zu glücklichen Daseinsformen. Das also gilt betreffs der Übungen als Grundlagen.

 

"Hinsichtlich des Geeignetseins für die verschiedenen Naturen": - Hier nun hat man die Feststellung betreffs des Geeignetseins der Übungen für die verschiedenen Naturen zu kennen. Nämlich, für den Begehrlichgearteten eignen sich darunter 11 geistige Übungsobjekte, und zwar die 10 Ekelobjekte und die Betrachtung über den Körper. Für den Ärgerlichgearteten eignen sich 8 Übungen, nämlich die 4 Göttlichen Verweilungszustände und die 4 Farbenkasinas. Für den Verblendetgearteten und Geistig-unruhig-Gearteten eignet sich bloß eine Übung, und zwar die Betrachtung über Ein- und Ausatmung. Für den Vertrauensvollgearteten eignen sich die ersten 6 Betrachtungen (über Buddha, das Gesetz, die Jüngerschaft, die Sittlichkeit, die Freigebigkeit, die Himmelswesen). Für den Verständnisvollgearteten eignen sich 4 Übungen: die Betrachtung über den Tod, die Betrachtung über den Frieden, die Analyse der 4 Elemente und die Vorstellung des Ekels hinsichtlich der Nahrung. Die übrigen Kasinas (d.i. die 4 Farbenkasinas abgerechnet) und die 4 Unkörperlichen Zustände eignen sich für alle Naturen. Unter den Kasinas eignet sich ein kleines Objekt für den Geistig-unruhig-Gearteten, ein großes für den Verblendetgearteten.

 

Auf diese Weise hat man die Feststellung hinsicht des Geeignetseins der Übungen für die verschiedenen Naturen zu verstehen. Alles dieses aber wurde gesagt mit Rücksicht auf das direkt Entgegengesetzte sowie auf das ganz besonders Geeignete. Für den Begehrlichgearteten, Ärgerlichgearteten und Verblendetgearteten gibt es keine Entfaltung des Guten, die nicht hemmend (auf die Leidenschaften) einwirkte; und für den Vertrauensvollgearteten, Verständnisvollgearteten und Geistig-unruhig-Gearteten gibt es keine Entfaltung des Guten, die nicht förderlich wäre. Auch in der Meghiyasutte (A.IX.3 und Ud. IV.1) heißt es: "Vier Dinge sind fernerhin zu entfalten: die Ekelvorstellung ist zu entfalten zur Überwindung der Gier, die Güte ist zu entfalten zur Überwindung des Übelwollens, die Betrachtung über Ein- und Ausatmung ist zu entfalten zur Stillung der Gedanken, die Vorstellung der Vergänglichkeit ist zu entfalten zur Ausrottung des Ichdünkels." Auch in der Rahula-Sutte (M.62, Snp.335ff.) wurden für einen Einzigen (den Rāhula) 7 geistige Übungsobjekte gelehrt, in den Worten: "Die Entfaltung der Güte, Rāhula, mögest du üben usw." Somit darf man sich nicht an bloße Worte hängen, sondern soll überall den Sinn erforschen.

 

Folgendes nun ist da eine untersuchende Besprechung der Übungsobjekte, gemäß den Worten: "Er soll sich ein geistiges Übungsobjekt geben lassen."

 

"Er soll sich geben lassen": - Die Erklärung der Bedeutung dieses Ausdruckes ist folgende: Der Übungsbeflissene hat sich hinzubegeben zu einem edlen Freunde, nach Art wie er beschrieben wurde anläßlich der Worte: "Man hat sich zu seinem Meditationslehrer, einem edlen Freunde, zu begeben;" und dem Erleuchteten, dem Erhabenen, oder seinem eigenen Lehrer soll er sein Selbst ganz hingeben und, von Neigung und Hingabe erfüllt, um das geistige Übungsobjekt bitten.

 

Dabei hat er dem Erleuchteten, dem Erhabenen, sein eigenes Selbst in den Worten hinzugeben: 'Dies mein eigenes Leben will ich dir weihen!' Denn, ohne sein Selbst hingegeben zu haben, möchte, wenn beim Verweilen in abgeschiedenen Wohnstätten eine Schreckvorstellung in Erscheinung tritt, er unfähig sein standzuhalten; und er möchte sich ins Dorf begeben und, im geselligen Verkehr mit den Hausleuten, sich verkehrtem Suchen hingeben und in Unglück und Elend geraten. Wer aber sein eigenes Leben hingibt, dem steigt, selbst wenn bei ihm eine Schreckvorstellung in Erscheinung tritt, keine Furcht auf. Und wer bei sich den Gedanken erwägt: 'Oh, du Weiser, hast du denn nicht am ersten Tage dein Selbst den Erleuchteten geweiht?', in einem solchen eben steigt Freude auf.

 

Wenn da z.B. ein Mann ein wertvolles Benaresgewand besitzt und ihm dieses von Mäusen oder Insekten zernagt wird, so steigt ihm Kummer auf. Schenkt er dieses aber einem Mönche, der ohne Gewand ist, so steiget ihm Freude auf, selbst wenn er sieht, wie jener dasselbe in Stücke zerteilt. (Nach den Ordensvorschriften nämlich muß der Mönch, wenn er sich aus einem Stück Stoff ein Gewand anfertigen will, dasselbe zuerst in Stücke zerteilen, um dadurch demselben den Kaufwert zu nehmen.) In derselben Weise hat man jene Sache zu verstehen. Auch wer sein Selbst seinem Lehrer weihen will, soll die Worte aussprechen: 'Dies mein eigenes Leben, o Ehrwürdiger, will ich dir weihen!' Denn wer sein Selbst auf diese Weise nicht hingegeben hat, der läßt sich nicht tadeln, oder ist widerspenstig, oder geht, wohin er will, ohne auf eine Ermahnung zu hören, oder seinen Lehrer zu befragen. Einem solchen aber hilft der Lehrer weder in weltlicher noch geistiger Hinsicht, und nicht läßt er ihn einen tiefsinnigen Text erlernen. Indem ihm aber diese zweifache Hilfe nicht zuteil wird, faßt er in der Lehre keinen festen Fuß und gerät nach kurzer Zeit entweder in Sittenlosigkeit oder tritt wieder in den weltlichen Stand zurück. Wer aber sein eigenes Leben seinem Lehrer geweiht hat, der ist weder dem Tadel unzugänglich, noch geht er wohin er will, sondern er ist nachgiebig und lebt in Abhängigkeit von seinem Lehrer. Und indem ihm von seinem Lehrer die zweifache Hilfe (weltliche und geistige) zuteil wird, bringt er es in der Lehre zum Wachsen, Gedeihen und zur Entfaltung, gleichwie die Schüler des Ordensälteren Cūlatissa, des Almosengängers.

 

Zu dem Ordensälteren, so heißt es, kamen einst drei Mönche. Der eine von ihnen sprach: "Wenn es hieße, daß es für euer Heil wäre, so wäre ich imstande, in einen hundert Mann tiefen Abgrund hinabzuspringen." Der zweite sprach: "Wenn es hieße, daß es für euer Heil wäre, so wäre ich imstande, den Körper von der Ferse ab auf einem Felsen aufreibend, dieses eigene Leben restlos aufzugeben." Der dritte sprach: "Wenn es hieße, daß es für euer Heil wäre, so wäre ich imstande, das Ein- und Ausatmen zu unterdrücken und den Tod zu erleiden." Und der Ordensältere dachte: 'Wahrlich, geeignet sind diese Mönche' und lehrte sie ein Übungsobjekt. Und in seiner Weisung verharrend, erreichten alle drei die Heiligkeit. Hierin also besteht der Segen der Hingabe des eigenen Selbstes. Darum wurde gesagt, daß der Übungsbeflissene dem Erleuchteten, dem Erhabenen, sein Selbst weihen solle.

 

"Von Neigung und Hingebung erfüllt" bedeutet: Jener Übungsbeflissene soll in sechsfacher Weise von Neigung erfüllt sein, nämlich hinsichtlich der Gierlosigkeit usw. Wer nämlich von solcher Neigung erfüllt ist, der erreicht eine von den drei Arten der Erleuchtung. (Nämlich sammā-sambodhi, pacceka-bodhi oder sāvaka-bodhi, d.i. die Erleuchtung eines Allerleuchteten, eines Einzelerleuchteten (s.Pug.28f) oder eines Edlen Jüngers.) Denn es heißt: "Sechs Neigungen (ajjhāsaya) führen die Bodhisats (Erleuchtungswesen) zur Erleuchtungsreife: der Gierlosigkeit geneigt erblicken die Bodhisats in der Gier ein Übel, der Haßlosigkeit geneigt erblicken sie im Hasse ein Übel, der Unverblendung geneigt erblicken sie in der Verblendung ein Übel, der Entsagung geneigt (hier ist nekkhamma mehr oder weniger im ursprünglichen Sinne von pabbajjā oder skr. abhinishkramana gebraucht, als das 'Hinausziehen' aus dem Hausleben in die Hauslosigkeit des Mönches) erblicken sie im Hausleben ein Übel, der Abgeschiedenheit geneigt erblicken sie in der Geselligkeit ein Übel, der Entrinnung geneigt, erblicken sie in jeder Daseinsfährte ein Übel." Die Stromeingetretenen, Einmalwiederkehrenden, Niewiederkehrenden, Triebversiegten, Einzelerleuchteten und Allerleuchteten (s.Pug.47-50, 28-29), alle diese nämlich haben auf eben diese sechserlei Weise das jedesmal selber zu erreichende Ziel erreicht. Daher soll der Übungsbeflissene auf diese sechserlei Weise von Neigung erfüllt sein.

 

Von Hingebung zu folgenden Dingen aber soll er erfüllt sein, nämlich von Hingebung, Ehrfurcht und Neigung hinsichtlich der Sammlung, (samādhi) und von Hingebung, Ehrfurcht und Neigung hinsichtlich des Nirwahns (nibbāna).

 

Wer in dieser Weise von Neigung und Hingebung erfüllt um ein geistiges Übungsobjekt bittet, dessen Gedankengänge vermag der mit dem Wissen von der Gedankendurchdringung begabte Lehrer zu durchschauen, und dessen Natur vermag er zu erkennen. Ein anderer (nicht solcherart begabter Lehrer) aber mag solches erkennen, wenn er auf diese oder ähnliche Weise fragt: 'Was treibst du?' Oder 'Welche Dinge steigen häufig in dir auf?' Oder: 'Bei welcher Erwägung fühlst du dich wohl?' Oder: 'Zu welcher Übung neigt dein Geist?' Und solches erkennend, vermag er ihm ein seiner Natur angemessenes geistiges Übungsobjekt mitzuteilen. Und der Mitteilende soll dieses in dreierlei Weise tun: Wer ursprünglich schon ein geistiges Übungsobjekt auf sich genommen hat, dem soll er das Übungsobjekt während einer oder zwei Sitzungen mitteilen und es ihn erlernen lassen; einem, der bei ihm wohnt, soll er jedesmal beim Kommen das Übungsobjekt mitteilen; einem, der nach Entgegennahme des Übungsobjektes sich anderswo hinbegeben möchte, soll er das Übungsobjekt nicht zu kurz und nicht zu ausführlich darlegen. Hierbei nun soll er, wenn er das Erdkasina erklärt, auf folgende neun Gesichtspunkte aufmerksam machen, nämlich: die vier Unvollkommenheiten des Kasina, die Herstellungsweise des Kasina, die Methode das hergestellte Kasina zu entfalten, die zweierlei geistigen Bilder (das Aufgefaßte Bild und das Gegenbild), die zweierlei Sammlung (angrenzende und volle), die sieben günstigen und ungünstigen Bedingungen, die zehnfache Fertigkeit in der Vollen Sammlung, das Gleichmaß der Kraft, die Ausübungsmethode der vollen Sammlung. Auch von den übrigen Übungsobjekten soll er jedem das ihm angemessene Übungsobjekt mitteilen. Alles dies wird bei den Ausübungsbestimmungen (s.IV) betreffs der Entfaltung verständlich werden. Während aber solcherart das geistige Übungsobjekt besprochen wird, soll jener Übungbeflissene beim Hören das Objekt auffassen.

 

"Das Objekt auffassen" bedeutet: jedesmal diesen und jenen Gesichtspunkt verbinden, in der Weise: 'Dies ist die frühere Stelle, dies die spätere Stelle, dies die Bedeutung, dies der Zweck, dies das Gleichnis. Denn wer so beim aufmerksamen Hinhören das Übungsobjekt aufgefaßt hat, der hat es richtig aufgefaßt. Und eben dadurch gelingt bloß einem solchen die Erreichung eines Fortschrittes, keinem anderen. Dies ist die Erklärung der Bedeutung von dem Ausdrucke "auffassen".

 

Bis hierher nun sind in jeder Hinsicht ausführlich erklärt die Worte: "Darauf hat man sich zu einem Meditationslehrer, einem edlen Freunde, zu begeben und sich von den vierzig geistigen Übungsobjekten ein seiner eigenen Natur angemessenes geistiges Übungsobjekt geben zu lassen."

 

Hier endet des zur Beglückung guter Menschen abgefaßten "Weges zur Reinheit" 3. Teil: die auf die Entfaltung der Sammlung sich beziehende Darstellung von der Entgegennahme des geistigen Übungsobjektes.


 Home Oben Zum Index Zurueck Voraus