DIE GESPENSTERGESCHICHTEN DES PETA VATTHU

UNTERSUCHUNGEN UND ÜBERSETZUNG VON WILHELM STEDE LEIPZIG, OTTO HARRASSOWITZ 1914

A. Vorbemerkungen über das Thema
B. Das Peta Vatthu als Literaturwerk

I. Das Peta Vatthu als solches
II. Das einzelne Vatthu (Lied)
III. Die Personen und der Schauplatz der Lieder

C. Das Peta Vatthu als Geisteswerk

I. Definition des Begriffs "Peta"
II. Der Zustand der Petas
III. Die Petawelt und ihre Beziehung zum Diesseits
IV. Die Petawelt in ihrer Beziehung zu ähnlichen Begriffen des Jenseits
V. Die seligen Geister (Yakkhas)
VI. Die Ursachen der Petageburt und das Prinzip der Vergeltung
VII. Die Erlösung aus dem Petadasein
VIII. Die Tendenz des Peta Vatthu

Literatur-Angabe
Verzeichnis von Abkürzungen und Nachweisen


A. Vorbemerkungen über das Thema  


Die buddhistischen Vorstellungen vom Schicksal der Abgeschiedenen sind in mehrfacher Beziehung beachtenswert. Einmal sind sie wichtig für die Volkskunde und für die Religionsgeschichte. Nach dieser Seite hin reiht sich die vorliegende Darstellung ein in den Kreis der vergleichenden Sagen- und Märchenforschung. Ich mußte mich hier aber beschränken, und da ich das Peta Vatthu nicht zu kurz kommen lassen wollte, habe ich in erster Linie dieses allein reden lassen. Verweise auf verwandte Märchenzüge habe ich teilweise in den Text, oder auch in der Form von Anmerkungen darunter gesetzt. Sodann kommt eine solche Darstellung für die engere philologische Forschung in Betracht, und zwar sowohl sachlich, als sprachlich.

Was die Sache anbelangt, so besteht noch keine zusammenfassende Darstellung über diesen Teil der buddhistischen Lehre, der zwar in den älteren Büchern weniger hervortritt, der aber doch zum Verständnis der Religion unentbehrlich ist. Was wir an Angaben über die Petas besitzen, ist sporadischer Natur und geht nicht immer auf alte Quellen zurück. Solche Angaben sind z. B. die von Hardy in seinem "Manual of Buddhism" und von Childers im "Dictionary of the Pāli Language". Nach Hardy haben sich mit der Peta-Literatur hauptsächlich zwei Forscher beschäftigt: L. Feer und J. J. M. de Groot, zu denen noch L. Scherman mit seiner vortrefflichen Materialsammlung tritt, auf die ich zur Orientierung über das gesamte Gebiet verweisen möchte, und J. S. Speyer in der in seiner Ausgabe des Avadānacataka enthaltenen Einleitung und Übersicht. Feer hat im besonderen über die Petas gehandelt im Journal Asiatique T879 p. 170-173 und ebenda 1884 p 109-134, jedoch beschäftigt er sich hier nur mit den (10) Peta Vatthus, die einen Teil des Avadānacataka bilden (die fünfte Dekade), welch' letzteren der verdiente Forscher übersetzt und erklärt hat in den "Annales du Musée Guimet" XVIII, 1891. Die dort und im "Journal Asiatique" gegebene Darstellung deckt sich in den Hauptpunkten mit der unsrigen, stützt sich aber nicht auf das Peta Vatthu und bildet keine abgeschlossene Peta-Monographie. Von den zehn Vatthus bei Feer finden sich nur zwei im "Peta Vatthu" selbst (P. V. I. 6 und II. 10).

Was vom Material gesagt ist, gilt auch von der Sprache. Hier bieten die jüngeren Schriften des Kanons noch vieles, was zur Bereicherung unserer Kenntnis des Pali verwendet werden kann und muß. Eine Durcharbeitung des P. V. von lexikalischen Gesichtspunkten aus gibt eine große Ausbeute an neuen Wörtern oder neuen Bedeutungen bekannter Wörter. Ich habe ca. 350 derartiger Wörter gesammelt, die im Childers'schen Lexikon nur durch eine Abhidhanāppadīpikā-Stelle belegt sind und sehr oft einer Modifizierung der Bedeutung bedürfen. Ich verweise hier auf den beigefügten Index.

Eine Übersetzung wenigstens eines Teiles des P. V. erschien mir erwünscht, um zu zeigen, in welchem Gewande die Lehren hier auftreten. Ich habe mich dabei auf die zwei ersten Bücher beschränkt, weil sich aus ihnen schon ein gutes Bild der Peta-Vorstellungen gewinnen läßt. Zur Darstellung im 1. Teil ist natürlich das ganze Peta Vatthu herangezogen. Nahe verwandt mit dem Peta Vatthu ist das Vimāna Vatthu, das gleichfalls Übersetzung und Bearbeitung verdient.

Die Ausgabe, welche von mir in Textverarbeitung und für den Index zugrunde gelegt ist, ist die von E. Hardy, erschienen als 3. Teil der Paramattha Dīpanī des Dhammapāla in den Publikationen der Pāli Text Society. Sie ist ungleich besser als die ebenfalls in der P.T.S. erschienene Minayeffsche Ausgabe, schon weil sie sich auf mehr Hss. stützt. Die birmanischen Handschriften sind auch hier zuverlässiger als die singhalesischen.-Dhammapālas Kommentar ist für die Interpretation von der größten Wichtigkeit, da vieles, was in den Vatthus selbst nicht steht oder nur angedeutet wird, im Kommentar Erwähnung und Motivierung findet; ganz abgesehen von den Rahmenerzählungen, die eine unerschöpfliche Fundgrube von Einzelheiten und Ergänzungen bieten. Dhammapāla hat außerordentlich gründlich und genau gearbeitet. Schon E. Hardy hat hierauf in seiner Vorrede zum Vimāna Vatthu hingewiesen. Er hat verschiedene Rezensionen vor sich gehabt und sie verglichen; er gibt nicht nur die Erklärung seines Textes, sondern auch der Varianten, er wiederholt sich nie oder sehr selten, und keine Erklärung ist überflüssig. Dhammapāla vertritt eine alte legendarische Tradition, die sachlich ebenso alt sein kann, wie die Verse der Dichtung. Ich möchte daher dem Kommentar fast denselben Wert zuschreiben, wie den Liedern.  


B. Das Peta Vatthu als Literaturwerk

I. Das Peta Vatthu als solches

 
Die Stellung des Peta Vatthu im Kreise der buddhistischen Schriften wird dadurch umschrieben, daß es zu der Gattung der Gāthās (Lieder) gehört und eingegliedert ist in den Khuddakanikāya des Suttapitaka. Es ist eng verwandt mit dem Vimāna Vatthu, Geschichten von seligen Geistern, dem es in der Aufzählung unmittelbar vorausgeht. Die Art und Anlage beider Sammlungen ist dieselbe; nur der Charakter der Lieder ist verschieden, insofern sich die Petageschichten nur mit "unseligen" Geistern befassen, oder wie Feer sie auch wohl nennt "des esprits impurs". Wir bezeichnen mit "Vatthu" sowohl die ganze Sammlung, als auch die einzelnen Stücke (Feer: "histoires") derselben, die "Lieder" genannt werden. Diese werden verschiedenen Mönchen als Verfassern (sañgītikārā) zugeschrieben, die aber nur vereinzelt mit Namen genannt sind. Als Lieder haben sie Ähnlichkeit mit den Thera- und Therī-gāthās (übs. von K. E. Neumann; ins Englische von Mrs. C. A. Rhys Davids unter dem Titel "Psalms of the Brethren", P.T.S. 1913).

 

Diese Lieder sind eine in Versform abgefaßte Erzählung, die in dramatischer Weise zunächst die Begegnung eines Mönchs (oder sonst einer mit dem Peta in näherer Beziehung stehenden Person) mit einem Gespenst (Peta oder Petī) schildert; darauf den sich zwischen beiden abwickelnden Dialog und die endliche Erlösung des Gespenstes durch eine Gabe, die der Gemeinde des Buddha zugewendet wird. Fast immer schließt ein solches Lied mit einer Mahnung des Peta zu gutem Wandel, als Lehre, die aus seinem Schicksal zu ziehen ist. -

 

Der Zweck und Höhepunkt eines Liedes ist also eine Moral, die auf eine Bekehrung zur Lehre des Buddha hinausläuft. Dieser tendenziöse Charakter der Sammlung ist ohne weiteres verständlich, wenn wir uns der gewaltigen Rolle erinnern, welche die Anhänger der Heilslehre, besonders der Sañgha mit seinen Theras und Bhikkhus zur Zeit der Entwicklung des Kanons spielten. Der Thera ("Älteste") ist ein Zauberer geworden, der nicht allein durch das Verrichten guter Werke, sondern auch besonders durch das Empfangen der Gaben mildtätiger Menschen zum "avassayo katapāpānam", zum Erlöser gefallener Seelen wird; und dessen Gewalt im Namen der Lehre des Erleuchteten sich nicht nur auf die Unbekehrten dieser Welt, sondern auch auf die der jenseitigen Welt, des paraloka, erstreckt.

Wir werden auf diese Moral der Lieder noch einmal zurückkommen; es möge hier noch des Hintergrundes gedacht werden, auf dem sich diese Lieder abspielen. Diesen Hintergrund bilden die Rahmenerzählungen, d. h. die jedesmaligen Prosa-Einleitungen zu den Versen. Sie entrollen vor uns ein farbenreiches Kulturbild aus der Heimat des Buddhismus an den Ufern der Gangā und den Nachbargebieten. Sie führen uns in die Kreise, in denen die Lehre des Erhabenen aufgenommen, und die, in welchen sie verworfen wird, und aus welchen die Bewohner der Petawelt hervorgehen. Diese rekrutieren sich aus allen Klassen: vom ungläubigen König und seinen Ministern an bis herab zum Bäcker und Schneider oder den Ausgeworfenen.

In diesem Milieu treten die Petas auf. Sie sind die Hauptsprecher in den Dialogen. Wie ihre Beziehung zur menschlichen Welt zustande kommt, wird in der Sprache einfach als "erscheinen" oder "sich zeigen" erklärt. Diese Gespenstererscheinungen können überall vorkommen und einem jeden ohne große Beschwörungskunst zuteil werden. Buddha hat allerdings die Gabe, mehr Geister aus den abgeschiedensten Welten zitieren zu können, als irgendein anderer Mensch. Es ist schließlich aber für jeden möglich, die Wesen des Jenseits zu besuchen, und eine besondere Gelegenheit dazu ist der Traum. In IV. 15 wird erwähnt, wie der König Pasenadi in einer schlaflosen Nacht die Höllenbewohner heulen hört: offenbar im Traum, den ihm sein böses Gewissen verursacht. Die Petas selbst sind halb-menschlich gedacht und können ohne weiteres reden. Daß sie Gespenster sind, darin besteht ihre Hauptrolle. In dieser Eigenschaft vertreten sie gleichzeitig auch die Manen (pitaras).

Die Sammlung der Lieder als Ganzes besteht aus 51 einzelnen Vatthus, die über vier Bücher verteilt sind. Manchmal zerlegt sich wohl auch ein Vatthu in mehrere, oft finden wir Dubletten. Buch IV ist ohne Zweifel späteren Ursprungs als I-III, auch ist die Art dieses Buches ausgesprochen dogmatisch.

Die Zeit der Entstehung der Lieder ist nicht zu bestimmen. Sie stammen aus verschiedenen Perioden, die von Buddhas Wirken bis zu König Asoka reichen mögen. Weitere Schlüsse lassen sich aus Erwähnung einzelner Könige, wie Bimbisāra, Piñgala, Ambasakkhara, nicht ziehen. Diese Angaben finden sich größtenteils in den Rahmenerzählungen. .

Die Anordnung der Vatthus ist nach keinen besonderen Gesichtspunkten geschehen; nur finden wir die Neigung, mehrere dasselbe Thema behandelnde Lieder zusammenzustellen (vgl. S. 17). Die Bezeichnung der einzelnen Lieder ist nicht minder frei: sie werden benannt entweder nach der Hauptperson oder nach dem Hauptgegenstand oder aber auch nach einem sonst irgendwie hervorstechenden Punkte, der an sich nur lose zur Haupthandlung gehört. Titel der ersten Art sind die häufigsten, wie z. B. Ankurapeta-vatthu, Uttaramātu-, Ambasakkhara-; Titel der zweiten Art sind z. B. Kannamundaka- (II. 12) oder Pañcaputtakhādaka. (1. 6), und der dritten z.B. Pitthadhītalika- (I. 4), wozu man vergleichen kann die Bezeichnungsweise des Mrcchakatikam.  


II. Das einzelne Vatthu (Lied) Die Form des Liedes ist eine längere oder kürzere Folge von durchgehend zweizeiligen, bisweilen auch dreizeiligen Strophen, deren jede sich in Halbverse teilt und nach der Silbenzahl gemessen wird; und zwar ist die gewöhnlichste Form das Anutthubbam mit acht Silben in jedem Halbverse (pāda); daneben kommt auch das Tutthubbam mit elf Silben im Pāda vor.

 

Der Inhalt eines Vatthus stellt sich schematisch in folgenden Typen dar:

A. Typus II. I, dem die Mehrzahl aller Vatthus angehören (65%). Es handelt sich bei diesem um Vorführung des Peta als Gespenstererscheinung im Diesseits, und um einen Dialog mit folgenden Punkten:

1. Frage des Menschen: wer bist du, wie siehst du aus?
2. Antwort des Peta: ich bin N. N., und muß leiden.
3. Frage: wofür mußt du leiden?
4. Antwort: Erklärung der Art der Schuld und Appell an das Mitleid des Menschen.
5. Der Dichter schildert das Verrichten der Gabe zur Erlösung des Peta.
6. Die Wirkung der Gabe: Erlösung des Peta.
7. Frage nach der Ursache der Erlösung.
8. Antwort des Peta, wie sie geschehen, und Loblied auf die Gabe; oft auch Ermahnung zu gutem Wandel.

Abweichungen im einzelnen sind häufig, fast immer aber findet sich 1-4, 5 und 8. Wenn Punkt 5 (die Gabe) nicht erwähnt wird (wie I. 2; 6; 9), so wird sie stillschweigend vorausgesetzt. Dasselbe ist der Fall, wenn 6 (Erlösung) nicht vorgeführt wird (wie II. 7). Oft wird dieselbe nur konstatiert (II. 3).

Eine Abart dieses Schemas ist die indirekte Angabe des Dialogs durch den Dichter als Wiedererzähler in III. 1; oder eine Erweiterung dadurch, daß der Dichter mit einer Einleitung beginnt, in der er die Petī vorstellt, ehe der Dialog einsetzt: II. 10.

Zu beachten ist namentlich im Gegensatz zu den im Avadāna Cataka enthaltenen Petaliedern, daß die Auseinandersetzung über die Ursache der Petageburt (des Leidens), d. i. Punkt 4, und die in Punkt 8 erwähnte Mahnung vom Peta selbst gegeben werden, und nicht von Buddha. (Eine Ausnahme davon bilden Av. C 45 und 46.) Ein Vatthu der Avadāna-Art ist IV. 5, in dem der Thera dem Peta den Zusammenhang von Schuld und Strafe (Punkt 3) erklärt.


B. Typus II. 11. Hierbei handelt es sich um die Entführung eines Menschen in die Petawelt und seine Rückkehr zur Erde, mit der Ausnutzung der dort empfangenen Belehrung. Der Dialog spielt sich in ähnlicher Weise wie in A dort in der Geisterwelt ab. Hierhin gehören noch II. 12; III. 3; IV. 11.

C. Typus der Jātakas (I. 8; 12; II. 6; 13): Erzählungen, die Buddha selbst gibt, und die im strengen Sinne den Charakter der Erzählung aus einer früheren Geburt haben. Sie vertreten alle denselben Gedanken: daß die Trauer um Verstorbene unnütz ist. Die Darlegung der Moral geschieht durch einen halbklugen, simplen Charakter, der z. B. in II. 8 ein Kind, in II. 6 eine anscheinend geistesgestörter Mensch ist, der durch zwecklose Handlungen die Zwecklosigkeit der Trauer illustriert. Dieser "ummattarūpa", der Tor, ist schließlich der Weise, der andere Menschen zur Erkenntnis führt. Diese Erzählungen sind von den eigentlichen Petavatthus sehr verschieden. Hierher ließe sich noch I. 4 stellen mit derselben Moral, die exemplifiziert wird am Schmerz eines Kindes um eine zerbrochene Puppe (pitthadhītalikā).

Neben diesen typischen Vatthus finden sich noch einige andere, die eine Ergänzung zu der in den gewöhnlichen Liedern ausgesprochenen Moral bilden. In diesen wird die Belehrung nicht durch einen Peta vermittelt, sondern von Buddha selbst gegeben, mit Bezug auf die Petas oder auf den Sañgha (s. unten).

Diese Typen verteilen sich über alle vier Bücher der Sammlung; nur das vierte Buch nimmt insofern eine Sonderstellung ein, als sein Hauptgegenstand nicht im Sinne der ersten drei eine Vorführung der Bestrafung einzelner Gebote, sondern eine prinzipielle Verurteilung der Irrlehre und eine Verherrlichung der rechten Lehre ist. Mehrfach ist es eine Wiederholung schon da gewesener Vatthus: IV. 7 z. B. ist eine Erweiterung von III. 2; IV. 10 setzt sich aus Bruchstücken von III. 1; 6 und 10 zusammen.  


III. Die Personen und der Schauplatz der Lieder

A. Die Personen

Vatthus, die dem Buddha selbst in den Mund gelegt sind, zählen wir 13. Diese verteilen sich auf die Sammlung als:  

Loblied auf die Gabe I. 1;
Mahnung über Trauer I. 4;
Prophezeiung III. 5;
Belehrungen über Petas IV. 6; 7; 14; 15;
Peta-Zitierungen I. 5; III. 1b;
Jātakas I. 8; I.12; II. 6; I3.  

Die Jātaka-Vatthus finden sich teilweise oder ganz in der großen Sammlung der Jātakas wieder, nämlich

I. 8 = no. 352 (vol. III, p. 155)
I. 12 = no. 354 (vol. III, p. 162)
II. 6 = no. 454 (vol. IV, p. 79).
 

Im Vimāna Vatthu kehren drei Vatthus wieder:

II. 5 (Mattakundalī) = V. V. VI. 8; 9.-
P. V. IV. 2 (Serissaka) = V. V. VII 10.-
P. V. IV. 4 (Revatī) = V. V. V. 2.

 

Von den 37 Dialogvatthus (II. 9 und III. I sind als zwei gerechnet) sind ihrem Charakter nach 5 Vimānavatthus, worunter vier Entführungen (Typus B): II.11; 12; III. 3; IV. 11; neben IV. 13.

Dubletten finden sich vier, nämlich I. 3 = I. 2; I. 7 = I. 6; III. 8 - III. 7; IV. 9 - IV. 8.

Die den Dialog leitenden Personen verteilen sich (von 37 Liedern) auf folgende Kategorien:  

Thera Moggallāna 6 Lieder (III. 4; IV. 5; 8; 9; 10; 16)
Thera Nārada 5 Lieder (I. 2; 3; III. 7; 8; 9)
Thera Sāriputta 2 Lieder (II. I; 2)
Thera Mahākassapa 1 Lied (III. 10)
Thera Samkicca 1 Lied (I. 11)
Thera Kankhareva 1 Lied (II. 10)
Thera Potthapāda 1 Lied (III. 2)
Ein Thera (ohne Namen) 2 Lieder (I. 6; 7)
Ein Bhikkhu 1 Lied (I. 9)
 
Von anderen Klassen sind vertreten:
Kaufleute 5 Lieder (I. 10; II. 7; III. 6; IV. 12; 13)
Der König von Bārānasī 1 Lied (II. 12)
Der König von Ambasakkhara 1 Lied (IV. I)
Der König Ajātasattu 1 Lied (II. 8)
Der König Piñgala 1 Lied (IV.3)
Der Minister Koliya 1 Lied (III. 1a)
Der Prinz (Kaufmann) Ankura 2 Lieder (II. 9a; b)
Ungenannte 2 Lieder (II. 4; III. 3)
Frauen 3 Lieder (II. 3; 11; IV. 11)

 

Wenden wir uns zur Aufzählung der Petas in diesen 37 Dialogen, so ergibt sich folgende Klassifizierung. Es sind Petas:  

A. Männliche: 20 Vertreter; darunter 3 Jäger (III. 1a; III. 7; 8), 2 Bhikkhus (I. 2; 3), 2 Aufseher (II. 9b; III. 9), 3 Kaufleute (IV. 1; 5; 12), 2 Setthis (II. 7; 8), und sonstige 8 (II. 9a; 11; III. 10; IV. 3; 8; 11; 13; 16).

B. Weibliche: 13 Vertreterinnen, darunter 2 Ehefrauen (I. 9; II. 4), 3 Nebenfrauen (I. 6; 7; II. 3), und sonstige 8 (I. 10; II. 1; 2; 10; 12; III. 3; 6; IV. 9).  

C. Familien: 2 (I. 11; III. 4).

D. Eine Menge: 2 (III. 2; IV. 10).

 

Wie schon bemerkt, kommt es auch vor, daß ein Vatthu sich aus zwei Liedern zusammensetzt, die beide selbständig sind und nur durch den Faden der Rahmenerzählung zusammengehalten werden. Diese Art ließe sich mit Recht dramatisch nennen, wo zu einem Dialog noch ein zweiter hinzutritt, und so die Handlung verwickelter gemacht, auf mehrere Szenen verteilt wird. Ein typisches Vatthu dieser Art ist II. 9. Man kann bei diesem Vatthu direkt von einem mehrfachen Szenenwechsel sprechen, und insofern ist die Bezeichnung "Lied" eigentlich nicht passend. Es kommt der Sache bedeutend näher, wenn wir es mit "Spiel" bezeichnen, wie wir diesen Ausdruck auf die kirchlichen Aufführungen des Mittelalters anwenden. Es handelt sich bei diesen Spielen um liederartige Vorführungen einer Geschichte mit einer Moral. Wir könnten daher auch an die Bezeichnung "moralities" denken und diese mutatis mutandis auf die Lieder des Peta Vatthu übertragen. In der Tat erinnern die Vatthus an die Aufführungen, die von de Groot (Fetes annuellement celebrées a Emoui) geschildert werden. Es finden diese Aufführungen zur Zeit der großen Totenopfer statt, und in ihnen spielt, wie in den Petaliedern, die Person des Moggallāna eine große Rolle. Aus de Groot (loc. cit. p. 416. 417) führe ich eine Stelle an, die geeignet ist, auf die Art der Belehrung (morality) ein Licht zu werfen, und die gleichzeitig eine Ergänzung bildet zu den von Scherman angegebenen Höllenbesuchen des Moggallāna (loc. cit. p. 81; über sonstige Höllenfahrten s. p. 82-85). Nach de Groot's Angaben hat man Bok-Lien mit dem Namen seines Vetters Maudgalyāyana versehen und führt diese Oper Maudgalyāyana auf, besonders in der Nachbarschaft von Häusern, wo Pretas wohnen. Folgendes ist ihr Inhalt: Maudgalyāyana stammt aus einer Familie, in der mehrere Mitglieder sich des Fleischgenusses enthalten haben; auch seine Mutter hat niemals Fleisch gegessen. In einer heftigen Krankheit will nun einer ihrer Söhne sie zum Fleischgenuß überreden, aber sie will lieber sterben. Da bereitet er das Fleisch in der Form eines Salates zu und sie ißt es. Sie wird gesund, aber eine alte Dienerin entdeckt dem Maudgalyāyana das Geheimnis. Dieser fragt die Mutter danach, aber sie schwört es ab mit einem Schwur bei der Hölle. In demselben Augenblicke kommen die Dämonen und vollstrecken den Schwur, d. h. werfen sie in die Hölle. Sie erscheint dem M. im Traum, und er sieht, wie sie leiden muß. Er will sich vergiften, um ihr zu folgen. Er macht sich auf den Weg zur Hölle und gelangt durch verschiedene Abteilungen dahin, wo seine Mutter in einen Topf mit siedendem Öl geworfen, zerschnitten und wieder ganz gemacht wird. Nur einen Augenblick darf M. die Strafe auf sich nehmen, aber sie hat keine Wirkung auf ihn, denn gute Geister halten das Marterwerkzeug von ihm ab. Er kehrt zur Erde zurück, und seine Mutter gelangt in die Gefilde der Seligen. -

Daß auch sonst Moggallāna der Haupt-Thera ist, der es sich zur Aufgabe macht, die Höllenbewohner zu erlösen und die Menschen vor dem Höllenaufenthalt zu bewahren, tritt sowohl in der Einleitung zum Peta Vatthu (R. E. zu I. 1), als auch in der zum Vimāna Vatthu hervor. In letzterer hören wir Ausführlicheres über die Art, wie Moggallāna die Belehrungen über die Petas (resp. seligen Geister, s. S. 39) erfährt. Die durch die vierte Stufe der Meditation erworbene Zauberkraft (iddhibala, V. V. p. 4) führt ihn im Nu in die Tāvatimsa-Region, wo er die devatā ausfragt (pucchāvissajjanavasena: durch Frage und Antwort); worauf er wieder zur Menschenwelt zurückkehrt und dem Buddha die Unterhaltung mitteilt. Dieser knüpft dann daran eine ausführliche Unterweisung. An anderen Stellen des V. V. findet sich für diese Besuche der typische Ausdruck "devācarikam caranto", seine Himmelsreise machend. Ähnlich ist im Avadānacataka der Ausdruck für Moggallānas Höllenreise "pretacārikam carati sma" (Av. C 45, 47 etc.).


B. Ort der Erzählungen

Schauplatz der Lieder sind die Stätten von Buddhas Wirksamkeit, besonders das Königreich Magadha mit der Hauptstadt Rājagaha und das Königreich der Kosalas mit Sāvatthī. Man muß unterscheiden zwischen dem Ort, an welchem die Geschichte dem Buddha erzählt wurde und wo er seine Belehrung an sie knüpfte, und dem Ort, welcher zum Schauplatz der Geschichte selbst gemacht wird, d. h. wo sich die Peta-Erscheinung vollzieht, oder wo die Vorgänge, die uns in der Rahmenerzählung angegeben werden, sich abspielen.

 

1. Der Ort von Buddhas Aufenthalt ist in den meisten Vatthus (in 27 von 41 = 66%) Jetavana, das berühmte Kloster bei Sāvatthī; in 14 Fällen ist es der Park Veluvana bei Rājagaha; fünf Vatthus scheiden als Dubletten aus, und in fünf andern ist kein Ort angegeben. - In Sāvatthī spielen I. 4; 6; 8-12; II. 3-7; 9; 12; 13; III. 3; 4; 6; IV. 1; 6-8; 10-13; 15; in Rājagaha I. 1-3; 5; II. 1; 2; 8; III. 1; 2; 7; 9; IV. 5; 14; 16. Kein Ort ist angegeben in III. 5; vor Buddhas Geburt spielt II. 11; nach Buddhas Tode II. 10; III. 10; IV. 3.

 

2. Die Gegenden der Peta- resp. Rahmenerzählungen verteilen sich auf: Sāvatthī (und Umgebung) 15 von 35 (=45%), nämlich I. 8; 12; II. 3, 6; 13; III. 5; IV. 6; 10; 12; 13. Umgebung I. 6; II. 4; 11; III. 4; IV. 8. - Rājagaha I. 1; III. 7; 10; IV. 14. Umgebung II. 2. - Bārānasī I. 10; II 8; III. 1; 2; IV. 16.- Itthakāvatī II. 1. Erakaccha II. 7.-Kāsipurī I. 5.-Kimbila II. 12. - Kosambī II. 10. - Kosalī IV. 15. - Pātaliputta IV. 11.- Uttarapātha II. 9. -Vesalī IV. 1.-Hatthināpura III. 6. Keine Gegend ist angegeben in I. 2-4; 9; 11; II. 5; III. 3; 9; IV. 3; 5; 7  


C. Das Peta Vatthu als Geisteswerk

I. Definition des Begriffs "Peta".

Es ist eine aus der Geschichte der Manenopfer bei allen Völkern bekannte Anschauung, daß die Seelen der Abgeschiedenen von ihren Angehörigen mit Nahrung versorgt werden müssen, um ihre Existenz zu fristen. Hört die Versorgung auf, so verfällt die Seele dem Nichts oder erleidet schreckliche Qualen von Hunger und Durst. Auch im P.V. findet sich ein Lied, welches die Hilflosigkeit der abgeschiedenen Verwandten schildert, nämlich I. 5, in dem es heißt, daß die Manen weder Ackerbau noch Handel treiben, also auch nicht ernten und erwerben können. Dies bezieht sich zunächst auf die im engen Sinne so genannten Manen. Verschiedentlich kommt im P.V. das Manenopfer als solches vor, indem die Gabe von Mitgliedern derselben Familie zum Wohle eines verstorbenen Verwandten gegeben wird. Dann aber betrifft dieselbe Fürsorge alle Geister, alle Petas, d. h. die Verstorbenen überhaupt, oder den Menschen, wenn er den irdischen Leib verläßt und den Pfad des Samsāra betritt. Auch sie müssen leben, und wenn sie keine Nahrung erhalten, so leiden sie Qualen von Hunger und Durst.

Nun geschieht mit dem Manenopfer ein Buddhismus im Gegensatz zu den brahmanischen Opfern eine zweifache Wendung. Zunächst wird das alte, direkte Opfer in der Form von Klößen etc. (siehe Calands Abhandlung "Über Totenverehrung", Verhdlg. d. Kgl. Akad. d. Wissensch. Afd. Lett. XVII, Amsterdam 1888; sowie dessen "Altindischen Ahnenkult"; ferner Donner, Pindapitriyajña, Berlin 1870) abgeschafft (Reste noch in P. V. I. 5), und ein indirektes Opfer tritt an seine Stelle, welches darin besteht, daß man dem Buddha und seiner Gemeinde als Vermittler eine Spende gibt, mit der ausdrücklich beigefügten Bestimmung, daß diese Spende dem Geist (Peta) zugute kommen möge. Diese Gabe bezeichnet man als dakkhinā (Feer: don attributif oder intentionnel). Dadurch tritt eine Erlösung der Seele ein, die in ihrem gequälten Zustande einem Gespenst gleicht (der Begriff "Gespenst" deckt sich in vieler Hinsicht mit dem Begriff "Peta"), nun aber der Qualen von Hunger und Durst ledig wird. -Zweitens wird das Manenopfer als Vermittlung zwischen diesseitigem und jenseitigem Leben unter dem Gesichtspunkte der Vergeltungstheorie betrachtet, und der Zustand der verstorbenen Seele, des Gespenstes als eine direkte Folge des irdischen Lebens, die je nach dem Wandel auf Erden gut oder leidvoll ist. So wird das Leiden von Hunger und Durst als Strafe für das Nichtgeben von Essen und Trinken, für Geiz und Selbstsucht angesehen; und es wird vorausgesetzt, daß jeder, der das Gebot der Selbstlosigkeit geübt hat, ohne weiteres in einen Zustand der Seligkeit versetzt wird, wo kein Mangel besteht an Genüssen aller Art, vornehmlich solchen, die Hunger und Durst befriedigen. Es ergibt sich also, daß böse Menschen als böse, unselige Geister (Petas) zur Wiedergeburt kommen, und gute Menschen zwar auch wegen kleinerer Fehler als Petas erscheinen, aber nicht Hunger und Durst leiden, sondern als peta mahiddhikā, selige Geister, oder Yakkhas zur Existenz gelangen. Feer gibt die Unterschiede dieser beiden Stufen mit folgender Einteilung (Annales du Musee Guimet V, p. 521-523, in der Übersetzung des Pañcagati): Pretas divise en a) Pretas: l'avarice est le principal vice qui fait qu'on renati parmi les pretas. b) Genies divers: des transgressions divers, parfois melees a des vertus, des actes meritoires meme font renaitre Kumbhanda, Rāxasa, Gandharva, Pisāca, Bhūta, Yaxa. -Es ist also verständlich, daß jeder Peta Hunger und Durst leidet, oder, im Pāli ausgedrückt, ein khuppipāsapeta ist, ein Hunger- und Durst-Gespenst.  

Sehen wir uns die Schilderungen des Peta Vatthu an, so ergibt eine Analyse der Attribute der Petas, daß sie alle auf Hunger und Durst zurückgehen. Es werden von verschiedenen Autoritäten verschiedene Klassen von Petas angegeben (wie z. B. von Subhūti in Childers Zitat unter peta, Hardy im M. B. p. 58-59), aber für das P. V. handelt es sich nur um die khuppipāsapetas; es werden von den andern Klassen keine erwähnt.  


II. Der Zustand der Petas

Wir müssen zum Zwecke etwaiger prinzipieller Deutung zweierlei beachten: das zur Besprechung vorliegende Verhältnis ist vom Standpunkte des Buddhismus, d. h. speziell; dasselbe aber auch vom Standpunkte der Mythen- und Sagenforschung überhaupt, d. h. generell zu betrachten. Ich meine z. B. die Erklärung des Attributes "nackt" wird speziell als Folge der bösen Eigenschaft des Nichtgebens von Kleidern zu deuten sein, generell aber als naturgemäßes Beiwort eines Verstorbenen, der unter bestehenden Verhältnissen ohne Kleider in die jenseitige Welt geht. Näheres darüber wird uns bei den Attributen selbst begegnen. Der spezielle Standpunkt sollte natürlich dem generellen untergeordnet werden; manchmal aber ist es schwer, wenn nicht unmöglich, beide in Beziehung zu setzen.

Die allgemeine Erscheinung der Petas wird beschrieben als grauen-erregend, furchtbar: duddassika (24 27), bhīrudassana (II. 4 1; II. 10 1), jiguccha (56 3, 120 23; Nebenform jeguccha 78 28, 192 19), ativiya bībhacchadassana (201 22), bhayānaka (24 27, 907; IV. 1 8), lomahamsanarūpavā (III. 9 3).

Sie sind ohne Bekleidung, nackt: nagga (an vielen Stellen), naggiyā (II. 3 12), naggino (III. 2 3), niccola (32 15) apetavattha (105 19) -oder auch in Lumpen: chinnabhinnapilotikakhandadhārā 171 33 (K für sāhundavāsino III. 1 6), oder bedecken nur mit den Haaren ihre Scham (172 I; II. 102; vgl. Av. C 46: svakosaromasañchannā).

Auf den Zustand der Verwesung deuten viele Stellen hin: "nach Verwesung riechend, von schwarzen Fliegen übersät" (I. 6 1), amānuso vāyati gandho (IV. 3 6), dubbanna, von üblem Aussehen (typisch), kālī, schwarz (II. 4 1: K wie verbrannte Kohle 90 6), pūti, stinkend (I.3 2; I.6 1), kunapagandha (15 1, 32 18; vgl. Av. C 44: elle exhalait une mauvaise odeur).

Aus dem Zustande des Hungerns sind zu erklären:

 

Aus dem Gefühl des Hungers resp. Durstes ist der ausgedorrte Zustand zu verstehen, der bezeichnet wird mit Ausdrücken wie sūcikattha (III. 2 3), welches vom Kommentator erklärt wird als pūtinā lūkhavantādinā atthikā (180 19), wahrscheinlich aber "das Elend (kattha wie skr. kasta, Elend) stechenden Hungers (sūci) habend" bedeutet; nalo va chinno, wie ein abgehauenes Schilf (I. 11 6). Die Petī in III. 6 5 sucht zu trinken, aber der Fluß vertrocknet, sie sucht Kühlung im Schatten, aber der Schatten wird heiß. Wer dächte hier nicht an die Qualen des Tantalus? Vgl. zu diesem Kapitel auch Av. C 43: sa seule vue fait dessecher les cours deau et les puits; Av. C 46: vais-je vers des arbres charges de fruits, ils deviennent prives de fruits; vaisje vers des etangs pleins, ils se trouvent secs.

Zahlreiche andere Attribute beziehen sich direkt auf Hunger und Durst: jighacchāpipāsābhibhūta (99 29 u. a.), visukkhakanthatthajivho (99 29), chāto kilanto ca pipāsito (IV. 5 4), chātā āhāragiddhino "hungrig, gierig nach Nahrung" (IV. 107), khuppipāsahato (IV. 7 11), sūcitāya kilamito "vom Stechen des Hungers ermattet" (II. 8 3). 500 Jahre sind sie ohne Speise und Trank: nābbijānāmi bhuttam va pītam vā pana pānīyam (II. 7 10 und K).

In diesem unbeschreiblichen Leiden verlangen sie nach aller möglichen Nahrung, und nehmen fürlieb mit allem, was sie finden. Selbst das Schmutzigste, Widerwärtigste dient dazu, ihren Hunger zu stillen, ja, gerade darin besteht das Charakteristische ihres Zustandes, daß sie von Schmutz und Unrat leben. So ist es Eiter und Blut),  

[Stellen mit pubbalohita sind angeführt zur Übs. von 1, 6 (S. 65). Diese Verbindung von Eiter und Blut ist eine auch sonst in Apokalypsen beliebte; vgl, Petrusapokalypse 31: (ein See, der mit Eiter und Blut und mit aufbrodelndem Schlamme gefüllt war)]

das sie genießen, das sie eventuell durch Schlagen von Eiterbeulen (ganda 55 21) sich selbst entnehmen: vigalitapubbalohitā (56 2 zu I. 11 8) "mit Blut und Eiter überströmt". Und in derselben Weise werden zusammengestellt Eiter, Blut, Exkremente und Urin (I. 9 1; IV. 8 7 u. a., vgl Av. C 44: varcohārā "elle ne se nourissait que d'immondices"; desgl. Av. C 50, wo noch Schleim hinzutritt). Schleim und allerlei Abfall wird erwähnt in II. 2 3: chadditam khipitam khelam siñghānikam silesumam vasañ ca dayhamānānam vijātānam ca lohitam (s. Übs. S. 78) und I1. 24 - 5: vanitānañ ca yam ghānasī-sacchinnañ ca lohitam khadāparetā bhuñjāmi itthipurisanissitam pubbalohitam bhakkhāmi pasunam mānusānañ ca (s. Übs.). Daß diese Art Nahrung keine direkte Strafe ist im Sinne der weiter unten definierten Höllenstrafen (S. 37ff.) geht hervor aus II. 24: von Hunger überwältigt.-

Die Beziehung zur Verwesung ist auch aus dieser schmutzigen Nahrung ersichtlich: wie die Mistfliegen die Leichen und das Aas umschwärmen, so werden auch die Verstorbenen selbst oft als Fliegen oder ähnliche Aas-Tiere gedacht. Direkte Angaben kommen im P. V. nicht vor; ich könnte nur die Stelle I.6 I makkhikāparikinnā anführen und die Würmer vergleichen, die den Mund zerfressen (I.3). Auch die Schlange kommt als ein solches Leichentier (resp. Preta) vor. Man vergleiche zu dieser Vorstellung die geläufigen Märchenzüge der Schlange oder des Gewürms, als die Hölle bevölkernd (s. Siuts loc. cit. p. 266, Anm. 5) und auf Gräbern hausend. Ihre Rolle als Hadestier verdankt sie ja hauptsächlich ihrem unsichtbaren und daher unheimlichen Aufenthalt. Vgl. hierzu auch Schermans Zitat aus der Schrift "der Weise und der Tor" (p. 83 loc. cit.), das sich auf eine Frau bezieht, die als Schlange an ihrem eigenen Körper zur Wiedergeburt kommt und nach dem Tode derselben der Hölle anheimfällt. Ich verweise ferner auf eine ähnliche Stelle aus dem V. V. (I.16, p. 76 18), wo die Würmer am Körper der Sirimā herumkriechen: catutthe divase sarīram uddhumāyi navāhi dvārehi puluvakā paggharimsu. -

 

Die sonst geläufige Vorstellung (Feer, Av. C p. 161: Leurs traits generaux et essentiels sont un ventre enorme, une bouche tres petite, une faim insatiable et un soif inextinguible), daß der Bauch der Petas einem Berge gleicht (z. B. Av. C 46: parvatopamakuksih) findet sich im P. V. nicht. Damit ist gewöhnlich die Vorstellung verknüpft, daß ihr Mund die Größe eines Nadelöhres hat (Av. C sūcichidropamamukhī). Diese Ansicht vom Aufschwellen des Bauches hängt ebenfalls mit der Frage der Verwesung zusammen, wie es an der eben angeführten Stelle des V. V. (76 18) lautet "am 4. Tage schwoll ihr Körper". Die Kleinheit des Mundes läßt sich ohne weiteres aus dem vernachlässigten Gebrauche desselben erklären.

Die Augen der Petas sind piñgala, rötlich-braun, lohfarben (II. 4 1). Hierzu vergleiche man die Augen des Totenhundes, welche 152 16ff. als "glühender Asche gleich" bezeichnet werden, ein Attribut, welches dem "rötlich" gleichsteht und an die Augen der Hexen erinnert (Gestalt der Hexe hervorgegangen aus Seelenglauben und theriomorphen Anschauungen: Siuts § 574, p. 293), so Grimm I. 81 (in "Hänsel und Gretel": "die Hexen haben rote Augen und können nicht weit sehen, aber sie haben eine feine Witterung wie die Tiere") und II. 361 ("eine Alte mit braunem Gesicht und roten Augen öffnete die Tür" (Im Catapatha Brāhmana XI. 6, 1. 7. u. 13 (Scherman p. 7) erscheint auch Yama als schwarzer Mann und gelbäugig (vgl. Höllenhund, unten S. 39).

Ihre Zähne sind kalāra, schwarz (II. 4 1), ihre Nägel lang und scharf: sunisitā ativiyavipulāyatā (192 14).

Sie sind in ihrem Benehmen unstet, voll Furcht, von Gewissensbissen gepeinigt: uttasantā mahātāsā (III. 2 3). Voll von Reue über ihre begangenen Sünden weinen sie, auch wohl aus Furcht vor den ihnen bevorstehenden Höllenstrafen (wie I. 10, 15, wozu zu vergleichen sind die Stellen: dūrato ca me assukāni galanti "Tränen laufen mir herab" IV. 53; kin nu saddayase tuvan IV. 8; ghosenti pubbe dukkatam attano IV. 6 3, und Stellen unter kand im Index). Ihr schreckliches Klagen und Heulen wird besonders zur Nachtzeit gehört: bheravena saddena rattiyam pardevimsu (26 7).

Bei der Besprechung des Ortes ihres Auftretens müssen wir unterscheiden zwischen den gewöhnlichen und den außergewöhnlichen Gespenstern. Erstere sind wegen ihres halb menschlichen Charakters an die Nähe der menschlichen Wohnungen gebunden, letztere in ihrem halb göttlichen Zustande ziehen es vor, an einsamen, von Menschen wenig besuchten Orten ihre Zauberkraft auszuüben. Der Grundzug aller Aufenthaltsorte aber ist der des Unheimlichen, dort, wo es dem Menschen "gruselt".-Die gewöhnliche Art ihres Auftretens besteht in einer Lufterscheinung (vgl. Av. C 45: "ils circulaient dans l'air comme un tourbillon de vent (vāyumandalavat), et ne prenaient place nulle part"), welche einer Luftspiegelung, Fata Morgana, zu vergleichen ist. Als solche treten sie an allen Stellen auf:

Die gewöhnlichen Gespenster ziehen die Nähe der menschlichen Wohnungen vor; denn sie haben noch die Erinnerung an ihr früheres Leben und wollen zurück in ihre alten Häuser (I. 5). Daß es sich hier um Vorstellungen aus dem Manenkult handelt, wurde schon erwähnt.

Ihre Verwandtschaft mit den Toten tritt hervor in dem Aufsuchen der Leichenstätten: nīlamañcaparāyanā (II. 2 5), sīvathika (III. 5 2). Auf dem Begräbnisplatze ist auch der zur Strafe von einer ganikā Geborene ausgesetzt worden. Dort umgeben ihn die Totentiere: Hunde, Krähen und Schakale (sunakhā, dhañkā, siñgālā). (Vgl. Av. C 47: dechiree par des corbeaux, des vautours, des chiens, des chacals. Über den Raben als Totenengel s. Scherman, p. 130 Anm.-Ähnlich Av. C 49 asthisakalāparivrtā s'māsānamadhya ivāvasthitā "tout entouree de squelettes, comme si elle etait au milieu d'un cimetiere) Ebenso erscheinen sie an Richtstätten (IV. I), und an Stellen, wo ein Mord geschehen ist (IV. 12).

Die außergewöhnlichen Gespenster bevorzugen einsame und abgelegene Gegenden

Die Zeit ihres Auftretens ist durchweg die Nachtzeit oder die Dämmerung.

Über die Beziehungen der Petaerscheinungen zu den Mondphasen vgl. die Ausführungen zu II. 12 Übs. (S. 107).  


III. Die Petawelt und ihre Beziehung zum Diesseits

Die Petas gehören dem großen Wesensgebiete an, das sich ganz allgemein mit dem Ausdruck paraloka (II. 109 z. B.) "die überirdische Welt" oder "das Jenseits" bezeichnen läßt. Hiermit ist zunächst nur ein gewisser Gegensatz zur sichtbaren Welt ausgesprochen, ohne daß an eine Identifizierung mit Himmel oder Hölle, noch auch an eine bestimmte Lokalisierung zu denken ist. Mit dem Begriffe "Jenseits" verbinden wir zu leicht die Vorstellung einer bestimmt lokalisierten Gegend, was nicht in die Gespensterlehre paßt. Wir haben schon bei der Erörterung der Geistererscheinungen bemerkt, daß die Geister sich überall befinden; besonders da, wo der Mensch selbst wohnt, wo sie zufolge der engen Verwandtschaft zwischen Lebenden und aus dem Leben Gegangenen eine direkte Beziehung zu ersteren haben. Diese Geisterwelt ist "nicht verschlossen", sie ist überall, und der Mensch kann sie sich öffnen, wenn er dazu die Macht hat. Daß im letzten Grunde diese Geisterwelt und ihre Bewohner nur aus dem Gehirn des Menschen herausprojezierte Gebilde sind, kommt bei den Schilderungen der Geisterwelt nicht in Betracht. Dieses Problem ist den Psychologen überlassen: für "Kinder und hoffnungsvolle Toren" haben die Märchen objektive Wirklichkeit. Daher müssen wir uns auch hier an die objektive Seite halten, und die Welt des Jenseits schildern, als ob sie wirklich bestünde.

Wir müssen zunächst die Tatsache betonen, daß der paraloka sich überall findet. Budge hat bei der Erörterung des ägyptischen Begriffs der Hölle und des Jenseits die Schwierigkeit, einen identischen Begriff in der Übersetzung zu geben, hervorgehoben; und was er vom ägyptischen Tuat sagt (The Egyptian Heaven and Hell, III. p. 87. 88), kann ebensogut vom paraloka gelten, wie vom Jenseits im Märchen. Für letzteres (das deutsche Volksmärchen) hat Siuts in seinen "Jenseitsmotiven" gezeigt, daß es sich überall befindet und unmittelbar mit dem Diesseits in Berührung steht. Daß das Land der Toten, die Gefilde der Seligen, als wesensgleich mit unserer Welt gedacht wird, tritt, um nur ein Beispiel zu geben, besonders klar an dem Märchen von der "Frau Hölle" hervor, wo die beiden Welten nur verschiedene Zeitabschnitte sind, die durch den Brunnen der Nacht verbunden sind: im übrigen ist die Unterwelt auch eine Welt mit Sonnenschein, Wiesen und Äpfeln. (Vgl. hierzu auch Bemerkungen zu Übs. II. 12, S. 106). Daß der Mensch Zugang zum Geisterreich hat, wird schon durch die Tatsache angedeutet, daß er im Traume den Körper verlassen und mit den Seelen der Verstorbenen sprechen kann. Ganz natürlich und ungezwungen läßt sich dieser verbreitete, uralte Glaube erklären; und die Wesen, die wir im Traume sehen, sind ja ebenfalls Menschen, insofern als sie mit uns Menschen in Berührung treten: wären sie es nicht, so könnte keine Vermittlung hergestellt werden zwischen ihnen und uns. Götter, die den Menschen erscheinen, müssen menschliche Form annehmen. So werden auch die Petas manussabhūta "menschliches Gespenst" oder amānusa "Übermensch" genannt (s. Belege unter manussa im Index). Daß die Vision auf derselben Grundlage beruht, braucht hier nicht ausgeführt zu werden, Scherman hat dafür hinlänglich Beispiele gegeben.- Das Leben der Gespenster ist gewissermaßen ein Scheinleben (man vergleiche den Ausdruck "Schatten"), ihnen fehlt Fleisch und Blut; ja man könnte auch von einem Scheintode reden. Hierher gehört Siuts' Bemerkung (§ 572 loc. cit.): "Eine jüngere Gruppe von Seelenvorstellungen bilden die Epiphanien in gewöhnlicher Menschengestalt (Leichen). Bei einigen dieser Wesen ist der chronische Charakter noch durch Merkmale, wie schwarze Hautfarbe, oder dadurch, daß der Mensch schläft, angedeutet." Ein Mensch kann "zwischen Leben und Tod" existieren, er kann ein Peta werden und dann wieder aufwachen: der in IV. 1 auf den Spieß gesteckte Mensch lebt viele Tage in diesem Zwischenzustande. In einem solchen Zustande haben wir uns die Gespenster zu denken (vgl. hierzu auch Scherman, p. 92 über Scheintod, resp. Mißverständnissen von seiten des Todesgottes). So ist denn auch ferner ihr Zustand ein zeitlich begrenzter: sie müssen sterben, wenn ihre Zeit erfüllt ist, kālakiriyā bhavissati (I. 10 12).

Die Petas als menschliche Gespenster zeigen auch in ihrer geistigen Beschaffenheit menschliche Eigenschaften: sie können sich ihrer früheren Geburt und demgemäß ihrer früheren Sünde erinnern. Ganz besonders der letzteren, die ja von allen im P. V. auftretenden Petas zum Gegenstand der Betrachtung gemacht wird. Sie haben die Gabe der Sprache; sie weinen und klagen wie Menschen. Die menschlich grausigsten Qualen des Hungers und Durstes sind auch die schrecklichsten Leiden der Petas.-Die gewöhnlichen Gespenster sind nur sehr klägliche Wesen, die eine elende Existenz führen, welche auf Schritt und Tritt von menschlicher Hilfe abhängt, bis eine Erlösung eintritt. Bei den außergewöhnlichen Gespenstern treten wir mehr in eine Märchenwelt im Sinne einer Zauberwelt. Diese Geister, die den Lohn ihrer guten Taten genießen, werden uns weiter unten beschäftigen; worauf wir an dieser Stelle hinweisen möchten, ist ihr Liebesverlangen, welches sie an die Menschenwelt kettet, und so die menschliche Beziehung herstellt. Es liegt hier ein Rest der alten Vorstellung zugrunde, daß die Toten von Menschenblut leben müssen, und als Vampire sich die ihnen zukommenden menschlichen Opfer holen. Hierüber ist besonders Weickers vortreffliches Buch "Der Seelenvogel" einzusehen. Folgende Stelle sei hieraus zitiert (p. 3): "Der Vampirismus findet seine weitere Begründung (neben der Anschauung, daß die Seele sich ihre Nahrung holen muß) in der Anschauung, daß die abgeschiedene, nun aller Freuden des Lebens beraubte Seele das naturgemäße Bestreben hat, sich wegen der ihr widerfahrenen Benachteiligung an denen zu rächen, die glücklicher als sie, sich noch des schönen Lebens freuen können. Sie sucht sie daher in dasselbe traurige Schattendasein zu entreißen; jede Seele hat das Bestreben, andere nach sich zu ziehen". Die 500 Petīs in II. 12 sehnen sich nach männlicher Gesellschaft und locken durch eine List den König von Benares auf ihr Schloß; der Vimānapeta in II. 11 entführt seine frühere Frau usw. (siehe Liste der Entführungsvatthus und R. E. zu I. 1). Allerdings müssen wir hier die Einschränkung machen, daß es sich hier nicht um Rache (Weicker) handelt, sondern im buddhistischen Sinne um eine Fortwirkung des Kammas, des sündigen Verlangens.-Die Verwandtschaft mit dem Menschlichen zeigt sich ferner darin, daß auch im Jenseits die Familiengemeinschaft fortbesteht (I. 11; III. 4).

Über die zeitliche Begrenzung des Peta-daseins finden wir keine bestimmten Angaben. Man kann ja überhaupt bei Eschatologien mit keinen definitiven Zahlenbegriffen rechnen; je nach dem bevorzugten Zahlensystem wird die Dauer wechseln. So rechnet der Buddhismus gern mit den großen Zahlen (koti, nahuta usw.) welche unseren "Tausend" nahe kommen, und den gleichwertigen Zusammensetzungen mit der Zahl 5 (ungefähr von derselben Geltung wie 3 im deutschen Märchen), also 50, 55, 5000, 5500 usw. (siehe hierzu Anm. zu Übs. II. 12). So sind es z. B. 55 Jahre in II. 10; 500 in II. 1. Daneben spielt die Zahl 7 eine gewisse Rolle, wie z. B. in II. 11 und II. 12 18 die Dauer auf 700 Jahre angegeben wird.

Der Unterschied zwischen skt. preta und pitarah ist im Buddhismus durchaus verwischt, und peta wird unterschiedslos gebraucht für Manen und Gespenster. Es haben daher auch die Manenopfer im buddhistischen Sinne dieselbe Funktion wie "Opfer" zur Erlösung der Gespenster; und die Ausdrücke "Welt der Petas" und "Welt der Väter" (petayoni, petavisaya; petti° und pittivisaya) werden ohne Bedeutungsverschiedenheit gebraucht. Über diese Ausdrücke ist festzustellen, daß pettivisaya skt. paitryavisaya und pittivisaya skt. pitrya° repräsentieren würde. Es findet sich aber 268 14 für petti° die Variante peta° 101 5 (zu II. 7 9) für petti° die Lesung pitti° und ebenso 214 15, wo petti° die Erklärung von niraya bildet. Auch I. 5 7 ist heranzuziehen, eine Stelle, an der petā kālakatā sich direkt auf die Manen bezieht, die auf das Opfer warten; man seht hieraus, wie der Manenkult durchaus in den Gespensterglauben übergegangen ist. So ist gleichfalls Yama, der Herr der Väter, auch der Herr der Gespenster, und der Ausdruck Yamaloka wird durchaus synonym mit Petaloka gebraucht.

Wenn die Zeit ihres Daseins infolge des Auswirkens, des Ablaufens ihres Kamma zu Ende kommt, so verfallen die Petas dem Tode, resp. einer Daseinsveränderung, cavanam, im Kreislaufe des Samsāra. Sie werden teilweise in die Hölle befördert, oder unter die Menschen versetzt, oder auch unter die Götter. Dadurch hören sie auf, Manen zu sein.


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