Anguttara Nikaya
4. Kapitel: upāli-vagga
Der ehrwürdige Upāli sprach zum Erhabenen: »Aus wie vielen Gründen, o Herr, hat
wohl der Erhabene seinen Jüngern die Übungsregeln (der Ordenszucht) vorgeschrieben und
die Ordenssatzung vorgetragen?«
-»Aus zehn Gründen, Upāli, nämlich:
- um des Wohlergehens und Wohlbefindens der
Gemeinde willen;
- zur Erziehung sittenloser Mönche und zur Förderung eines friedlichen
Lebens der guten Mönche;
- zur Abwehr gegenwärtiger übler Einflüsse und zur Verhütung
künftiger;
- zur Weckung des Vertrauens in Vertrauenslosen und zur Stärkung des Vertrauens
in Vertrauensvollen;
- zur Stärkung und Fortdauer der Guten Lehre und zum Schutze der
Ordenszucht.«
(Vgl. A.II.201)
A.X. 31 II Hinderungsgründe für den Vortrag der Ordenssatzung
(Die Suttenzählung der Konzilsausgabe (ChS), die diesen Text als Nr. 32 zählt, weicht
von derjenigen der PTS-Ausgabe und der ersten Auflage dieses Werkes ab.)
»Wieviele Hinderungsgründe für den Vortrag der Ordenssatzung (am Vollmonds- und Neumondstage) gibt es, o Ehrwürdiger?«
-»Zehn Hinderungsgründe, Upāli, nämlich:
- Wenn ein Auszustoßender (*1) sich in der
Versammlung befindet;
- wenn die Untersuchung wegen eines Auszustoßenden noch schwebt;
- wenn
ein Nichtgeweihter (*2) in der Versammlung zugegen ist;
- wenn die Untersuchung wegen eines
Nichtgeweihten noch schwebt;
- wenn ein dem Mönchsleben abtrünnig Gewordener (d.h. einer,
der bereits aus dem Bhikkhu-Orden ausgeschieden ist) in der Versammlung anwesend ist;
- wenn
die Untersuchung wegen eines dem Mönchsleben abtrünnig Gewordenen noch schwebt;
- wenn ein
Kastrierter (*3) sich in der Versammlung befindet;
- wenn die Untersuchung wegen eines
Kastrierten noch schwebt;
- wenn ein Nonnenschänder sich in der Versammlung befindet;
- wenn
die Untersuchung wegen eines Nonnenschänders noch schwebt.
Das, Upāli, sind die zehn
Hinderungsgründe für den Vortrag der Ordenssatzung.«
(*1) pārājiko, ein Mönch, der eine der vier mit Ausstoßung verbundenen
Vergehen (pārājikā) begangen hat; diese sind: Menschenmord, Diebstahl,
Begattungsakt, Vorgeben von höheren Fähigkeiten.
(*2) Einer, der nicht die Bhikkhu-Weihe (upasampadā) erhalten hat; also ein
Novize (sāmanera) oder irgendein anderer, dem Orden (sangha) nicht
Angehörender.
(*3) Kastrierte (Eunuchen) dürfen, offenbar wegen ihres Mangels an geistiger
Entwicklung und Charakterfestigkeit, nicht in den Orden aufgenommen werden. Wurden sie
aber dennoch aufgenommen, so müssen sie, sobald man sie als solche erkannt hat, wieder
entlassen werden.
»Wieviele Eigenschaften, o Herr, muß ein Mönch besitzen, um zum Ausweiser
(ausgestoßener Mönche) ernannt zu werden?«
-»Zehn Eigenschaften, Upāli. Welche zehn?
- »Da ist der Mönch sittenrein; er befolgt die Ordenssatzung, ist vollkommen in Wandel
und Umgang, und, vor den kleinsten Vergehen zurückschreckend, schult er sich in den
Übungsregeln, die er auf sich genommen.
- Er ist wissensreich, ein Bewahrer des Wissens, hat sich große Kenntnisse angesammelt,
und jene Lehren, die am Anfang vorzüglich sind, in der Mitte vorzüglich und am Ende
vorzüglich, die in vollendetem Sinn und Ausdruck ein gänzlich vollkommenes, geläutertes
Reinheitsleben verkünden, diese Lehren hat er sich häufig angehört, sich eingeprägt,
im Wortlaut gelernt, im Geiste erwogen und sie weise verstanden.
- Mit beiden Ordenssatzungen hat er sich in allen Einzelheiten gut vertraut gemacht,
kennt sie gut in ihren Gliederungen, beherrscht sie vollständig und hat sie gut studiert
nach Regeltext und zusätzlichen Erläuterungen. (Siehe Anm. zu
A.VII.78)
- In der Ordenszucht ist er fest und unerschütterlich.
- Er ist fähig, beide Parteien [in einem Streitfall] zur Fühlungnahme, zur
Verständigung, zur Freundlichkeit, Rücksichtnahme und Versöhnlichkeit zu veranlassen.
- Er versteht es, einen Streit in seinem Entstehen zu schlichten.
- Er kennt die Streitfälle, kennt die Entstehung von Streitfällen, kennt die Aufhebung
von Streitfällen, kennt den zur Aufhebung von Streitfällen führenden Weg.
Diese zehn
Eigenschaften, Upāli, muß ein Mönch besitzen, um als Ausweiser (ausgestoßener Mönche)
ernannt zu werden.«
(*1) ChS: ubho attapaccatthike saññāpetum paññāpetum nijjhāpetum pekkhetum
pasādetum.
»Wieviele Eigenschaften, o Herr, muß ein Mönch besitzen, um die volle Mönchsweihe
erteilen zu können - (34) um den 'Beistand' (siehe
A.V.251 m. Anm.) (anderer Mönche)
übernehmen zu können, um einen Novizen aufnehmen zu können?«
-»Zehn Eigenschaften, Upāli, muß er besitzen, nämlich:
- »Da ist der Mönch sittenrein..., wissensreich..., hat sich mit beiden Ordenssatzungen
gut vertraut gemacht...
- Er ist fähig, einen Kranken zu pflegen oder ihn pflegen zu lassen.
- Er ist fähig, die Unzufriedenheit [mit dem Mönchsleben bei seinen Ordensbrüdern] zu
vertreiben oder vertreiben zu lassen.
- Er ist fähig, die [in seinen Ordensbrüdern] aufgestiegene Gewissensunruhe der Lehre
gemäß zu verscheuchen.
- Er ist fähig, eine aufgestiegene falsche Ansicht der Lehre gemäß abzutun.
- Er ist fähig, zu hoher Sittlichkeit anzuspornen, zu hoher Geistigkeit, zu hoher
Weisheit.
Diese zehn Eigenschaften, Upāli, muß der Mönch besitzen, um die volle Mönchsweihe
erteilen, den 'Beistand' übernehmen und einen Novizen aufzunehmen.«
»Von Ordensspaltung redet man, o Herr. Inwiefern aber, o Herr, gilt der Orden als
gespalten?«
-»Da geben, o Upāli,
- die Mönche eine falsche Lehre für die rechte aus und die
rechte Lehre für eine falsche;
- sie geben eine falsche Ordenszucht für die rechte aus und
die rechte Ordenszucht für eine falsche;
- sie geben das vom Vollendeten nicht Gesprochene
und nicht Gelehrte für von ihm gesprochen und gelehrt aus, und das von Gesprochene und
Gelehrte für von ihm nicht gesprochen und gelehrt;
- sie geben vom Vollendeten nicht Getane
und nicht Angeordnete für von ihm getan und angeordnet aus und das von ihm Getane und
Angeordnete für von ihm nicht getan und nicht angeordnet.
Durch diese zehn Dinge aber lenken sie ab, leiten irre, verrichten getrennt die
Ordenshandlungen, tragen getrennt die Ordenssatzung vor. Insofern, Upāli, gilt der Orden
als gespalten.«
»Von Ordenseinigkeit redet man, o Herr. Inwiefern aber, o Herr, gilt der Orden als
einig?«
-»Da, Upāli,
- erklären die Mönche eine falsche Lehre für falsch und die rechte
Lehre für recht;
- falsche Ordenszucht für falsch und rechte Ordenszucht für recht;
-
erklären das vom Vollendeten nicht Gesprochene und nicht Gelehrte als von ihm nicht
gesprochen und nicht gelehrt und das von ihm Gesprochene und Gelehrte für von ihm
gesprochen und gelehrt;
- das von ihm nicht Getane und Angeordnete als nicht getan und
angeordnet und das von ihm Getane und Angeordnete als von ihm getan und angeordnet.
Durch diese zehn Dinge aber lenken sie nicht ab, leiten nicht irre, verrichten nicht
getrennt die Ordenshandlungen, tragen nicht getrennt die Ordenssatzung vor. Insofern,
Upāli, gilt der Orden als einig.«
»Von Ordensspaltung spricht man, o Herr. Inwiefern aber, o Herr, gilt der Orden als
gespalten?«
»Da geben, o Ananda,
- die Mönche eine falsche Lehre für die rechte aus und die
rechte Lehre für eine falsche;
- sie geben eine falsche Ordenszucht für die rechte aus und
die rechte Ordenszucht für eine falsche;
- sie geben das vom Vollendeten nicht Gesprochene
und nicht Gelehrte für von ihm gesprochen und gelehrt aus, und das von Gesprochene und
Gelehrte für von ihm nicht gesprochen und gelehrt;
- sie geben vom Vollendeten nicht Getane
und nicht Angeordnete für von ihm getan und angeordnet aus und das von ihm Getane und
Angeordnete für von ihm nicht getan und nicht angeordnet.
-»Was aber, o Herr, erwirkt sich einer, der den einigen Orden spaltet?«
-»Eine für ein Weltzeitalter andauernde Strafe, Ananda.«
-»Worin aber, o Herr, besteht die für ein Weltzeitalter andauernde Strafe?«
-»Darin, daß er ein Weltzeitalter in der Hölle leidet.«
- »Ein Ordensspalter für Äonen lang
- gehört der Hölle an, der Abgrundwelt.
- An Zwist erfreut, ergeben falscher Lehre,
- irrt er vom Friedensziele immer weiter ab.
- Wenn er den einigen Orden spaltet,
- trifft ihn äonenlang die Höllenpein.«
»Von Ordenseinigkeit redet man, o Herr. Inwiefern aber, o Herr, gilt der Orden als
einig?«
-»Da erklären, o Ananda,
- die Mönche eine falsche Lehre für falsch und die rechte
Lehre für recht;
- falsche Ordenszucht für falsch und rechte Ordenszucht für recht;
-
erklären das vom Vollendeten nicht Gesprochene und nicht Gelehrte als von ihm nicht
gesprochen und nicht gelehrt und das von ihm Gesprochene und Gelehrte für von ihm
gesprochen und gelehrt;
- das von ihm nicht Getane und Angeordnete als nicht getan und
angeordnet und das von ihm Getane und Angeordnete als von ihm getan und angeordnet.
-»Was aber erwirkt sich einer, der den entzweiten Orden wieder einigt?«
-»Er erwirkt sich göttlichen Lohn.«
-»Worin aber, o Herr, besteht der göttliche Lohn?«
-»Darin, daß er ein Weltzeitalter im Himmel frohlockt.«
- »Ein Segen ist Eintracht im Orden der Jünger,
- ein Glück, die Geeinten in Eintracht zu stützen.
- Voll Freude an Eintracht, im Guten verharrend,
- irrt nimmermehr ab man vom Friedensziel.
- Wer da im Orden Einigkeit bewirkt,
- erfährt äonenlang das Himmelsglück.«
(Die Gliederung und Zählung der Texte in ChS weicht hier ab.)