SUTTA-NIPĀTA, Lehr-Dichtungen

V.13. Udaya

 

1105 UDAYA

Den Sinnenden, der makellos hier sitzt,
Als einer, dessen Werk vollendet, trieb-befreit,
Den Meisterkenner aller Dinge kam ich zu befragen:
O künde mir die Weisheits-Freiung, des Nichtwissens Zertrümmerung an!

 


Weisheits-Freiung (aññā-vimokkha); zu aññā s. Anm. zur Sutte 'Betrachtung der Zweiheit' (Prosa-Teil).


 

1106 DER ERHABENE

Lustwillen und Trübsal, diese beiden lassen,
Trägheit verwinden und der inneren Unrast wehren,

 


Hier wird die Überwindung der ersten vier 'geistigen Hemmungen' (nīvarana) behandelt; sie sind z.T. gekürzt wiedergegeben und in einem Falle verändert: 'Trübsal' (domanassa) statt 'Haß' (byāpāda). Die Überwindung der fünften 'Hemmung', d.i. Zweifel, ist angedeutet durch die Erwähnung des 'lehrgemäßen Denkens' in v. 1107.


 

1107

Durch Gleichmuts-Achtsamkeit geläutert sein,
Mit lehrgemäßem Denken als Beginn,
Das ist es, was als Weisheits-Freiung,
Als Nichtwissens Zertrümmerung ich künde.

 


Durch Gleichmuts-Achtsamkeit geläutert sein (upekkhā-satisamsuddham); dies ist ein Hinweis auf den fast gleichlautenden Ausdruck in der Formel für die vierte Vertiefung: upekkha-satiparisuddham.

Mit lehrgemäßem Denken als Beginn (dhammatakka-purejavam) wtl.: als Vorläufer). Dhamma-takka wird in CNidd erklärt als das Pfad-Glied 'Rechte Gesinnung' (sammāsankappa) oder 'Rechte Erkenntnis' (sammā-ditthi). Wenn nämlich 'Rechte Gesinnung' Bestandteil des übenweltlichen Pfades ist (d.h. vom 'Strom-Eintritt angefangen), dann wird sie nicht mit den drei Arten rechter Gesinnung (Entsagung usw.) erklärt, wie beim weltlichen Pfad, sondern als "das Denken (takko), der Gedanke (vitakko) eines heiligen, triebbefreiten, dem heiligen Pfade zugehörigen Bewußtseins" (Majjh.-Nik. 117). In der gleichen Sutte wird mehrfach dargestellt, inwiefern Rechte Erkenntnis 'vorangeht' (pubbangamo hoti; ein Synonym von purejava, s. o.)


 

1108 UDAYA

Wodurch gefesselt ist die Welt? Ihr Treibwerk, sage, was es ist!
Wenn was man läßt, kann vom Nibbāna dann man sprechen?

 


Treibwerk (vicārana); K: vicarana-kārana, 'der Beweg-Grund', im wörtlichsten Sinn dieses Ausdrucks. Diese Erklärung des K will sagen, daß der Begriff vicārana kausativ aufzufassen ist, d.h. nicht als der 'Um-lauf' (vi-carana), sondern als das, was ihn verursacht, was den 'Lauf der Welt' im Gang hält. Der Kom. zur Parallelstelle im 1. Samyutta, Nr. 64, erklärt es geradezu als 'die Füße' der Welt. CNidd: "Wodurch bewegt sich die Welt? (Kena loko carati)."


 

1109 DER ERHABENE

Durch Daseinslust gefesselt ist die Welt. Ihr Treibwerk das ist der Gedanke.
Wenn man Begehren läßt, kann vom Nibbāna man dann sprechen.

 


Der Gedanke (vitakko) als Treibwerk; ähnlich in anderen, der vorerwähnten Samyutta-Parallele unmittelbar vorhergehenden Stellen: "(Des Menschen) Geist (citta) läuft nach allen Seiten (vidhāvati)" (Samy. 1, 57); "durch den Geist wird die Welt hin und her gezerrt (parikissati)" (Samy. 1, 62).


 

1110 UDAYA

Wie wird zunichte das Bewußtsein für einen, welcher achtsam lebt?
Zu fragen dies, sind wir gekommen und lauschen deinem Wort, Erhabener!

 


Das Bewußtsein, d.i. das Karma-erzeugende (abhisankhāra) Bewußtsein.


 

1111 DER ERHABENE

Der nicht am eigenen Gefühle sich ergötzt und nicht am fremden,
Wer achtsam so sein Leben führt, Bewußtsein wird zunichte ihm.

 


Der nicht am eigenen Gefühle sich ergötzt und nicht am fremden (ajjhattañca bahiddhā ca vedanam n'ābhinandato). Die 'eigenen Gefühle' sind zu verstehen als solche, die sich auf die eigenen körperlichen und geistigen Vorgänge beziehen; die 'fremden' oder das 'Außen' betreffenden sind Gefühle, die sich auf andere Menschen oder äußere Dinge beziehen, sowie auch solche, die man bei anderen Menschen beobachtet. CNidd nimmt diese Zweiteilung, sowie den Begriff 'achtsam' (sato) in der folgenden Zeile (im CNidd ergänzt durch sampajāno, wissensklar), als einen Hinweis auf die Satipatthāna-Methode und erklärt wie folgt: "Der bei den eigenen, fremden, eigenen und fremden Gefühlen in deren Betrachtung Weilende ergötzt sich nicht am Gefühl, heißt es nicht willkommen, hat keine Anhänglichkeit daran . . . Wer bei den eigenen, fremden, eigenen und fremden Gefühlen in der Betrachtung ihres Entstehens, ihres Vergehens, ihres Entstehens und Vergehens weilt, der ergötzt sich nicht am Gefühl . . . Oder auch: wer das Gefühl als vergänglich erkennt, als leidvoll Siechtum, Beule, Dorn, Übel, Bedrängnis, als etwas Fremdes Hinfälliges, als Unheil, Unglück, Schrecken, Plage, als wandelbar zerbrechlich, unbeständig, als keinen Schutz, kein Obdach und keine Zuflucht bietend, - der ergötzt sich nicht am Gefühl. Wer nach diesen 42 Methoden bei den Gefühlen in Betrachtung der Gefühle weilt, der ergötzt sich nicht am Gefühl . . . gibt das Haften, Greifen, Klammern und Festhalten daran auf, macht ein Ende damit, bringt es zum Nichtsein."


V.14. Posāla

 

1112 POSALA

Ihn, der Vergangenes verkündet, entsüchtet ist, den Zweifel tilgte,
Den Meisterkenner aller Dinge kam ich zu befragen:

 

1113

Dem Körperwelts-Bewußtsein ist geschwunden,
Der alles Körperliche aufgegeben,
Der 'Nichtsheit' sieht im Innen und im Außen,
Nach seiner Wissens(-Stufe) frage ich, o Sakka,
Wie weiter wohl zu führen ist ein solcher.

 


Dem Körperwelt-Bewußtsein ist geschwunden (vibhūtarūpa-saññissa). Siehe v. 872 m. Anm., 874 m. Anm. - CNidd: "Was ist (hier) Körperwelt-Bewußtsein (oder -Wahrnehmung; rūpasaññā)? Es ist das Bewußtsein eines, der in die Feinkörperliche Sphäre (rūpavacara) (vermittels der vier ersten Vertiefungen meditativ) eingetreten ist (und zwar noch als Weltling, mit karmisch-heilsamem Bewußtsein); oder der in dieser Sphäre wiedergeboren wurde (karma-gewirktes Bewußtsein); oder hierin als einem Zustand gegenwärtigen Glückes (noch bei Lebzeiten, als Heiliger) verweilt (funktionelles Bewußtsein, kriya). Dieses (fein-)körperliche Bewußtsein ist geschwunden (vibhūta) . . . überschritten (samatikkanta) und überwunden im Falle eines, der die vier Unkörperlichen Erreichungs-Zustände erlangt hat."

Der alles Körperliche aufgegeben (sabba-kāya-pahāyino). K: = rūpakāya (die körperliche Gruppe). "Wer die Wiedergeburt im feinkörperlichen Dasein aufgegeben hat und zwar mittels Überwindung durch den Gegensatz (tadanga-pahāna) oder durch Zurückdrängung (vikkhambhana-pahāna; s v. 54 Anm., 768 Anm.)."

Nichtsheit (natthi kiñcī'ti); wtl.: "Nichts ist da", das Kennwort dieser Vertiefungs-Stufe.


 

 

1114 DER ERHABENE

Erkennend restlos alle Stützen des Bewußtseins,
Kennt der Vollendete auch den, der sich auf diese stützt,
Der (,Nichtsheit') als die Freiung hat,
Der dieser sich hat zugewandt.

 


Stützen des Bewußtseins (viññāna-tthitiyo). Lt. CNidd gibt es für das karma-erzeugende (abhisankhāra) Bewußtsein vier Stützen, nämlich die übrigen vier Khandhas; hinsichtlich der Wiedergeburt (patisandhi) gibt es (für das karma-gewirkte Bewußtsein) sieben Stützen oder Wiedergeburts-Stätten (s. A.VII.41).

Der (,Nichtsheit') als die Freiung hat. Im Text steht lediglich vimuttam (den Befreiten), nämlich in der 'Freiung' der Nichtirgendetwasheit; so lt. CNidd. Als alternative Bedeutungs-Nuance für vimutta gibt CNidd adhimutta (der ihr ergeben ist); s. Anm. 1071d.


 

 

1115

Wodurch 'Nichtirgendetwasheit' entsteht, auch dieses kennt er;
Lust, so weiß er, ist auch hier die Fessel.
Dies so durchschauend, kommt ihm hieraus Klarblick.
Gewisse Wahrheit wird ihm dieses Wissen,
Dem Heiligen, der vollendet hat.

 


Wodurch Nichtirgendetwasheit entsteht (ākiñcaññasambhavam). CNidd: "nämlich durch den zu diesem Gebiete führenden karmisch gestaltenden Willen."

Lust ist (auch hier) die Fessel (nandī samyojanam iti); und zwar als die 'Fessel des Verlangens nach unkörperlichem Dasein' (arūparāga-samyojana).


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