SUTTA-NIPĀTA, Lehr-Dichtungen

V.5. Dhotaka

 

1061 DHOTAKA

Ich frage dich, o künd' es mir, Erhabener!
Dein Wort, o Großer, ich ersehne es!
Hat deine Botschaft man vernommen,
Kann man sich schulen wohl zum eigenen Nibbāna hin?

 


Zeile d = v. 940d. - Zum eigenen Nibbāna hin; CNidd: "Zur Erlöschung (nibbānāya) der eigenen Gier, des eigenen Hasses, der eigenen Verblendung."


 

1062 DER ERHABENE

Wohlan denn: Setze Eifer ein!
Hier eben kann, wer achtsam, weise,
Hat meine Botschaft er vernommen,
Zum eigenen Nibbāna hin sich schulen!

 

1063 DHOTAKA

Ich sehe in der Götter-, Menschen-Welt
Entledigt einen wahren Priester wandeln!
Ja, dich, All-Sehender, will ich verehren!
Befreie mich, o Sakka, von den Zweifeln!

 

1064 DER ERHABENE

Nicht vermag ich zur Befreiung führen
Einen, der noch zweifelt in der Welt, o Dhotaka.
Doch hast die edelste der Lehren du verstanden,
So magst du kreuzen dieses Flutbereich!

 


Die edelste der Lehren, d.i., lt. CNidd, Nibbāna.


 

1065 DHOTAKA

Aus Mitleid, Heiliger, gib mir die Unterweisung
In deiner Lehre von der Abgeschiedenheit,
Damit ich völlig es begreifen mag,
Wie, unverstört gleichwie der Himmelsraum,
Ich hier schon friedvoll, unabhängig lebe!

 


Die Lehre von der Abgeschiedenheit (viveka-dhammam). d.i., lt. CNidd, Nibbāna.


 

1066 DER ERHABENE

Den Frieden will ich dir verkünden,
Der hier schon sichtbar, frei von Überlieferungsglauben;
In dem, ward er erkannt, besonnen lebend,
Man überwinden mag das Haften an der Welt.

 

1067 DHOTAKA

So freu' ich mich, o Großer, dieses höchsten Friedens,
In dem, ward er erkannt, besonnen lebend,
Man überwinden mag das Haften an der Welt.

 

1068 DER ERHABENE

Was immer du auch wahrnimmst,
Sei es oben, unten, quer inmitten,
Erkennst du es als Bindung an die Welt,
Nach immer neuem Dasein wirst du nicht begehren!

 


Mit v. 1066-1068 vgl. v. 1053-1055.


V.6. Upasīva

 

1069 UPASIVA

Allein, o Sakka, die gewaltige Flut,
Nicht kann ich sie durchkreuzen ungestützt!
Verkünde einen Halt, o Alles-Seher,
Auf den gestützt, man diese Flut mag kreuzen!

 

1070 DER ERHABENE

,Nichtirgendetwasheit' mit Achtsamkeit betrachtend,
Auf 'Nichts ist da' gestützt, magst kreuzen du die Flut.
Die Sinnenlüste lassend und Gesprächen abhold,
Nach des Begehrens Ende trachte Tag und Nacht!

 


Laut CNidd war Upasīva der siebenten Vertiefung, des 'Gebietes der Nichtirgendetwasheit' (ākiñcaññāyatana) mächtig, die in Zeile b charakterisiert wird durch "Nichts ist da" (natthi; zu ergänzen 'kiñci', wie in v. 1113c). Doch er habe nicht die Achtsamkeit (sati) als die notwendige Stütze verstanden. Der Buddha zeigt ihm nun diese Stütze und den weiteren Weg zur Befreiung: nachdem man besonnen (sato) in diese Vertiefung eingetreten, besonnen sich aus ihr erhoben hat, betrachtet man (pekkha-māno; Zeile a) die dabei aufgetretenen geistigen Vorgänge als vergänglich, leidvoll und unpersönlich; d.h. man knüpft an jenen Gipfelpunkt meditativer Abstraktion den nüchternen "Klarblick" (vipassanā), der allein zur Befreiung führen kann.

Gesprächen abhold (virato kathāhi), d.i. den 32 weltlich-nutzlosen Gesprächen. CNidd gibt noch die alternative Erklärung: virato kathamkathāhi (von Zweifeln frei).


 

1071 UPASIVA

Bei allen Sinnenlüsten wer da gierbefreit,
Auf die 'Nichtirgendetwasheit' sich stützt
Und andere (Stufen) hinter sich gelassen,
Des Wahrnehmungs-Bereiches höchster Freiung so ergeben, -
Mag dort er harren und nicht weiterwandern?

 


Zeile c. - und andere ... hinter sich gelassen; lt. CNidd bezieht sich dies auf die sechs niedrigeren Stufen der Vertiefung.

Zeile d. - Ergeben so des Wahrnehmungs-Bereiches höchster Freiung (saññā-vimokhe parame 'dhimutto). - CNidd: "Die sieben mit Wahrnehmung, (oder Bewußtsein) verbundenen meditativen Erreichungszustände (saññā-samāpattiyo; vgl. die Einteilung des Netti-Pakarana in Anm. 874) werden als 'Wahrnehmungs-Befreiungen' (saññā-vimokhā) bczeichnet. Von ihnen ist das 'Gebiet der Nichtirgendetwasheit' das höchste." In der nächsten 'Freiung' dem 'Gebiet der Weder-Wahrnehmung-noch-Nicht-Wahrnehmung' ist nämlich die Wahrnehmung so überaus subtil, daß sie nicht mehr eigentlich als solche gelten kann, was auch in der Bezeichnung dieser Vertiefung zum Ausdruck kommt.

Zeile e. - Nicht weiterwandern (anānuyāyī; zu Ö , gehen); CNidd: nicht fortgehend, nicht schwindend; oder: nicht befleckt von Gier, Haß und Verblendung(?).


 

1072 DER ERHABENE

Bei allen Sinnenlüsten wer da gierbefreit,
Auf die 'Nichtirgendetwasheit' sich stützt
Und andere (Stufen) hinter sich gelassen,
Des Wahrnehmungs-Bereiches höchster Freiung so ergeben, -
Er mag dort harren und nicht weiterwandern.

 


Zeile e. - Er mag dort harren. Hier, bei der Antwort des Buddha, erklärt CNidd: "er mag dort sechzigtausend Kalpas verharren." Daß auch Upasīva dies als ein begrenztes, wenn auch langes 'Verharren' verstanden hat, ist ersichtlich aus v. 1073: "gar viele Jahre".


 

1073 UPASIVA

Wenn dort er harrt, nicht weiterwandert,
Gar viele Jahre, o du Alles-Seher,
Wird leidenschaftsgekühlt er ebendort befreit sein?
Wird das Bewußtsein schwinden einem solchen?

 


Laut K und CNidd soll Zeile c danach fragen, ob der im 'Gebiet der Nichtirgendetwasheit' Weilende dort im Besitz des Nibbāna ewig (sassata) verharren mag. Für die Frage in Zeile d werden zwei verschiedene Erklärungen gegeben: ob dort das Bewußtsein im Sinne der Vernichtung (uccheda) schwindet oder ob sein Bewußtsein von dort schwindet zu einer neuen Wiedergeburt.


 

1074 DER ERHABENE

Gleichwie die Flamme, ausgelöscht durch Windes Macht,
Zu Ende kommt und nicht mehr in Benennung eingeht,
So auch, vom geistigen Daseins-Teil befreit, ein Muni,
Erreicht das Ende, geht nicht ein mehr in Benennung.

 


Zeile b. - Zu Ende kommt (attham paleti = gacchati, 'geht') CNidd: nirujjhati vūpasamati patipassambhati (hört auf, kommt zur Ruhe und Stillung). Siehe Anm. 1076. - Nicht mehr in Benennung eingeht (na upeti sankham). CNidd: "Daß sie (die Flamme) in diese oder jene Richtung gegangen ist, solche Benennung, Aussage, Aufzählung, begriffliche Bezeichnung trifft nicht zu." Siehe Vers 209 m. Anm.

Zeile c. - Vom geistigen Daseins-Teil befreit (nāmakāyā vimutto); d.i. die 'Geist-Gruppe' aus den fünf Khandhas, zum Unterschied von der 'Körperlichkeits-Gruppe' (rūpa-kāya). K: 'Der dort (im Gebiet der Nichtirgendetwasheit) erstandene 'kämpfende Muni' (sekha-muni; s. Anhang A. 1) war schon vorher, der Natur (jenes unkörperlichen Bereiches) gemäß, von der 'Körperlichkeits-Gruppe' befreit. Nachdem er nun dort den vierten (d.i. Heiligkeits-) Pfad erreicht hat, wird er durch die (hiermit erfolgende) völlige Durchdringung der 'Geist-Gruppe' auch von dieser befreit. Als ein beiderseits befreiter (ubhatobhāga-vimutto) Trieb-Erlöster (Zeile d:) 'erreicht er das Ende' (attham paleti), d.i. das haftensfreie Nibbāna (anupādā-nibbāna) und ist der 'Benennung', nämlich als Krieger, Brahmane usw. (Hausner oder Mönch, Mensch oder Gott usw.), entgangen."


 

1075 UPASIVA

Er, der zum Ende ging, besteht er dann nicht mehr?
Ist er vielleicht für ewig dann genesen?
Das mögest, Muni, du mir gut erklären,
Denn wahrhaft hast durchschaut du diese Lehre

 

1076 DER ERHABENE

Kein Maß gibt es für ihn, der hin zum Ende ging.
Nicht gibt's ein Wort, durch das man ihn erfaßt.
Wenn alle Dinge völlig abgetan,
Sind abgetan auch aller Rede Pfade.

 


Für ihn, bin der zum Ende ging (atthangatassa); s. auch Anm. 1074. - Attham ist hier = Skr. asta, Heim, Wohnung. Im Skr. wie auch im Pali wird es, wenn mit Verben des Gehens verbunden, auf das Untergehen der Sonne und anderer Gestirne, sowie auf das Verlöschen des Feuers angewandt, wie in unserem Falle. Dies geht auf die alt-indische, mythologische Vorstellung vom 'Heim' der Sonne, bzw. des Feuers zurück. Daneben findet sich jedoch auch im Skr. ein allgemeinerer Gebrauch der betr. Wortverbindung und zwar im Sinne von: 'zur Ruhe eingehen, aufhören, vergehen, sterben' (Boehtlingk, Skr.Wtb.). Im Pāli ist dieser Wortgebrauch belegt z.B. durch das obige CNidd-Zitat (Anm. zu 1074b), sowie in der Satipatthāna-Sutte: dukkha-domanassānam atthangamāya, (zum Untergang von Schmerz und Trübsal); iti rūpassa atthangamo (so ist das Ende der Körperlichkeit). In unserem Text fragt der Brahmane Upasīva ausdrücklich, in welchem Sinne der vom Buddha benutzte Ausdruck attham paleti zu verstehen sei: im Sinne des einfachen Aufhörens (1075a) oder eines transzendenten 'Heims, in welches der Heilige einkehrt und dort 'für ewig genesen ist' vom Welt-Leid (1075b). Upasīva wiederholt damit im Grunde seine Frage in v. 1073, sieht also noch immer keine andere Möglichkeit als die aus dem Substanzdenken kommenden gegensätzlichen Begriffe 'Ewigkeit' und 'Vernichtung'. Der Buddha betont hierauf nochmals nachdrücklich die Unbegreifbarkeit und Überbegrifflichkeit des Zustandes der end-gültigen Befreiung und, K zufolge, soll Upasīva es nun verstanden und die Heiligkeit erreicht haben.

Wenn Georg Grimm (in "Buddhist. Weltspiegel" I, 135) übersetzt (oder zitiert): "Kein Maß gibt es für ihn, der heimgegangen", so legt er damit dem Buddha die in v. 1074 und 1076 stillschweigend und anderen Orts ausdrücklich ausgeschlossene 'Ewigkeits-Ansicht' in den Mund. Bei einer Auffassung des Wortes atthangata in diesem Sinne, hätte der Buddha auf Upasīvas zweite Alternative (in 1075b) nur einfach bejahend zu antworten brauchen. Andererseits darf natürlich unsere Wiedergabe mit "zum Ende gehen" nicht mit dem anderen Extrem, der 'Vernichtungs-Ansicht', identifiziert werden. Das 'Ende', d.i. das Nibbāna, ist für den Buddha weder das 'absolute Etwas' eines 'ewigen Heims', noch das 'absolute Nichts'. Es ist vielmehr nur in seiner (negativen) Beziehung zu Begreifbarem zu beschreiben: als das Ende des Leidens = Ende der Wiedergeburten = Ende von 'Geist und Körper' (ettha nāmañca rūpañca asesam uparujjhati, "dort wird Geist und Körper restlos zunichte", Dīgha-Nik. 11).

Zeile c. - Alle Dinge d.i., lt. CNidd, alle Daseinsgruppen (khandha).


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