Anguttara Nikaya

6. Kapitel: nīvarana-vagga

A.V. 51 Die fünf Hemmungen

(Im Jeta-Haine bei Sāvatthī.)

Fünf gibt es, ihr Mönche, der Hindernisse, der Hemmungen (nīvarana), der Überwucherungen des Geistes, der Lähmungen der Weisheit. Welche fünf? 

Daß nun, ihr Mönche, ein Mönch, ohne diese fünf Hindernisse, diese Hemmungen und Überwucherungen des Geistes, diese Lähmungen der Weisheit überwunden zu haben, in der Kraftlosigkeit und Lähmung seiner Weisheit das eigene Heil oder das Heil der anderen oder das gemeinsame Heil erkennen und das übermenschliche Ziel des zur Heiligkeit befähigenden Erkenntnisblickes verwirklichen wird, das ist nicht möglich.

Gleichwie, ihr Mönche, wenn da ein Mann an einem weithin eilenden, schnell dahinströmenden, reißenden Gebirgsflusse die Schleusen auf beiden Ufern öffnet, sich dadurch die Strömung in der Mitte teilt, erweitert und zerrissen wird und dann der Strom nicht mehr in weite Fernen eilt, noch schnell dahinströmt, noch reißend ist; ebenso auch, ihr Mönche, ist es nicht möglich, daß ein Mönch, ohne diese fünf Hemmungen überwunden zu haben, das eigene Heil oder das Heil der anderen oder das gemeinsame Heil erkennen und das übermenschliche Ziel des zur Heiligkeit befähigenden Erkenntnisblickes verwirklichen wird. Daß aber, ihr Mönche, ein Mönch nach Überwindung dieser fünf Hindernisse, dieser Hemmungen und Überwucherungen des Geistes, dieser Lähmungen der Weisheit, mit kraftvoller Weisheit das eigene Heil oder das Heil der anderen oder das gemeinsame Heil erkennen und das übermenschliche Ziel des zur Heiligkeit befähigenden Erkenntnisblickes verwirklichen wird, das ist wohl möglich.

Gleichwie da, ihr Mönche, wenn da ein Mann an einem weithin eilenden, schnell dahinströmenden, reißenden Gebirgsflusse die Schleusen auf beiden Ufern schließt, sich dann die Strömung in der Mitte nicht teilt, sich nicht erweitert und zerrissen wird, der Strom vielmehr auch weiterhin reißend bleibt, in weite Fernen enteilt und schnell dahinströmt; ebenso auch, ihr Mönche, ist es wohl möglich, daß ein Mönch nach Überwindung dieser fünf Hindernisse, dieser Hemmungen und Überwucherungen des Geistes, dieser Lähmungen der Weisheit, mit kraftvoller Weisheit das eigene Heil oder das Heil der anderen oder das gemeinsame Heil erkennen und das übermenschliche Ziel des zur Heiligkeit befähigenden Erkenntnisblickes verwirklichen wird.


A.V. 52 Ein Haufen Übel

Wenn man, ihr Mönche, von einem Haufen Übel spricht, dann mag man mit Recht die fünf Hemmungen als einen solchen bezeichnen; denn die fünf Hemmungen, ihr Mönche, sind wahrlich ein ganzer Haufen Übel.


A.V. 53 Die fünf Kampfesglieder

Fünf Kampfesglieder gibt es, ihr Mönche. Welche fünf?

Das, ihr Mönche, sind die fünf Kampfesglieder.


(*) gahanī (Skr: grahanī). Nach altindischem Glauben ist dies ein körperliches Organ, da zwischen Magen und Darm liegen und die Verdauung fördern soll. K: das karma-gezeugte Hitze-Element (das die Verdauung bewirkt).


A.V. 54 Günstige und ungünstige Zeit

Fünf ungünstige Zeiten gibt es, ihr Mönche, für geistiges Kämpfen. Welche fünf?

Fünf günstige Zeiten gibt es, ihr Mönche, für geistiges Kämpfen. Welche fünf?

Diese fünf günstigen Zeiten gibt es, ihr Mönche, für geistiges Kämpfen.


(*1) pariccajā honti; vielleicht im Sinne von 'ausschließen, boykottieren'.

(*2) So auch in It. 18.


A.V. 55 Die Falle des Māra

Einst weilte der Erhabene im Jeta-Haine bei Sāvatthī, im Kloster des Anāthapindika. Zu jener Zeit nun traten ein Mönch und eine Nonne - Mutter und Sohn -beide in Sāvatthī die Regenzeit an. Beide hatten den Wunsch, einander häufig zu sehen; bisweilen war es die Mutter, die den Sohn zu sehen wünschte, bisweilen der Sohn, der die Mutter zu sehen wünschte. Durch ihre häufigen Besuche aber entstand Geselligkeit, und aus der Geselligkeit wurde Vertraulichkeit, und infolge der Vertraulichkeit kamen sie in Versuchung (*1), und als ihr Herz in Versuchung (*2) kam, ergaben sie sich, ohne das Asketenleben aufzugeben, dem Geschlechtsverkehr.

Damals nun begaben sich mehrere Mönche zum Erhabenen. Dort angelangt, begrüßten sie den Erhabenen ehrerbietig und setzten sich zur Seite nieder. Seitwärts sitzend, berichteten jene Mönche dem Erhabenen, was sich zugetragen hatte. Und der Erhabene sprach:

»Wie? So meint wohl, ihr Mönche, jener Tor, daß eine Mutter nicht nach ihrem Sohne gelüsten könnte oder ein Sohn nach seiner Mutter? Keine andere Gestalt kenne ich, ihr Mönche, die so lusterregend, so begierreizend, so berauschend, so bestrickend, so betörend und so hinderlich wäre, die unvergleichliche Sicherheit zu erringen, als wie gerade die Gestalt des Weibes. Wegen der Gestalt des Weibes, ihr Mönche, sind die Wesen in Lust und Begierde entbrannt, gefesselt und betört; und lange klagen sie im Banne der weiblichen Gestalt.

Keine andere Stimme, keinen anderen Duft, keinen anderen Geschmack, keine andere Berührung kenne ich, ihr Mönche, die so lusterregend, so begierreizend, so berauschend, so bestrickend, so betörend und so hinderlich wäre, die unvergleichliche Sicherheit zu erringen, als wie gerade die Stimme, der Duft, der Geschmack und die Berührung des Weibes. Wegen der Stimme, des Duftes, des Geschmacks und der Berührung des Weibes, ihr Mönche, sind die Wesen in Lust und Begierde entbrannt, gefesselt und betört; und lange klagen sie im Banne der weiblichen Berührung. (Vergl. A.I.1)

Ob, ihr Mönche, das Weib geht oder steht, sitzt oder liegt, ob es lacht oder spricht, singt oder weint; selbst durch Krankheit entstellt (*3), ihr Mönche, selbst als Leiche fesselt das Weib des Mannes Herz. Wollte man also, ihr Mönche, etwas mit Recht als die vollständige Falle Māras bezeichnen, so könnte man mit Recht das Weib als vollständige Falle Māras bezeichnen.«

Man plaudere eher mit Dämonen
und Mördern mit gezücktem Schwert,
berühre (*4) eher giftige Schlangen,
selbst wenn ihr Biß den Tod bewirkt,
als daß man jemals plaudere
mit einem Weibe ganz allein!

Den Unachtsamen nämlich fesselt
durch Blick und Lächeln stets das Weib,
sowie durch ihre dünne Kleidung,
als auch durch ihrer Stimme Reiz.

Selbst wenn entstellt sein Körper
und wenn als Leiche man es sieht,
nicht gut ist's, daß man solchem Wesen
sich nahe zugesellen (*5) soll.

Fünf sinnliche Objekte sind es,
die man am Weiberleib gewahrt:
Gestalt und Stimme, Duft, Geschmack,
Berührung, die den Sinn berückt.

Vom Strom der Leidenschaft getrieben,
ohn' Einblick in die Sinnlichkeit,
jagt man der Zeit, Geschick und Werden (*6)
stets nach in dieser Wandelwelt.

Doch wer, die Sinnlichkeit durchschauend,
jedweder Furcht entronnen ist,
der hat den Strom der Welt durchkreuzt,
die Triebversiegung sich erwirkt.

(*1) otāro, 'Einlaß', Gelegenheit zum Schlechten; hier im Sinne von 'Verliebtheit'.

(*2) otinna-citta; in Vin. III, 128 erklärt als: lustvoll, begehrlich, verstrickten Herzens.

(*3) ugghātitā; vgl. Skr: udghātitānga, 'nackt'. K erklärt jedoch mit uddhumāta, 'aufgedunsen'(?).

(*4) āsīde. wtl: sitze nahebei.

(*5) Die richtige Lesart ist hier wohl svāsīdo; s. vor. Anm.

(*6) K: die im Daseinskreislauf zu verbringende Zeit; das Geschick (gati) mannigfacher Daseinsfährten; wiederholtes Werden (bhavābhavam) = Wiedergeburt (punabbhava).


A.V. 56 Bedingungen zum Fortschritt

Einst begab sich ein Mönch zu seinem Berater (*1) und sprach also zu ihm: »Wie benommen (*2), o Herr, ist mir mein Körper, ich habe die Richtung verloren, die Dinge werden mir nicht klar, Starrheit und Mattigkeit halten meinen Geist gefangen und ohne Begeisterung führe ich das Mönchsleben; auch Zweifel habe ich hinsichtlich der Lehren.« Darauf begab sich jener Mönch zusammen mit dem ihm untergebenen Mönche (*3) zum Erhabenen, und nach ehrfurchtsvoller Begrüßung sprach er zum Erhabenen also:

»Dieser Mönch, o Herr, sagt da: 'Wie benommen ist mir mein Körper, ich habe die Richtung verloren, die Dinge werden mir nicht klar, Starrheit und Mattigkeit halten meinen Geist gefangen, und ohne Begeisterung führe ich das Mönchsleben; auch Zweifel habe ich hinsichtlich der Lehren.'« -

»So eben steht es, o Mönch, mit einem, der die Sinnentore nicht bewacht, beim Mahle nicht Maß hält, nicht der Wachsamkeit ergeben ist, den Dingen, die heilsam sind, keine Beachtung schenkt, und nicht zu Beginn und Ende der Nacht die Entfaltung der zur Erleuchtung führenden Dinge (bodhipakkhiya-dhamma) übt. Bei einem solchen wird der Körper wie benommen sein, er wird die Richtung verlieren, die Dinge werden ihm nicht klar werden, Starrheit und Müdigkeit werden seinen Geist gefangen halten; er wird das Mönchsleben ohne Begeisterung führen und auch Zweifel hinsichtlich der Lehren hegen. Daher sollst du, o Mönch, danach streben: 'Mit Wohlbewachten Sinnentoren will ich verweilen, Maß halten beim Mahle, mich der Wachsamkeit ergeben, den Dingen, die heilsam sind, Beachtung schenken; und zu Beginn und Ende der Nacht will ich mich üben in der Entfaltung der zur Erleuchtung führenden Dinge!' Danach, o Mönch, sollst du streben.«

Und jener Mönch, also vom Erhabenen ermahnt, erhob sich von seinem Sitze, begrüßte den Erhabenen ehrerbietig, und ihm die Rechte zukehrend entfernte er sich. Und einsam, abgesondert, unermüdlich, eifrig und entschlossen verweilend, gewann jener Mönch nach gar nicht langer Zeit jenes höchste Ziel der Heiligkeit, dem zuliebe edle Söhne gänzlich von Hause fort in die Hauslosigkeit ziehen. Und er erkannte: »Versiegt ist die Wiedergeburt, erfüllt der heilige Wandel, getan ist, was zu tun war, nichts weiteres gibt es mehr zu tun nach diesem hier.« So war jener Mönch einer der Heiligen geworden. Als er aber die Heiligkeit erreicht hatte, begab er sich zu seinem Berater und sprach also zu ihm:

»Jetzt, o Herr, ist mein Körper nicht mehr wie benommen, die Richtung ist mir deutlich und die Dinge sind mir klar; Starrheit und Mattigkeit halten nicht mehr meinen Geist gefangen, mit Begeisterung führe ich das Mönchsleben und habe keinen Zweifel mehr hinsichtlich der Lehren.«

Darauf begab sich der Berater zusammen mit dem ihm Untergebenen Mönche zum Erhabenen und berichtete ihm die Worte jenes Mönches. Und der Erhabene sprach:

»So wahrlich steht es, o Mönch, mit einem, der die Sinnentore bewacht, beim Mahle Maß hält, der Wachsamkeit ergeben ist, den Dingen, die heilsam sind, Beachtung schenkt und sich zu Beginn und Ende der Nacht übt in der Entfaltung der zur Erleuchtung führenden Dinge. Bei einem solchen wird der Körper nicht benommen sein, die Richtung wird ihm deutlich, und die Dinge werden ihm klar sein; Starrheit und Mattigkeit werden seinen Geist nicht mehr gefangen halten, voller Begeisterung wird er das Mönchsleben führen und keine Zweifel mehr haben hinsichtlich der Lehren.

Daher, o Mönche, sollt ihr danach streben: 'Mit wohl bewachten Sinnentoren wollen wir verweilen, wollen Maß halten beim Mahle, uns der Wachsamkeit ergeben, den Dingen, die heilsam sind, Beachtung schenken; und zu Beginn und Ende der Nacht wollen wir uns üben in der Entfaltung der zur Erleuchtung führenden Dinge.' Danach, ihr Mönche, sollt ihr streben!«


(*1) Jeder Vollordinierte Mönch (bhikkhu) muss mindestens während der ersten fünf Jahre mit dem von ihm selbst gewählten 'Berater' (upajjhāya) leben. Zu einem solchen darf er sich nur einen in der Lehre und der Ordenszucht erfahrenen Mönch mit mindestens zehn Ordensjahren, einen Thera oder Ordensälteren, wählen.

(*2) K: schwer geworden.

(*3) saddhi-vihārika, wtl: Mitbewohner. So bezeichnet der Ordensältere seine ihm Untergebenen Mönche und Novizen.


A.V. 57 Fünf Betrachtungen für jedermann

Fünf Tatsachen, ihr Mönche, sollte jeder öfters bei sich erwägen, sei es Mann oder Frau, Hausner oder Hausloser. Welches sind diese fünf Tatsachen?

»Dem Altern bin ich unterworfen, kann dem Alter nicht entgehen. Der Krankheit bin ich unterworfen, kann der Krankheit nicht entgehen. Dem Sterben bin ich unterworfen, kann dem Sterben nicht entgehen. Von allem Lieben und Angenehmen muß ich scheiden und mich trennen. Eigner und Erbe meiner Taten bin ich, meinen Taten entsprossen, mit ihnen verknüpft, habe sie zur Zuflucht und die guten und bösen Taten, die ich tue, werde ich zum Erbe haben« - das sollte jeder öfters bei sich erwägen, sei es Mann oder Frau, Hausner oder Hausloser.

Aus welchem Grunde aber, ihr Mönche, soll man öfters bei sich erwägen, daß man dem Altern unterworfen ist, dem Alter nicht entgehen kann?

Die Wesen, ihr Mönche, sind während ihrer Jugend erfüllt vom Jugendrausch (*1), von dem betört sie in Werken, Worten und Gedanken einen schlechten Wandel führen. Wer aber jene Tatsache (*2) öfters bei sich erwägt, bei dem schwindet dieser Jugendrausch entweder ganz oder er wird abgeschwächt. Aus diesem Grunde, ihr Mönche, soll man öfters bei sich erwägen, daß man dem Altern unterworfen ist, dem Alter nicht entgehen kann.

Aus welchem Grunde aber, ihr Mönche, soll man öfters bei sich erwägen, daß man der Krankheit unterworfen ist, der Krankheit nicht entgehen kann?

Die Wesen, ihr Mönche, sind während ihrer Gesundheit erfüllt vom Gesundheitsrausch, durch den betört sie in Werken, Worten und Gedanken einen schlechten Wandel führen. Wer aber jene Tatsache öfters bei sich erwägt, bei dem schwindet dieser Gesundheitsrausch entweder ganz oder er wird abgeschwächt. Aus diesem Grunde, ihr Mönche, soll man öfters bei sich erwägen, daß man der Krankheit unterworfen ist, der Krankheit nicht entgehen kann.

Aus welchem Grunde aber, ihr Mönche, soll man öfters bei sich erwägen, daß man dem Sterben unterworfen ist, dem Sterben nicht entgehen kann?

Die Wesen, ihr Mönche, sind während ihres Lebens erfüllt vom Lebensrausch, durch den betört sie in Werken, Worten und Gedanken einen schlechten Wandel führen. Wer aber jene Tatsache öfters bei sich erwägt, bei dem schwindet dieser Lebensrausch entweder ganz oder er wird abgeschwächt. Aus diesem Grunde, ihr Mönche, soll man öfters bei sich erwägen, daß man dem Sterben unterworfen ist, dem Sterben nicht entgehen kann.

Aus welchem Grunde aber, ihr Mönche, soll man öfters bei sich erwägen, daß man von allem Lieben und Angenehmen scheiden und sich trennen muß?

Die Wesen, ihr Mönche, sind zu dem, was sie lieben, was ihnen angenehm ist, in begehrlichem Verlangen entbrannt, durch das betört sie in Werken, Worten und Gedanken einen schlechten Wandel führen. Wer aber jene Tatsache öfters bei sich erwägt, bei dem schwindet dieses begehrliche Verlangen entweder ganz oder es wird abgeschwächt. Aus diesem Grunde, ihr Mönche, soll man öfters bei sich erwägen, daß man von allem Lieben und Angenehmen scheiden, sich davon trennen muß.

Aus welchem Grunde aber, ihr Mönche, soll man öfters bei sich erwägen: 'Eigner und Erbe meiner Taten bin ich, meinen Taten entsprossen, mit ihnen verknüpft, habe sie zur Zuflucht, und die guten und bösen Taten, die ich tue, werde ich zum Erbe haben?'

Den Wesen, ihr Mönche, eignet schlechter Wandel in Werken, Worten und Gedanken. Wer aber jene Tatsache öfters bei sich erwägt, dem schwindet der schlechte Wandel gänzlich oder er wird abgeschwächt. Aus diesem Grunde, ihr Mönche, soll man dies öfters bei sich erwägen: 'Eigner und Erbe meiner Taten bin ich, meinen Taten entsprossen, mit ihnen verknüpft, habe sie zur Zuflucht, und die guten und bösen Taten, die ich tue, werde ich zum Erbe haben.'

Der edle Jünger, ihr Mönche, erwägt nun bei sich also: 'Ich bin ja nicht der einzige, der dem Altern unterworfen ist, dem Alter nicht entgehen kann; sondern wo immer es Wesen gibt, die da kommen und gehen, sterben und geboren werden, alle diese Wesen sind dem Altern unterworfen, können dem Alter nicht entgehen.' Indem er nun diese Tatsache häufig bei sich erwägt, erschließt sich ihm der Pfad (*3). Jenen Pfad hegt und pflegt er nun, wandelt ihn beharrlich. Und indem er den Pfad hegt und pflegt, ihn beharrlich wandelt, lösen sich ihm die Fesseln und die Neigungen schwinden.

Und ferner erwägt er: 'Ich bin ja nicht der einzige, der der Krankheit unterworfen ist, der Krankheit nicht entgehen kann - ich bin ja nicht der einzige, der dem Sterben unterworfen ist, dem Sterben nicht entgehen kann - ich bin ja nicht der einzige, der von allem Lieben und Angenehmen scheiden, sich davon trennen muß - ich bin ja nicht der einzige, der Eigner und Erbe seiner Taten ist, seinen Taten entsprossen, mit ihnen verknüpft, der sie zur Zuflucht hat und der die guten und bösen Taten, die er tut, einst erben wird. Sondern wo immer es Wesen gibt, die da kommen und gehen, sterben und geboren werden, alle diese Wesen sind Eigner und Erben ihrer Taten, sind ihren Taten entsprossen, mit ihnen verknüpft, haben sie als Zuflucht und werden die guten und bösen Taten, die sie tun, einst erben.' Indem er nun diese Tatsache bei sich häufig erwägt, erschließt sich ihm der Pfad. Jenen Pfad hegt und pflegt er nun, wandelt ihn beharrlich. Und indem er den Pfad hegt und pflegt, ihn beharrlich wandelt, lösen sich ihm die Fesseln und die Neigungen schwinden. (Verse wie in A.III.39 b)


(*1) Zum folg. vgl. A.III.39a und 39b.

(*2) Nämlich das Alter; entsprechend im folgenden.

(*3) magga, d.i. der Eintritt in einen der vier Grade der Heiligkeit: Stromeintritt, Einmalwiederkehr, Nichtwiederkehr und vollkommene Heiligkeit.


A.V. 58 Segensreiches Schenken

Einst weilte der Erhabene im Großen Walde bei Vesālī, in der Halle des Giebelhauses. Und der Erhabene kleidete sich in der Frühe an, nahm Gewand und Almosenschale und begab sich nach Vesālī um Almosenspeise. Nach dem Almosengang aber, am Nachmittag, nach Beendigung des Mahles, ging er tief in den Großen Wald hinein und setzte sich am Fuße eines Baumes nieder, um dort den Tag zu verbringen. Eine Anzahl Licchavier-Prinzen aber, die damals gerade, mit bespannten Bogen ausgerüstet und von einer Schar Hunde umgeben, im Großen Walde umherstreiften, sahen den Erhabenen am Fuße des Baumes sitzen. Bei seinem Anblick legten sie die bespannten Bogen weg, trieben die Hunde beiseite und näherten sich dem Erhabenen. Vor ihm angelangt, begrüßten sie den Erhabenen ehrerbietig und setzten sich still und schweigsam, mit verehrend gefalteten Händen nieder. Damals nun erging sich Mahānāma der Licchavier im Großen Walde, und er bemerkte jene Licchavier-Prinzen, wie sie still und schweigend, mit gefalteten Händen zur Seite des Erhabenen dasaßen. Bei ihrem Anblick näherte er sich dem Erhabenen, begrüßte ihn ehrerbietig und setzte sich zur Seite nieder. Seitwärts sitzend aber stieß Mahānāma der Licchavier den Ruf aus: »Sie werden doch noch rechte Vajjier werden! Sie werden doch noch rechte Vajjier werden (*1)!«

[Der Erhabene:] »Warum, o Mahānāma, sprichst du so: 'Sie werden doch noch rechte Vajjier werden'?« -

»Diese Licchavier-Prinzen, o Herr, sind wild und rauh und störrig. Was da in ihre Häuser an Süßigkeiten geschickt wird, wie Zuckerrohr, Brustbeeren, Kuchen und Zuckerwerk, das nehmen sich diese weg, essen davon und bewerfen dann von hinten die anständigen Frauen und Mädchen damit. Nun aber sitzen jene still und schweigsam vor dem Erhabenen, mit gefalteten Händen!« -

»Sei es, Mahānāma, ein gesalbter Adelskönig oder ein Bürger, der von seines Vaters Erbe lebt, oder ein Feldherr, ein Dorfherr, ein Gildenvorsteher oder einer, der in den Sippen die alleinige Leitung innehat; bei welchem edlen Sohn auch immer fünf Dinge anzutreffen sind, da hat man Segen zu erwarten, keinen Nachteil. Welches sind diese fünf Dinge?

Mit dem Besitz, Mahānāma, den der edle Sohn durch Aufbietung seiner Kraft erworben, durch seiner Hände Fleiß, im Schweiße seines Angesichtes, auf rechtmäßige, ehrliche Weise, damit beschenkt er seine Eltern, und er achtet und ehrt sie, ist ihnen ergeben. Von ihm aber beschenkt, geachtet, geehrt und hochgehalten, spenden ihm diese mit ihm gewogenen Herzen ihren Segen: 'Mögest du lange leben! Möge dir ein langes Leben beschieden sein!' Von ihnen aber gesegnet, hat der edle Sohn Segen zu erwarten, keinen Nachteil.

Ferner, Mahānāma: da beschenkt der edle Sohn mit seinem Besitz Weib und Kind, Knechte und Arbeiter - er beschenkt die Nachbarn seines Feldes und seiner Arbeitsstätte, sowie die Feldmesser (*2) - er spendet für die Opfer empfangenden Gottheiten (*3) - er beschenkt Asketen und Priester, er achtet, ehrt sie, ist ihnen ergeben. Von ihm aber beschenkt, geachtet, geehrt und hochgehalten, spenden ihm alle diese mit ihm gewogenen Herzen ihren Segen: 'Mögest du lange leben! Möge dir ein langes Leben beschieden sein!' Von ihnen aber gesegnet, hat der edle Sohn Segen zu erwarten, keinen Nachteil.

»Arbeit verrichtend für die Eltern
und liebevoll zu Weib und Kind,
gereicht zum Segen er dem Haushalt
und denen, die ihm anvertraut.
 
Den beiden wirkt zum Wohle er,
der Sittenreine, großmutsvoll:
den einst verstorbenen Verwandten
und denen, die am Leben sind.
 
Den Mönchen und den Priestern auch,
ja, gar den Himmelswesen selbst
mache Freude der verständige Mann,
der tugendhaft im Hause lebt.
 
Indem er gute Werke wirkt,
wird Lob und Ehre ihm zuteil.
Hier spenden alle ihm ihr Lob
und dort erlangt er Himmelsglück.«

(*1) bhavissanti Vajjā. K: Sie werden zu Vajjier-Fürsten heranwachsen. Die Licchavier gehörten zur Konfederation der Vajjier. Über die guten Eigenschaften der Vajjier s. A.VII.19/20.

(*2) samvohāre; K: die mit Stricken und Stäben das Maß des Landes nehmen.

(*3) K: die Schutzgeister der Familie.


A.V. 59-60 Mönchsleben im Alter I-II

Unter denen, ihr Mönche, die erst im Alter in die Hauslosigkeit gezogen sind, trifft man selten einen, der im Besitze folgender fünf Eigenschaften ist:

(59) Selten trifft es sich, daß einer, der erst im Alter in die Hauslosigkeit gezogen ist, Scharfsinn besitzt; selten, daß er ein vollendetes Benehmen hat; selten, daß er wissensreich ist; selten, daß er ein Lehrredner ist; selten, daß er ein Kenner der Ordenszucht ist.

(60) Selten ist es, daß er Belehrungen zugänglich ist; daß er das Gelernte behält; daß er willig Ermahnungen annimmt (*1); daß er ein Lehrredner ist; daß er ein Kenner der Ordenszucht ist.

Unter denen, ihr Mönche, die erst im Alter in die Hauslosigkeit gezogen sind, trifft man selten einen, der im Besitze dieser fünf Eigenschaften ist.


(*1) padakkhinagāhī; K: er nimmt eine gegebene Ermahnung in gebührender Weise (padakkhinato) an.


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