Visuddhi Magga XVII

(XI-XII) "Durch Geburt bedingt sind Altern und Sterben (jāti-paccayā jarā-maranam)

 

Gäbe es nämlich keine Geburt, so gäbe es auch kein Altern und Sterben und keine solchen Dinge wie Sorge usw. Gibt es aber Geburt, so gibt es auch Altern und Sterben; und von dem als Leiden geltenden Altern und Sterben betroffen, entstehen in den Toren solche Dinge wie Sorge usw. Ist er da nun von dem als Leiden geltenden Altern und Sterben betroffen, so sind eben die Sorgen usw. mit dem Altern und Sterben verknüpft; und ist er durch diese oder jene anderen leidvollen Dinge betroffen, so sind eben diese Sorgen usw. nicht mit dem Altern und Sterben verknüpft. Daher hat man die Geburt als die Bedingung sowohl für Altern und Sterben als auch für Sorge usw. zu betrachten. Bloß in einer einzigen Weise aber bildet die Geburt eine Bedingung, u. zw. als Anlaß (upanissaya).

 

Hier endet die ausführliche Erklärung der Sätze: 'Durch den Werdeprozeß bedingt ist die Geburt' und 'Durch Geburt bedingt sind Altern und Sterben usw.'

 

Weil nun aber hier 'Sorge' usw. am Ende genannt werden, so merke man sich von jener Unwissenheit (avijjā), die da in dem Ausspruch: 'Durch Unwissenheit bedingt sind die Karmaformationen' zu Anfang des Daseinsrades (bhava-cakka)'genannt wird, folgendes:
 

 

'Wieso aber entsteht die Unwissenheit aus Sorge und Leid? Wieso gibt es da keinen Täter, keinen, den der Taten Wirkung trifft? Und wieso ist das Dasein leer durch zwölffache Leerheit?'

 

('Aus Sorg' und Leid entstehet die Verblendung') Sorge (soka), Trübsal und Verzweiflung sind nie von der Unwissenheit getrennt, und das Jammern entsteht nur im Verblendeten. Wenn immer diese Dinge entstehen, entsteht auch die Unwissenheit. Ferner heißt es (M. 9): "Durch die Entstehung der Triebe (āsava) bedingt ist die Entstehung der Unwissenheit". Durch Entstehung der Triebe nämlich entstehen diese Dinge wie Sorge usw. Wieso? Beim Verlust der Sinnendinge hat die Sorge ihren Ursprung im Sinnlichen Triebe (kāmâsava). Wie es heißt (Snp. 767):
 
 

 

Wie es heißt (Dhp. 215): "Aus Begierde entspringt Sorge usw." Auch alle diese Dinge mögen ihren Ursprung haben im Ansichtstriebe (ditthâ-sava). Wie es heißt (S.22.1): "Wer aber von dem Gedanken gefesselt ist 'Ich bin die Körperlichkeit', oder 'Mir gehört die Körperlichkeit', in dem kommen, sobald die Körperlichkeit dem Wechsel verfällt und sich ändert, Sorge, Jammer, Schmerz, Trübsal und Verzweiflung zum Entstehen." Und gerade wie diese Dinge in dem Ansichtstriebe ihren Ursprung haben, so auch mögen sie ihren Ursprung haben im Daseinstriebe (bhavâsava). Wie es heißt (ib. 78): "Selbst jene langlebigen", anmutigen, von Glückseligkeit erfüllten Himmelswesen, die seit langen, langen Zeiten in ihren erhabenen Palästen weilen, selbst jene geraten, sobald sie die vom Erhabenen dargelegte Lehre vernommen haben, in Furcht, Angst und Erregung." Genau so ist es mit den aus Furcht vor dem Tode erzitternden Himmelswesen beim Anblicke der fünf Vorboten des Todes (nämlich: Verwelken ihres Blumenschmucks, Schmutzigwerden ihrer Gewänder, Schweißabsonderung, Abnahme ihrer Schönheit, Überdruß am Himmlischen Leben). Und genau wie diese Dinge im Daseinstriebe ihren Ursprung haben, so auch haben sie ihren Ursprung im Unwissenheitstriebe (avijjā-sava). Wie es heißt (M. 129): "Wahrlich, jener Tor, ihr Mönche, erfährt schon bei Lebzeiten dreifach Leiden und Trübsal." Weil somit jene Dinge in den Trieben ihren Ursprung haben, darum bringen sie bei ihrem Entstehen auch die in Unwissenheit wurzelnden Triebe zum Entstehen. Und sind diese Triebe einmal entstanden, so ist auch die Unwissenheit entstanden, weil diese eben nur dann auftritt, wenn die Bedingung dazu anwesend ist.

Auf diese Weise hat man hier zu verstehen die Worte: 'Aus Sorg' und Leid entstehet die Verblendung'.

 

 

('Des Daseinsrades Anfang unerkennbar ist') Weil aber, insofern bei Anwesenheit der Bedingungen die Unwissenheit entsteht, immer wieder durch Unwissenheit bedingt die Karmaformationen entstehen und durch diese das Bewußtsein und es so kein Ende gibt für die Kette der Ursachen und Wirkungen, darum ist eben bei dem auf Grund von Ursachen und Wirkungen vorwärtsrollenden zwölfgliedrigen Rade des Daseins kein Anfang zuerkennen.

 

Widerspricht dies nicht wohl in diesem Falle der Aussage über einen ersten Anfang in dem Satze: 'Durch Unwissenheit bedingt sind die Karmaformationen'? - Nein, nicht soll dies ja eine Aussage sein über einen ersten Anfang (alles Daseins), sondern bloß eine Aussage über das grundlegendste ('padhāna', Hauptsache, Haupt- usw.) Daseinsphänomen. Für die 3 Daseinsrunden nämlich ist die Unwissenheit die grundlegendste Erscheinung, denn zufolge des Festhaltens an der Unwissenheit hält die Runde der übrigen Befleckungen (Begehren, Anhaften) sowie die Karmarunde usw. den Toren gefesselt, gerade so wie, wenn man eine Schlange am Kopfe festhält, der übrige Teil des Schlangenkörpers einem den Arm fest umschlungen hält. Hat man aber die Unwissenheit zerstört, so ist man von jenen Dingen befreit, genau wie, wenn man jener Schlange den Kopf abgeschlagen hat, einem der Arm von der Fessel frei wird. Wie es heißt (A.III.61): "Durch die restlose Aufhebung und das Schwinden der Unwissenheit kommt es zur Aufhebung der Karmaformationen." Somit handelt es sich hier um eine Aussage über jenes grundlegende Daseinsphänomen, das dem daran Festhaltenden zur Fessel und dem sich davon Befreienden zur Befreiung wird, nicht aber handelt es sich um Feststellung eines ersten Anfanges. Auf diese Weise ist zu verstehen der Ausspruch 'Des Daseinrades Anfang nicht erkennbar ist'.

 

('Kein Täter da ist, keiner, den die Wirkung trifft') Weil nur durch die Unwissenheit und die anderen Anlässe die Karmaformationen usw. zur Entstehung kommen, darum hat dieses Daseinsrad nicht außerdem noch einen weiteren Erzeuger, wie etwa den als Brahma, den Großen Brahma, den Schöpfer gedachten Brahma oder andere. Und nicht gibt es da einen, der die Freuden und Leiden empfände, etwa das 'Ich', von dem geglaubt wird: "Dieses aber mein Ich, das mitteilsame und empfindende usw." (M. 2). Auf diese Weise ist zu verstehen der Ausspruch: 'Kein Täter da ist, keiner, den die Wirkung trifft'.

 

('Und leer ist's wahrlich, zwölffach leer das Daseinsrad') Weil nun aber hierbei die Unwissenheit, genau wie die Karmaformationen und übrigen Glieder des Daseinsrades, als dem Entstehen und Vergehen unterworfen, alle ohne Beständigkeit (dhuva) sind; als befleckt und der Befleckung unterworfen, leer (suñña) sind an Schönheit (subha); als durch Entstehen und Hinschwinden bedrückt, leer sind an Glück (sukha); als von Bedingungen abhängig, leer sind an einer machthabenden Persönlichkeit (attā); weil sowohl die Unwissenheit als auch die Karmaformationen und übrigen Glieder keine Ichheit bilden, zu keinem Ich gehören, in keinem Ich eingeschlossen sind, kein Ich besitzen, darum sollte man einsehen, wie es in dem Ausspruche heißt: 'Und leer ist's wahrlich, zwölffach leer das Daseinsrad.'



 Hat man aber dies erkannt, so möge man da von der Daseinsrunde ferner wissen:

 

 

(Die 2 Ausgangspunkte) Unwissenheit (avijjā) und Begehren (tanhā) nämlich, diese beiden Dinge hat man als die Ausgangspunkte dieses Daseinsrades aufzufassen. Mit Hinsicht auf die Fortführung der früheren Kontinuität ist die Unwissenheit (I) der Ausgangspunkt, das Gefühl (VII) aber das Ende; mit Hinsicht auf die spätere Kontinuität aber ist das Begehren (VIII) der Ausgangspunkt, und Altern und Sterben (XII) sind das Ende. Somit ist das Daseinsrad zweifach. Das Frühere wird hier gelehrt mit Rücksicht auf die 'Spekulativen Naturen' (ditthi-carita), das Spätere mit Rücksicht auf die 'Begehrlichen Naturen' (tanhā-carita). Für die spekulativen Naturen nämlich ist die 'Unwissenheit' der Führer durch die Daseinsrunde, für die begehrlichen Naturen aber ist es das 'Begehren'. Oder, das Frühere wird gesagt, um die Vernichtungsansicht (uccheda-ditthi) auszurotten, u. zw. dadurch, daß man auf die ununterbrochene Fortdauer der die Entstehung der Wirkungen bedingenden Ursachen hinweist; das Spätere, um durch Hinweis auf das eingetretene Altern und Sterben die Ewigkeitsansicht (sassata-ditthi) auszurotten. Oder, das Frühere wird gesagt, um die stufenweise Entstehung der leibgeborenen Wesen zu zeigen, das Spätere, um die unmittelbare Entstehung der spontan-geborenen Wesen (Himmelswesen usw.) anzudeuten.

(Die 3 Zeiten) Das Daseinsrad hat drei Zeiten: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Wie im Palikanon in entsprechender Weise angeführt, gehören 2 Glieder (I-II), Unwissenheit und Karmaformationen, der vergangenen Zeit an; die mit Bewußtsein beginnenden und dem Werdeprozeß endenden 8 (III-X) der Gegenwart; 2 Glieder, Geburt, Altern und Sterben, der Zukunft. So ist dies zu verstehen. (Siehe Tabelle)

 

 

Ferner sollte man Folgendes verstehen:
 

 
(3 Verknüpfungen) Hierbei nun gibt es zwischen den Karmaformationen (sankhāra) und dem Wiedergeburtsbewußtsein (patisandhi-viññāna) eine Verknüpfung von Ursache (II) und Wirkung (III), zwischen Gefühl (vedanā) und Begehren (tanhā) eine Verknüpfung von Wirkung (VII) und Ursache (VIII), zwischen dem (karmischen) Werdeprozesse (bhava) und der Geburt (jāti) eine Verknüpfung von Ursache (X) und Wirkung (XI). Auch diese Weise hat man zu verstehen den Ausspruch 'Dreifach verknüpft durch Ursach', Wirkung und Ursach' als die ersten'.

 

(4 Gruppen) Das Daseinsrad bildet 4 Gruppen, die den Anfang und das Ende der Verknüpfungen trennen, nämlich: Unwissenheit und Karmaformationen bilden eine Gruppe (I-II); Bewußtsein, das Geistige und Körperliche, die 6 Grundlagen, Bewußtseinseindruck und Gefühl bilden die zweite Gruppe (III-VII); Begehren, Anhaften und Werdeprozeß bilden die dritte Gruppe (VIII-X); Geburt, Altern und Sterben die vierte Gruppe (XI-XII). Auf diese Weise hat man die 4 Gruppen zu verstehen (s. Tabelle).

 

(20 Daseinsspeichen)
 

 
 

Im Sinne dieser als Daseinsfaktoren geltenden 20 Speichen hat man den Ausdruck '20 Daseinsspeichen' zu verstehen.

 

'5 Ursachen vergangen sind': hier werden vorerst bloß 2 Dinge genannt, Unwissenheit (avijjā) und Karmaformationen (sankhāra). Insofern aber der Unwissende begehrt und 'begehrlich geworden' anhaftet und ihm durch das Anhaften bedingt der Werdeprozeß entsteht, so sind hier auch Begehren (tanhā), Anhaften (upādāna) und der Werdeprozeß (bhava) miteingeschlossen. Darum heißt es (Pts. I): "In dem früheren (vorgeburtlichen) Karma-Prozesse gilt die Verblendung als die Unwissenheit, die (karmischen) Anhäufungen als die Karmaformationen, Verlangen als das Begehren, Zugetansein als das Anhaften, Wille als der Werdeprozeß. Diese im früheren Karma-Prozesse eingeschlossenen 5 Dinge sind die Bedingungen für die Wiedergeburt in diesem Dasein."

 

Hierbei bedeutet der Ausdruck 'im früheren Karma-Prozesse' soviel wie: während in der früheren Geburt der Karma-Prozeß sich vollzog. 'Die Verblendung gilt als die Unwissenheit' besagt: die zu solcher Zeit hinsichtlich des Leidens usw. bestehende Verblendung (moha) gilt als die Unwissenheit (avijjā). 'Die karmischen Anhäufungen (āyūhana) gelten als die Karmaformationen': gemeint sind damit jene aufsteigenden ersten Willensregungen (cetanā), wenn man ein Karma (Tat) wirkt und z.B. denkt 'Ich will Almosen geben' und dann etwa einen Monat oder ein Jahr lang Almosengaben spendet. Die Willensverfassung (cetanā) aber zur Zeit, wo man dem Empfänger die Gabe überreicht, wird als der (karmische) Werdeprozeß (bhava) bezeichnet. Oder aber, die Willensverfassung in den von demselben Momente des Aufmerkens (āvajjana) abhängigen 6 (ersten) Impulsivmomenten (javana) ist als die in den Anhäufungen bestehenden Karmaformationen zu verstehen, während der 7. Impulsivmoment als der Werdeprozeß bezeichnet wird. Oder aber, jedwede Willensregung (cetanā) gilt als (karmischer) Werdeprozeß, und die damit verbundenen Anhäufungen als die Karmaformationen. 'Verlangen gilt als das Begehren': was da z.B. beim Ausüben eines Karma an Verlangen und Sehnsucht nach einer Wirkung im Wiedergeburtsprozesse auftaucht, das bezeichnet man als das Begehren. 'Zugetansein gilt als das Anhaften': als Anhaften nämlich bezeichnet man das für den Karma-Prozeß die Bedingung bildende Zugeneigtsein, das da auftaucht mit dem Gedanken: 'Wenn ich dies tue, werde ich an der und der Stätte die Sinnenfreuden genießen oder werde ich zur Vernichtung gelangen usw. 'Der Wille gilt als der Werdeprozeß': der am Schluß der Anhäufungen auftretende erwähnte Wille nämlich gilt als der (karmische) Werdeprozeß. So ist der Sinn hier zu verstehen.

 

'5 Wirkungen man jetzt erlebt': gemeint sind die mit Bewußtsein beginnenden und mit Gefühl endenden Dinge (III-VII). So wird im Pali-Kanon berichtet. Wie es heißt (ib.): "Hier in diesem Leben gilt die Wiedergeburt (patisandhi) als das Bewußtsein (viññāna), die Empfängnis (okkanti) als das Geistige und Körperliche (nāma-rūpa), die Sensitivität (der Sinnenorgane) als die Grundlagen (āyatana), das Beeindrücken als der Bewußtseinseindruck (phassa, wörtl. Berührung), das Gefühlte als das Gefühl (vedanā). Diese 5 Dinge des gegenwärtigen Geburtsprozesses sind die Wirkungen des früher verübten Karma (*)." 'Die Wiedergeburt gilt als das Bewußtsein' besagt folgendes: Das was wegen des Aufgestiegenseins auf Grund der Vereinigung mit dem nächsten Leben als Wiedergeburt (pati-sandhi), wörtl. Wieder-verbindung) bezeichnet wird, das ist hier das Bewußtsein (viññāna). 'Die Empfängnis gilt als das Geistige und Körperliche (nāma-rūpa)' besagt: die Empfängnis (okkanti), wörtl. Abstieg, Eintritt), d.i. gleichsam das Kommen und Eintreten der körperlichen und unkörperlichen Dinge in den Mutterleib, gilt als das Geistige und Körperliche. 'Die Sensitivität (der Sinnenorgane) gilt als die Grundlage (āyatana)': dies wird mit Rücksicht auf die 5 Grundlagen wie Sehorgan usw. gesagt.' 'Das Beeindrücken gilt als der Bewußtseinseindruck (phassa)' bedeutet: das, was das Objekt beeindrückt und während des Beeindrückens aufsteigt, das gilt als der Bewußtseinseindruck, 'Das Gefühlte gilt als das Gefühl (vedanā)': das mit dem Wiedergeburtsbewußtsein oder mit dem durch die 6 Grundlagen bedingten Bewußtseinseindruck zusammen aufgestiegene karma-gewirkte Fühlen, das gilt als das Gefühl. So ist der Sinn hier zu verstehen.

 


(*) Hier findet sich ein offenbar schon seit Generationen überlieferter aber bisher noch von Keinem entdeckter unglaublicher Lapsus, der in sämtlichen mir zugänglichen Ausgaben, auch in der des Pts. (I.p.52) anzutreffen ist, nämlich: "katassa kammassa 'paccayā'" (die 'Bedingungen' zu dem verübten Karma), statt, wie es heißen sollte, 'katassa kammassa vipākā' oder 'phalāni' (die 'Wirkungen' des verübten Karma). Durch diese falsche Lesart wird hier der ganze Sinn auf den Kopf gestellt.


 

'5 Ursachen man jetzt erzeugt': Damit sind Begehren usw. gemeint. Im Pali-Kanon werden Begehren (tanhā), Anhaften (upādāna) und der Werdeprozeß (bhava) angeführt. Spricht man aber vom Werdeprozeß, so sind eben die ihm vorausgehenden oder damit verbundenen Karmaformationen (sankhāra) miteingeschlossen. Spricht man aber von Begehren und Anhaften, so ist die damit verbundene Unwissenheit (avijjā) miteingeschlossen. Somit erhalten wir 5 Ursachen. Darum heißt es (ib.): "Sind hier in diesem Leben die Sinnenorgane bereits völlig entwickelt, so gilt da Verblendung als die Unwissenheit, die Anhäufungen als die Karmaformationen, Verlangen als das Begehren, Zugetansein als das Anhaften, Wille als der Werdeprozeß. Diese 5 Dinge in dem Karma-Prozesse hier (in diesem Leben) sind die Bedingung für die künftige Wiedergeburt." Durch die Worte 'Sind hier in diesem Leben die Sinnenorgane völlig entwickelt usw.': dadurch wird die Verwirrung des mit voll ausgereiften Grundlagen (Sinnenorganen) ausgestatteten Menschen angedeutet, während derselbe eine (unheilsame) Tat verübt. Das Übrige ist dem Sinne nach klar.

 

'5 Wirkungen zukünftig sind': - gemeint sind die 5 Wirkungen wie Bewußtsein usw. (III-VII). Diese sind in dem Begriff 'Geburt' (XI) zusammengefaßt. Altern und Sterben (XII) aber beziehen sich auf das Altern und Sterben eben dieser Dinge. Darum heißt es (ib.): "Im künftigen Dasein gilt die Wiedergeburt als das Bewußtsein (III), die Empfängnis als das Geistige und Körperliche (IV), die Sensitivität als die Grundlagen (V), das Beeindrücken als der Bewußtseinseindruck (VI), das Gefühlte als das Gefühl (VII). Diese 5 Dinge in dem künftigen Geburtsprozesse sind die Wirkungen des hier verübten Karma."

Auf diese Weise hat das Daseinsrad 20 Daseinsspeichen.

 

('Alle 3 Runden des Daseins durchlaufend rollt unaufhörlich das Daseinsrad weiter'): - Hier nämlich bilden die Karmaformationen (II) und der Werdeprozeß (X) die Karmarunde (kamma-vatta); Unwissenheit, Begehren und Anhaften (I. VIII. IX) die Befleckungsrunde (kilesa-vatta); Bewußtsein, Geistiges und Körperliches, Grundlagen, Bewußtseinseindruck und Gefühl (III-VII) die Wirkungsrunde (vipāka-vatta). Solange nun die Runde der Befleckungen nicht zerstört ist, solange gilt, da die Bedingungen noch nicht zerstört sind, eben noch der Satz: 'Alle 3 Runden des Daseins durchlaufend rollt unaufhörlich das Daseinsrad weiter.'

Von dem so weiterrollenden Rade des Daseins aber heißt es:

 
 

 

('Mit Hinsicht auf der Leidenswahrheiten Entstehung') 

Auf diese Weise sollte man das Daseinsrad mit Hinsicht auf die Entstehung der Wahrheiten in rechter Weise kennen lernen.

 

('Mit Hinsicht auf die Funktionen') Bei allen Gliedern sollte man in rechter Weise dieses Daseinsrad nach seiner doppelten Funktion kennen lernen. 

 

('Mit Hinsicht auf Verhütung') Dieses Daseinsrad sollte man in rechter Weise mit Hinsicht auf die Verhütung der verkehrten Ansichten kennen lernen. 

 

('Mit Hinsicht auf die Gleichnisse') Dieses Daseinsrad sollte man hier in rechter Weise kennen lernen mit Hinsicht auf die folgenden Gleichnisse.

 

 

('Mit Hinsicht auf Tiefgründigkeit') Dieses Daseinsrad sollte man auch in rechter Weise hinsichtlich seiner Tiefgründigkeit kennen lernen. Der Erhabene nämlich hat, um die Tiefgründigkeit des Sinnes, des Gesetzes, der Darlegung und der Durchdringung zu zeigen, gesagt (D. 15): "Tiefgründig, Ananda, ist die Bedingte Entstehung, und auch tiefgründig erscheint sie."

 

Hinsichtlich des 'Sinnes' ist dieses Daseinsrad gar tiefgründig. Denn tiefgründig ist der Sinn des solcherart durch Geburt bedingten Entstehens von Altern und Sterben, weil es eben schwer ist, den Sinn des durch Geburt bedingten Entstehens zu erkennen. Aus der Geburt nämlich entspringen Altern und Sterben, aus nichts anderem als der Geburt; und so kommt es zum Altern und Sterben. Genau so ist es mit der Entstehung, der Geburt aus dem Werdeprozeß, der Karmaformationen aus dem Nichtwissen. Dieses nun ist hier vorerst die Tiefgründigkeit des 'Sinnes'. Die Wirkung einer Ursache nämlich wird als Sinn (attha, Zweck, Ergebnis) bezeichnet (s. XIV). Wie es heißt (Vibh. XV): "Das Wissen vom Ergebnis einer Ursache gilt als das Analytische Wissen von der Bedeutung (attha-patisambhidā)."

 

Weil es nun schwer zu verstehen ist, in welcher Weise und welcher Hinsicht die Unwissenheit für diese und jene Karmaformation die Bedingung bildet, darum ist der Sinn des Bedingtseins der Karmaformation durch die Unwissenheit etwas Tiefgründiges, ebenso des Bedingtseins des Bewußtseins durch die Karmaformationen... des Alterns und Sterbens durch die Geburt. Und darum eben ist dieses Daseinsrad hinsichtlich des 'Gesetzes' (dhamma) gar tiefgründig. 'Gesetz' nämlich ist ein Namen für Ursache. Wie es heißt (ib.): "Das Wissen von der Ursache gilt als das Analytische Wissen vom Gesetze (dhamma-patisambhidā)."

 

Auch die 'Darlegung' ist etwas Tiefgründiges, weil sie aus diesen und jenen Gründen in dieser und jener Weise gegeben werden muß. Denn kein anderes Wissen außer dem allerkennenden Wissen findet da einen festen Boden. In den Sutten z.B. wird das Daseinsrad bisweilen vorwärts, bisweilen rückwärts, bisweilen vorwärts und rückwärts dargelegt, bisweilen von der Mitte ausgehend nach vorwärts oder rückwärts, bisweilen mit 3 Verknüpfungen und 4 Gruppen, bisweilen mit 2 Verknüpfungen und 3 Gruppen, bisweilen mit einer Verknüpfung und 2 Gruppen.

 

Tiefgründig ist die Natur der Unwissenheit und der übrigen Dinge, weil es eben schwer ist, in ihre Natur einzudringen, durch welche, sobald sie durchdrungen ist, jene Dinge ihren Merkmalen nach völlig durchdrungen sind. Darum aber ist dieses Daseinsrad hinsichtlich seiner 'Durchdringung' (pativedha) gar tiefgründig. Schwer zu ergründen nämlich ist dabei die 'Unwissenheit' als das Nichtwissen, Nichterkennen, Nichtdurchdringen der Wahrheiten; ebenso die 'Karmaformationen' als das (karmische) Gestalten, Anhäufen, mit (XIV. Tab. I. 22 bis 29) oder ohne Gier; das (karmagewirkte) 'Bewußtsein' als leer, passiv, nicht in ein anderes Dasein übergehend und doch bei der Wiedergeburt erscheinend; das 'Geistige und Körperliche' als gleichzeitig entstehend, trennbar oder untrennbar, als das (zum Objekt) sich Hinneigende (namana) oder Bedrücktwerdende (ruppana); die '6 Grundlagen' als das Prädominierende, die Welt, die Sinnenpforten, das Sinnenfeld, das Sinnengebiet; der 'Bewußtseinseindruck' als das Beeindrücken, Zusammentreffen, Zusammenstoßen, Zusammentreten; das 'Gefühl' als das Empfinden des Reizes der Objekte, als etwas Angenehmes, Unangenehmes oder Indifferentes, als seelenloses Fühlen; das 'Begehren' als Entzücken, Anhaften, Sehnsucht, als Liane, als Strom, als schwer zu stillendes Meer des Durstes; das 'Anhaften' als das Ergreifen, Hinneigen, Festhalten, als etwas schwer zu Überwindendes; der 'Werdeprozeß' als ein Anhäufen und Gestalten, das Hintreiben zu einem Daseinsschoß, einer Daseinsfährte, einem Daseinszustande, einer Daseinswelt; die 'Geburt' als Geburt, Geborenwerden, Empfängnis, Wiedergeburt, In-Erscheinung-treten; das 'Altern und Sterben' als ein Verschwinden, Vergehen, als Auflösung und Veränderung. Dies nun gilt hier als die Tiefgründigkeit (des Daseinsrades) hinsichtlich seiner 'Durchdringung'. -

 

('Mit Hinsicht auf die vielerlei Betrachtungsweisen') Insofern es nun hier 4 verschiedene Betrachtungsweisen (naya) gibt, nämlich die Betrachtung der Einheitlichkeit, der Verschiedenartigkeit, des Unbekümmertseins und der spezifischen Gesetzmäßigkeit, so soll man eben auch hinsichtlich der verschiedenen Betrachtungsweisen dieses Daseinsrad in rechter Weise kennen lernen.

 

Hier nämlich bezieht sich die Betrachtung der 'Einheitlichkeit' (ekattanaya) auf die ununterbrochene Entwicklungsreihe: durch Unwissenheit bedingt sind die Karmaformationen, durch diese das Bewußtsein (usw.), gleichwie der Baum sich aus Samen, Keim usw. entwickelt. Wer solches recht betrachtet, der überwindet die Vernichtungsansicht (uccheda-ditthi), da er eben diese ununterbrochene Entwicklungsreihe der miteinander verknüpften Ursachen und Wirkungen erkennt. Wer solches aber verkehrt betrachtet, der hängt sich an die Ewigkeitsansicht (sassata-ditthi), da er eben die durch Verknüpfung von Ursachen und Wirkungen entstandene ununterbrochene Entwicklungsreihe als Identität auffaßt.

 

Die Betrachtung der 'Verschiedenartigkeit' (nānatta-naya) bezieht sich auf die Feststellung der Merkmale der einzelnen Glieder, wie Unwissenheit usw. Wer solches recht betrachtet, der überwindet die Ewigkeitsansicht, da er eben sieht, wie immerfort neue Dinge aufsteigen. Wer solches aber verkehrt betrachtet, der hängt sich an die Vernichtungsansicht, da er eben etwas, das derselben Entwicklungsreihe angehört, als verschiedenartig auffaßt, als ob die Entwicklungsreihe abgebrochen wäre.

 

Die Betrachtung des 'Unbekümmertseins' (avyāpāra-naya) bezieht sich darauf, daß die Unwissenheit sich nicht etwa darum kümmert: 'Ich muß die Karmaformationen hervorbringen', oder daß die Karmaformationen sich darum kümmern: 'Wir müssen das Bewußtsein hervorbringen' usw., Wer solches recht betrachtet, der überwindet die Ich-Theorie, da er eben erkennt, daß es (im absoluten Sinne) nicht so etwas gibt wie einen 'Täter'. Wer aber solches verkehrt betrachtet, der hängt sich an die 'Ansicht von der Wirkungslosigkeit der Taten' (akiriya-ditthi), da er eben nicht begreift, daß trotz des Unbekümmertsein der Dinge die Unwissenheit und die übrigen Dinge dennoch auf Grund ihrer natürlichen Gesetzmäßigkeit Ursachencharakter besitzen.

 

Die Betrachtung der spezifischen Gesetzmäßigkeit (evam-dhammatā-naya) bezieht sich darauf, daß aus Unwissenheit usw. als den Bedingungen bloß die Karmaformationen usw. entstehen können und nichts anderes, genau so wie aus der Milch nur Dickmilch u. dgl. entstehen können, nichts anderes. Wer solches recht betrachtet, der überwindet die 'Ansicht von der Ursachlosigkeit' (ahetuka-ditthi) und die 'Ansicht von der Wirkungslosigkeit der Taten: da er eben erkennt, daß jedes Ergebnis seiner Ursache entspricht. Wer aber solches verkehrt betrachtet, der hängt sich an die Ansicht von der Ursachlosigkeit und an den 'Schicksalsglauben' (niyata-vāda), da er eben nicht begreift, daß eine Wirkung durch eine entsprechende Ursache eintritt, und er annimmt, daß nichts aus irgend einer Ursache entstehe.

Von diesem Daseinsrade heißt es also:
 

Was dieses Daseinsrad anbetrifft, dieses wegen seiner ungeheuren Tiefe so tiefgründige, wegen des dichten Gewirres der verschiedensten Methoden so schwer zu durchdringende; so kann keiner, ohne dieses mit dem am edlen Fels der Sammlung wohlgeschliffene" Wissensschwerte zertrümmert zu haben, nicht einmal im Traume den Schrecken der Daseinsrunde entrinnen, genau wie keiner dem beständig einschlagenden Blitze zu entrinnen vermag.

 

Auch vom Erhabenen wurde gesagt (D. 15):
 
 

"Tiefgründig, Ananda, ist diese Bedingte Entstehung, und auch tiefgründig erscheint sie. Eben infolge des Nichterkennens, Nichtdurchdringens dieses Gesetzes gleichet diese Menschheit einem verwirrten Fadenknäuel, einem Vogelneste, einem Schilf- und Röhrichtgestrüpp, und entrinnt nicht dem niederen Dasein, den Leidensfährten, der verstoßenen Welt, nicht dem Kreislaufe der Wiedergeburten."
 

So möge denn, alle andere Beschäftigung beiseite lassend, der Weise zum eigenen und fremden Heile und Wohle wirken.
 
 

 

Hier endet des zur Beglückung guter Menschen abgefaßten Weges zur Reinheit 17. Teil: die zur Entfaltung des Wissens gehörende Darstellung des Bodens des Wissens.


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