Visuddhi Magga XIV

III. Die Gefühlsgruppe (vedanā-kkhandha)

 

"Was immer das Merkmal des Fühlens besitzt, das alles zusammengefaßt hat man als die Gefühlsgruppe zu betrachten": in diesem Ausspruche wiederum gilt das durch Fühlen sich Kennzeichnende als das Gefühl. Wie es heißt: "Weil es fühlt, o Bruder, weil es fühlt, darum nennt man es das 'Gefühl'." (S.22.79).

 

Obgleich dieses zwar hinsichtlich seines Merkmals des Fühlens nur von einer einzigen Art ist, so ist es doch hinsichtlich seiner Qualität dreifach, nämlich: karmisch heilsam (kusala), unheilsam (akusala) oder neutral (avyākata). "Dabei ist das der Sinnensphäre angehörende Gefühl, 'gemäß der Einteilung nach Freude, Indifferenz, Wissen und Vorbereitung', von achtfacher Art usw.": das mit dem in dieser Weise erklärten karmisch-heilsamen Bewußtsein verbundene Gefühl ist als karmisch-heilsam zu verstehen, das mit dem karmisch-unheilsamen Bewußtsein verbundene Gefühl als karmisch-unheilsam, das mit dem karmisch-neutralen Bewußtsein verbundene Gefühl als karmisch-neutral.

 

Der seiner Natur entsprechenden Einteilung nach ist das Gefühl fünffach:
 

    1. (körperliches) Wohlgefühl
    2. (körperliches) Schmerzgefühl
    3. Frohsinn (geistiges Wohlgefühl)
    4. Trübsal (geistiges Schmerzgefühl)
    5. Indifferenz

Hierunter ist das 'Wohlgefühl' (sukha) verbunden mit dem durch heilsames Karma gewirkten (vipāka) Körperbewußtsein (38), das 'Schmerzgefühl' (dukkha) mit dem durch unheilsames Karma gewirkten Körperbewußtsein (54).

 

'Frohsinn' (somanassa) ist verbunden mit 62 Bewußtseinsarten, nämlich: in der Sinnensphäre mit 4 karmisch-heilsamen (Tab. 1 bis 4), 4 wurzelbegleiteten karmagewirkten (42 bis 45), 1 wurzelfreien karmagewirkten (40), 4 wurzelbegleiteten funktionellen (73 bis 76), 1 wurzelfreien funktionellen (72) und 4 karmisch-unheilsamen (gierhaften) Bewußtseinsarten (22 bis 25). - In der Feinkörperlichen Sphäre ist der Frohsinn - abgerechnet das (des Frohsinns entbehrende) Bewußtsein der fünften Vertiefung - mit 4 karmisch-heilsamen (9 bis 12), 4 karmagewirkten (57 bis 60) und 4 funktionellen Bewußtseinsarten (81 bis 84) verbunden. - Da es kein überweltliches (lokuttara) Bewußtsein gibt, das ohne Vertiefung wäre, so ergeben die 8 überweltlichen Bewußtseinszustände (18 bis 21; 66 bis 69) auf Grund der 5 Vertiefungen 40 Bewußtseinsklassen (Damit ergeben diese 40 'überweltlichen' (lokuttara) Zustände, mit den übrigbleibenden 81 'weltlichen' (lokiya) Zuständen (siehe Tabelle I) zusammen, 121 Bewußtseinszustände). Hierunter nun ist - die mit der fünften Vertiefung verbundenen 8 überweltlichen Bewußtseinsklassen (weil ohne Frohsinn) abgerechnet - der Frohsinn mit den übrigen 32 durch heilsames Karma gewirkten Bewußtseinsarten verbunden.

 

'Trübsal' (domanassa) ist verbunden mit 2 karmisch-unheilsamen (haßvollen, 30, 31) Bewußtseinsarten.

 

'Indifferenz' (upekkhā) ist verbunden mit den übrigen 55 Bewußtseinsarten (die mit der fünften Vertiefung verbundenen überweltlichen Zustände einschließend).

 

Hierunter nun hat 'Wohlgefühl' (sukha) das Merkmal, daß es erwünschte Körpereindrücke empfindet. Sein Wesen besteht im Anwachsenlassen (upabrūhana) der damit verbundenen Phänomene, seine Äußerung im körperlichen Genießen, seine Grundlage bildet die Fähigkeit des Körpersinnes.

 

Das 'Schmerzgefühl' (dukkha) hat das Merkmal, daß es unerwünschte Körpereindrücke empfindet. Sein Wesen besteht im Erschlaffenlassen der damit verbundenen Phänomene, seine Äußerung in körperlicher Bedrückung, seine Grundlage bildet die Fähigkeit des Körpersinnes.

 

'Frohsinn' (somanassa) hat das Merkmal, daß er erwünschte Objekte empfindet. Sein Wesen besteht darin daß er auf diese oder jene Weise den erwünschten Zustand erlebt, seine Äußerung im geistigen Genießen, seine Grundlage bildet das Gestilltsein.

 

'Trübsal' (domanassa) hat das Merkmal, daß sie unerwünschte Objekte empfindet. Ihr Wesen besteht darin, daß sie auf diese oder jene Weise den unerwünschten Zustand erlebt, ihre Äußerung in geistiger Bedrückung, ihre Grundlage bildet ausschließlich das Herz.

 

'Indifferenz' (upekkhā) hat das Merkmal, daß sie den indifferenten Zustand empfindet. Ihr Wesen besteht darin, daß sie die damit verbundenen Phänomene weder anwachsen läßt noch einschränkt, ihre Äußerung im Gestilltsein, ihre Grundlage bildet das von Interesse freie Bewußtsein.

 

Dies ist die ausführliche Besprechung der Gefühlsgruppe.

 
 


Vis. XIV. IV. Die Wahrnehmungsgruppe (saññā-kkhandha)
 
 

"Was immer das Merkmal des Wahrnehmens besitzt, das alles zusammengefaßt hat man als die Wahrnehmungsgruppe zu betrachten": in diesem Ausspruche wiederum gilt das durch Wahrnehmen sich Kennzeichnende als die Wahrnehmung. Wie es heißt (1.c.): "Weil sie wahrnimmt, o Bruder, weil sie wahrnimmt, darum nennt man sie die Wahrnehmung."

 

Obgleich diese zwar durch das Merkmal des Wahrnehmens ihrem Wesen nach nur von einer einzigen Art ist, so ist sie doch ihrer Qualität nach von dreifacher Art, nämlich:
 

    1. karmisch-heilsam (kusala),
    2. unheilsam (akusala) oder
    3. neutral (avyākata).

Darunter gilt die mit karmisch-heilsamem Bewußtsein verbundene Wahrnehmung als karmisch-heilsam, die mit karmisch-unheilsamem Bewußtsein verbundene als karmisch-unheilsam, die mit karmisch-neutralem Bewußtsein verbundene als karmisch-neutral. "Nicht wahrlich gibt es ein Bewußtsein, das nicht mit Wahrnehmung verbunden wäre. Wie weit somit die Einteilung des Bewußtseins geht, so weit eben geht die der Wahrnehmung." Wenn nun aber auch letztere dieselbe Einteilung hat wie das Bewußtsein, so hat doch hinsichtlich der Merkmale usw. alle Wahrnehmung stets das Merkmal des Wahrnehmens.

 

Ihr Wesen besteht darin, daß sie Merkzeichen macht, die das Wiedererkennen ermöglichen: 'Hier ist's!', gleichwie es die Zimmerleute u.a. an Hölzern u. dgl. tun. Ihre Äußerung besteht darin, daß sie an dem Merkzeichen, so wie sie es aufgefaßt hat, festhält, gleichwie es die Blinden tun beim Erkennen von Elefanten usw. Ihre Grundlage bilden die Objekte, so wie sie ihr erscheinen, gleichwie es des Fall ist, wenn den jungen Hirschen beim Erblicken einer Vogelscheuche die Vorstellung 'Mensch!' aufsteigt.

 

Hier endet die ausführliche Besprechung der Wahrnehmungsgruppe.


Vis. XIV. V. Die Formationengruppe (sankhāra-kkhandha)
 
 

"Was immer das Merkmal des (geistigen) Gestaltens (abhisankharana) besitzt, das alles zusammengefaßt hat man als die Formationengruppe zu betrachten": in diesem Ausspruche bedeutet das 'Merkmal des Gestaltens' soviel wie das 'Merkmal des Anhäufens'. Was aber soll das bezeichnen? Eben die Geistesformationen.

 

Wie es heißt (S.32.79): "Weil sie das Gestaltete gestalten (sankhatam abhisankharonti), o Mönch, darum nennt man sie die Gestaltungen oder Formationen."
 

 

Wenn nun aber auch die Geistesformationen auf diese Weise hinsichtlich ihrer Merkmale usw. von einer einzigen Art sind, so sind sich dennoch ihrer Qualität nach von dreifacher Art:
 

Darunter sind die mit heilsamem Bewußtsein verbundenen Formationen karmisch-heilsam, die mit unheilsamem Bewußtsein verbundenen karmisch-unheilsam, die mit neutralem Bewußtsein verbundenen karmisch-neutral.


Formationsgruppe in Verbindung mit karmisch-heilsamem - 'kusala' - Bewußtsein

 

(1) Mit dem ersten heilsamen Bewußtseinszustand der Sinnensphäre sind verbunden 27 in ihrer ursprünglichen Lautform überlieferte konstante (stets auftretende) Formationen, 4 supplementäre (*) und 5 inkonstante (gelegentlich auftretende), zusammen also 36 (**).

 

 

(*)'ye-vā-pana-ka', das sind jene Geistesformationen, die in Dhs. bei Aufzählung der mit den verschiedenen Bewußtseinszuständen verbundenen Geistesfaktoren nicht besonders erwähnt, sondern am Schlusse der Aufzählung nur angedeutet werden mit den Worten: "oder aber welche" (ye vā pana), d.i. welche anderen Erscheinungen noch bei dieser Gelegenheit anwesend sind.

(**)In Wirklichkeit können mit dem 1. Bewußtseinszustande im Höchstfall jedesmal nur 32 Formationen verbunden sein, denn von den nur gelegentlich auftretenden 5 inkonstanten (aniyata) Formationen kann jedesmal bloß ein einziger anwesend sein. Vergl. Tab. II.

 
Hierunter sind die 27 in ihrer ursprünglichen Lautform überlieferten Formationen folgende:

    1. Bewußtseinseindruck (phassa)
    2. Wille (cetanā)
    3. Gedankenfassung (vitakka)
    4. Diskursives Denken (vicāra)
    5. Interesse (Verzückung) (pīti)
    6. Willenskraft (viriya)
    7. (geistiges) Leben (jīvita)
    8. Sammlung (samādhi)
    9. Vertrauen (saddhā)
    10. Achtsamkeit (sati)
    11. Schamgefühl (hiri)
    12. Gewissensscheu (ottappa)
    13. Gierlosigkeit (alobha)
    14. Haßlosigkeit (adosa)
    15. Unverblendung (amoha)
    16. Gelassenheit der Geistesfaktoren (kāya-passaddhi)
    17. Gelassenheit des Bewußtseins (citta-passaddhi)
    18. Beweglichkeit der Geistesfaktoren (kāya-lahutā)
    19. Beweglichkeit des Bewußtseins (citta-lahutā)
    20. Geschmeidigkeit der Geistesfaktoren (kāya-mudutā)
    21. Geschmeidigkeit des Bewußtseins (citta-mudutā)
    22. Gefügigkeit der Geistesfaktoren (kāya-kammaññatā)
    23. Gefügigkeit des Bewußtseins (citta-kammaññatā)
    24. Geschultheit der Geistesfaktoren (kāya-pāguññatā)
    25. Geschultheit des Bewußtseins (citta-pāguññatā)
    26. Geradheit der Geistesfaktoren (kāyujukatā)
    27. Geradheit des Bewußtseins (cittujukatā)

 

Die 4 supplementären Geistesformationen sind:
 

Die 5 inkonstanten Geistesformationen sind:
 

Diese letzteren Geistesformationen gelten deshalb als inkonstant, weil sie bloß dann und wann aufsteigen; und auch wenn sie aufsteigen, dann nie zusammen.

 
Als 'Bewußtseinseindruck' (phassa) gilt dabei die Tatsache des Berührens. Sein Merkmal besteht im Berühren, sein Wesen im Zusammenstoßen, seine Äußerung im Verbinden, seine Grundlage in dem in den Sinnenkreis gelangten Objekte. Obwohl der Bewußtseinseindruck ein unkörperliches Phänomen ist, so tritt er dennoch stets auf als das das Objekt Berührende. Auch wenn es mit diesem an keiner Stelle in (physische) Verbindung tritt, ebenso wenig wie es der Fall ist bei Auge und Sehobjekt, Ohr und Hörobjekt, so bewirkt es dennoch den Kontakt des Bewußtseins mit dem Objekte. Insofern der Bewußtseinseindruck auf Grund seines als das Zusammentreffen von drei Dingen (Sinnenorgan, Objekt, Bewußtsein) geltenden eigenen Wirkens bekannt ist, gilt das Zusammentreffen (der drei Dinge) als seine Äußerung. Weil nun auf Grund solches angemessenen Zusammenwirkens und auf Grund der Sinnenorgane, sobald das Objekt bereit ist, der Bewußtseinseindruck ungehindert aufsteigt, darum sagt man, daß das in das Sinnengebiet eingetretene Objekt seine Grundlage bildet, Weil auf dem Bewußtseinseindruck das Gefühl beruht, ist er wie eine Kuh ohne Haut zu betrachten (S.12.63).

 

'Wille' (cetanā) ist das, was eine Absicht ausdrückt (cetayati, Caus Öcit denken, beabsichtigen) oder was zusammenfügt. Er hat den Willenszustand (Willenstätigkeit) als Merkmal, das Aufschichten als Wesen, und das Anordnen als Äußerung, indem er sowohl die eigenen als auch fremden Angelegenheiten erledigt, gleichwie ein ältester Schüler oder ein Zimmermeister usw. Ganz deutlich ist er, wenn er beim Auftreten in dringenden Handlungen oder bei Erinnerung u. dgl. den mit ihm verbundenen Erscheinungen Beistand leistet.

 

Was über 'Gedankenfassung' (vitakka), 'Diskursives Denken' (vicāra) und 'Interesse' (pīti) zu sagen sein möchte, wurde alles bereits bei Beschreibung der ersten Vertiefung in dem Erdkasina-Kapitel dargelegt.

 

Als 'Willenskraft' (viriya) gilt die Mannhaftigkeit (vīra-bhāva). Ihr Merkmal besteht in der Anstrengung, ihr Wesen im Unterstützen der gleichzeitig damit entstandenen Erscheinungen, ihre Äußerung im Nichterlahmen, ihre Grundlage in den Anlässen zur Kraftanstrengung oder im Ergriffensein gemäß den Worten: "Ergriffen strengt er sich weise an." Als die Wurzel alles Erfolges hat man die rechte Kraftanspannung aufzufassen.

 

Als Lebensfähigkeit (jīvita; hier die geistige Lebensfähigkeit, nāma- jīvitindriya) gilt das, auf Grund dessen man lebt, oder das, wodurch es selber lebt, oder einfach die bloße Tatsache des Lebens. Ihre Merkmale usw. sind entsprechend der für die körperliche Lebensfähigkeit (rūpa-jīvitindriya) gegebenen Erklärung zu verstehen. Jene nämlich ist die Lebenskraft der körperlichen Erscheinungen, diese der unkörperlichen Erscheinungen. Dies ist der bloße Unterschied.

 
Als 'Sammlung' (samādhi) gilt es, wenn der Geist mit dem Objekte völlig (samam) oder recht (sammā) zusammengefügt (ā-dhiyati, Pass. Ödhā) ist, oder einfach die Tatsache des Fest-zusammen-gefügtseins des Geistes. Ihr Merkmal besteht darin, daß sie nicht auseinandergeht (a-visāra) oder sich nicht zerstreut (a-vikkhepa), ihr Wesen darin daß sie die gleichzeitig damit entstandenen Erscheinungen zusammenballt, gleichwie das Wasser die Badeseife. Ihre Äußerung besteht im Gestilltsein, ihre Grundlage bildet hauptsächlich das Glücksgefühl. Als die der Unbeweglichkeit von Lampenlichtern bei Windstille gleichende Beständigkeit des Geistes hat man die Sammlung zu betrachten.

 

Als 'Vertrauen' (saddhā) gilt das, auf Grund dessen man vertraut, oder das, was selber vertraut, oder einfach die bloße Tatsache des Vertrauens. Das Merkmal des Vertrauens besteht darin, daß man auf etwas Vertrauen setzt - oder dazu Zuversicht hat. Sein Wesen besteht darin, daß es läuternd wirkt wie der das Wasser klärende Edelstein, oder daß es vorwärtsdrängt wie bei einer Flutüberkreuzung (s.Snp.184). Seine Äußerung besteht in Ungetrübtheit oder Hingebung, seine Grundlage in vertrauenerweckenden Anlässen oder in den Gliedern des Stromeintritts, wie Hören des Guten Gesetzes, edlem Umgang, weisem Aufmerken und befolgen der Lehre. Als eine Hand (,die Heilsames ergreift'), als Reichtum (Snp.182) und als Samen (,der gute Früchte hervorbringt') (Snp.184) hat man das Vertrauen zu betrachten.

 

Als 'Achtsamkeit" (sati; urspr. Erinnerung, dann Eingedenksein, Gewärtigsein usw.) gilt das, auf Grund dessen man eingedenk ist, oder das, was selber eingedenk ist, oder einfach die bloße Tatsache des Eingedenkseins. Ihr Merkmal besteht darin, daß sie nicht verschwimmt (apilāpana), ihr Wesen, daß sie nicht vergißt, ihre Äußerung, daß sie einen Schutz bietet oder das Objekt vor Augen hat, ihre Grundlage in klarer Wahrnehmung oder in den Grundlagen der Achtsamkeit, d.i. der Betrachtung über Körper, Gefühl, Bewußtsein und Geistobjekte (s.M.10). Wie einen Pfeiler hat man die Achtsamkeit zu betrachten, da sie fest auf dem Objekte gegründet ist; oder wie einen Torhüter, insofern sie über die Sinnenpforten wacht.

 

'Schamgefühl' (hiri) ist das Sichschämen vor bösem Wandel in Werken, Worten und Gedanken und ist eine Bezeichnung für Sittlichkeitsempfinden.

 

'Gewissensscheu' (ottappa) ist das Sichscheuen vor eben jenen Dingen und ist eine Bezeichnung des Zurückschreckens vor dem Bösen.

 

'Schamgefühl' hat dabei als Merkmal das Sichekeln vor dem Bösen, 'Gewissensscheu' das Sichscheuen davor. Schamgefühl hat als Wesen das Nichttun des Bösen aus Sittlichkeitsempfinden, Gewissensscheu aus Scheu davor. Genau in der besagten Weise haben diese Eigenschaften als Äußerung das Sichverschließen gegen das Böse, als Grundlagen aber die Achtung vor sich selber, bzw. vor den anderen. Indem man sich nämlich selber achtet, gibt man, genau wie eine vornehme Schwiegertochter, aus Schamgefühl das Böse auf; indem man aber die anderen achtet, gibt man, genau wie eine Hetäre, aus Gewissensscheu das Böse auf. Schamgefühl und Gewissenscheu, diese beiden Dinge sind als die Beschirmer der Welt zu betrachten.

 

'Als 'Gierlosigkeit' (a-lobha) gilt das, auf Grund dessen man nicht giert, oder das, was selber nicht giert, oder einfach die bloße Tatsache des Nichtgierens. Die entsprechende Erklärung gilt auch für 'Haßlosigkeit' (a-dosa) und 'Unverblendung' (a-moha).

 

Unter diesen nun hat 'Gierlosigkeit' als Merkmal, daß der Geist nach dem Objekte keine Gier hat oder daß er nicht daran haftet, gerade wie der Wassertropfen nicht am Lotusblatte haftet. Ihr Wesen besteht darin, daß sie, gerade wie der erlöste Mönch, nach nichts verlangt; ihre Äußerung darin, daß sie sich an nichts klammert, gerade wie der in den Kot gefallene Mann sich nicht an den Kot klammert.

 

Die 'Haßlosigkeit' (a-dosa) hat als Merkmal die Abwesenheit von Heftigkeit und Feindseligkeit genau wie ein liebevoller Freund, als Wesen, daß sie wie Sandelholz ist und Aufgebrachtheit und Ereiferung vertreibt, als Äußerung, daß sie mild ist wie der Vollmond.

 

Die 'Unverblendung' (a-moha) hat als Merkmal, daß sie die Dinge der Wirklichkeit gemäß und unfehlbar durchdringt, gerade wie der von einem geschickten Bogenschützen abgeschossene Pfeil. Ihr Wesen besteht darin, daß sie wie eine Lampe die Dinge beleuchtet, ihre Äußerung, daß sie frei ist von geistiger Verwirrung wie der im Walde befindliche erfahrene Führer.

Als die Wurzeln aller karmisch-heilsamen Zustände sind obige drei Eigenschaften zu betrachten.

 

Als 'Gelassenheit der Geistesfaktoren' (kāya-passaddhi) gilt ihr Gestilltsein, als 'Gelassenheit des Bewußtseins' (citta-passaddhi) gilt das Gestilltsein des Bewußtseins. Mit Geistesfaktoren (kāya, eig. geist. Gruppe) sind hier die drei Gruppen Gefühl, Wahrnehmung und Geistesformationen gemeint. Zusammengefaßt haben diese beiden Eigenschaften das Merkmal, daß sie die Beklemmungen der Geistesfaktoren und des Bewußtseins zur Ruhe bringen. Ihr Wesen besteht darin, daß sie die Beklemmung der Geistesfaktoren und des Bewußtseins unterdrücken, ihre Äußerung, daß die Geistesfaktoren und das Bewußtsein nicht erbeben und daß sie abgekühlt sind. Ihre Grundlage bilden die Geistesfaktoren und das Bewußtsein. Als Feinde der die Geistesfaktoren und das Bewußtsein unruhig machenden Aufgeregtheit und übrigen Trübungen, so hat man diese beiden Eigenschaften zu betrachten.

 

Als 'Beweglichkeit der Geistesfaktoren' (kāya-lahutā) gilt die Gelenkigkeit der Geistesfaktoren, als 'Beweglichkeit des Bewußtseins' (citta-lahutā) die Gelenkigkeit des Bewußtseins. Beide Eigenschaften haben als Merkmal, daß sie die Schwere der Geistesfaktoren und des Bewußtseins aufheben. Ihr Wesen besteht darin, daß sie die Schwere der Geistesfaktoren und des Bewußtseins unterdrücken, ihre Äußerung im Freisein von Schwerfälligkeit. Ihre Grundlagen bilden die Geistesfaktoren und das Bewußtsein. Als Feinde der die Geistesfaktoren und das Bewußtsein schwerfällig machenden Trübungen, wie Starre, Mattheit usw., so hat man diese beiden Eigenschaften zu betrachten.

 

Als 'Geschmeidigkeit der Geistesfaktoren' (kāya-mudutā) gilt die Nachgiebigkeit der Geistesfaktoren, als 'Geschmeidigkeit des Bewußtseins' (citta-mudutā) die Nachgiebigkeit des Bewußtseins. Beide Eigenschaften haben als Merkmal, daß sie die Starre der Geistesfaktoren und des Bewußtseins aufheben, als Wesen, daß sie ihre Härte zerstören, als Äußerung, daß sie keinen Widerstand entgegensetzen. Ihre Grundlagen bilden die Geistesfaktoren und das Bewußtsein. Als Feinde der die Geistesfaktoren und das Bewußtsein starr machenden Trübungen, wie Ansichten, Dünkel, usw., so hat man diese beiden Eigenschaften zu betrachten.

 

Als 'Gefügigkeit der Geistesfaktoren' (kāya-kammaññatā) gilt die Bearbeitbarkeit der Geistesfaktoren, als 'Gefügigkeit des Bewußtseins' (citta-kammaññatā) die Bearbeitbarkeit des Bewußtseins. Beide Eigenschaften haben als Merkmal, daß sie die Ungefügigkeit der Geistesfaktoren und des Bewußtseins aufheben, als Wesen, daß sie diese Dinge zerstören, als Äußerung, daß die Geistesfaktoren und das Bewußtsein in den Stand gesetzt werden, die Objekte zu erfassen. Ihre Grundlagen bilden die Geistesfaktoren und das Bewußtsein. Als Feinde der die Geistesfaktoren und das Bewußtsein ungefügig machenden Hemmungen (d.i. sinnliche Gier usw.) und übrigen Dinge, so hat man diese beiden Eigenschaften zu betrachten, als das, was zu den vertrauenswürdigen Dingen Zuversicht erzeugt und, wie die Lauterkeit des Goldes, dazu fähig macht, zu nützlichen Werken verwendet zu werden.

 

Als 'Geschultheit der Geistesfaktoren' (kāya-pāguññatā) gilt es, wenn die Geistesfaktoren geübt sind, als 'Geschultheit des Bewußtseins' (citta-pāguññatā), wenn das Bewußtsein geübt ist. Beide Eigenschaften haben als Merkmal das Ungeschwächtsein der Geistesfaktoren und des Bewußtseins. Ihr Wesen besteht darin, daß sie die Kränklichkeit der Geistesfaktoren und des Bewußtseins zurückdrängen, ihre Äußerung im Freisein von Schwäche. Ihre Grundlagen bilden die Geistesfaktoren und das Bewußtsein. Als Feinde der die Geistesfaktoren und das Bewußtsein kränklich machenden Dinge, wie Vertrauenslosigkeit usw., als solche hat man diese beiden Eigenschaften zu betrachten.

 

Als 'Geradheit der Geistesfaktoren' (kāyujukatā) gilt es, wenn die Geistesfaktoren geradeaus gerichtet sind, als 'Geradheit des Bewußtseins' (cittujukatā), wenn das Bewußtsein geradeaus gerichtet ist. Beide Eigenschaften haben als Merkmal die Zielstrebigkeit der Geistesfaktoren und des Bewußtseins. Ihr Wesen besteht darin, daß sie bei den Geistesfaktoren und dem Bewußtsein die Krummheiten zerstören, ihre Äußerung im Unverkrümmtsein, während die Geistesfaktoren und das Bewußtsein ihre Grundlage bilden. Als Feinde der die Geistesfaktoren und das Bewußtsein krummachenden Gleisnerei, Hinterlist usw., so hat man diese beiden Eigenschaften zu betrachten.

 

'Absicht' (chanda) ist eine Bezeichnung für den Wunsch zu handeln. Damit hat Absicht als Merkmal den Wunsch zu handeln, als Wesen das Suchen nach dem Objekte, als Äußerung das Bedürfnis nach dem Objekte. Und eben dieses bildet ihre Grundlage. Die Absicht beim Erfassen des Objektes durch den Geist ist mit dem Ausstrecken der Hand zu vergleichen.

 

Als 'Entschluß' (adhimokkha) gilt das Sichentscheiden. Als Merkmal hat er das Treffen einer Entscheidung, als Wesen, daß er nicht zögert, als Äußerung das Beschlußfassen, als Grundlage die der Entscheidung harrenden Dinge. Wegen seiner Unerschütterlichkeit hinsichtlich des Objektes hat man ihn gleichsam als Indrasäule (Grenzpfosten) zu betrachten.

 

'Geistiges Aufmerken' (manasi-kāra) ist das Ausüben einer Tätigkeit, ist eine Tätigkeit im Geiste. Oder auch, als geistiges Aufmerken gilt es, wenn man ein dem früheren Bewußtsein unähnliches (neues) Bewußtsein hervorruft. Geistiges Aufmerken zeigt sich als von dreierlei Art: als Lenker des Objektes (ārammana-patipādaka), als Lenker des Bewußtseinsprozesses (vīthi) und als Stütze der Impulsivmomente (javana). Hierunter nun hat jenes Geistige Aufmerken, das in der das Objekt lenkenden Tätigkeit im Geiste besteht, als Merkmal, daß es die Erinnerung wachruft, als Wesen, daß es die damit verbundenen Erscheinungen mit dem Objekte verbindet, als Äußerung, daß es auf das Objekt gerichtet ist, und seine Grundlage bildet das Objekt. In der Gruppe der Geistformationen eingeschlossen, hat man jenes geistige Aufmerken wegen seines Lenkens des Objektes gleichsam als den Lenker der damit verbundenen Erscheinungen zu betrachten. Als 'Lenker des Bewußtseinsprozesses' aber ist es eine Bezeichnung des 'Aufmerkens an den fünf Sinnenpforten' (pañca-dvārāvajjana), während es als Lenker der Impulsivmomente' (javana) das 'Aufmerken an der Geistespforte' (mano-dvārāvajjana) bezeichnet. Diese beiden letzteren sind hier nicht gemeint.

 

Als 'Allgleichmut' (tatra-majjhata-tā, eig. 'Dabei-in-der-Mitte-stehen') gilt das 'Einhalten der Mitte bei (allen) jenen Dingen'. Dieser Allgleichmut hat als Merkmal, daß er bei dem Bewußtsein und den geistigen Dingen das Ebenmaß herbeiführt, als Wesen, daß er das Mehr oder Weniger hemmt oder daß er alle Parteilichkeit aufhebt, als Äußerung, daß er die Mitte einhält. Insofern der Allgleichmut das Bewußtsein und die geistigen Dinge gleichmütig betrachtet, hat man ihn mit einem Rosselenker zu vergleichen, der unbesorgt ist um die gleichmäßig dahineilenden edlen Rosse.

 

'Mitleid' (karunā) und 'Mitfreude' (muditā) hat man in der in der Darstelltung der Göttlichen Verweilungszustände (IX) angegebenen Weise zu verstehen, bloß daß diese Eigenschaften dort mit der Erreichung der Vollen Sammlung (appanā) verbunden sind und der Feinkörperlichen Sphäre angehören, während sie hier der Sinnensphäre angehören. Dies ist ihr einziger Unterschied. Einige möchten auch Güte (mettā) und Gleichmut (upekkhā) zu den 'unbeständigen' Eigenschaften rechnen. Dies ist nicht zu billigen. Dem Sinne nach nämlich ist Güte (mettā) dasselbe wie (die mit allem heilsamen Bewußtsein untrennbar verbundene) Haßlosigkeit (adosa), und Gleichmut (upekkhā) dasselbe wie Allgleichmut (tatra-majjhattatā).

 

Was die 'Enthaltsamkeit von bösem Wandel in Werken (kāya-duccarita-virati), die 'Enthaltsamkeit von bösem Wandel in Worten' (vacī-duccarita) und die 'Enthaltsamkeit von bösem Lebensunterhalt' (micchā-jīva) anbetrifft, so haben diese drei Dinge als Merkmal das Nichtausschreiten in solchen Dingen wie schlechtem Wandel in Werken usw., d.h. das Nichtbetreten solcher Gebiete, während ihr Wesen im Zurückweichen vor solchen Dingen besteht, ihre Äußerung im Sichenthalten davon, ihre Grundlagen in Vertrauen, Schamgefühl, Gewissenscheu, Bedürfnislosigkeit und ähnlichen Tugenden. Als entstanden durch das Abgewandtsein des Geistes von üblem Wirken hat man diese drei Eigenschaften aufzufassen.

 

Somit also sind, wie man sich zu merken hat, eben diese 36  Geistesformationen mit dem ersten karmisch-heilsamen (kusala) Bewußtseinszustande der Sinnensphäre verbunden.

 

 

(2) Genau nun wie mit dem ersten, so sind diese 36 Formationen auch mit dem zweiten heilsamen Bewußtseinszustande verbunden. Der einzige Unterschied besteht darin, daß letzterer Zustand vorbereitet (sa-sankhāra) ist.

 

(3) Mit dem dritten heilsamen Bewußtseinszustande aber sind - Unverblendung ausgenommen - alle übrigen Geistesformationen verbunden.

 

(4) Genau so ist es mit dem vierten Bewußtseinszustande. Der Unterschied besteht hier bloß im Vorbereitetsein.

 

(5) Von den beim ersten Bewußtseinszustande genannten Formationen das 'Interesse' ausnehmend, sind alle übrigen 35 Formationen mit dem fünften Bewußtseinszustande verbunden.

 

(6) Wie mit dem fünften, so ist es auch mit dem sechsten Bewußtseinszustande. Der einzige Unterschied besteht darin, daß letzterer vorbereitet ist.

 

(7) Mit dem siebenten Bewußtseinszustande aber sind, mit (fernerer) Ausnahme von Unverblendung (Wissen), alle übrigen 34 Formationen verbunden.

 

(8) Ebenso ist es mit dem achten Bewußtseinszustand, der sich nur dadurch unterscheidet, daß er vorbereitet ist.

 

(9 bis 13) Von den beim ersten Bewußtseinszustande genannten Formationen die 3 Enthaltsamkeiten ausnehmend, treten alle übrigbleibenden 33 mit dem ersten karmisch-heilsamen Zustande der Feinkörperlichen Sphäre (rūpāvacara) in Verbindung; (10) sodann ohne 'Gedankenfassung' (vitakka) (d.i. 32 Formationen) mit dem zweiten; (11) dann ohne 'Diskursives Denken' (vicāra) (d.i. 31 Formationen) mit dem dritten; (12) dann ohne 'Interesse' (pīti) (d.i. 30 Formationen) mit dem vierten; (13) dann von den inkonstanten (gelegentlich anwesenden) Formationen 'Mitleid' und 'Mitfreude' ausnehmend (d.i. 28 Formationen) mit dem fünften.

 

(14 bis 17) Genau dieselben 28 Formationen sind mit den vier heilsamen Zuständen der Unkörperlichen Sphäre (arūpāvacara) verbunden; den einzigen Unterschied bildet bloß die Tatsache, daß es sich hier um die Unkörperliche Sphäre handelt.

 

(18 bis 21). Hinsichtlich der überweltlichen Zustände (lokuttara) sind in dem mit der ersten Vertiefung verbundenen Pfadbewußtsein die Formationen ganz wie in der betreffs des ersten Bewußtseinszustandes der Feinkörperlichen Sphäre (9) gegebenen Erklärung zu verstehen; und in dem mit den übrigen vier Vertiefungen verbundenen Pfadbewußtsein genau wie in der betreffs der zweiten und der übrigen Vertiefungen gegebenen Weise. Der einzige Unterschied hierbei besteht im Fehlen von 'Mitleid' und 'Mitfreude' und in konstanter (stets anwesender) Enthaltsamkeit und in Überweltlichkeit.

Auf diese Weise hat man die karmisch-heilsamen Formationen zu verstehen.


Formationsgruppe in Verbindung mit karmisch-unheilsamem - akusala - Bewußtsein

 

(22) Was da die karmisch-unheilsamen Bewußtseinszustände betrifft, so sind mit dem in Gier wurzelnden (lobha-mūla) ersten unheilsamen Bewußtseinszustande 17 Formationen verbunden, nämlich 13 konstante in ihrer ursprünglichen Lautform erscheinende Formationen und 4 supplementäre.

 

Die 13 in ihrer ursprünglichen Lautform erscheinenden Formationen sind hierbei folgende:

    1. Bewußtseinseindruck (phassa)
    2. Wille (cetanā)
    3. Gedankenfassung (vitakka)
    4. Diskursives Denken (vicāra)
    5. Interesse (pīti)
    6. Willenskraft (viriya)
    7. Lebensfähigkeit (jīvita)
    8. Sammlung (samādhi)
    9. Schamlosigkeit (ahirika)
    10. Gewissenlosigkeit (anottappa)
    11. Gier (lobha)
    12. Verblendung (moha)
    13. Verkehrte Ansicht (micchā-ditthi)

Die 4 supplementären Formationen sind:

    1. Absicht (chanda)
    2. Entschluß (adhimokkha)
    3. Aufgeregtheit (uddhacca)
    4. Geistiges Aufmerken (manasikāra)

'Schamlos' ist da einer, der keine Scham empfindet. Der Zustand des Schamlosen aber ist die 'Schamlosigkeit' (ahirika). Daß man keine Gewissensscheu empfindet, gilt als 'Gewissenlosigkeit' (anottappa).

Unter diesen beiden Geistesformationen hat die 'Schamlosigkeit' (ahirika) als Merkmal das Sichnichtekeln vor schlechtem Wandel in Werken, Worten und Gedanken, den Mangel an Sittlichkeitsempfinden; die 'Gewissenlosigkeit' (anottappa) aber das Fehlen von Scheu und Angst vor jenen Dingen. Dies ist die kurze Erklärung. Die ausführliche Erklärung aber ist in dem der obigen Erklärung von Schamgefühl und Gewissensscheu entgegengesetzten Sinne zu verstehen.

 

'Gier' (lobha) ist das, auf Grund dessen man giert, oder das, was selber giert, oder einfach die bloße Tatsache des Gierens.

 

'Verblendung' (moha) ist das, auf Grund dessen man verblendet ist, oder das, was selber verblendet ist, oder einfach die bloße Tatsache des Verblendetseins.

Von diesen beiden Geistesformationen hat 'Gier' als Merkmal, daß sie die Objekte festhält wie eine Leimrute für Affen, als Wesen, daß sie wie ein in eine heiße Bratpfanne geworfenes Stück Fleisch anhaftet, als Äußerung, daß sie wie Ölfarbe sich nicht loslöst, als Grundlage, daß sie bei fesselnden Dingen nur den Genuß sieht. Gleichwie der Fluß mit seinen reißenden Fluten alles zum Meere hintreibt, so auch reißt die zum Begehrensstrome anschwellende Gier den Menschen in niedere Welt hinab. So hat man die Gier zu betrachten.

 

'Verblendung' (moha) hat als Merkmal die Blindheit und Unwissenheit des Geistes, als Wesen das Nichtdurchdringen (d.i. das Nichtverstehen des Objektes); sie verhüllt die wahre Natur der Objekte. Ihre Äußerung besteht in unrechtem Wandel und darin, daß sie einen verblendet, ihre Grundlage aber in unweisem Aufmerken. Als Wurzel aller unheilsamen Dinge hat man die Verblendung zu betrachten.

 

'Verkehrte Ansicht' (micchā-ditthi) ist das, auf Grund dessen man die Dinge verkehrt sieht, oder das, was selber verkehrt sieht, oder einfach das verkehrte Sehen. Die verkehrte Ansicht hat als Merkmal das unweise Sichanklammern (oder: Interpretieren), als Wesen das Festhalten (oder: Vorurteil), als Äußerung das verkehrte Sichanklammern (oder: Interpretieren), als Grundlage das Nichtsehenwollen von edlen Menschen usw. Als größtes Übel hat man verkehrte Ansicht zu betrachten.

 

Als 'Aufgeregtheit' (uddhacca) gilt die Zerfahrenheit. Die Aufgeregtheit hat als Merkmal die Ruhelosigkeit gleichwie das beim Windsturme erregte Wasser, als Wesen die Unbeständigkeit gleichwie eine im Windsturme flatternde Fahne, als Äußerung das Umherirren gleichwie die durch einen Steinwurf aufgewirbelte Asche, als Grundlage das unweise Aufmerken bei geistiger Unruhe. Als Verwirrtheit des Geistes hat man die Aufgeregtheit zu betrachten.

 

Die übrigen Formationen (Bewußtseinseindruck, Gefühl usw.) hat man gemäß der bei den heilsamen Bewußtseinszuständen gegebenen Erklärung zu verstehen. Sie unterscheiden sich davon bloß durch ihr karmisches Unheilsamsein und ihre dadurch bedingte Minderwertigkeit. Somit sind, wie man sich zu merken hat, diese 17 Formationen mit dem ersten unheilsamen Bewußtseinszustande verbunden.

 

Und was für diesen ersten (unheilsamen) Bewußtseinszustand gilt, gilt auch für den zweiten, bloß daß letzterer sich durch das Vorbereitetsein unterscheidet und daß darin Starrheit und Mattheit als inkonstante (gelegentliche) Formationen vorkommen.

 

Als 'Starrheit' (thīna) gilt hierbei der Zustand des Starrseins (des Geistes), als 'Mattheit' (middha) der Zustand des (geistigen) Ermattetseins. Der Sinn ist der des Verschrumpftseins (Verhärtetseins) durch Nichtanstrengung und Lähmung der Kraft. Von diesen beiden Eigenschaften hat 'Starrheit' (thīna) als Merkmal den Mangel an Anstrengung, als Wesen die Vermeidung von Tatkraft, als Äußerung das (untätige) Absinken. Die 'Mattheit' (middha) aber hat als Merkmal die Ungefügigkeit, als Wesen das Verschleiertsein, als Äußerung die Schlappheit oder die Dösigkeit und Verschlafenheit. Die Grundlage beider bildet das nicht weise Aufmerken bei Unlust, Gähnen usw.

 

Von den im ersten unheilsamen Bewußtseinszustand (22) erwähnten Formationen 'verkehrte Ansicht' ausnehmend, sind alle übrigen 18 als mit dem dritten karmisch-unheilsamen Bewußtseinszustande verbunden zu betrachten. Der 'Dünkel' aber kommt darin als inkonstante (gelegentliche) Formation vor. Dies ist der Unterschied.

 

'Dünkel' (māna) hat als Merkmal die Aufgeblasenheit, als Wesen die Anmaßung, als Äußerung den Wunsch zu glänzen, als Grundlage die von Ansichten nicht begleitete Gier. Als einen Wahnsinn hat man den Dünkel zu betrachten.

 

(25) Von den beim zweiten Bewußtseinszustande genannten Formationen 'verkehrte Ansicht' ausnehmend, sind alle übrigen als mit dem vierten karmisch-unheilsamen Bewußtseinszustande verbunden zu betrachten. Auch hier wieder kommt von den inkonstanten Eigenschaften der 'Dünkel' vor.

 

(26) Von den beim ersten unheilsamen Zustande genannten Formationen aber 'Interesse' ausnehmend, sind alle übrigen mit dem fünften Bewußtseinszustande verbunden.

 

(27) Was aber für den fünften Bewußtseinszustand gilt, gilt auch für den sechsten, bloß daß dieser sich durch das Vorbereitetsein und das gelegentliche Vorkommen der 'Starrheit' und 'Mattheit' unterscheidet.

 

(28) Von dem beim fünften Zustande genannten Formationen 'verkehrte Ansicht' ausnehmend, sind alle übrigen als mit dem siebenten Zustand verbunden zu betrachten. Der Dünkel aber kommt hier gelegentlich vor.

 

(29) Von den im sechsten Bewußtseinszustande genannten Formationen die 'verkehrte Ansicht' ausnehmend, sind alle übrigen als mit dem achten Zustande verbunden zu betrachten. Aber auch hier kommt von den inkonstanten Formationen der 'Dünkel' vor.

 

(30) Was die beiden in 'Haß wurzelnden' (dosa-mūla) Bewußtseinszustände aber anbetrifft, so sind mit dem ersteren Zustande 18 Formationen verbunden, nämlich 11 konstante in ihrer ursprünglichen Lautform erscheinende, 4 supplementäre und 3 inkonstante.

 

Die 11 in ihrer ursprünglichen Lautform erscheinenden Formationen sind:

    1. Bewußtseinseindruck (phassa)
    2. Wille (cetanā)
    3. Gedankenfassung (vitakka)
    4. Diskursives Denken (vicāra)
    5. Willenskraft (viriya)
    6. Leben (jīvita)
    7. Sammlung (samādhi)
    8. Schamlosigkeit (ahirika)
    9. Gewissenlosigkeit (anottappa)
    10. Haß (dosa)
    11. Verblendung (moha)

Die 4 supplementären Formationen sind:

    1. Absicht (chanda)
    2. Entschluß (adhimokkha)
    3. Aufgeregtheit (uddhacca)
    4. Geistiges Aufmerken (manasikāra)

Die 3 inkonstanten Formationen sind:

    1. Geiz (macchariya)
    2. Neid (issā)
    3. Gewissensunruhe (kukkucca)

 

Als 'Haß' (dosa) gilt das, auf Grund dessen man haßt, oder das, was selber haßt, oder einfach das bloße Hassen. Des Haß hat als Merkmal, daß er wild ist wie eine geschlagene Giftschlange, als Wesen, daß er sich ausbreitet wie eine Vergiftung oder daß er wie ein Feuer die eigenen Stützen zerstört, als Äußerung, daß er einem Verderben bringt wie ein Feind, sobald er Gelegenheit dazu hat, als Grundlage die Anlässe zur Bosheit. Wie mit Gift gemischte Jauche hat man den Haß zu betrachten.

 

'Neid' (issa) ist Neidischsein. Der Neid hat als Merkmal das Beneiden anderer um ihr Glück, als Wesen das Mißfallen dabei, als Äußerung die Abneigung davor, seine Grundlage bildet das Glück der anderen. Als Fessel hat man den Neid zu betrachten.

 

'Geiz' (macchariya) ist das Geizigsein. - Das Merkmal des Geizes besteht darin, daß man die erlangten oder zu erlangenden Schätze geheim hält, sein Wesen darin, daß es einem nicht gefällt, jene Schätze mit den anderen zu teilen, seine Äußerung in Einschränkung und Engherzigkeit, seine Grundlage bilden die eigenen Schätze. Als Verunstaltung des Geistes hat man den Geiz zu betrachten.

 

Was in 'tadelhafter Weise' (kucchitam) getan (kata) ist, gilt als 'schlecht-getan'; und dieser (dadurch bedingte ruhelose) Zustand gilt als das 'Schlecht-getan-sein', d.i. als 'Gewissensunruhe' (kukkuccha; skr. kau-krt-ya). Das Merkmal derselben besteht in Gewissensbissen, ihr Wesen im Bedauern des Getanen und des Versäumten, ihre Äußerung im Reuegefühl, ihre Grundlage im Getanen wie im Versäumten. Als Geknechtetsein hat man die Gewissensunruhe zu betrachten.

 

Die übrigen Geistesformationen sind von der oben besprochenen Art.

 

Somit sind, wie man sich zu merken hat, diese 18 Formationen mit dem ersten im Hasse wurzelnden Bewußtseinszustande verbunden.

 

(31) Was aber für den ersten (in Haß wurzelnden) Bewußtseinszustand gilt, das gilt auch für den zweiten. Der einzige Unterschied ist bloß der, daß letzterer 'vorbereitet' ist und daß darin von den inkonstanten Formationen 'Starrheit' oder 'Mattheit' auftreten mögen.

 

(32) Was die 'in Verblendung wurzelnden' (moha-mūla) 2 Bewußtseinszustände anbetrifft, so sind mit dem von 'Zweifelsucht' begleiteten (vicikicchā-sahagata) Bewußtsein 13 Formationen verbunden, nämlich die 11 in ihrer ursprünglichen Lautform erscheinenden Formationen und 2 supplementäre.

 

Diese 11 Formationen sind:

    1. Bewußtseinseindruck (phassa)
    2. Wille (cetanā)
    3. Gedankenfassung (vitakka)
    4. Diskursives Denken (vicāra)
    5. Willenskraft (viriya)
    6. Lebensfähigkeit (jīvita)
    7. Geistiges Beharren (citta-tthiti)
    8. Schamlosigkeit (ahirika)
    9. Gewissenlosigkeit (anottappa)
    10. Verblendung (moha)
    11. Zweifelsucht (vicikicchā)

 

Die zwei supplementären Formationen sind:

    1. Aufgeregtheit (uddhacca)
    2. Geistiges Aufmerken (manasi-kāra)

 

Hierbei gilt als 'Geistiges Beharren' (citta-tthiti) die bloß für einen Augenblick beharrende schwache Sammlung (samādhi).

 

'Zweifelsucht' (vicikicchā) ist soviel wie 'Nichtverstehenwollen' (vigata-cikicchā). Die Zweifelsucht hat als Merkmal das Unschlüssigsein, als Wesen das Schwanken, als Äußerung die Unentschiedenheit oder das unsichere Zufassen, als Grundlage, daß man dem Zweifel verkehrte Aufmerksamkeit schenkt. Als Hemmung des Fortschrittes hat man die Zweifelsucht zu betrachten.

 

Die übrigen Formationen sind von der besprochenen Art.

 

(33) Von den anläßlich des zweifelverbundenen Bewußtseinszustandes genannten Formationen Zweifelsucht ausnehmend, sind die übrigen 12 Formationen mit dem von 'Aufgeregtheit' begleiteten (uddhacca-sahagata) Bewußtseinszustande verbunden. Infolge der Abwesenheit der Zweifelsucht aber tritt hier 'Entschluß' auf, sodaß wir mit diesem zusammen 13 Formationen erhalten. Dadurch aber, daß der Entschluß anwesend ist, besitzt die Sammlung größere Stärke. Was aber hier die Aufgeregtheit anbetrifft, so tritt diese hier in ihrer eigentlichen Natur auf. Als supplementäre Formationen sind Entschluß und Geistiges Aufmerken anwesend.

 

Auf diese Weise hat man die karmisch-unheilsamen Formationen zu verstehen. 


Formationen in Verbindung mit karmisch-neutralem - avyākata - Bewußtsein

 

(a) karmagewirkt (vipāka)

 

Unter den karmisch-neutralen Formationen sind die karma-gewirkten neutralen Formationen nach Einteilung in 'wurzelfreie' (a-hetuka) und 'wurzelbegleitete' (sa-hetuka) von zweifacher Art.

 

Von diesen gelten als 'wurzelfrei' (ahetuka) die mit dem wurzelfreien karmagewirkten Bewußtsein verbundenen Formationen. Dabei sind mit dem durch heilsames oder unheilsames Karma gewirkten Sehbewußtsein (34, 50) 4 in ihrer eigentlichen Natur erscheinende Formationen verbunden, nämlich:
 

    1. Bewußtseinseindruck (phassa)
    2. Wille (cetanā)
    3. Lebensfähigkeit (jīvita)
    4. Geistiges Beharren (citta-tthiti)

und als fünfte das als supplementäre Formation geltende 'Geistige Aufmerken' (manasi-kāra). Auch mit dem Hör-, Riech-, Schmeck- und Körperbewußtsein (35 bis 38; 50 bis 54) sind diese Formationen verbunden.

 

Mit den beiden karmagewirkten Geist-Elementen (mano-dhātu), - d.i. (39) dem durch heilsames und (55) dem durch unheilsames Karma gewirkten - sind dieselben Formationen verbunden, außerdem aber noch Gedankenfassung (vitakka), Diskursives Denken (vicāra)' und Entschluß (adhimokkha), zusammen also 8 Formationen.

 

(40, 41, 56) Genau so ist es mit dem dreifachen wurzelfreien Geistbewußtseins-Elemente (mano-viññāna-dhātu). Was aber das von Frohsinn begleitete Geistbewußtseins-Element (40) betrifft, so ist mit diesem noch außerdem 'Interesse' (pīti) als verbunden zu betrachten.

 

(42 bis 49) Als 'wurzelbegleitet' (sa-hetuka) aber gelten die mit dem wurzelbegleiteten karmagewirkten Bewußtsein verbundenen Formationen. Unter diesen nun sind die mit den 8 karmagewirkten Bewußtseinszuständen (42 bis 49) der Sinnensphäre verbundenen Formationen dieselben wie die mit den 8 heilsamen Bewußtseinszuständen (1 bis 8) der Sinnensphäre verbundenen. Was von den inkonstanten (gelegentlich vorkommenden) Formationen aber 'Mitleid' und 'Mitfreude' anbetrifft, so sind diese, weil sie lebende Wesen zum Objekte haben, nicht unter den karmagewirkten (vipāka) Zuständen anzutreffen. Die karmagewirkten Zustände der Sinnensphäre nämlich haben lediglich begrenzte Objekte; und nicht nur Mitleid und Mitfreude, sondern auch die 3 Enthaltsamkeiten sind im karmagewirkten Bewußtsein nicht anzutreffen. Denn es heißt, daß die fünf Sittenregeln stets bloß karmisch-heilsam sind (nie karmische Wirkung). Die mit dem karmagewirkten Bewußtsein der Feinkörperlichen und Unkörperlichen Sphäre und dem resultierenden überweltlichen Bewußtsein (57 bis 69) verbundenen Formationen aber sind jenen mit dem heilsamen Bewußtsein (9 bis 21) verbundenen Formationen völlig gleich.

 

 

(b) funktionell (kiriya)

 

Die funktionellen neutralen Formationen aber zerfallen in zwei Arten: in wurzelbegleitete (sa-hetuka) und wurzelfreie (a-hetuka).

 

(70-72) Unter diesen gelten als wurzelfrei (a-hetuka) die mit wurzelfreiem funktionellem Bewußtseins- (Geist-Element (70) und Geistbewußtseins-Element (71, 72) verbundenen Formationen. Auch diese sind identisch mit jenen Formationen, die verbunden sind mit dem durch heilsames Karma gewirkten Geist-Element (mano-dhātu, 39) und den beiden wurzelfreien Geistbewußtseins-Elementen (mano-viññāna-dhātu; 40, 41). In dem zweifachen Geistbewußtseins-Elemente aber ist außerdem noch 'Willenskraft' anwesend, und infolge deren Anwesenheit besitzt die Sammlung Stärke. Das ist hier der Unterschied.

 

(73-89) Als wurzelbegleitet (sa-hetuka) aber gelten die mit dem wurzelbegleiteten funktionellen Bewußtsein verbundenen Formationen. Unter diesen sind die mit den 8 funktionellen Bewußtseinszuständen der Sinnensphäre (73 bis 80) verbundenen Formationen, mit Ausnahme von den 3 'Enthaltsamkeiten', genau dieselben wie die mit den 8 karmisch-heilsamen Bewußtseinszuständen der Sinnensphäre (1 bis 8) verbundenen. Die mit dem funktionellen Bewußtsein der Feinkörperlichen und Unkörperlichen Sphäre (81 bis 89) verbundenen Formationen aber sind in jeder Weise genau dieselben wie die mit dem karmisch-heilsamen Bewußtsein (9 bis 17) verbundenen.

Auf diese Weise hat man die karmisch-neutralen Geistesformationen zu verstehen. - Hier endet die ausführliche Besprechung der Formationengruppe.  


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