Visuddhi Magga VII

Die sechs Betrachtungen (anussati)

Vis. VII. 3. Die Betrachtung über die Gemeinde (sanghānussati)

 

Als "Betrachtung über die Gemeinde" gilt die betreffs der Gemeinde aufgestiegene Betrachtung; damit bezeichnet man jene Achtsamkeit, die die Vorzüge der Jüngergemeinde zum Vorstellungsobjekte hat, nämlich ihren rechten Wandel usw.
 

Auch wer die Betrachtung über die Gemeinde zu entfalten wünscht, begebe sich in die Einsamkeit, und abgeschieden gedenke er der Vorzüge der Edlen Gemeinde (*) so nämlich: 'Gut wandelnd ist die Jüngergemeinde (sāvaka-sangha) des Erhabenen, gerade wandelnd ist die Jüngergemeinde des Erhabenen, auf dem rechten Pfade wandelnd ist die Jüngergemeinde des Erhabenen, in würdiger Weise wandelnd ist die Jüngergemeinde des Erhabenen, als da sind: die vier Menschenpaare oder acht einzelnen Menschen. Diese Jüngergemeinde des Erhabenen ist würdig der Opfer, würdig der Gastgeschenke, würdig der Gaben, würdig des ehrfurchtsvollen Handgrußes, ist das unübertroffene Verdienstesfeld für die Welt' (A.III.71; VI.10; XI.12).

 
(*) [Als die 'Edle Gemeinde' oder 'Gemeinde der Edlen' (ariya-sangha) gilt die Schar derjenigen Mönche, die eine der 4 Stufen der Heiligkeit erreicht haben, d.i. Stromeintritt, Einmalwiederkehr. Niewiederkehr oder Heiligkeit. Diese werden ausführlich behandelt in XXII, kurz beschrieben in Pug. 37-50 und in B.Wtb.: ariya-puggala. Gemeint ist also hier nicht die Mönchsgemeinde schlechthin.]

 
Hier nun bedeutet der Ausdruck "recht wandelnd'' soviel wie, 'von gutem Wandel', erklärt als: auf dem rechten, ungekrümmten, vorwärts führenden, ungehemmten, dem Gesetze gemäßen Pfade wandelnd.
 

Als "Jünger" (sāvaka, wörtlich 'Hörer') gelten diejenigen, die voll Ehrerbietung die Ermahnungen und Unterweisungen des Erhahencn anhören. Als "Jüngergemeinde" (sāvaka-sangha) gilt die Gemeinde dieser Jünger, d.h. die durch gleiche Sittlichkeit und Erkenntnis verbundene Schar der Jünger.

 
Weil nun aber jener rechte Pfad als gerade, ungekrümmt, ungebogen und als der Edle Richtweg (ariya-ñāya) bezeichnet wird und infolge seiner Angemessenheit auch als gebührlich gilt, darum sagt man auch, daß die auf diesem Pfade wandelnde Edle Gemeinde "gerade wandelt, auf dem rechten Pfade wandelt, in gebührlicher Weise wandelt". Hier nun sind diejenigen, die sich auf dem Pfade befinden, deshalb als "gut wandelnd" zu betrachten, weil sie mit dem rechten Wandel ausgestattet sind; jene aber, die sich am Ziele befinden, sind, weil sie auf dem rechten Pfade das zu Erreichende erreicht haben, eben auf Grund dieses früheren Pfades als "gut wandelnd" zu betrachten. Als "gut wandelnd" gilt die Jüngergemeinde auch ferner deshalb, weil sie hinsichtlich des wohlverkündeten Gesetzes und der Disziplin sowohl der Weisung gemäß lebt als auch auf dem unfehlbaren Pfade wandelt.

Als "gerade wandelnd" gilt sie, weil sie beide Extreme (Selbstkasteiung und Sinnengenuß) vermeidend auf dem mittleren Pfade wandelt und danach strebt, die in den krummen, schiefen, gewundenen Wegen in Werken, Worten und Gedanken bestehenden Übel zu überwinden.

Als "das Rechte" (ñāya) wird das Nirwahn bezeichnet; und dadurch, daß die Gemeinde zu diesem rechten Ziele hin wandelt, gilt sie als "auf dem rechten Pfade wandelnd".

Als "in würdiger Weise wandelnd" gilt die Gemeinde, weil die Jünger so wandeln, daß sie durch ihren Wandel Würdigung verdienen. ("Sie sind wert, daß die anderen aus Achtung vor ihnen sich vom Sitze erheben und die übrigen würdigenden Handlungen gegen sie befolgen". Kom.).

"Als da sind" bedeutet: nämlich diese.

"Die vier Paare von Menschen (eigentlich Männern) bedeutet: der auf dem ersten Pfade und der am ersten Ziele (d.i. des Stromeintritts) Befindliche bilden verbunden ein Paar. Auf diese Weise gibt es vier Paare von Menschen. (Dies sind die 4 Paare der den Pfad (magga) oder die Frucht (phala) des Stromeintritts, der Einmalwiederkehr, der Niewiederkehr oder der Heiligkeit erreicht habenden Edlen Jünger (s. XXII).

 
"Die acht menschlichen Individuen (eigentlich Männerindividuen)": Als einzelne Individuen betrachtet, gibt es einen auf dem ersten Pfade Befindlichen und einen am ersten Ziele Befindlichen, auf diese Weise somit acht Individuen. Dabei haben die Worte 'Mann' und 'Individuum' ein und dieselbe Bedeutung und werden gebraucht im Sinne von bekehrungsfähigen Wesen.

 
"Die Jüngergemeinde des Erhabenen" bedeutet: zu Paaren verbunden, die vier Männerpaare; einzeln betrachtet, die acht einzelnen Individuen. Das gilt als die Jüngergemeinde des Erhabenen.
 

Hinsichtlich der Ausdrücke wie "würdig der Opfer" (āhuneyyo) usw. versteht man unter "Opfer" (āhuna) etwas, das man zu bringen und zu opfern hat; d.h. selbst von Ferne sollte man diese heranbringen und den Sittenreinen darbieten. Damit nun werden die vier Bedarfsgegenstände bezeichnet. Der jenes Opfer anzunehmen Würdige gilt, da jenes eben hohe Früchte bringt, als der Opfer würdig.

 
Oder aber "der Opfer würdig" (āhavanīyo) besagt, daß man selbst von Ferne her kommen sollte, um alle möglichen Schätze hier zu opfern. Als würdig der Opfer gilt, wer selbst die Opfergaben von Sakka und den anderen Gottheiten verdient. Das Feuer ist für den Brahmanen das der Opfer Würdige, das, wo das Geopferte hohe Früchte bringt: das ist deren Ansicht (den Indern galt von jeher das Feuer als heilig, dem man Butter und andere Dinge zu opfern hatte). Wenn nun irgend jemand infolge der hohen Früchte des ihm Geopferten der Opfer würdig ist, so ist es ganz gewiß diese Gemeinde, denn das dieser Gemeinde Geopferte bringt hohe Früchte. Wie es heißt (Dhp.10):

 

 
Dieser in anderen Sekten ("bei den Sarvastivadins" sagt der Kom.) gebrauchte Ausdruck 'āhavanīyo' und das hier gebrauchte 'āhuneyyo' sind dem Sinne nach gleich und nur dem Wortlaute nach ein wenig verschieden. Soweit (die Erklärung des Ausdruckes) 'würdig der Opfer'.

 
In dem Ausdruck "würdig der Gastgeschenke" (pāhuneyya) gilt als "Gastgeschenk" (pāhuna) die zum Wohl der aus den verschiedenen Himmelsgegenden kommenden lieben, teuren Verwandten und Freunde voll Ehrerbietung dargebrachte Gastspende. Abgesehen von derartigen Gästen geziemt es sich, auch der Gemeinde solche Gastspende darzubringen, und die Gemeinde ist würdig, solche Gastgabe anzunehmen. Denn keinen Gast gibt es, der der Gemeinde gleichkäme. Diese nämlich erscheint ungehemmt bloß nach Verlauf eines Buddha-Intervalls (*). Und ausgestattet ist sie mit solchen Eigenschaften, die Liebe und Herzlichkeit erwecken. Daher ist es angebracht, ihr solche Gastgeschenke darzureichen; und sie ist würdig, solche anzunehmen. Somit gilt sie als 'würdig der Gastgeschenke'. Für diejenigen aber, deren Text 'pāhavanīyo' liest (hier sind wieder die Sarvastivadins gemeint), bedeutet eben, da die Gemeinde die erste Gabe verdient, pāhavanīyo (pa + āhavanīyo) soviel wie, daß man das Gebrachte zu allererst hier opfern sollte. Oder, weil die Gemeinde 'in jeder Weise' das Opfer verdient, gilt sie als würdig der Opfer. Dieser Ausdruck (,Das Wort pāhavanîya'. Kom.) aber wird bei uns mit dem die gleiche Bedeutung habenden Ausdruck 'pāhuneyyo' wiedergegeben.

 
(*) Unter einem Buddha-Intervall (buddhantara) ist zu verstehen die oft unendlich lange Zeitperiode, die zwischen dem Erscheinen zweier Buddhas liegt. - Der Text lautet hier zwar wörtlich bloß eka-buddhantare; gemeint aber ist, wie auch der Kom. erklärt: "ekasmim buddhantare vîtivatte", d.i. nach Verlauf eines Buddha-Intervalls.

 
Als "Gabe" (dakkhina) wird bezeichnet die im Glauben an die nächste Welt zu gebende Gabe. Solche Gabe verdient (die Gemeinde) oder ist ihr würdig, u.zw. aus dem Grunde, weil durch ihr Erwirken hoher Früchte sie solche Gabe läutert. Somit ist sie 'würdig der Gaben'.
 

Als "würdig des ehrfurchtsvollen Handgrußes" gilt sie, weil sie es verdient, daß vor ihr jedermann die beiden Hände erhebe und die Handlung des Handgrußes (añjali-kamma) ausführe.

 
Als "unübertroffenes Verdienstfeld (puñña-kkhetta) für die Welt" gilt eine für die ganze Welt unvergleichliche Stätte zum Wachstum des Verdienstes. Gleichwie nämlich der Boden, auf dem ein König oder Minister Reis oder Gerste angebaut hat, als des Königs Reis- oder Gerstenfeld bezeichnet wird, so auch ist die Gemeinde für die ganze Welt ein Feld zum Wachsen des Verdienstes, denn auf Grund der Gemeinde wachsen die zu mancherlei Segen und Wohl führenden Verdienste der Welt. Darum ist die Gemeinde das unübertroffene Verdienstesfeld für die Welt.
 

Wer so des vollkommenen Wandels und der anderen Vorzüge der Gemeinde gedenkt, dessen Geist ist zu einer solchen Zeit weder von Gier, noch von Haß, noch von Verblendung besessen; ganz aufgerichtet ist zu einer solchen Zeit sein Geist angesichts der Gemeinde. In wem solcherart in der oben besprochenen Weise die Hemmungen gelähmt sind, in dem steigen gleichzeitig die Vertiefungsglieder auf. Infolge der Unergründlichkeit der Vorzüge der Gemeinde aber, oder infolge des Bestrebens, sich der vielartigen Vorzüge zu erinnern, erreicht die Vertiefung nicht die 'volle', sondern bloß die 'angrenzende' Stufe.
 

Weil diese Vertiefung nun auf Grund der Erinnerung an die Vorzüge der Gemeinde aufgestiegen ist, darum gilt sie als die Betrachtung über die Gemeinde. Der aber dieser Betrachtung über die Gemeinde hingegebene Mönch empfindet Achtung und Ehrfurcht vor dem Meister, erlangt volles Vertrauen usw., ist stets von Verzückung und Freude erfüllt, bezwingt Furcht und Angst, vermag Schmerzen zu ertragen, bekommt ein Gefühl, als ob er mit der Gemeinde zusammen lebte; und sein die Betrachtung der Vorzüge der Gemeinde bergender Körper ist verehrungswürdig wie ein die versammelte Gemeinde umfassendes Uposathagebäude; sein Geist neigt zur Verwirklichung der Ordenstugenden; kommt er mit einem verwerflichen Gegenstande in Berührung, so erhebt sich in ihm Schamgefühl und Gewissensangst, und es ist ihm, als ob er den Meister vor sich sähe; und sollte ein solcher nicht weiter vordringen, so ist er doch einer glücklichen Daseinsfährte gewiß.

 
Drum möge sich des ernsten Strebens
Befleißigen der weise Mann
In der Betrachtung der Gemeinde,
Die solche hohe Macht besitzt.

 
Dies nun ist die ausführliche Darlegungsweise der Betrachtung über die Gemeinde.


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