SUTTA-NIPĀTA, Lehr-Dichtungen

IV.7. Tissa-Metteyya (Tissametteyya-Sutta)

 

(Diese Sutte richtet sich, lt. MNidd und K, an einen früheren Mönch, der, den Versuchungen des Geschlechtstriebes unterliegend, das Mönchtum aufgegeben hatte.)

 

814 TISSA-METTEYYA

Verkünde, Herr, das Ungemach für den, der dem Geschlechtlichen ergeben!
Wenn deine Mahnung ich gehört, in Abgeschiedenheit will ich mich üben!
 

815 DER ERHABENE

Wer der Geschlechtlichkeit sich hingibt,
die Satzung selber wird er gar vergessen
Und schlechten Lebenswandel führen.
Unedel, wahrlich, ist solch Tun!
 

816

Wer früher einsam hat gelebt,
dann der Geschlechtlichkeit sich überläßt,
Gleicht einem durchgegangenen Gefährt!
Als 'niedriger Mensch der Menge', gilt er in der Welt.
 

Mensch der Menge. MNidd: "Warum heißen sie 'Menge-Menschen' (puthujjana)? Weil sie eine Menge (puthu) Befleckungen erzeugen (janenti). Ferner, weil sie noch eine Menge (puthu) nicht beseitigten Persönlichkeit Glaubens haben; weil sie einer Menge von Lehrern auf den Mund sehen; weil sie in einer Menge von Daseinsfährten verstrickt sind; weil sie sich mit einer Menge, einer Fülle von Tätigkeiten beschäftigen; weil sie durch eine Menge von mannigfaltigen 'Fluten' (d.i. Sinnlichkeits-Flut usw.) fortgerissen werden; weil sie in einer Menge von mannigfaltigen Gluten glühen und mannigfaltigen Fiebern brennen; weil sie von den sich so vielfältig (puthu) manifestierenden fünf Sinnenlüsten entzückt sind weil sie hierbei giererfüllt sind, besessen, betört, hingegeben, anhänglich, angehangen und gehemmt. Weil sie durch die sich vielfältig manifestierenden fünf Hemmungen gehindert sind, gehemmt, beeinträchtigt, eingehüllt, eingeschlossen."


 

817

Was früher* er an Ruhm und Ruf besaß, das eben wird er dann verlieren.
Ist dies erkannt, so strebe man, sich frei zu machen von Geschlechtlichkeit.
 

* Früher, d.h., lt. MNidd, als Mönch.



818

Wer eingesponnen ist in seine Wunsch-Gedanken,
der brütet wie ein armer Bettler.
Muß anderer Tadelwort er hören,
verlegen und bedrückt wird er dann sein.
 

819

Getadelt durch die Rede anderer,
schafft er sich Schwerter (die ihn selber treffen).
Und wenn er gar in Lügenwort versinkt,
starke Verstrickung wird ihm dieses werden.
 

Schwerter. MNidd: "Drei 'Schwerter' gibt es: üblen Wandel in Gedanken, Worten und Taten (K: weil man dadurch sich und andere schneidet). Von seinen Freunden, Lehrern usw. getadelt, spricht jener (abtrünnige Mönch) bewußte Lüge: 'Früher hatte ich Freude am Asketentum. Doch ich habe für Mutter, Vater und Verwandte zu sorgen, daher habe ich das Mönchstum verlassen.' So spricht er und schafft sich das Schwert falscher Rede." Vgl. v. 657.

Starke Verstrickung (mahā-gedho); gedho bedeutet hier nicht 'Gier', sondern hat die in ihrer sprachlichen Herkunft unbekannte Bedeutung 'Dickicht', wie in Angutt. III,51. MNidd umschreibt mit der folgenden Begriffsreihe, die zu der hier zutreffenden figürlichen Bedeutung führt: "Wald-Dickicht, Gestrüpp, Wildnis, Sumpf . . . Hindernis, Fessel."


 

 

820

Darum als weise kann man den bezeichnen,
wer einsam Leben sich erwählt.
Doch wer sich der Geschlechtlichkeit ergibt,
dem Irren gleich beschmutzt er selber sich.
 

Dem Irren gleich beschmutzt er selber sich; nach K's Lesart mando'va parikilissati. Nach der im Skr. üblichen Nuance dieses Verbs, die offenbar MNidd im Auge hat, könnte auch übersetzt werden: ',Wie ein Tor bringt er sich selber in Schwierigkeiten (oder Leiden)." Eine andere Lesart, die auch in MNidd kommentiert wird, ist parikissati; hiernach wäre zu übersetzen: "Wie ein Schwächling oder ein unmündiges Kind wird er hin und her gestoßen oder gezerrt."


 

821

Dies Elend hierbei, vorher und auch später,
wenn dies der Muni hat erkannt,
Dann führe kraftvoll er ein einsam Leben,
nicht überlasse er sich der Geschlechtlichkeit.
 

Vorher und auch später; K: während des Mönchslebens und nach dessen Aufgabe, im Weltleben.


 

822

Die Abgeschiedenheit, sie mög' er pflegen; sie ist der Edlen höchstes Gut!
Wer darob besser sich nicht dünkt, ist, wahrlich, dem Nibbāna nah.
 

 

823

Den freien Muni, der nach Lüsten nicht mehr trachtet,
Ihn, der das Flut-Bereich hat überschritten,
Beneiden Menschen, die durch Lust gefesselt.
 

 IV.8. Pasūra (Pasūra-Sutta)
 

(Diese Sutte wendet sich, lt. K, an den Wanderasketen Pasūra, einen großen Disputanten, der auch den Buddha zum Streitgespräch herausgefordert hatte.)
 

824

"Hier nur ist Reinheit!", also redet man.
Nicht spricht man anderen Lehren Reinheit zu.
Woran sie hingen, nennen 'gut' die Vielen,
Die sich auf Einzel-Wahrheit festgelegt.

Einzel-Wahrheit (pacceka-sacca); vgl. Angutt. Nik. X. 20.


 

825

Streitrede liebend, sich in die Versammlung stürzend,
Für Toren halten dort die Gegner sich einander.
Verschiedener Meinung führen sie ihr Streitgespräch,
Geschickte Redner, die nach Lob begierig.

Verschiedener Meinung (añña-sita), wtl.: auf verschiedenes gestützt, d.h. verschiedene Standpunkte vertretend.


 

826

Der gerne debattiert inmitten der Versammlung,
Sich Beifall wünschend, fürchtet er die Niederlage.
Wird solcher nun geschlagen, fällt er in Verstimmung.
Verärgert durch Kritik, sucht Fehler er beim andern.
 

Sucht Fehler er (beim andern; randham esi); Ergänzung in Klammern lt. K. - Eine andere Übersetzungs-Möglichkeit wäre: "und nach des anderen Schwächen (d.h. Angriffspunkten) sucht er."


 

827

Was da sein Streitpunkt war, wenn den als unterlegen,
Ihn als geschlagen, die Beurteiler verkünden,
Dann jammert, klagt der Unterlegene.
Man hat mich überwunden!, also seufzt er.
 

828

Solch Streiten ist entstanden unter den Asketen
Und hierdurch kommt Triumph und trauernd Unterliegen.
Dies sehend, soll man Streitgespräch vermeiden,
Denn nicht ist irgend Vorteil bei der Lob-Erlangung.
 

829

Sollt' er nun hierbei Beifall finden,
Wenn der Versammlung seinen Streitpunkt er erklärt,
Dann lacht er freudig drüber und ist voller Hochmut.
Hat er dies Ziel erreicht, so ist sein Herz zufrieden!
 

830

Sein Hochmut wird ihm Quelle der Verstörung*;
Doch Eitelkeit und Dünkel läßt ihn disputieren.
Erkennend dieses, möge man nicht streiten.
Denn nicht kommt hierdurch 'Reinheit', sagen Kenner.
 

* Nämlich wenn dieser Hochmut durch eine Niederlage gedemütigt wird.


 

831

Wenn dir ein Held, der von des Königs Solde lebt,
Laut rufend naht, verlangend nach dem Kampfes-Gegner,
Wo du solch Gegner triffst, dort gehe hin, o Held!
Für mich jedoch war vorher schon der Kampf vorbei! *
 

Kampfes-Gegner (patisūra) wtl.: Gegen-Held, d.i. der Gegner im Wettkampf der Helden oder Gladiatoren. Dies und sūra (Held) in der vorigen und folgenden Zeile sind Anspielungen auf den Namen des redekampflustigen Disputanten, Pasūra.

* MNidd: "Seit der Erleuchtung unter dem Bodhi-Baum sind für mich alle zu bekämpfenden Befleckungen überwunden."


 

832

Die, eine Ansicht aufgegriffen habend, streiten
Und die da sagen: Dies nur ist die Wahrheit!,
Mit denen magst du disputieren! Hier aber gibt's nicht solche,
Die sich im Streitgespräch entgegenstellen.
 

Entgegenstellen (patisenikattā); siehe 793 Anm.


 

833

Die aber keiner Seite sich verbinden,
Die unbekümmert sind um diese, jene Ansicht,
Was, o Pasūra, kannst von solchen du erreichen,
Für die es das nicht gibt: nach einem 'Jenseits' greifen!
 

Zeile a- - Keiner Seite sich verbindend (visenikatvā); siehe 793 Anm.

Zeile b. - ditthīhi ditthim avirujjhamāno; die Wiedergabe folgte der Erklärung im MNidd; eine andere Übersetzungs-Möglichkeit wäre: "nicht durch Ansichten eine (andere) Ansicht bekämpfend."

Zeile d. - Vgl. v. 795d mit Anm.


 

834

Du nun bist grübelnd hergekommen,
Im Geiste Theorien überdenkend,
Um aufzunehmen es mit dem, der alles abgeschüttelt.
Doch nicht vermagst du, solches auszuführen!

 


Zeile a. - MNidd: "nachdenkend über den Ausgang des Streitgesprächs, sowie darüber, wie er die Diskussion führen wolle: in Erwiderung, Gegenfrage usw."


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