Jātakam, Wiedergeburtsgeschichten

358. Die kleine Erzählung von Dhammapala (Culla-Dhammapala-Jataka) [0a]

„Ich nur bin schuld, da ich nicht ehrte“

 

§A. Dies erzählte der Meister, da er im Veluvana verweilte, mit Beziehung auf den Mordversuch des Devadatta.

§D. In anderen Jatakas konnte Devadatta dem Bodhisattva nicht einmal ein wenig Furcht einflößen. In diesem kleinen Dhammapala-Jataka aber ließ er dem Bodhisattva, als er erst sieben Monate alt war, Hände und Füße und das Haupt abschlagen und machte seinen Körper zu einer Schwertgirlande [1]. Im Daddara-Jataka [2] tötete er ihn durch Umklammern des Halses; darauf briet er im Ofen sein Fleisch und verzehrte es. Im Khantivadi-Jataka [Jataka 313] ließ er ihn durch zweitausend Peitschenschläge zerfleischen, seine Hände und Füße, Nase und Ohren abschneiden, packte ihn an seinen Flechten [4], warf ihn zu Boden, ließ ihn ausgestreckt hinlegen und trat ihm mit dem Fuße auf den Leib; der Bodhisattva starb noch an demselben Tage. Auch im Cullanandaka-Jataka [Jataka 222] und im Vevatiya-Jataka [6] [6a] ließ er ihn töten. Auf diese Weise machte er lange Zeit hindurch seine Mordversuche und machte sie auch zur Zeit des Buddha selbst.

Eines Tages nun begannen die Mönche in der Lehrhalle folgendes Gespräch: „Freund, Devadatta sinnt auf List, um die Buddhas zu töten. Da er dachte: ‘Ich will den völlig Erleuchteten töten lassen’, hat er die Bogenschützen ausgeschickt, den Felsblock geschleudert und den Elefanten Nalagiri losgelassen.“ Da kam der Meister und fragte: „Zu welcher Unterhaltung, ihr Mönche, habt ihr euch jetzt hier niedergelassen?“ Als sie antworteten: „Zu der und der“, sprach er: „Nicht nur jetzt, ihr Mönche, sondern auch früher schon versuchte mich dieser zu ermorden. Jetzt freilich kann er mir nicht einmal ein wenig Furcht machen; früher aber, zur Zeit, da ich der Prinz Dhammapala war, brachte er mich, da ich sein eigner Sohn war, ums Leben und machte meinen Körper zu einer Schwertgirlande.“ Nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

 

§B. Als ehedem zu Benares Mahapatapa regierte, nahm der Bodhisattva im Schoß von dessen erster Gemahlin, der Königin Canda [Candadevi], seine Wiedergeburt. Man gab ihm den Namen „Dhammapala“ [der Tugendwächter]. Als er sieben Monate alt war, wusch ihn einmal seine Mutter mit wohlriechendem Wasser, putzte ihn und saß da, indem sie ihn spielen ließ. Da kam der König in ihre Wohnung. Während sie aber ihren Sohn spielen ließ, war sie von Mutterliebe ganz beherrscht und stand nicht auf, obwohl sie den König sah.

Da dachte dieser bei sich: „Diese ist schon jetzt wegen ihres Sohnes stolz und achtet mich für nichts; wenn aber ihr Sohn größer wird, wird sie mich nicht einmal mehr für einen Menschen halten. Jetzt werde ich ihn töten lassen.“ Er kehrte um, setzte sich auf seinen königlichen Thron und ließ den Henker herbeirufen, er solle mit seinen Werkzeugen kommen. Dieser zog sein gelbes Gewand an, nahm einen roten Kranz um, legte seine Axt auf die Schulter und kam mit einem Kissen und einer Schüssel herbei. Er begrüßte den König und blieb vor ihm stehen, indem er fragte: „Was soll ich tun, o Fürst?“ Dieser antwortete: „Gehe in das Schlafgemach der Königin und hole den Dhammapala!“

Die Fürstin, die auch dem König zürnte, als sie merkte, dass er umgekehrt war, hatte den Bodhisattva auf ihren Schoß gesetzt und saß weinend da. Da kam der Henker herbei, stieß sie in den Rücken, riss ihr den Prinzen aus der Hand und kehrte mit ihm zum Könige zurück. Darauf fragte er wieder: „Was soll ich tun, Fürst?“ Der König erwiderte: „Lass eine Bank herbeiholen und hier vorne aufstellen und lege ihn darauf.“ Jener tat so. Auch die Fürstin Canda [6b] kam klagend hinter ihrem Sohne her.

Wieder fragte der Henker: „Was soll ich tun, o Fürst?“ „Schlage Dhammapala die Hände ab.“ Jetzt rief die Königin Canda: „O Großkönig, mein Sohn ist erst sieben Monate alt und noch töricht; er versteht nichts. Nicht er hat die Schuld. Wenn aber eine Schuld besteht, so liegt sie bei mir; darum lasse mir die Hände abschlagen!“ Und indem sie dies verkündete, sprach sie folgende erste Strophe:

§1. „Ich nur bin schuld, da ich nicht ehrte
den König Mahapatapa.
Man lasse Dhammapala los;
mir lass die Hände, Fürst, abschlagen!“

Der König aber schaute den Henker an. „Was soll ich tun, o Fürst?“ „Schlage ihm, ohne zu zögern, die Hände ab!“ In demselben Augenblicke nahm der Henker seine scharfe Axt und hieb dem Prinzen die beiden Hände ab, wie wenn es junge Bambussprossen wären. Dieser aber weinte und klagte nicht, obwohl ihm die Hände abgehauen wurden; sondern er machte Geduld und Liebe zu seiner Führerin und hielt den Schmerz aus. Die Königin Canda aber barg die abgehauenen Stücke der Hände in ihrem Schoße und jammerte beständig, vom Blute befleckt.

Darauf fragte der Henker wieder: „Was soll ich tun, o Fürst?“ Dieser antwortete: „Schlage ihm auch die beiden Füße ab!“ Als dies die Königin Canda hörte, sprach sie folgende zweite Strophe:

§2. „Ich nur bin schuld, da ich nicht ehrte
den König Mahapatapa.
Man lasse Dhammapala los;
mir lass die Füße, Fürst, abhauen!“

Der König aber gab von neuem dem Henker seine Anweisung und dieser hieb dem Prinzen auch die beiden Füße ab. Darauf barg die Königin Canda auch die beiden Füße in ihrem Schoße und blutüberströmt jammerte sie: „O Gebieter Mahapatapa, die Kinder, denen Hände und Füße abgeschlagen sind, muss die Mutter ernähren. Ich will um Lohn dienen und meinen Sohn ernähren; gib mir ihn!“

Der Henker fragte weiter: „O Fürst, ist die Königsstrafe ausgeführt? Ist mein Werk beendet?“ „Es ist noch nicht zu Ende“, war die Antwort. „Was soll ich noch mehr tun?“ „Schlage ihm den Kopf ab!“ — Darauf sprach Canda folgende dritte Strophe:

§3. „Ich nur bin schuld, da ich nicht ehrte
den König Mahapatapa.
Man lasse Dhammapala los;
mir lass den Kopf abschlagen, Fürst!“

Nach diesen Worten aber bot sie ihr eigenes Haupt dar. Wieder fragte der Henker: „Was soll ich tun, Fürst?“ „Schlage ihm das Haupt ab!“

Nachdem der Henker dem Prinzen das Haupt abgeschlagen, fragte er: „O Fürst, ist jetzt die Königsstrafe vollzogen?“ „Sie ist noch nicht vollzogen.“ „Was soll ich denn noch mehr tun?“ „Fange ihn mit der Spitze deines Schwertes auf und mache eine Schwertgirlande aus ihm!“ Darauf warf der Henker dessen Körper in die Luft, fing ihn mit der Schwertspitze auf und machte ihn zu einer Schwertgirlande. Dann streute er seine Überreste im Kronsaale umher.

Canda barg das Fleisch des Bodhisattva in ihrem Schoße und sprach im Thronsaale jammernd folgende Strophen:

§4. „Es gibt ja nicht bei diesem König
Minister, wohlgesinnte Freunde,
die zu dem König sagen würden:
‘O töte nicht den eignen Sohn!’
 
§5. Es gibt ja nicht bei diesem König
Minister, wohlgesinnte Freunde,
die zu dem König sagen würden:
‘O töte nicht den eignen Spross!’“

Nachdem Canda aber diese beiden Strophen gesagt, presste sie mit beiden Händen ihr Herzfleisch zusammen und sprach noch folgende dritte Strophe:

§6. „Mit feinstem Sandelpulver parfümiert
sind abgehauen Dhammapalas Arme,
von ihm, der doch die Erde erben sollte;
mir aber, König, ist das Herz gebrochen.“

Während sie so klagte, brach ihr Herz, wie wenn ein Bambusgehölz in Flammen aufgeht, und sie starb auf der Stelle. Auch der König konnte nicht mehr auf seinem Throne stehen bleiben und fiel in den Thronsaal; der Fußboden zerbarst und er fiel von da hinab auf die Erde. Darauf spaltete sich die Erde, obwohl sie doch vierhunderttausend Millionen [8] und zweihunderttausend Yojanas dick ist, in zwei Teile, da sie die Lasterhaftigkeit des Königs nicht zu ertragen vermochte, und öffnete sich. Aus der Avici-Hölle kam eine Flamme hervor, die ihn wie mit einem von einer Familie geschenkten Gewande umhüllte, erfasste ihn und schleuderte ihn in die Avici-Hölle. Den Leichnamen der Canda und des Bodhisattva aber erwiesen die Minister die letzten Ehren.

 

§C. Nachdem der Meister diese Unterweisung beschlossen hatte, verband er das Jataka mit folgenden Worten: „Damals war der König Devadatta, Canda war Mahapajapati [9], der Prinz Dhammapala aber war ich.“

Ende der kleinen Erzählung von Dhammapala


[0a] Im Gegensatz zum Maha-Dhammapala-Jataka, Nr. 447.

[1] D. h. er fing ihn mit der Schwertspitze auf und wirbelte ihn herum.

[2] In den zwei Jatakas dieses Namens, Jataka 172 und Jataka 304, findet sich dies nicht.

[4] Als vorbuddhistischer Asket trägt der Bodhisattva Haarflechten.

[6] Dies Jataka ist nicht nachweisbar.

[6a] Das Vevatiya-Jataka ist das auch Vevatiyakapi-Jataka genannte Mahakapi-Jataka, Nr. 516.

[8] Wörtlich: „Vier Nahutas“. Ein Nahuta ist 10.000.000 in der vierten Potenz.

[9] Die Tante Buddhas und Begründerin des Nonnenordens. Vgl. „Leben des Buddha“, S. 149 ff.


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