Jātakam, Wiedergeburtsgeschichten

260. Die Erzählung von dem Boten (Duta-Jataka)

„Weswegen weit die Menschen gehen“

 

§A. Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf einen gierigen Mönch.

§D. Die Begebenheit wird im neunten Buche im Kaka-Jataka [1] erzählt werden. —

Der Meister aber sprach zu dem Mönch: „Nicht nur jetzt bist du gierig, Mönch, sondern auch früher schon warst du gierig; infolge deiner Gier wurde dir mit einem Schwerte das Haupt gespalten [2].“ Nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

 

§B. Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, war der Bodhisattva dessen Sohn. Nachdem er herangewachsen war und zu Takkasila die Künste erlernt hatte, bestieg er nach dem Tode seines Vaters den Thron. Er war sehr reinlich beim Essen; darum nannte man ihn „König Bhojanasuddhika“ (= „rein beim Essen“). Er verzehrte sein Mahl mit solchem Pompe, dass oft für eine Schüssel des Mahles hunderttausende draufgingen. Wenn er aber speiste, so tat er dies nicht im Innern seines Hauses, sondern da er ein gutes Werk tun wollte, indem er das Volk den Pomp seines Mahles mit anschauen ließ, ließ er am Tore des königlichen Palastes einen Edelstein-Pavillon errichten. Diesen ließ er zur Zeit des Mahles schmücken, setzte sich dann auf dem aus Gold gefertigten, von dem weißen Sonnenschirm beschatteten königlichen Thronsitze nieder und verzehrte, von den Töchtern der Edlen umgeben, aus einer goldenen Schüssel, die hunderttausend wert war, sein hundertfach wohlschmeckendes Mahl.

Einmal schaute ein gieriger Mensch dessen prunkvollem Mahl zu und bekam Lust, selbst dies Mahl zu verzehren. Er konnte seine Begierde gar nicht zügeln. Da dachte er: „Es gibt ein Mittel.“ Er zog seine Kleidung straff zusammen, hob die Hände und rief laut: „He, ich bin ein Bote, ich bin ein Bote.“ So kam er zum Könige hin. Zu dieser Zeit nämlich hielt man in diesem Lande einen, der sagte, er sei ein Bote, nicht auf; darum spaltete sich die Menge und ließ ihn durch. Er schritt rasch vor, nahm von der Schüssel des Königs einen Bissen der Speise und steckte ihn in den Mund. Da rief der Schwertträger des Königs: „Ich werde ihm das Haupt spalten“, und zückte das Schwert. Doch der König hielt ihn zurück mit den Worten: „Schlage nicht“, und sagte zu jenem: „Fürchte dich nicht und iss.“ Er wusch sich die Hände und setzte sich nieder.

Am Ende des Mahles ließ ihm der König Wasser geben, wie er selbst es trank, und Betel; dann fragte er: „He, Mann, du hast gesagt, du seiest ein Bote. Wessen Bote bist du?“ Jener antwortete: „O Großkönig, ich bin ein Bote der Begierde, ein Bote des Magens. Die Begierde hat mir aufgetragen, ich solle hierher gehen, und mich so als ihren Boten gesandt.“ Und er sprach die folgenden zwei ersten Strophen:

§1. „Weswegen weit die Menschen gehen

und auch den Feind um etwas bitten,

der Magen ist 's; ich bin sein Bote.

Sei mir darum nicht böse, König [3]!

 

§2. In wessen Macht bei Tag und Nacht

die Menschen alle sich befinden,

der Magen ist 's; ich bin sein Bote.

Sei mir darum nicht böse, König!“

Als der König seine Worte vernommen, dachte er: „Dies ist wahr. Alle diese Wesen sind Boten des Magens. In der Gewalt der Begierde leben sie und die Begierde beseelt sie. Wie schön fürwahr hat er dies gesagt!“ Und befriedigt über den Mann sprach er folgende dritte Strophe:

§3. „Ich schenke dir, Brahmane, von roten [3a] Kühen

ein volles Tausend und einen Stier dazu.

Denn warum soll ein Bote dem andern nichts geben?

Ich bin ja auch gleich ihm ein Bote des Magens.“

Nach diesen Worten sagte er noch: „Dieser große Mann hat mir etwas verkündet, das vorher noch nicht gehört, gesagt oder getan wurde.“ Befriedigten Herzens erwies er ihm große Ehre.

 

§C. Nachdem der Meister diese Lehrunterweisung beendigt und die Wahrheiten verkündet hatte, verband er das Jataka mit folgenden Worten (am Ende der Verkündigung der Wahrheiten aber gelangte der gierige Mönch zur Frucht der Nichtrückkehr und viele wurden bekehrt usw.): „Der damalige gierige Mann war der jetzige gierige Mönch; der König Bhojanasuddhi aber war ich.“

Ende der Erzählung von dem Boten


[1] Dies ist ein falsches Zitat. Es wird wohl das im 6. Buche stehende Jataka 395 gemeint sein, bei dem aber auch für die Vorgeschichte auf ein früheres Jataka verwiesen wird.

[2] In der Erzählung selbst schwebt er nur in Gefahr, von diesem Schicksal betroffen zu werden, wird aber vom Könige begnadigt.

[3] Wörtlich: „O Herr der Wagenlenker“.

[3a] Statt „roten“ war ursprünglich „tausend“ gedruckt. Dutoit korrigiert diesen Druckfehler in Jataka 323 Anm. 4.


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