Zurueck Milindapañha, Teil 7

6. Kapitel

 

Mil. 7.6.1. Die Wegspinne

 

«Eine Eigenschaft der Wegspinne, sagst du, ehrwürdiger Nāgasena, habe man anzunehmen: welches ist diese?»

«Gleichwie, o König, die Wegspinne am Wege ihr Spinnweb spannt und, sobald dort in ihrem Netze ein Wurm, eine Fliege oder Motte hängen bleibt, dieselbe erfaßt und aufzehrt: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, vor den sechs Sinnentoren sein Netz, nämlich die (vier) Grundlagen der Achtsamkeit (Satipatthāna), aufspannen und, sobald sich dort die Fliegen, die Leidenschaften, fangen, sie auf der Stelle vernichten. Das, o König, ist die eine Eigenschaft der Wegspinne, die er anzunehmen hat. Auch der Ordensältere Anuruddha, o König, hat gesagt:

 

  


Mil. 7.6.2. Der Säugling

 

«Eine Eigenschaft des Säuglings, sagst du, ehrwürdiger Nāgasena, habe man anzunehmen: welches ist diese?»

«Gleichwie, o König, der Säugling sich an seinen eigenen Vorteil klammert und schreit, wenn er Milch haben will: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, sich an sein eigenes Heil klammern und überall der Erkenntnis des Gesetzes leben, sei es beim Belehren oder Befragen, beim ernsten Streben, in der Abgeschiedenheit, beim Zusammenleben mit seinem Lehrer, oder im Verkehre mit edlen Freunden. Das, o König, ist die eine Eigenschaft des Säuglings, die er anzunehmen hat. Auch der Erhabene, o König, der Gott der Götter, sagt in der Sammlung der Langen Lehrreden im Mahā Parinibbāna-Sutta: <Kommt, Ananda, kämpft um das eigene Heil, strebt nach dem eigenen Heil! Lebet für euer eigenes Heil, unablässig, eifrig, selbstentschlossen!>»

  


Mil. 7.6.3. Die gefleckte Schildkröte

 

«Eine Eigenschaft der Schildkröte, sagst du, ehrwürdiger Nāgasena, habe man anzunehmen: welches ist diese?»

«Gleichwie, o König, die gefleckte Schildkröte aus Wasserscheu dem Wasser aus dem Wege geht und dadurch, daß sie das Wasser meidet, nichts an ihren Lebensjahren einbüßt: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, in der Lässigkeit eine Gefahr erblicken und einen Vorzug und Segen in unablässigem Streben. Denn solange er darin eine Gefahr erblickt, geht er der Asketenschaft nicht verlustig, sondern kommt dem Nibbāna immer näher. Das, o König, ist die eine Eigenschaft der gefleckten Schildkröte, die er anzunehmen hat. Auch der Erhabene, o König, der Gott der Götter, sagt im <Pfad der Lehre) (Dhammapada):

(Dīgha-Nikāya, Nr. 32)

  


Mil. 7.6.4. Der Wald

 

«Fünf Eigenschaften des Waldes, sagst du, ehrwürdiger Nāgasena, habe man anzunehmen: welches sind diese?»

«Gleichwie, o König, der Wald den unreinen Menschen ein Versteck bietet: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, die Vergehen und Fehltritte der anderen geheim halten, nicht bekannt machen. Das, o König, ist die erste Eigenschaft des Waldes, die er anzunehmen hat.

Wie ferner, o König, der Wald nicht von Menschen überfüllt ist: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene sich leer halten von Gier, Haß und Verblendung, frei von Dünkel und dem Netze der Ansichten, frei von allen Leidenschaften. Das, o König, ist die zweite Eigenschaft des Waldes, die er anzunehmen hat.

«Wie ferner, o König, der Wald abgeschieden liegt und frei ist vom Menschengedränge so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, entrückt sein den üblen, unheilsamen und unedlen Dingen. Das, o König, ist die dritte Eigenschaft des Waldes, die er anzunehmen hat.

Wie ferner, o König, der Wald still und lauter ist: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, still und lauter sein, befriedet, frei von Dünkel und Heuchelei. Das, o König, ist die vierte Eigenschaft des Waldes, die er anzunehmen hat.

«Wie ferner, o König, der Wald von edlen Menschen aufgesucht wird: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, von edlen Menschen aufgesucht werden. Das, o König, ist die fünfte Eigenschaft des Waldes, die er anzunehmen hat.

Auch der Erhabene, o König, der Gott der Götter, sagt in der hehren Samyutta-Sammlung:

 

(Samyutta 14.16)

  


Mil. 7.6.5. Der Baum

 

«Drei Eigenschaften des Baumes, sagst du, ehrwürdiger Nāgasena, habe man anzunehmen: welches sind diese?»

«Gleichwie, o König, der Baum Blüten und Früchte trägt: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, gesegnet sein mit den Blüten der Erlösung, gesegnet mit den Früchten der Asketenschaft. Das, o König, ist die erste Eigenschaft des Baumes, die er anzunehmen hat.

Wie ferner, o König, der Baum den ihn aufsuchenden Menschen Schatten bietet: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, gegen die Menschen, die ihn aufsuchen und zu ihm kommen, sich liebevoll erweisen, sei es durch weltliche Hilfe oder durch geistigen Beistand. Das, o König, ist die zweite Eigenschaft des Baumes, die er anzunehmen hat.

Wie ferner, o König, der Baum hinsichtlich seines Schattens keinen Unterschied macht: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, bei keinem von allen den Wesen einen Unterschied machen und soll selbst gegen Räuber und Diebe, Mörder und Feinde genau dieselbe Liebe entfalten wie gegen sich selber, denkend: <Ach, möchten doch diese Wesen frei sein von Haß und Bedrückung, und ein leidloses, glückliches Leben führen!> Das, o König, ist die dritte Eigenschaft des Baumes, die er anzunehmen hat. Auch der Ordensältere Sāriputta, o König, der Feldherr des Gesetzes, hat gesagt:

 

  


Mil. 7.6.6. Der Regen

 

«Fünf Eigenschaften des Regens, sagst du, ehrwürdiger Nāgasena, habe man anzunehmen: welches sind diese?»

«Gleichwie, o König, der Regen allen Staub vertreibt, der aufsteigt: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, den Staub und Schmutz der Leidenschaften, sobald er aufsteigt, vertreiben. Das, o König, ist die erste Eigenschaft des Regens, die er anzunehmen hat.

Wie ferner, o König, der Regen die Erde abkühlt: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, durch Entfaltung der Liebe der Welt mitsamt ihren Göttern Kühlung bringen. Das, o König, ist die zweite Eigenschaft des Regens, die er anzunehmen hat.

Wie ferner, o König, der Regen alle Keime zum Wachsen bringt: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, in allen Wesen das Vertrauen erwecken und diesen Vertrauenskeim in den drei <erreichbaren Zuständen> zur Entfaltung bringen: in der Erreichung himmlischen wie menschlichen Daseins bis zur Erreichung des höchsten Zieles, des Nibbānaglückes. Das, o König, ist die dritte Eigenschaft des Regens, die er anzunehmen hat.

Wie ferner, o König, der Regen die durch Hitze gezeugten, auf der Erdoberfläche wachsenden Gräser, Gewächse, Schlingpflanzen, Büsche, Kräuter und Bäume am Leben erhält: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, weise Erwägung erwecken und mit Hilfe jener weisen Erwägung das Asketentum aufrecht erhalten, sowie alle die in weiser Erwägung wurzelnden heilsamen Dinge. Das, o König, ist die vierte Eigenschaft des Regens, die er anzunehmen hat.

Wie ferner, o König, der Regen, wenn er niederströmt, mit seinen Wasserströmen die Flüsse, Pfützen, Teiche, Bergspalten, Klüfte, Seen, Gruben und Brunnen füllt: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, indem er den Regen der (Buddha-) Lehre niederströmen läßt, den Geist der nach dem Ziele Begehrenden mit der Kenntnis der Botschaft erfüllen. Das, o König, ist die fünfte Eigenschaft des Regens, die er anzunehmen hat. Auch der Ordensältere Sāriputta, o König, der Feldherr des Gesetzes, hat gesagt:

 

(Buddhavamsa, im Kap. «Dīpankara-Buddha»; dort aber nicht dem Ehrw. Sāriputta zugeschrieben)

  


Mil. 7.6.7. Der Edelstein

 

«Drei Eigenschaften des Edelsteins, sagst du, ehrwürdiger Nāgasena, habe man anzunehmen: welches sind diese?»

«Gleichwie, o König, der Edelstein völlig lauter ist: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, von ganz lauterem Lebenswandel sein. Das, o König, ist die erste Eigenschaft des Edelsteins, die er anzunehmen hat.

Wie ferner, o König, der Edelstein sich mit nichts vermischt, so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, mit schlechten Dingen, schlechten Freunden sich nicht vermischen. Das, o König, ist die zweite Eigenschaft des Edelsteines, die er anzunehmen hat.

Wie ferner, o König, der Edelstein bloß mit echten Juwelen zusammen verwendet wird: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, bloß mit erhabenen, edlen Menschen zusammen leben, mit solchen, die auf dem <Pfade> wandeln oder am <Ziele> weilen, die mit den Zielen der Hohen Schulung ausgestattet sind, mit den den Juwelen gleichenden Asketen, dem Stromeingetretenen, dem Einmalwiederkehrenden, dem Niewiederkehrenden und dem Vollkommen-Heiligen, mit den Dreiwissensmächtigen und den Sechsfach Geistesgewaltigen. Das, o König, ist die dritte Eigenschaft des Edelsteines, die er anzunehmen hat. Auch der Erhabene, o König, der Gott der Götter, sagt im Sutta-Nipāta:

 

Sutta-Nipāta, Vers 283

  


Mil. 7.6.8. Der Wildjäger

 

«Vier Eigenschaften des Wildjägers, sagst du, ehrwürdiger Nāgasena, habe man anzunehmen: welches sind diese?»

«Gleichwie, o König, der Wildjäger nicht schläfrig ist: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, nicht schläfrig sein. Das, o König, ist die erste Eigenschaft des Wildjägers, die er anzunehmen hat.

«Wie ferner, o König, der Wildjäger seinen Sinn bloß auf das Wild richtet: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, seinen Sinn bloß auf den Gegenstand seiner Betrachtung richten. Das, o König, ist die zweite Eigenschaft des Wildjägers, die er anzunehmen hat.

Wie ferner, o König, der Wildjäger, die rechte Zeit für eine Betätigung erkennt: so soll auch der Yogi, der Yogabeflissene, die rechte Zeit für seine Betrachtung kennen und wissen: «Nun muß ich mich einsam vertiefen; nun ist es an der Zeit, die Einsamkeit zu verlassen.» Das, o König, ist die dritte Eigenschaft des Wildjägers, die er anzunehmen hat.

Wie ferner, o König, der Wildjäger beim Erblicken eines Hirsches Freude empfindet, in der Hoffnung, ihn zu erbeuten: so soll auch der Yogi, der Yogabeflissene, an dem Gegenstand seiner Betrachtung Gefallen und Freude empfinden, in der Hoffnung, immer höhere Ziele zu erreichen. Das, o König, ist die vierte Eigenschaft des Wildjägers, die er anzunehmen hat. Auch der Ordensälteste Mogharājā, o König, hat gesagt:

 

  


Mil. 7.6.9. Der Fischer

 

«Zwei Eigenschaften des Fischers, sagst du, ehrwürdiger Nāgasana, habe man anzunehmen: welche sind dies?»

«Gleichwie, o König, der Fischer mit der Angel die Fische fängt: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, mit Hilfe seiner Erkenntnis die höheren Früchte der Asketenschaft erlangen. Das, o König, ist die erste Eigenschaft des Fischers, die er anzunehmen hat.

Wie ferner, o König, der Fischer, dadurch daß er einen ganz kleinen Fisch opfert, eine reiche Beute erlangt: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, den kleinen weltlichen Vorteil opfern; denn durch dieses kleine Opfer gewinnt er die hohe Frucht der Asketenschaft. Das, o König, ist die zweite Eigenschaft des Fischers, die er anzunehmen hat. Auch der Ordensältere Rāhula, o König, hat gesagt:

 

  


Mil. 7.6.10. Der Zimmermann

 

«Zwei Eigenschaften des Zimmermannes, sagst du, ehrwürdiger Nāgasena, habe man anzunehmen: welches sind diese?»

«Gleichwie, o König, der Zimmermann sich nach seiner schwarzen Schnur richtet, wenn er den Baumstamm behaut: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, sich nach des Siegreichen Weisung richtend und feststehend auf dem Boden der Sittlichkeit, mit der Hand des Vertrauens das Beil der Weisheit ergreifen und die Leidenschaften abhauen. Das, o König, ist die erste Eigenschaft des Zimmermannes, die er anzunehmen hat.

Wie ferner, o König, der Zimmermann das Grünholz entfernt und sich bloß das Kernholz nimmt: so auch soll der Yogi, der Yogabeflissene, all solche Streitfragen verwerfen, als wie die Ansicht von der Ewigkeit, von der Vernichtung, die Ansichten, daß Leib und Leben identisch oder etwas Verschiedenes seien, daß dies oder etwas anderes das Höchste sei, daß das Unerschaffene zu erreichen unmöglich sei, daß das menschliche Streben wertlos sei, daß der heilige Wandel keinen Zweck habe, daß die Wesen der Vernichtung anheimfallen und (nach ihrem Tode) als neue Wesen ins Dasein treten, oder daß die Daseinsgebilde ewig seien, daß es der Täter selber sei, der das Ergebnis seiner Taten erfahre, oder daß es ein anderer sei: solcherart Ansichten über die Vergeltung der Taten und die Ansicht von der (moralischen) Wirkung bloßer Funktionen (kriyā) usw. Er soll vielmehr an der wahren Natur der Daseinsgebilde festhalten und an der Abwesenheit von Eigentätigkeit oder eines Lebensprinzips und soll deren absolute Leere sich zu eigen machen. Das, o König, ist die zweite Eigenschaft des Zimmermannes, die er anzunehmen hat. Auch der Erhabene, o König, der Gott der Götter, sagt im Sutta-Nipāta:

Sutta-Nipāta, Verse 281-283

 

 

  


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