Zurueck Milindapañha, Teil 4

1. Kapitel 

Mil. 4.1.12. Der Wahrheitsakt

 

"Ihr sagt da, ehrwürdiger Nāgasena, daß der König Sivi einem Bettler seine eigenen Augen hingab und daß dem der Augen Beraubten alsbald himmlische Augen entstanden. Dies ist eine fade, tadelnswerte, verwerfliche Behauptung. In der Sammlung der Lehrreden heißt es doch, daß nach Aufhebung der Ursache, also ohne Ursache und eine Grundlage, das himmlische Auge nicht entstehen kann (der König nimmt offenbar an, daß die fleischlichen Augen die Grundlagen der himmlische seien). Wenn also, ehrwürdiger Nāgasena, der König Sivi dem Bettler wirklich seine Augen hingegeben hat, so ist die Behauptung, daß ihm darauf neue entstanden seien, eben falsch. Ist es aber dennoch wahr, daß ihm himmlische Augen entstanden sind, so muß eben die Behauptung, daß er seine Augen weggegeben hatte, falsch sein. Dies ist ein zweischneidiges Problem, das dir da gestellt ist, verknüpfter denn ein Knoten, spitzer denn eine Pfeilspitze, dichter denn ein Dickicht. So nimm dir also vor, die Sache zum Abschluß zu bringen, um die Gegner zu überführen."

"Daß der König Sivi, o König, dem Bettler seine Augen hingegeben hat, darüber brauchst du keine Bedenken zu hegen. Und daß ihm danach himmlische Augen entstanden sind, auch daran brauchst du nicht zu zweifeln."

"Kann denn, ehrwürdiger Nāgasena, wenn die Ursache einmal zerstört ist, also ohne die nötige Bedingung und Ursache, das himmlische Auge zum Entstehen kommen?"

"Gewiß nicht, o König."

"Was war denn nun aber in diesem Falle die Ursache, o Herr? Mache mich doch mit jener Ursache bekannt!"

"Nun gut, o König. Gibt es wohl in der Welt so ein Ding wie die Wahrheit, vermöge welcher diejenigen, die sie aussprechen, einen Wahrheitsakt auszuüben imstande sind?"

"Gewiß, o Herr. Es hat damit seine Richtigkeit. Die einen Wahrheitsakt ausführen, können Wolken herabregnen lassen, Feuer löschen, Gift unwirksam machen und mannigfache andere Leistungen vollbringen."

"So hat es also damit seine Richtigkeit, o König, und trifft zu, daß dem König Sivi durch die Kraft der Wahrheit das himmlische Auge entstanden ist. Ja, durch die Kraft der Wahrheit, ohne irgend welche weitere Grundlage, ist ihm das himmlische Auge entstanden. Die Wahrheit bildete eben die Grundlage zur Entstehung des himmlischen Auges.

Wenn da irgend ein Magier, o König, eine Beschwörungsformel hersagt, wie zum Beispiel <Möge ein gewaltiger Regen niederkommen!> und infolgedessen ein gewaltiger Regen entsteht, ist da wohl in diesem Falle die Ursache hierfür in den Lüften aufgespeichert?"

"Nein, o Herr. Die Beschwörungsformel selber ist da die Ursache."

"Ebenso auch, o König, war es bei König Sivi keine gewöhnliche Ursache. Die Wahrheit selber war eben die Ursache, der zufolge ihm das himmlische Auge entstand.

Oder nimm an, o König, irgend ein Magier sage (bei einer Feuersbrunst) die Beschwörungsformel her: <Möge die brennende, flackernde, mächtige Feuermasse zurückweichen!> - und dieselbe weiche infolgedessen in demselben Augenblicke zurück. War dann wohl in diesem Falle in der großen Feuermasse die Ursache aufgespeichert, derzufolge das Feuer augenblicklich zurückwich?"

"Nein, o Herr. Die Beschwörungsformel selber bildete da die Ursache."

"Ebenso auch, o König, war es bei König Sivi keine gewöhnliche Ursache. Die Wahrheit selber war eben die Ursache, der zufolge ihm das himmlische Auge entstand.

Oder nimm an, o König, irgend ein Magier sage die Beschwörungsformel her: <Möge das Halāhalagift unwirksam werden!> - und in demselben Augenblicke verlöre es seine Wirkung. Ist da wohl in diesem Falle, o König, in dem Gifte irgend welche Ursache aufgespeichert, der zufolge es in einem Augenblicke unwirksam wird?"

"Nein, o Herr. Die Beschwörungsformel bildet da die einzige Ursache."

"Ebenso auch, o König, war es bei König Sivi keine gewöhnliche Ursache, sondern die Wahrheit war die einzige Ursache dafür, daß ihm die Augen entstanden. Auch zur Durchschauung der Vier Edlen Wahrheiten, o König, bedarf es keiner anderen Grundlage, denn wer eben die Wahrheit zur Grundlage nimmt, vermag die Vier Edlen Wahrheiten zu schauen.

Es lebt da ein König im Chinalande. Wenn derselbe dem Meer ein Opfer darzubringen wünscht, führt er alle vier Monate einen Wahrheitsakt aus und fährt dann mit seinem Wagen eine Meile weit in das Meer hinaus. Und vor dem Vorderteile seines Wagens weicht die mächtige Wassermasse zurück, und beim Zurückfahren flutet sie wieder heran. Könnte wohl jemals in der Welt von Göttern oder Menschen vermittelst der natürlichen Körperkraft das gewaltige Meer zum Zurückweichen gebracht werden?"

"Nein, o Herr. Nicht einmal bei einem ganz winzigen Teich wäre dies möglich, geschweige denn bei dem gewaltigen Meer."

"Auf solche Weise, o König, hat man die Wirkungskraft der Wahrheit aufzufassen. Und es gibt nichts, was nicht durch die Wirkungskraft der Wahrheit zu erreichen wäre.

Einst, o König, da befand sich der tugendhafte König Asoka in seiner Stadt Pātaliputta von Stadt- und Landvolk, Räten, Söldnertruppen und Großen umgeben. Und da gerade sein Blick auf den fünfhundert indische Meilen langen und eine Meile breiten Gangesstrom fiel, wie er, randvoll mit frischem Wasser, vorbeifloß, fragte er: <Könnte wohl jemals irgend einer diesen gewaltigen Ganges zwingen, stromaufwärts zu fließen?>

<Schwerlich, o Herr> - war die Antwort seiner Räte.

Es erfuhr aber eine gewisse Kurtisane, namens Bindumatī, die ebenfalls am Ufer stand, von dieser Frage des Königs. Und sie sprach: <Ich lebe zwar nur als eine Kurtisane in Pātaliputta, die ihren Körper verkauft und auf die niedrigste Weise ihren Lebensunterhalt verdient. Trotzdem aber soll mich der König einen Wahrheitsakt ausüben sehen.> Und sie führte ihren Wahrheitsakt aus, so daß in demselben Augenblicke vor den Augen der großen Menge der ständig strömende, mächtige Ganges aufwärts zu fließen begann. Sobald aber der König das durch die Strudel, die Wellen und Wogen des mächtigen Ganges erzeugte Getöse vernahm, geriet er außer sich vor Staunen. Und voll Verwunderung und Staunen fragte er seine Räte, was wohl der Grund sein möge, daß der mächtige Ganges stromaufwärts fließe. - <Eine Kurtisane namens Bindumatī, o König, hat nach dem Vernehmen deiner Worte einen Wahrheitsakt ausgeführt, und zufolge eben jenes Wahrheitsaktes fließt nun der mächtige Ganges stromaufwärts.> Und erregten Herzens und in aller Hast eilte der König selber zu jener Kurtisane und fragte sie: <Ist es wirklich wahr, daß du durch einen Wahrheitsakt den Ganges dazu gebracht hast, stromaufwärts zu fließen?>

<Ja, o Herr.>

<Wie kannst du denn über so etwas Macht besitzen?> fragte der König. <Wie wird wohl einer, der nicht gerade von Sinnen ist, jemals auf deine Worte hören? Zufolge welcher Kraft konntest du diesen mächtigen Ganges zwingen, stromaufwärts zu fließen?>

<Durch die Macht der Wahrheit, o König.>

<Wie kann dir wohl Wahrheitskraft eignen, einer diebischen, betrügerischen Hure, die ausschweifend ist, sittenlos und schamlos, und verblendete Männer ihres Geldes beraubt?>

<Es ist wohl wahr, o König, daß ich das bin. Nichtsdestoweniger aber wohnt mir eine Wahrheitskraft inne, durch die ich, wenn ich wollte, selbst die Welt mit allen ihren Göttern umstürzen könnte.>

<Worin besteht denn dieser Wahrheitsakt? Lasse mich das doch wissen!>

<Wer mir auch immer Geld gibt, sei's ein Adeliger, Brahmane, Kaufmann oder Diener, alle bediene ich ganz gleich. Weder ziehe ich den Adeligen vor, noch verachte ich den Diener. Ohne Zuneigung oder Abneigung bediene ich den, der zahlt. Dies, o Herr, ist mein Wahrheitsakt, durch den ich diesen mächtigen Ganges gezwungen habe, stromaufwärts zu fließen.>

Somit also, o König, gibt es nichts, was die in der Wahrheit Gefestigten nicht imstande wären zu erreichen. Und wenn der König Sivi einem Bettler seine eigenen Augen hingab und ihm darauf himmlische Augen entstanden, so geschah das eben bloß zufolge des Wahrheitsaktes. Wenn es in den Lehrreden heißt, daß nach Aufhebung der Ursache, also ohne Grund und Ursache, das himmlische Auge nicht zur Entstehung gelangen kann, so ist dies eben bloß mit Hinsicht auf das durch geistige Übung gezeugte Auge gesagt (die Grundlage zur Entstehung des himmlischen Auges ist demnach nicht das fleischliche Auge, sondern die "geistige Übung" (bhāvanā - wörtl. Entfaltung). So hast du dies zu verstehen, o König."

"Vortrefflich, ehrwürdiger Nāgasena! Gut hast du das Problem gelöst, meinen Einwand beantwortet und die Ansichten der anderen gänzlich zunichte gemacht. So ist es. Das gebe ich zu."


Mil. 4.1.13. Die Empfängnis

Dieser Abschnitt ist der ersten Auflage von 1914 entnommen und im Original von 1985 (Zweite Auflage) nicht enthalten.

"Folgendes, o Herr, wurde vom Erhabenen gesagt:

,Durch das Zusammentreffen von drei Umständen, o Mönche, kommt es zur Entstehung des Embryo: Wenn Vater und Mutter zusammen sind, und die Mutter hat ihre Zeit und der Genius (*2) ist bereit, so kommt es, o Mönche, durch das Zusammentreffen dieser drei Umstände zur Entstehung des Embryo.' -

Dies ist eine ausschlaggebende Behauptung, die keinen Raum für eine weitere Möglichkeit übrig lässt, eine entscheidende, rückhaltlose Behauptung, die da vom Erhabenen, während er inmitten von Göttern und Menschen dasaß, gemacht wurde. Nun weiß man aber doch aus der Erfahrung, daß auch schon durch das Zusammentreffen zweier Umstände die Entstehung des Embryo zustande kommen mag. Als zum Beispiel die Büsserin Pārikā gerade ihre Zeit hatte, berührte sie der Büßer Dukūlo am Nabel, und infolge dieser Berührung wurde der Prinz Sāmo geboren. Auch ein Einsiedler aus der niedrigsten Kaste berührte mit dem Daumen seiner rechten Hand den Nabel eines Brahmanenmädchens, während diese gerade ihre Zeit hatte, und infolge dieser Berührung wurde der Brahmanenjüngling Mandabyo geboren. Wenn nun, ehrwürdiger Nāgasena, der Vollendete sagt, daß durch das Zusammentreffen von drei Umständen die Entstehung des Embryo zustande kommt, so muß die Behauptung, daß diese beiden - Sāmo und Mandabyo - infolge der Berührung des Nabels geboren seien, eben falsch sein. Wenn aber der Vollendete wirklich gesagt hat, daß Sāmo und Mandabyo infolge der Berührung des Nabels geboren seien, so muss eben jene Behauptung, dass die Entstehung des Embryo durch das Zusammentreffen von drei Umständen bedingt ist, falsch sein. Dies ist wieder einmal ein zweischneidiges Problem, das dir da gestellt wird, äußerst tiefsinnig und subtil, ein Gegenstand für scharfe Denker. So zerstöre denn diese Gasse des Zweifels und halte empor das hehre Licht der Erkenntnis!"

"Ja, o König, der Erhabene hat wohl gesagt, daß durch das Zusammentreffen von drei Umständen die Entstehung des Embryo bedingt ist. Hinwiederum hat er gesagt, daß Sāmo und Mandabyo infolge der Berührung des Nabels geboren wurden."

"So lasse mich denn deine Begründung hören, die das Problem richtig stellt!"

"Auch Prinz Sāmo, o König, und der Brahmanenjüngling Mandabyo gehören zu den durch das Zusammentreffen der drei Umstände Geborenen, und beide hatten ein und denselben Charakter in früherer Geburt. Ich will dir nun hier diese Sache erklären.

"Der Büsser Dukūlo, o König, und die Büsserin Pārikā lebten beide im Walde, neigten zur Abgeschiedenheit und suchten nach dem höchsten Ziele, und kraft des Feuers ihres Bußeifers drangen sie bis hinauf zur Brahmanwelt. Sakko, der Götterkönig, kam damals früh und spät um ihnen aufzuwarten. Und in ehrfurchtsvoller Liebe über sie nachsinnend erkannte er, daß in späteren Jahren beide ihre Augen verlieren würden. Dies erkennend, sprach er zu ihnen: ,Hört, Verehrte, auf meine Worte! Gut wäre es, wenn ihr einen Sohn gebären wolltet. Derselbe könnte euch aufwarten und eure Stütze sein.' ,Genug damit, o Indra! Sprich nicht solches!' erwiderten jene und nahmen seine Worte nicht an. Aus Mitleid und Wohlwollen aber wiederholte Sakko, der Götterkönig, zum zweiten und dritten Male sein Anliegen. Aber auch auf seine dreimalige Bitte hin sprachen jene: ,Genug damit, o Indra, stürze uns nicht ins Verderben! Wie wird es wohl jemals möglich sein, daß dieser Körper nicht zerfallen sollte? Möge dieser dem Verfall unterworfene Körper nur ruhig zerfallen! Ja, sollte selbst die Erde auseinander brechen, oder dieser Felsengipfel zusammenbrechen, oder der Himmel zerplatzen, oder Sonne und Mond herabstürzen: wir wollen mit weltlichen Dingen nichts mehr zu schaffen haben! Trete nicht vor unser Angesicht! Wenn du dich uns näherst, müssen wir annehmen, daß du gewissermaßen ein Unheilstifter bist.' 

Da nun Sakko, der Götterkönig, ihre Herzen nicht gewinnen konnte, bat er von neuem, indem er voll Ehrfurcht die zusammengelegten Hände zur Stirne erhob; ,Wenn ihr diese meine Worte nicht befolgen könnt, so mögest du wenigstens, o Herr, wenn die Büsserin ihre Zeit, ihre Regel, hat, mit dem Daumen der rechten Hand ihren Nabel berühren, und dadurch wird sie befruchtet werden. Also bloß die Berührung ist nötig zu ihrer Befruchtung.' - ,Diese Weisung kann ich freilich befolgen, denn durch eine solche Handlung wird meine Askese nicht gestört.' Und mit den Worten: ,Sei es denn,' willigten beide ein. Zu jener Zeit nun aber lebte in der Götterwelt ein Göttersohn, dessen Triebe zum Guten stark entwickelt waren, und dessen Leben abgelaufen, der an seinem Lebensende angelangt war, und der, wenn er wollte, selbst in der Familie eines Weltherrschers wieder ins Dasein treten konnte. Und Sakko, der Götterkönig, begab sich zu jenem Göttersohne und sprach zu ihm: ,Geh, Verehrter! Glücklich dämmert dir dein neuer Tag. Erfolg hast du erreicht, an einem entzückenden Orte, zu den ich mich deinetwegen hinbegab, sollst du wohnen. In einer passenden Familie sollst du wiedergeboren werden, und gute Eltern sollen dich erziehen.' Und er bat ihn, seinen Worten Folge zu leisten. Und auch zum zweiten Maie und dritten Male bat er ihn also, indem er seine gefalteten Hände zur Stirne emporhob. Und es erwiderte jener Göttersohn: ,Welche Familie ist dies, o Herr, die du da immer wieder rühmst?' ,Der Büsser Dukūlo und die Büsserin Pārikā.' Und auf seine Worte hin willigte er zufrieden ein, indem er sprach: ,Gut, o Herr. Dein Wille soll geschehen.' 

Und Sakko, der Götterköng, rechnete den Tag der Geburt aus und teilte dem Büsser Dukūlo mit, daß an dem und dem Tage die Büsserin ihre Zeit, ihre Regel, haben werde, und daß er dann mit dem Daumen der rechten Hand ihren Nabel berühren solle. Und an jenem Tage, o König, hatte die Büsserin ihre Zeit, ihre Regel und der Göttersohn war dort erschienen und stand bereit. Darauf berührte der Büsser mit dem Daumen der rechten Hand den Nabel der Büsserin, und dadurch waren alle drei vereinigt. Infolge der Berührung ihres Nabels aber wurde in der Büsserin die Begierde wachgerufen. Ihre Begierde aber war bloß bedingt durch diese Berührung ihres Nabels. Glaube also nicht, daß diese Vereinigung eine Ausschreitung war. Es mag durch Scherzen zu einer Vereinigung der drei Bedingungen kommen oder durch Plaudern oder durch Nachsinnen. Bei Berührung aber findet infolge der durch frühere Zeiten bedingten Gier die Vereinigung statt. Und durch die Vereinigung kommt es zur Empfängnis. So also, o König, mag, selbst ohne Ausschreitung, bei bloßer Berührung die Entstehung des Embryo stattfinden. "Gleichwie, o König, ein brennendes Feuer, selbst ohne es zu berühren, bei den Dabeistehenden die Kälte verscheucht: ebenso auch, o König, mag, selbst ohne Ausschreitung, bei bloßer Berührung die Entstehung des Embryo stattfinden.

"Unter dem Einfluss von vier Bedingungen, o König findet der Wesen Empfängnis statt:  

trotzdem nichts desto weniger alle Wesen gemäß ihrer Werke geboren werden, aus ihren Werken hervorgehen. "Wie nun, o König, findet unter dem Einfluss der Werke der Wesen Empfängnis statt? Die in den Grundlagen des Guten hervorragenden Wesen, o König, können wiedererscheinen, wo immer sie wollen, sei's in einer mächtigen Adelsfamilie oder einer mächtigen Brahmanenfamilie oder einer mächtigen Bürgersfamilie oder unter den Göttern oder unter den giergeborenen Wesen oder im Schosse der lebendig gebärenden oder der im Schmutz entstehenden oder der spontan entstehenden.

"Nimm an, o König, es lebe da ein reicher, vermögender, hochbegüterter Mann, mit Überfluss an Gold und Silber, Geld und Gut, Korn und Reichtum und umgeben von einer großen Verwandtenschar. Gleich wie nun jener alles, was sein Herz begehrt, nach Wunsch sich verschaffen kann - sei's Magd, Knecht, Feld, Boden, Dorf, Stadt oder Land - indem er eben den doppelten oder dreifachen Preis dafür zahlt: ebenso auch, o König, können die in den Grundlagen des Guten hervorragenden Wesen wiedererscheinen, wo immer sie wollen. So also findet unter dem Einfluss der Werke der Wesen Empfängnis statt. 

"Wie aber findet unter dem Einfluss der Art der Wesen Empfängnis statt? Bei den Hühnern, o Herr, findet unter dem Einfluss des Windes die Befruchtung statt (*3), bei den Kranichen unter dem Einfluss des Donners, und sämtliche Götter sind nicht leibgeborene Wesen. Deren Empfängnis geschieht in mannigfacher Art. Zum Beispiel. Auch in der Welt, o König, leben Menschen von mannigfacher Art: einige bedecken sich von vorn, einige von hinten, einige sind nackt, einige sind kahl geschoren und tragen weiße Gewänder, einige haben ihre Haare zu einem Knoten gebunden, einige sind kahl geschoren und in gelbe Gewänder gekleidet, einige sind in gelbe Gewänder gehüllt und haben ihre Haare zu einem Knoten gebunden, einige haben ihre Haare geflochten und tragen Gewänder aus Rinde, einige sind in Felle gehüllt, einige in Flechtwerk. Alle diese verschiedenartigen Menschen leben in der Welt. In derselben Weise aber auch, o König, gelten diese alle eben als Wesen, ihre Empfängnis aber findet statt nach verschiedener Art. So also findet unter dem Einfluss der Art der Wesen Empfängnis statt. 

"Wie aber findet unter dem Einfluss der Gattung der Wesen Empfängnis statt? Mit Gattung, o König, bezeichnet man diese vier Gattungen: die eierlegenden, lebendig gebärenden, im Schmutze entstehenden und spontan entstehenden Wesen. Wenn da nun ein Genius, von wo er auch immer gekommen sein mag, in der eierlegenden Gattung wiedergeboren wird, so wird er eben dort aus dem Ei geboren. Und in allen den Gattungen entstehen eben immer nur die entsprechenden Wesen. Gleichwie nämlich, o König, sämtliche Tierarten, sobald sie zum Merugebirge gelangen, ihr eignes Aussehen verlieren und goldenen Glanz annehmen: so auch, o König, verliert jedweder Genius, von wo er auch immer gekommen sein mag, wenn er in der Gattung der eierlegenden Wesen wieder erscheint, seine ursprüngliche Form und wird zu einem eierlegenden Wesen. Dementsprechend verhält es sich bei den anderen Gattungen. So findet also unter dem Einfluss der Gattung der Wesen Empfängnis statt. 

"Wie aber findet unter dem Einfluss eines Wunsches der Wesen Empfängnis statt? Da, o König, ist eine Familie ohne Kinder, aber hochvermögend, voll Vertrauen und Zuversicht, sittenrein, dem Guten ergeben, der Enthaltsamkeit zugetan. Und ein in den Grundlagen des Guten hervorragender Göttersohn ist zum Abscheiden bestimmt, und Sakko, der Götterkönig, bittet aus Mitleid mit jener Familie den Göttersohn: ,Wünsche dich doch, Verehrter, in den Schoss der edlen Frau in jener Familie.' Und infolge seiner Bitten wünscht sich der Göttersohn in jene Familie. Gleichwie da wohl, o König, nach dem Guten strebende Menschen einen verehrungswürdigen Asketen einladen und zu ihrem Hause führen, in dem Gedanken, daß dieser durch seinen Besuch der ganzen Familie Glück bringen möchte: ebenso auch o König, bat Sakko, der Götterkönig, den Gottersohn und führte in zu jener Familie. So also findet unter dem Einfluss eines Wunsches der Wesen Wiedergeburt statt. 

"Prinz Sāmo nun, o König, ist auf die Bitte Sakkos, des Götterkönigs, in den Leib der Büsserin Pārikā hinabgestiegen. Prinz Sāmo nämlich, o Herr, hatte viel Gutes getan, beide Eltern waren sittenrein, dem Guten ergeben, und der Bittende war eine würdige Persönlichkeit. So kam es also infolge der Herzensneigung dieser drei zur Geburt des Prinzen Sāmo. Wenn da, o König, ein erfahrener Mann auf gut bearbeiteten, feuchten Boden Samen sät, kann es da wohl, falls jener dabei alles Nachteilige meidet, irgend ein Hindernis geben für des Gedeihen dieses Samens?"

"Nein, o Herr. Ungehindert würde der Samen gar schnell in die Höhe schießen."

"Ebenso auch, o König, wurde Prinz Sāmo, der von den Geburtshindernissen frei war, unter dem Einfluss der Herzensneigung jener drei Personen geboren. Hast du wohl aber schon einmal gehört, daß durch der Seher Zorngedanken ein reiches gesegnetes, dicht bevölkertes großes Land verheert wurde?"

"Gewiss, o Herr. Es ist ja bekannt in der ganzen Welt von dem Dandaliawald, dem Mejjhāwald, dem Kālingawald, und dem Mātangawald, daß diese sämtlichen Wälder verödeten und all diese Orte durch der Seher Zorngedanken vernichtet wurden."

"Wenn nun aber, o König, reichgesegnete Länder durch der Seher Zorngedanken vernichtet werden konnten, konnte, vielleicht da nicht ebensogut auch infolge deren Herzensneigung irgend etwas zum Entstehen kommen?"

"Gewiss, o Herr."

Somit also, o König, ist infolge der Herzensneigung jener drei mächtigen Wesen Prinz Sāmo ins Leben getreten: durch einen Seher gezeugt, durch einen Gott gezeugt, durch eignes Verdienst gezeugt. Das magst du dir merken, o König! Folgende drei Göttersöhne, o König, wurden auf die Bitten Sakkos, des Götterkönigs, in edlem Hause wiedergeboren: Prinz Sāmo, Mahāpanādo und Kusarājā und alle drei waren sie Anwärter auf Buddhaschaft."(*4) "Vortrefflich erklärt hast du die Entstehung des Embryo, o Herr, die Sache richtig dargelegt, die Finsternis erhellt, den Knoten gelöst und die Behauptungen der Anderen über den Haufen geworfen. So ist es, und so nehme ich es an."


(*2) Eine metaphorische Bezeichnung der beim Tode überspringenden und in einem neuem Schosse als ein scheinbar neues Wesen sich wieder manifestierende Kraft.

(*3) Das soll offenbar heißen, daß der Wind die Übertragung des Spermas veranlasst, analog wie im Pflanzenreiche.

(*4) Unter einem Bodhisatto, wörtl. "Erleuchtungswesen" ist ein Wesen zu verstehen, das später einmal die Buddhaschaft erreicht.


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