Anguttara Nikaya

IV. Die vierten fünfzig Sutten (catutthapannāsaka)

16. Kapitel: indriya-vagga

A.IV. 151 Vier geistige Fähigkeiten

Vier geistige Fähigkeiten gibt es, ihr Mönche. Welche vier?

Diese vier geistigen Fähigkeiten gibt es, ihr Mönche.

(Als die meist gleichfalls aufgezählte fünfte geistige Fähigkeit (indriya) oder geistige Kraft (bala) gilt die Weisheit; s. A.V.11f.; A.VI.55.)


A.IV. 152-155 Vier geistige Kräfte

Vier geistige Kräfte gibt es, ihr Mönche. Welche vier?

(152) Vertrauen, Tatkraft, Achtsamkeit und Geistessammlung.

(153) Weisheit, Tatkraft, Unbescholtenheit und Gunsterweisung (*1).

(154) Achtsamkeit, Geistessammlung, Unbescholtenheit und Gunsterweisung.

(155) Erwägung, Geistesentfaltung (*2), Unbescholtenheit und Gunsterweisung.

Diese vier geistigen Kräfte gibt es, ihr Mönche.


(*1) sangaha-bala; s. A.IV.32. Sämtliche vier sind erklärt in A.IX.5.

(*2) Über diese beiden Kräfte s. A.II.11-13.


A.IV. 156 Die Unermeßlichkeit der Weltperioden

Vier unermeßliche Zeitabschnitte einer Weltperiode (kappassa asankheyyāni) gibt es, ihr Mönche. Welche vier?

Diese vier unermeßlichen Zeitabschnitte einer Weltperiode gibt es, ihr Mönche.


(*1) kappo samvattati, wtl: . . . sich ein Weltalter zusammenfaltet.

(*2) kappo samvatto titthati, wtl: . . . in Zusammenfaltung andauert.

(*3) kappo vivattati, wtl: . . . sich entfaltet, entwickelt.

(*4) kappo vivatto titthati, wtl: . . . in seiner Entfaltung andauert.


A.IV. 157 Asketenkrankheiten

Zweierlei Krankheiten gibt es, ihr Mönche. Welche beiden? 

Man trifft wohl Wesen, ihr Mönche, die sich für ein Jahr von körperlicher Krankheit frei wissen, auch für zwei, drei, vier oder fünf, selbst für zehn, für zwanzig, dreißig, vierzig oder fünfzig Jahre, ja gar für hundert Jahre und noch länger. Doch solche Wesen, ihr Mönche, trifft man schwerlich in der Welt, die sich von der Krankheit des Geistes auch nur für einen Augenblick frei wissen, es seien denn Triebversiegte.

Vier Krankheiten gibt es, ihr Mönche, für einen in die Hauslosigkeit Hinausgezogenen. Welche vier?

Da, ihr Mönche, ist ein Mönch

Diese vier Krankheiten, ihr Mönche, gibt es für einen, der in die Hauslosigkeit hinausgezogen ist.

So hat man denn, ihr Mönche, danach zu streben:

Danach, ihr Mönche, habt ihr zu streben!


A.IV. 158 Fortschritt und Rückschritt

Dort (Ortsangabe fehlt) nun wandte sich der ehrwürdige Sāriputta an die Mönche: »Liebe Mönche!« sprach er. »Bruder!« erwiderten jene Mönche dem ehrwürdigen Sāriputta. Und der ehrwürdige Sāriputta sprach:

»Wer da, ihr Brüder, von den Mönchen oder Nonnen in sich vier Eigenschaften merkt, der mag es mit Bestimmtheit wissen, daß er der heilsamen Eigenschaften verlustig geht, daß dies der Erhabene als einen Rückschritt bezeichnet hat. Welche vier Eigenschaften sind dies: 

Wer da, ihr Brüder, von den Mönchen oder Nonnen diese vier Eigenschaften in sich merkt, der mag es mit Bestimmtheit wissen, daß er der heilsamen Eigenschaften verlustig geht, daß der Erhabene dies als einen Rückschritt bezeichnet hat.

Wer da, ihr Mönche, in sich vier [andere] Eigenschaften merkt, der mag es mit Bestimmtheit wissen, daß er der heilsamen Eigenschaften nicht verlustig geht, daß dies der Erhabene als einen Fortschritt bezeichnet hat. Welche vier Eigenschaften sind dies? 

Wer da, ihr Brüder, von den Mönchen oder Nonnen diese vier Eigenschaften in sich merkt, der mag es mit Bestimmtheit wissen, daß er der heilsamen Eigenschaften nicht verlustig geht, daß der Erhabene dies als einen Fortschritt bezeichnet hat.«


A.IV. 159 Die Heilung der Liebeskranken

So habe ich gehört. Einst weilte der ehrwürdige Ananda im Ghosita-Kloster bei Kosambi. Da nun gab eine der Nonnen einem gewissen Manne den Auftrag: »Geh, lieber Mann, begib dich zum ehrwürdigen Ananda, verneige dich in meinem Namen ehrfurchtsvoll zu Füßen des ehrwürdigen Ananda und sprich: 'Eine Nonne mit dem und dem Namen, o Herr, ist von einer Krankheit befallen, ist leidend und schwer krank, und sie verneigt sich ehrfurchtsvoll zu Füßen des ehrwürdigen Ananda.' Sage auch: 'Gut wäre es, o Herr, wollte sich der ehrwürdige Ananda von Mitleid bewogen zum Nonnenkloster begeben, wo jene Nonne weilt.'« - »Ja, Ehrwürdige!« erwiderte jener Mann der Nonne und begab sich dorthin, wo der ehrwürdige Ananda weilte. Dort angelangt, begrüßte er den ehrwürdigen Ananda ehrerbietig und setzte sich zur Seit nieder. Seitwärts sitzend sprach jener Mann zum ehrwürdigen Ananda also: »Eine Nonne mit dem und dem Namen, o Herr, ist von einer Krankheit befallen, ist leidend und schwer krank. Sie verneigt sich ehrfurchtsvoll zu Füßen des ehrwürdigen Ananda und läßt sagen: 'Gut wäre es, o Herr, wollte sich der ehrwürdige Ananda von Mitleid bewogen zum Nonnenkloster begeben, wo jene Nonne weilt.'« Durch Schweigen gab der ehrwürdige Ananda seine Zustimmung.

Es rüstete sich nun der ehrwürdige Ananda, nahm Gewand und Almosenschale und begab sich zum Nonnenkloster, wo jene Nonne weilte. Jene Nonne aber sah den ehrwürdigen Ananda schon von weitem herankommen. Bei seinem Anblick legte sie sich auf ihr Lager und hüllte sich bis über den Kopf ein. Der ehrwürdige Ananda nur begab sich dorthin, wo jene Nonne weilte. Dort angelangt, setzte er sich auf dem an gebotenen Sitze nieder und sprach zu jener Nonne also (*1):

Es wurde gesagt: 'Durch Nahrung, o Schwester, ist dieser Körper geworden; auf Nahrung gestützt, ist die Nahrung zu überwinden.' Mit Bezug worauf aber wurde dies gesagt? Da nimmt, o Schwester, der Mönch weise besonnen die Almosenspeise zu sich, nicht etwa zum Vergnügen oder aus Betörung, nicht um üppig und schön zu werden; sondern eben nur zur Erhaltung und Fristung dieses Körpers, um Schaden zu verhüten und den heiligen Wandel zu ermöglichen; im Gedanken: 'Auf diese Weise werde ich das alte Gefühl stillen und keine neuen Beschwerden aufkommen lassen, und langes Leben, Unbescholtenheit und Wohlbefinden wird mir beschieden sein' (*3). Nach einiger Zeit überwindet er nun, auf Nahrung gestützt, die Nahrung. Wurde also gesagt: 'Durch Nahrung, o Schwester, ist dieser Körper geworden; auf Nahrung gestützt, ist die Nahrung zu überwinden', so wurde dies eben darum gesagt.

Es wurde gesagt: 'Durch Begehren, o Schwester, ist dieser Körper geworden; auf Begehren gestützt, ist das Begehren zu überwinden.' Mit Bezug worauf aber wurde dies gesagt? Da vernimmt, o Schwester, ein Mönch die Kunde: 'Ein Mönch mit dem und dem Namen hat durch Versiegung der Triebe noch bei Lebzeiten die von Trieben freie Gemütserlösung und Weisheitserlösung erreicht, sie selber erkennend und verwirklichend.' Da wird ihm also zumute: 'Ach, wann werde auch ich durch Versiegung der Triebe noch bei Lebzeiten die von Trieben freie Gemütserlösung und Weisheitserlösung erreichen, sie selber erkennend und verwirklichend?' Nach einiger Zeit nun überwindet er, auf Begehren gestützt, das Begehren. Wurde also gesagt: 'Durch Begehren, o Schwester, ist dieser Körper geworden; auf Begehren gestützt, ist das Begehren zu überwinden', so wurde dies eben darum gesagt.

Es wurde gesagt: 'Durch Eigendünkel, o Schwester, ist dieser Körper geworden; auf Eigendünkel gestützt, ist der Eigendünkel zu überwinden.' Mit Bezug worauf aber wurde dies gesagt? Da vernimmt, o Schwester, ein Mönch die Kunde: 'Ein Mönch mit dem und dem Namen hat durch Versiegung der Triebe noch bei Lebzeiten die von Trieben freie Gemütserlösung und Weisheitserlösung erreicht, sie selber erkennend und verwirklichend.' Da wird ihm also zumute: 'Ja, wenn jener Ehrwürdige durch Versiegung der Triebe noch bei Lebzeiten die von Trieben freie Gemütserlösung und Weisheitserlösung erreicht hat, warum sollte auch ich dies nicht können?' Nach einiger Zeit nun überwindet er, auf Eigendünkel gestützt, den Eigendünkel. Wurde also gesagt: 'Durch Eigendünkel, o Schwester, ist dieser Körper geworden; auf Eigendünkel gestützt, ist der Eigendünkel zu überwinden', so wurde dies eben darum gesagt.

Durch Begattung, o Schwester, ist dieser Körper geworden, und die Begattung hat der Erhabene als Zerstörung der Grenze (*4) bezeichnet.«

Da nun erhob sich jene Nonne von ihrem Lager, schlug das Gewand über eine Schulter, und gesenkten Hauptes fiel sie dem ehrwürdigen Ananda zu Füßen und sprach: »Eine Schuld, o Herr, hat mich überkommen, aus Torheit, Verblendung und Schlechtigkeit, daß ich da also gehandelt habe. Wolle doch, o Herr, der ehrwürdige Ananda das Geständnis meiner Schuld als solches annehmen, auf daß ich mich künftig beherrsche!« -

»Ja, wahrlich, o Schwester, eine Schuld hat dich überkommen, aus Torheit, Verblendung und Schlechtigkeit, daß du da also gehandelt hast! Insofern du aber, Schwester, deine Schuld als Schuld erkennst und der Vorschrift gemäß Sühne tust, so wollen wir das von dir annehmen. Denn es gilt, o Schwester, als ein Fortschritt in der Zucht des Heiligen, wenn man seine Schuld als Schuld bekennt, der Vorschrift gemäß Sühne tut und künftig sich beherrscht.«


(*1) Jene Nonne war zu Ananda in sinnlicher Liebe entbrannt und beabsichtigte, ihn zu einem geschlechtlichen Vergehen zu verleiten. Ananda jedoch durchschaute ihre Absicht und versucht, durch seine Belehrung die Nonne wieder auf den rechten Pfad zu bringen, was ihm auch gelingt.

(*2) Die vier 'Nahrungen' (āhāra; s. Wtb), d.i. Grundlagen oder Bedingungen, sind: stoffliche Nahrung, Bewußtseinseindruck, Wille (= karmischer Wille) und Bewußtsein. - K: auf die gegenwärtige stoffliche Nahrung gestützt und sie weise benutzend, gibt man die als früher Kamma geltende Nahrung (d.i. die Bedingung gegenwärtiger Existenz) auf.

(*3) Erklärt in VisM 37.

(*4) setu-ghāta. Der Geschlechtsakt ist eines der im Pātimokkha angeführten vier schweren Vergehen (pārājika), durch deren Begehung der Mönch oder die Nonne die Zugehörigkeit zum Orden einbüßt, sowie auch die Möglichkeit, die volle Ordination wieder zu erhalten.


A.IV.160 Bestand und Schwinden der wahren Lehre

Wenn, ihr Mönche, der Gesegnete in der Welt da ist oder des Gesegneten Satzung, so gereicht das vielen zum Heil, vielen zum Wohl, es ist zum Troste für die Welt, zum Segen und Heil und Glück der Götter und Menschen.

Wer aber, ihr Mönche, ist der Gesegnete? Da, ihr Mönche, erscheint der Vollendete in der Welt, der Heilige, vollkommen Erleuchtete, der im Wissen und Wandel Bewährte, der Gesegnete, der Kenner der Welt, der unvergleichliche Lenker führungsbedürftiger Menschen, der Meister der Götter und Menschen, der Erleuchtete, der Erhabene. Das, ihr Mönche, ist der Gesegnete.

Was aber, ihr Mönche, ist des Gesegneten Satzung? Da legt der Gesegnete die Lehre dar, die am Anfang schöne, in der Mitte schöne und am Ende schöne; dem Sinne wie dem Wortlaut nach verkündet er den ganz vollkommenen, lauteren Reinheitswandel. Das, ihr Mönche, ist des Gesegneten Satzung.

Wenn derart, ihr Mönche, der Gesegnete in der Welt da ist oder des Gesegneten Satzung, so gereicht das vielen zum Heil, vielen zum Wohl, es ist zum Troste für die Welt, zum Segen und Heil und Glück der Götter und Menschen.

Vier Umstände, ihr Mönche, führen zum Schwinden und Untergang der Guten Lehre. Welche vier?

Da lernen die Mönche eine Lehrrede, ohne sie zu verstehen und mit verkehrtem Wortlaut. Der Sinn verkehrten Wortlauts aber ist irreführend. Dies, ihr Mönche, ist der erste Umstand, der zum Schwinden und Untergang der Guten Lehre führt.

Ferner noch, ihr Mönche: da sind die Mönche für Belehrungen unzugänglich (dubbaca), besitzen Eigenschaften, die sie unbelehrbar machen (dovacassa-karanā dhammā; aufgezählt in M. 15); sie sind widerspenstig und schenken den Unterweisungen nicht die rechte Achtung. Dies, ihr Mönche, ist der zweite Umstand, der zum Schwinden und Untergang der Guten Lehre führt.

Ferner noch, ihr Mönche: jene Mönche, die wissensreich sind, mit der Überlieferung wohl vertraut, Kenner der Lehre, der Ordenszucht und der Leitsätze, sie haben nicht den Pflichteifer, andere einen Lehrtext lernen zu lassen. Nach deren Tod sind dann die Lehrtexte ihrer Träger beraubt, sind ohne Stütze. Dies, ihr Mönche, ist der dritte Umstand, der zum Schwinden und Untergang der Guten Lehre führt.

Ferner noch, ihr Mönche: da sind die älteren Mönche der Üppigkeit ergeben und dem Müßiggang; sie ziehen das Abträgliche vor, scheuen die Einsamkeit als eine Last und strengen nicht ihre Kraft an, um das Unerlangte zu erlangen, das Unerreichte zu erreichen und das Unverwirklichte zu verwirklichen. Ihre Schüler aber ahmen das Gesehene nach: auch sie sind der Üppigkeit ergeben und dem Müßiggang; sie ziehen das Abträgliche vor, scheuen die Einsamkeit als eine Last und strengen nicht ihre Kraft an, um das Unerlangte zu erlangen, das Unerreichte zu erreichen und das Unverwirklichte zu verwirklichen. Dies, ihr Mönche, ist der vierte Umstand, der zum Schwinden und Untergang der Guten Lehre führt.

Diese vier Umstände, ihr Mönche, führen zum Schwinden und Untergang der Guten Lehre.

Vier Umstände aber, ihr Mönche, gereichen zum Fortbestand der Guten Lehre, zu ihrer Erhaltung und Ausbreitung. Welche vier?

Da lernen die Mönche einen wohlverstandenen Lehrtext mit rechtem Wortlaut. Der Sinn rechten Wortlauts aber ist wohlverständlich. Dies, ihr Mönche, ist der erste Umstand, der zum Fortbestand der Guten Lehre gereicht, zu ihrer Erhaltung und Ausbreitung.

Ferner noch, ihr Mönche: da sind die Mönche der Belehrung zugänglich (*1), besitzen Eigenschaften, die sie belehrbar machen (sovacassa-karanā-dhammā); sie sind willfährig und schenken den Unterweisungen die rechte Achtung. Dies, ihr Mönche, ist der zweite Umstand, der zum Fortbestand der Guten Lehre gereicht, zu ihrer Erhaltung und Ausbreitung.

Ferner noch, ihr Mönche: jene Mönche, die wissensreich sind, mit der Lehre wohlvertraut, Kenner der Lehre, der Ordenszucht und der Leitsätze, sie besitzen den Pflichteifer, andere die Lehrtexte lernen zu lassen. Nach ihrem Tode sind dann die Lehrtexte nicht ihrer Träger beraubt, sondern haben eine Stütze. Dies, ihr Mönche, ist der dritte Umstand, der zum Fortbestand der Guten Lehre gereicht, zu ihrer Erhaltung und Ausbreitung.

Ferner noch, ihr Mönche: da sind die älteren Mönche nicht der Üppigkeit ergeben und nicht dem Müßiggang; sie scheuen das Abträgliche als eine Last, ziehen die Einsamkeit vor und strengen ihre Kraft an, um das Unerlangte zu erlangen, das Unerreichte zu erreichen und das Unverwirklichte zu verwirklichen. Und ihre Schüler ahmen das Gesehene nach: auch sie sind nicht der Üppigkeit ergeben und nicht dem Müßiggang; sie scheuen das Abträgliche als eine Last, ziehen die Einsamkeit vor und strengen ihre Kraft an, um das Unerlangte zu erlangen, das Unerreichte zu erreichen und das Unverwirklichte zu verwirklichen. Dies, ihr Mönche, ist der vierte Umstand, der zum Fortbestand der Guten Lehre gereicht, zu ihrer Erhaltung und Ausbreitung.

Diese vier Umstände, ihr Mönche, gereichen zum Fortbestand der Guten Lehre, zu ihrer Erhaltung und Ausbreitung.


(*1) suvaca; nicht, wie häufig übersetzt, 'milde sprechend', sondern 'leicht ansprechbar', d.i. leicht belehrbar, zugänglich für Rat und Belehrung, nachgiebig.


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