uparrow.gif (358 bytes) Visuddhi Magga XXIII.

Der Segen der Wissensentfaltung (paññābhāvanânisamsā)

Vis.XXIII. 3. Der Erlöschungszustand: nirodha-samāpatti

 
'Die Fähigkeit in den Erlöschungszustand einzutreten': Nicht bloß daß man den Genuß der edlen Frucht erfährt, sondern auch daß man die Fähigkeit erlangt, in den Erlöschungszustand einzutreten, auch das ist als Segen dieser Wissensentfaltung zu betrachten. Um da nun den Erlöschungszustand zu erklären, hat man folgende Fragen aufzuwerfen:

 

'Was ist der Erlöschungszustand?'

Es ist das Nichtmehrauftreten von Bewußtsein und Bewußtseinsfaktoren auf Grund des stufenweisen Erlöschens.

 

'Wer tritt darin ein, wer nicht?'

Die Weltlinge, Stromeingetretenen, Einmalwiederkehrenden und die auf bloßen Hellblick gestützten Niewiederkehrenden und Heiligen: alle diese treten nicht darin ein. Nur solche Niewiederkehrenden und Heiligen, die die 8 Erreichungszustände (8 Vertiefungen) erwirkt haben, diese treten darin ein. Es heißt nämlich (Pts.I.p.97): "Dasjenige Wissen, das auf Grund des Ausgestattetseins mit 2 Kräften, der Stillung der 3 Funktionen, der 16 Erkenntnispfade und der 9 Sammlungspfade die Meisterschaft erreicht hat, das gilt als die Erkenntnis des Erlöschungszustandes." Diese Errungenschaft aber eignet niemandem außer den der 8 Erreichungen fähigen Niewiederkehrenden und Triebversiegten. Darum treten nur diese darin ein, keine anderen. Was aber sind da die beiden Kräfte usw.? Hierüber brauche ich nichts zu sagen, da dies alles bereits in der Erklärung dieser Aufzählung (ib.26) gegeben ist, nämlich: -

 

'Mit 2 Kräften': - Diese beiden Kräfte sind die Kraft der Gemütsruhe (samatha-bhala) und die Kraft des Hellblicks (vipassanā-bhala).

 
 

"Was aber ist die Kraft der Gemütsruhe (samatha-bala)?

Als Kraft der Gemütsruhe gilt die Einspitzigkeit und Unzerstreutheit des Geistes auf Grund von Gierentsagung, Haßlosigkeit, Helligkeitsvorstellung, Unzerstreutheit. (Ergänzung lt. Pts.: auf Grund der Festlegung geistiger Vorgänge, auf Grund von Wissen, von Freude, auf Grund der 8 Erreichungszustände, 10 Kasina, 10 Betrachtungen, 9 Leichenstätten-Betrachtungen, 32 Arten der Atmungs-Achtsamkeit, abschließend mit:) Betrachtung des Fahrenlassens bei Ein- und Ausatmung. In welchem Sinne aber hat man die Kraft der Gemütsruhe zu verstehen? Daß man auf Grund der ersten Vertiefung nicht mehr durch Hemmungen erschüttert wird; daß man auf Grund der zweiten Vertiefung nicht mehr durch Gedankenfassung und Diskursives Denken erschüttert wird ....; daß man auf Grund der Erreichung des Gebietes der Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmung nicht mehr durch die Wahrnehmung des Nichtsheitgebietes erschüttert wird, nicht mehr erregt wird, nicht mehr erbebt: dies gilt als die Kraft der Gemütsruhe. Daß man nicht mehr durch Aufgeregtheit und die damit verbundenen Leidenschaften und Daseinsgruppen erschüttert wird, nicht mehr erregt wird, nicht mehr erbebt: dies gilt als die Kraft der Gemütsruhe.

 
 

"Was aber ist die Kraft des Hellblicks (vipassanā-bala)?

Als Kraft des Hellblicks gilt die Betrachtung der Vergänglichkeit, des Elends, der Unpersönlichkeit, der Abwendung, der Loslösung, der Erlöschung, des Fahrenlassens, der Vergänglichkeit usw. mit Hinsicht auf Körperlichkeit, Gefühl, Wahrnehmung, Geistesformationen, Bewußtsein, Auge, Ohr .... Alter und Tod. In welchem Sinne aber hat man die Kraft des Hellblicks zu verstehen? Daß man auf Grund der Betrachtung der Vergänglichkeit nicht mehr durch, die Unvergänglichkeitsvorstellung erschüttert wird; daß man auf Grund der Betrachtung des Elends nicht mehr durch die Glücksvorstellung erschüttert wird; daß man auf Grund der Betrachtung der Unpersönlichkeit nicht mehr durch die Persönlichkeitsvorstellung erschüttert wird; daß man auf Grund der Abwendung nicht mehr durch die Lust erschüttert wird; daß man auf Grund der Betrachtung der Loslösung nicht mehr durch die Gier erschüttert wird; daß man auf Grund der Betrachtung der Erlöschung nicht mehr durch die Daseinsentstehung erschüttert wird; daß man auf Grund der Betrachtung des Fahrenlassens nicht mehr durch das Festhalten erschüttert wird, nicht mehr durch Unwissenheit und die damit verbundenen Leidenschaften und Daseinsgruppen erschüttert wird, nicht mehr erregt wird, nicht mehr erbebt: dies gilt als die Kraft des Hellblicks.

 

'Auf Grund der Stillung der 3 Funktionen (sankhāra)': - Wer in die zweite Vertiefung eingetreten ist, in dem sind die sprachlichen Funktionen (vacī-sankhāra: Gedankenfassung und Diskursives Denken) gestillt. Wer in die vierte Vertiefung eingetreten ist, in dem sind die körperlichen Funktionen (kāya: Ein- und Ausatmung) gestillt. Wer in die Erlöschung von Wahrnehmung und Gefühl eingetreten ist, in dem sind die geistigen Funktionen (citta) gestillt. Die Stillung dieser 3 Funktionen ist hier gemeint.

 

'Auf Grund der 16 Erkenntnispfade' (ñānca-cariyā): - Auf Grund welcher 16 Erkenntnispfade? Auf Grund der Betrachtung der Vergänglichkeit, des Elends, der Unpersönlichkeit, der Abwendung, der Loslösung, der Erlöschung, des Fahrenlassens, des Stillstandes; der Erreichung des Pfades des Stromeintritts, der Frucht des Stromeintritts, des Pfades der Einmalwiederkehr .... der Frucht der Heiligkeit: auf Grund dieser 16 Erkenntnispfade.

 

'Auf Grund der 9 Sammlungspfade' (samādhi-cariyā): - auf Grund welcher 9 Sammlungspfade? Auf Grund der ersten Vertiefung .... der Erreichung des Gebietes der Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmung; auf Grund von Gedankenfassung, Diskursivem Denken, Verzückung, Glücksgefühl und Einspitzigkeit des Geistes, um die erste Vertiefung zu erreichen .... um das Gebiet der Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmung zu erreichen: auf Grund dieser 9 Sammlungspfade.

 

Als 'Meisterschaft' (vasī) gelten 5 Arten der Meisterschaft: Meisterschaft im Hinwenden des Geistes auf die Vertiefung, im Eintreten darin, im Festlegen derselben, im Heraustreten aus ihr, im Rückblick auf sie. - Wenn man, wo immer, wann immer und solange es immer einem gefällt, den Geist auf die erste Vertiefung hinwendet und da beim Hinwenden keine Langsamkeit besteht, so gilt dies als Meisterschaft im Hinwenden (Aufmerken) des Geistes (āvajjana-vasī). Wenn man, wo immer, wann immer und solange immer es einem gefällt, in die erste Vertiefung eintritt und da beim Eintreten keine Langsamkeit besteht, so gilt dies als Meisterschaft im Eintreten darin. Wenn man, wo immer, wann immer und solange immer es einem gefällt, die erste Vertiefung festlegt .... aus der ersten Vertiefung heraustritt .... auf die erste Vertiefung zurückblickt und da beim Rückblick keine Langsamkeit besteht, so gilt dies als Meisterschaft im Rückblick. - Wenn man, wo immer, wann immer und solange es immer einem gefällt, den Geist auf die zweite Vertiefung hinwendet .... auf die Erreichung des Gebietes der Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmung hinwendet und da beim Hinwenden keine Langsamkeit besteht, so gilt das als die Meisterschaft im Hinwenden (āvajjana-vasī) .... im Eintreten (samāpajjana) .... im Festlegen (adhitthāna) .... im Heraustreten (vutthāna).

Wenn es da nun heißt 'auf Grund der 16 Erkenntnispfade' (ñānacariyā), so ist das eine Feststellung für den Höchstfall. Bei dem Niewiederkehrenden nämlich tritt der Erlösungszustand auf Grund von 14 Erkenntnispfaden ein (Den 15. und 16. Erkenntnispfad nämlich, d.i. den Pfad und die Frucht der Heiligkeit, hat er noch nicht erreicht). Warum aber sollte dann in diesem Falle der Erlöschungszustand dem Einmalwiederkehrenden nicht mehr durch 12 Erkenntnispfade gelingen? Warum dem Stromeingetretenen nicht durch zehn? Weil eben die die Sammlung hemmende Gier nach sinnlichen Objekten in diesen beiden noch nicht überwunden ist. In diesen beiden nämlich ist die Gier noch nicht überwunden; darum ist in ihnen die Kraft der Gemütsruhe noch nicht vollkommen. Da aber diese in ihnen noch nicht vollkommen ist, so sind sie eben infolge Mangels an Kraft nicht imstande, in den nur durch die 2 Kräfte (Gemütsruhe und Hellblick) erreichbaren Erlöschungszustand einzutreten. In dem Niewiederkehrenden aber ist die Sinnengier überwunden; daher sind die beiden Kräfte in ihm vollkommen. Da aber diese Kräfte in ihm vollkommen sind, besitzt er die Fähigkeit, in den Erlöschungszustand einzutreten. Darum sagt der Erhabene (Tika-Patth., Pañhavāra, 4): "Nach Austritt aus dem Erlöschungszustande bildet der (vor Eintritt in denselben bestanden habende) heilsame Zustand des Gebietes der 'Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmung' eine Bedingung für die Erreichung der Frucht (phala) im Sinne von Angrenzung". Dies nämlich wurde gesagt im Großen Buche von der Entstehung (Patthāna) mit Hinsicht auf das Heraustreten des Niewiederkehrenden aus dem Erlöschungszustande.

 
 

'Wo tritt man in den Erlöschungszustand ein?'

Im Fünfgruppendasein (pañca-vokāra-bhava) (d.i. im Sinnlichen und im Feinkörperlichen Dasein). Und warum? Weil es da die aufeinanderfolgenden Erreichungszustände (Vertiefungen) gibt. Im Viergruppendasein (catu-vokāra = Unkörperlichen Dasein) nämlich steigen die 4 Vertiefungen nicht auf. Deshalb kann man dort nicht in den Erlöschungszustand eintreten. Einige erklären dies durch das Fehlen der Grundlage Herz (vatthu).

 
 

'Warum tritt man in den Erlöschungszustand ein?'

Weil man, der mannigfachen Entstehung der Daseinsgebilde überdrüssig, schon in diesem Leben, vom Bewußtsein befreit, die Erlöschung, das Nirwahn, zu erreichen und glücklich (d.i. "leidlos", wie der Kom. erklärt, da es eben im Erlöschungszustande keinerlei Gefühl mehr gibt) zu verweilen wünscht.
 
 
 

'Wie geschieht das Eintreten in den Erlöschungszustand?'

Dadurch daß man mit Hilfe der Gemütsruhe und des Hellblicks (von Vertiefung zu Vertiefung) höher schreitet und, nach Treffen der nötigen Vorbereitungen, das Gebiet der Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmung zum Erlöschen bringt, dadurch findet das Eintreten in den Erlöschungszustand statt. Wer nämlich bloß vermittels der Gemütsruhe (d.i. der Vertiefungen) höher steigt, der erreicht bloß den Eintritt in das Gebiet der Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmung und bleibt dabei stehen; und wer bloß vermittels des Hellblicks höher steigt, der erreicht den Eintritt in den (eigenen) Fruchtzustand und bleibt dabei stehen. Wer aber, nachdem er vermittels beider Fähigkeiten höher gestiegen ist und die nötigen Vorbereitungen getroffen hat, das Gebiet der Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmung zum Erlöschen bringt, der tritt in jenen Erlöschungszustand ein. Dies ist die kurze Erklärung hierüber.

 

Folgendes aber ist die ausführliche Erklärung: Nachdem der Mönch, der in den Erlöschungszustand einzutreten wünscht, sein Mahl beendet und Hände und Füße gewaschen hat, setzt er sich an einem abgeschiedenen Orte auf einem wohlhergerichteten Sitze nieder, die Beine kreuzweise untergeschlagen, die Achtsamkeit vor sich hin geheftet. Darauf tritt er in die erste Vertiefung ein; und nachdem er wieder aus ihr herausgetreten ist, betrachtet er mit seinem Hellblick (vipassanā) die Gebilde darin als vergänglich, elend und unpersönlich. Dieser Hellblick ist dreifach: der die Gebilde erfassende Hellblick (sankhāra- parigganhanaka-vipassanā), der Hellblick der Fruchterreichung (phala-samāpatti) und der Hellblick des Erlöschungszustandes (nirodha-samāpatti).

 

Ob nun da der 'die Gebilde erfassende Hellblick' schwach ist oder stark, die Grundlage des Pfades bildet er auf jeden Fall. Der 'Hellblick der Fruchterreichung' muß stets stark sein, genau wie die Entfaltung des Pfades. Der 'Hellblick des Erlöschungszustandes' darf weder zu stark noch zu schwach sein. Somit betrachtet der Mönch jene Gebilde mit einem nicht zu starken, nicht zu schwachen Hellblick. Darauf tritt er in die zweite Vertiefung ein .... tritt er in das Gebiet der Bewußtseinsunendlichkeit ein; und nachdem er wieder aus diesem Zustand herausgetreten ist, betrachtet er wieder in derselben Weise mit seinem Hellblicke die Gebilde darin. Darauf tritt er in das Nichtsheitgebiet ein; und nachdem er aus diesem Zustande wieder herausgetreten ist, trifft er die vier nötigen Vorbereitungen, betreffend: die Nichtbeschädigung der Dinge, die er nicht unmittelbar bei sich trägt, die Rücksicht auf den Orden, das Gerufenwerden durch den Meister, die Festlegung der Zeit.

 

'Die Nichtbeschädigung der Dinge, die er nicht unmittelbar bei sich trägt': - Was die Dinge betrifft, die der Mönch nicht unmittelbar bei sich trägt, sondern die getrennt sind von ihm, wie etwa Almosenschale, Gewänder, Bett, Stuhl, Wohnstätte oder irgend welche anderen Bedarfsgegenstände, da hat er den Willensentschluß zu fassen, daß diese Dinge nicht in Unordnung geraten und nicht durch Feuer, Wasser, Wind, Diebe, Ratten u. dgl. umkommen mögen. Hierbei nun hat er in dieser Weise den Willensentschluß zu fassen: 'Mögen die und die Dinge innerhalb von sieben Tagen nicht vom Feuer verzehrt, nicht durch Wasser fortgespült, nicht durch den Wind weggefegt werden! Mögen sie nicht von Dieben gestohlen oder von Ratten angefressen werden!' Wer solchen Willensentschluß gefaßt hat, den trifft während dieser sieben Tage keinerlei Schaden. Wer aber den Willensentschluß nicht gefaßt hat, dessen Dinge mögen durch Feuer u. dgl. umkommen, genau wie es bei dem Ordensälteren Mahānāga der Fall war.

 

Wie es heißt, begab sich einst dieser Ordensältere um Almosen zum Dorfe seiner Mutter, einer Laienanhängerin. Und die Anhängerin gab ihm Reissuppe und bat ihn darauf, in der Speisehalle Platz zu nehmen. Der Ordensältere setzte sich nieder und trat dabei in den Erlöschungszustand ein. Als aber während seines Dasitzens die Speisehalle in Brand geriet, nahmen die übrigen Mönche jeder seine eigene Sitzmatte und eilten davon. Als die Dorfbewohner zusammen gelaufen waren und den Ordensälteren erblickt hatten, riefen sie aus: 'Dieser träge Mönch! Dieser träge Mönch!' Nachdem das Feuer aber das Stroh, den Bambus und das Holz verbrannt hatte, machte es vor dem Ordensälteren halt, indem es ihn völlig einschloß. Die Leute aber brachten Töpfe voll Wasser herbei und löschten das Feuer. Darauf entfernten sie die Asche und, eine Einfassung machend, streuten sie Blumen und blieben dort in ehrfurchtsvoller Haltung stehen. Zur festgelegten Zeit nun erhob sich der Ordensältere aus dem Erlöschungszustande. Jene Menschen aber erblickend, dachte er: 'Bekannt geworden bin ich da', und sich in die Lüfte erhebend, begab er sich zur Piyangu-Insel. - Dies also gilt als das Treffen der nötigen Vorbereitung betreffs der Nichtbeschädigung der Dinge, die der Mönch nicht unmittelbar bei sich trägt. Was er aber bei sich hat, wie Kleidung, Decke oder Sitzmatte, dafür braucht er keinen besonderen Willensentschluß zu machen, denn schon kraft des Erlöschungszustandes beschützt er diese Dinge. Auch wurde gesagt (Pts.II.p.212): "Dem ehrwürdigen Sañjīva und dem ehrwürdigen Sāriputta eignet die Macht durchdringender Sammlung (samādhi-vipphārā-iddhi)."

 

,Die Rücksicht auf den Orden': d.i. die Rücksicht und Aufmerksamkeit gegen die Ordensgemeinde. Der Sinn ist hier der, daß eine Ordenshandlung nicht vollzogen werden kann, bevor dieser Mönch nicht kommt. Hierbei aber besteht die Vorbereitung eigentlich nicht darin, daß er Rücksicht zeigt, sondern daß er über die dem Orden schuldige Rücksicht nachdenkt. So nämlich hat er zu erwägen: 'Sollte da, während ich für diese sieben Tage in den Erlöschungszustand eingetreten dasitze, die Ordensgemeinde wünschen, irgend eine der Ordenshandlungen vorzunehmen, wie einen Beschluß zu fassen usw., so will ich mich erheben, noch bevor irgend ein Mönch kommt, um mich zu rufen. Wenn nämlich der Mönch nach solchem Willensentschlusse in den Erlöschungszustand eingetreten ist, so wird er zur festgelegten Zeit wieder aus dem Erlöschungszustande heraustreten: Macht er aber keinen solchen Willensentschluß, und die versammelte Ordensgemeinde findet ihn nicht vor, so wird man fragen, wo er sei. Auf den Bescheid, daß er in den Erlöschungszustand eingetreten sei, wird die Gemeinde irgend einen Mönch zu ihm schicken mit den Worten': 'Geh' und rufe ihn im Namen der Ordensgemeinde!' Sobald aber jener Mönch in seine Hörweite gelangt, ihm mitteilt, daß ihm die Ordensgemeinde ihre Verehrung entbietet, so hat er sich sofort zu erheben. Für so gewichtig nämlich gilt ein Befehl der Ordensgemeinde. Daher sollte der Mönch vor Eintritt in den Erlöschungszustand zuerst diese Erwägung machen, um ganz von selber aus dem Erlöschungszustande wieder herauszutreten.

 

'Das Gerufenwerden durch den Meister': - Auch hier besteht die Pflicht des Mönches bloß darin, daß er daran denke, daß ihn der Meister rufen könnte. Daher sollte er auch hierüber in der folgenden Weise nachdenken: 'Sollte da, während ich für sieben Tage in den Erlöschungszustand eingetreten verweile, der Meister bei irgend einer eintretenden Gelegenheit eine Vorschrift bekannt geben oder bei solchem Anlasse die Lehre verkünden, so will ich aus dem Erlöschungszustande heraustreten, noch bevor irgend einer kommt, um mich zu rufen.' Wenn er nämlich dieses tut, so tritt er eben bei solcher Gelegenheit aus dem Erlöschungszustande heraus. Tut er dies aber nicht, und der Meister bei versammelter Ordensgemeinde findet ihn nicht vor, so wird er fragen, wo er sei; und auf die Worte, daß er in den Erlöschungszustand eingetreten sei, wird der Meister irgend einen Mönch zu ihm schicken, sprechend: 'Geh und rufe diesen Mönch in meinem Namen!' Sobald aber dieser Mönch, in seine Hörweite gelangt, ihm mitteilt, daß ihn der Meister rufe, hat er sich sofort zu erheben. Für so gewichtig nämlich gilt das Gerufenwerden durch den Meister. Daher sollte der Mönch, bevor er in den Erlöschungszustand eintritt, zuerst diese Erwägung machen, um ganz von selber wieder aus dem Erlöschungszustande herauszutreten.

 

'Die Festlegung der Zeit' bedeutet hier: die Feststellung der Lebensspanne. Mit dieser Festlegung nämlich sollte der Mönch völlig vertraut sein. Vor dem Eintritt in den Erlöschungszustand soll er erwägen, ob seine Lebenskraft noch sieben Tage anhalten wird oder nicht. Tritt er nämlich in den Erlöschungszustand ein, ohne bemerkt zu haben, daß seine Lebenskraft innerhalb der sieben Tage erlöschen wird, so wird sein Erlöschungszustand nicht imstande sein, den Tod abzuhalten. Da aber während des Erlöschungszustandes der Tod nicht stattfinden kann, tritt der Mönch eben in der Zwischenzeit aus dem Erlöschungszustande heraus. Somit soll er, ohne die Erwägung gemacht zu haben, nicht in den Erlöschungszustand eintreten. Es heißt nämlich, daß man zwar die drei übrigen Vorbereitungen auslassen könne, diese aber auf alle Fälle zu beachten habe.

 

Nachdem der Mönch also in das Nichtsheitgebiet eingetreten ist und sich wieder daraus erhoben hat, trifft er die nötige Vorbereitung und tritt dann in das Gebiet der Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmung ein. Darauf schwindet ihm nach Ablauf von einem oder zwei Bewußtseinsmomenten das Bewußtsein, und er erreicht den Erlöschungszustand. Warum aber steigen ihm nach dem zweiten Bewußtseinsmomente nicht noch weitere auf? Weil er in der Erlöschung Übung besitzt. Das Aufwärtsschreiten auf den 8 Erreichungsstufen durch paarweises Verbinden von Gemütsruhe und Hellblick nämlich ist eine Übung in den aufeinanderfolgenden Erlöschungsstufen, nicht aber eine Übung in der Erreichung des Gebietes der Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmung. Weil der Mönch somit in der Erlöschung Übung besitzt, darum treten nicht mehr als 2 Bewußtseinsmomente auf. Der Mönch aber, der nach dem Heraustreten aus dem Nichtsheitgebiete, ohne diese Vorbereitung getroffen zu haben, in das Gebiet der Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmung eintritt, der ist dann nicht imstande das Bewußtsein aufzuheben, sondern er fällt wieder zurück und bleibt im Nichtsheitgebiete.

 

Hier möge das Gleichnis berichtet werden von dem Manne, der auf einem von ihm zuvor nie betretenen Wege wandert. Der Mann nämlich kommt unterwegs an eine mit Wasser angefüllte Schlucht oder an einen tiefen Sumpf mit längsweise hindurch gelegten Steinen, die von der glühenden Sonne erhitzt sind. An der Schlucht aber angelangt, steigt dieser Mann, ohne sein Unter- und Obergewand zu ordnen, in die Wasserschlucht hinein; aus Furcht aber, seine Sachen zu befeuchten, zieht er sich wieder ans Ufer zurück. Und auch beim Betreten der Steine seine Füße verbrennend, zieht er sich wieder auf das diesseitige Ufer zurück. Wie da nun jener Mann, da er sein Unter- und Obergewand nicht zuvor geordnet hat, im Augenblick, wo er in die Wasserschlucht eingetreten ist, sich wieder zurückzieht; oder im Augenblick, wo er auf die heißen Steine getreten ist, sich wieder ans diesseitige Ufer stellt: - genau so fällt der Übungsbeflissene, wenn er die Vorbereitung nicht getroffen hat, im Augenblick, wo er in das Gebiet der Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmung eingetreten ist, wieder zurück und bleibt in dem Nichtsheitgebiete. Wie aber ein Mann, der schon früher den Weg gemacht hat, beim Ankommen an jener Stelle das eine Gewand hochbindet, das andere in die Hand nimmt und dann die Wasserschlucht durchschreitet; oder, die heißen Steine kaum berührend, zum anderen Ufer eilt: - so auch tritt der Mönch, der die Vorbereitung getroffen hat, in das Gebiet der Weder-Wahrnehmung-Noch-Nichtwahrnehmung ein, und darauf erreicht er durch Aufhebung des Bewußtseins den Erlöschungszustand.

 
 

'Wie geschieht das Verharren im Erlöschungszustande?'

Die Dauer dieses so erreichten Erlöschungszustandes richtet sich nach der festgelegten Zeit und danach, ob nicht zwischendurch schon das Lebensende eintritt oder ob der Mönch auf den Orden Rücksicht nehmen muß oder ob ihn der Meister rufen läßt.

 
 
 

'Wie aber geschieht das Heraustreten aus dem Erlöschungszustande?'

Das Heraustreten vollzieht sich in zweifacher Weise: dadurch daß dem Niewiederkehrenden die Frucht der Niewiederkehr, dem Heiligen aber die Frucht der Heiligkeit aufsteigt.

 
 
 

'Wohin neigt der Geist des aus dem Erlöschungszustande Herausgetretenen?'

Er neigt zum Nirwahn hin. Es heißt nämlich (M.44): "In dem Mönche, Bruder Visākha, der aus dem Zustande der Erlöschung von Wahrnehmung und Gefühl herausgetreten ist, in diesem ist der Geist der Abgeschiedenheit geneigt, der Abgeschiedenheit zugewandt, auf Abgeschiedenheit gerichtet."
 
 

'Was ist der Unterschied zwischen einem Toten und einem in den Erlöschungszustand Eingetretenen?'

Auch diese Frage wird in den Sutten beantwortet. Es heißt dort (M.44): "Wer tot ist, o Bruder, seine Lebenszeit beendet hat, in dem sind die körperlichen (Ein- und Ausatmung), sprachlichen (Gedankenfassung und Diskursives Denken) und geistigen Funktionen erloschen und gestillt, das Leben (āyu) versiegt, die Lebenswärme (usmā) geschwunden, die Fähigkeiten (indriya) zerstört. Auch bei dem Mönche, der in die Erlöschung von Wahrnehmung und Gefühl eingetreten ist, sind die körperlichen, sprachlichen und geistigen Funktionen erloschen und gestillt; aber sein Leben ist nicht gechwunden, die Lebenswärme nicht erloschen, und die Fähigkeiten sind nicht zerstört."

 

'Ist der Erlöschungszustand geschaffen (sankhata) oder ungeschaffen (asankhata) usw.?' Was diese Fragen anbetrifft, so kann man nicht sagen, daß der Erlöschungszustand geschaffen oder nicht geschaffen sei, weltlich oder überweltlich sei. Und warum nicht? Weil er in Wirklichkeit gar kein Dasein besitzt. Da er jedoch durch den in ihn Eintretenden erreicht wird, hat man ihn als erwirkt (nipphanna) zu bezeichnen, nicht als nicht-erwirkt.
 


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