Visuddhi Magga IX

Die Göttlichen Verweilungszustände (brahma-vihāra)

Vis. IX. 3. Die Entfaltung der Mitfreude (muditā-bhāvanā)

 

Auch wer die Entfaltung der Mitfreude zu unternehmen wünscht, richte dieselbe anfangs nicht auf eine geliebte oder gleichgültige oder feindliche Person. Nicht durch die bloße Tatsache nämlich, daß es eine geliebte Person ist, bildet diese etwa schon eine Grundlage zur Entfaltung der Mitfreude, geschweige denn der Gleichmütige oder der Feind. Personen des anderen Geschlechts aber, ebenso wie Verstorbene, sind kein geeigneter Boden.

 

Ein sehr lieber Freund mag zwar eine Grundlage bilden. Einer, der da im Kommentar als von Freude überschäumender Freund bezeichnet wird, ein solcher ist durch und durch von Freude erfüllt; erst lacht er, dann erzählt er. Darum durchstrahle man einen solchen zuerst mit Freude. Oder wenn man sieht oder davon hört, daß die geliebte Person beglückt und wohlversorgt ist und im Herzen frohlockt, so möge man Freude in sich erzeugen und denken: 'O, wie sich dieses Wesen freut! O, wie gut! O, wie schön!' Aus diesem Grunde heißt es in Vibhanga (XIII): "Und wie durchstrahlt der Mönch mit einem von Mitfreude erfüllten Geiste die eine Himmelsrichtung? Gleichwie man da beim Anblicke eines lieben, teuren Menschen Freude empfindet, genau so durchstrahlt er alle Wesen mit Mitfreude".

 

Wenn nun aber jener von Freude überschäumende Freund zwar früher glücklich war, jetzt aber in Elend und Not lebt, so gedenke man bloß seines früheren Glückszustandes und erzeuge Mitfreude, indem man eben bloß sein freudiges Wesen in Betracht ziehe und denke: 'Einst war dieser reich, hatte einen großen Anhang und war allezeit glücklich. In der Zukunft wird er diesen Wohlstand wieder erlangen und auf Elefanten, Pferden oder in goldenem Tragstuhle u.dgl. einherziehen.' Auf diese Weise erzeuge man Mitfreude mit ihm, indem man auch sein freudiges Wesen in der Zukunft in Betracht ziehe. Hat man nun auf diese Weise hinsichtlich der geliebten Person Mitfreude erzeugt, so hat man darauf, der Reihe nach, hinsichtlich des Gleichgültigen, dann hinsichtlich des Feindes Mitfreude zu erzeugen.

 

Sollte einem aber bei der oben erwähnten Methode gegen den Feind noch Groll aufsteigen, so bringe man diesen nach der für die Entfaltung der Güte gewiesenen Methode zur Ruhe. Dann hebe man hinsichtlich dieser drei Personen und hinsichtlich seiner selbst als vierter Person durch Gleichheit in der Gesinnung alle Schranken auf; und durch Übung, Entfaltung und häufige Wiederholung jener Vorstellung bringe man nach der für die Entfaltung der Güte gewiesenen Methode die volle Sammlung der drei bzw. vier Vertiefungen (nach der Fünfereinteilung) zur Entfaltung, darauf auf fünffache Weise die unbegrenzte Durchdringung, auf siebenfache Weise die begrenzte Durchdringung und auf zehnfache Weise die Durchdringung aller Richtungen. Dies gilt als der Herzenswandel.
 

Die Segnungen der Entfaltung der Mitfreude sind nach der in der Entfaltung der Güte angegebenen Weise aufzufassen, nämlich: "Friedlich schläft man usw."


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