Samyutta Nikaya 

1. Devatā-Samyutta - Von den Devatas

 Nalavagga - Der Abschnitt vom Rohr

(So benannt nach dem Bilde, mit dem das letzte (10.) Sutta abschließt.)

Sutta 1. Die Flut
Sutta 2. Erlösung
Sutta 3. Was vergehen muß
Sutta 4. Sie vergehen
Sutta 5. Wie viele muß man zerschneiden?
Sutta 6. Wachend
Sutta 7. Nicht begriffen
Sutta 8. Gänzlich abhanden gekommen
Sutta 9. Der den Wahn liebt
Sutta 10. In der Wildnis



S.1.1. Die Flut

Unter den devatā versteht der indische Volksglaube die zahlreichen Geisterwesen, die in der den Menschen umgebenden Natur ihren Wohnsitz haben, die Baum und Quellnymphen, die Schutzgeister von Wald und Feld und Flur, von Vieh und Haus und Hof. Der Buddhismus hat sie in sein Weltbild aufgenommen, und sie gelten ihm, wie Tiere und Menschen und Götter, als Wesen auf einer bestimmten Entwicklungsstufe innerhalb des samsāra, der Folge der Wiedergeburten. Über den Unterschied zwischen der Bezeichnung devatā und devaputta siehe die Vorbemerkung zum 2. Samyutta.

 

1. Also habe ich vernommen.
Einstmals weilte der Erhabene in Savatthi im Jetahaine, im Parke des Anāthapindika

2. Da nun begab sich in vorgeschrittener (*f1) Nacht eine Devatā, mit ihrer herrlichen Schönheit den ganzen Jetahain erhellend, dorthin, wo sich der Erhabene befand. Nachdem sie sich dorthin begeben und den Erhabenen ehrfurchtsvoll begrüßt hatte, trat sie zur Seite.

3. Zur Seite stehend sprach dann die Devatā zu dem Erhabenen also:

"Wie hast denn du, Herr, die Flut (*f2) überschritten?" -

"Ohne Halt und ohne Kampf (*f3) hab' ich die Flut überschritten."

 

4. "Wie aber hast du denn, Herr, ohne Halt und ohne Kampf die Flut überschritten?" -

"Wann ich inne hielt, Verehrte, dann sank ich unter, wann ich mich abkämpfte, dann wurde ich abgetrieben. So habe ich, Verehrte, ohne Halt und ohne Kampf die Flut überschritten."

5. 

"Da seh' ich fürwahr einen Brahmanen,
der lange schon ins Nirvana eingegangen,
Der ohne Halt und ohne Kampf
das Hangen an der Welt hat überwunden."

So sprach die Devatā. Seine Zustimmung bekundete der Meister.

 

6. Da nun dachte die Devatā: 'der Meister bekundet mir seine Zustimmung'; sie begrüßte ehrfurchtsvoll den Erhabenen, umwandelte ihn mit Zukehrung der rechten Seite und verschwand.


(*f1) P. abhikkanta in beiden Fällen. Daß abhikkanta "herrlich, schön" bedeutet, steht durch die häufige Phrase abhikkantam, bhante usw. "ausgezeichnet, Herr" (z.B. Dīgha I. 85) und durch anderes fest. In der Verbindung mit ratti soll es nach dem Komm. (z.B. Samyutta-Komm. I. 15.18 der Siam. Ausg.) "fortgeschritten" bedeuten, die Nacht, wo die erste Wache vergangen ist. Nur ist das zweifelhaft, da abhi-kkam doch nur "herankommen" bedeutet.

(*f2) D.i. die Folge der Wiedergeburten, den samsāra, der häufig mit einem Meere verglichen wird, wo das Nirvana das rettende Ufer ist. Der Komm. denkt an kāmogha, bhavogha, ditthogha, avijjogha "Flut der sinnlichen Lust, des Werdens (Werdedranges), der falschen Anschauung, des Nichtwissens". Sachlich kommt das auf das gleiche hinaus.

(*f3) P. appatittham anāyūham. Daß dies Adverbien sind, geht aus dem Vers in 5 hervor. Der Buddha spricht in der Form eines Rätsels. Denn Halt und Kampf (d.h. Anstrengung, Bemühung) sind an sich nötig zur Überschreitung des Meeres. Wie er die Sache meint, geht aus dem Folgenden hervor.


S.1.2. Erlösung

 
1. (Ort der Begebenheit :) Sāvatthī.

2. Da nun begab sich in vorgeschrittener Nacht eine Devatā, mit ihrer herrlichen Schönheit den ganzen Jetahain erhellend, dorthin, wo sich der Erhabene befand. Nachdem sie sich dorthin begeben und den Erhabenen ehrfurchtsvoll begrüßt hatte, trat sie zur Seite.

3. Zur Seite stehend sprach dann die Devatā zu dem Erhabenen also:

"Kennst du, Herr, der Wesen Erlösung, Loslösung, Absonderung?" -

"Ich kenne freilich, Verehrte, der Wesen Erlösung, Loslösung, Absonderung."

 

4. "Wie aber, Herr, kennst du der Wesen Erlösung, Loslösung, Absonderung?"

"Durch Aufhören von Freude und Werden;
durch Vernichtung von Vorstellung und Bewußtsein;
Durch Aufhebung und Stillung der Empfindungen:

So, Verehrte, kenne ich der Wesen Erlösung, Loslösung, Absonderung." 


S.1.3. Was vergehen muß

1. Zur Seite stehend sprach dann die Devatā zu dem Erhabenen (P. bhagavato santike wtl. "in Gegenwart des Erhabenen") die folgende Strophe:

2. "Es vergeht das Dasein, kurz ist die Lebenszeit;
Wer dem Alter nahegerückt, für den gibt's keinen Schutz:
So die Gefahr des Todes im Auge behaltend
Sollte man wohl Glück bringende verdienstliche Werke tun."

3. (Der Erhabene:)
(Der Komm. I. 27.18 hebt hervor, daß die zweite Strophe zur Belehrung der Devatā vom Buddha gesprochen wird)

"Es vergeht das Dasein, kurz ist die Lebenszeit;
Wer dem Alter nahegerückt, für den gibt's keinen Schutz:
So die Gefahr des Todes im Auge behaltend
Sollte man wohl die Lockung der Welt meiden,
auf den seligen Frieden."


Diese Verse finden sich auch unter 2.19 (= S.1.55), sowie Anguttara, Tikanipāta III.52-53; die beiden ersten Zeilen auch Jātaka IV. 398.


S.1.4. Sie vergehen

1. Zur Seite stehend sprach dann die Devatā zu dem Erhabenen die folgende Strophe:

2. "Es vergehen die Tage (*f15), es enteilen die Nächte,
Die Lebensstufen (*f16) schwinden eine nach der andern:
So die Gefahr des Todes im Auge behaltend
Sollte man wohl glückbringende verdienstliche Werke tun."

3. (Der Erhabene :)
"Es vergehen die Tage, es enteilen die Nächte,
Die Lebensstufen schwinden eine nach der andern:
So die Gefahr des Todes im Auge behaltend
Sollte man wohl die Lockung der Welt meiden,
auf den seligen Frieden schauend."


(*f15) Wtl. "die Zeiten" (kālā), nach dem Komm. die verschiedenen Abschnitte des Tages, wie Vormittagszeit usw. Die Verse stehen auch unter Samy.2.27.

(*f16) P. vayogunā. Das Wort guna hat hier die Bedeutung "Abteilung, Schicht, Lage" Der Komm. I. 28.13 gibt es durch rāsi "Menge" wieder.


S.1.5. Wie viele muß man zerschneiden?
 

Frage und Antwort haben wieder Rätselform.

Die fünf, die man zerschneiden, und die fünf, die man aufgeben muß, sind die ersten fünf und die zweiten fünf der zehn "Fesseln". Jene heißen die orambhāgiyāni, diese die uddhambhāgiyāni samyojanāni. Über die "Fesseln" s. Wtb. samyojana

Die fünf sangā "Berührungen, Verbindungen", die man zu überwinden hat, sind rāga "Begierde", dosa "Haß", moha "Betörung", māna "Stolz" und ditthi "falsche Anschauung". -

Die fünf endlich, die man pflegen muß sind die fünf "Kräfte" (indriyāni): saddhā "Glaube", viriya "Energie" sati "Besonnenheit", samādhi "geistige Sammlung" und paññā "Erkenntnis". (s. Wtb. über indriya)

 

1. Zur Seite stehend sprach dann die Devatā zu dem Erhabenen die folgende Strophe:

2. "Wie viele muß man zerschneiden?
Wie viele aufgeben?
wie viele weiter pflegen?
Wie viele Verbindungen muß man überwunden haben,
damit man einer, der die Flut überschriften, heiße?

3. (Der Erhabene:)
"Fünf muß man zerschneiden, fünf aufgeben, fünf weiterpflegen.
Fünf Verbindungen muß man überwunden haben,
damit man einer, der die Flut überschritten, heiße."


S.1.6. Wachend
 

In diesem Rätselspruch sollen mit den fünf, die "schlafen" und durch die man Staub (raja=kilesa "Verunreinigung" durch Sünde usw.) annimmt, die pañca nīvaranāni sein, die "fünf Hemmnisse": kāma "sinnliche Lust", vyāpāda "Bosheit", thīna "Trägheit", uddhacca "Hochmut" und vicckicchā "Zweifelsucht". (s. Wtb. über nīvarana)

Die fünf "wachen" sind wieder, wie im vorigen Sutta, die pañca indriyāni.

1. Zur Seite stehend sprach dann die Devatā zu dem Erhabenen die folgende Strophe:

2.

3. (Der Erhabene:)
"Fünf schlafen bei Wachenden, fünf sind wach bei Schlafenden;
Von fünf nimmt Staub man auf, durch fünf wird man gereinigt."


S.1.7. Nicht begriffen

1. Zur Seite stehend sprach dann die Devatā zu dem Erhabenen die folgende Strophe:

2. "Die da die Wahrheiten (*f17) nicht begriffen haben,
die lassen sich verleiten zu anderer (Schulen) Lehre;
Eingeschlafen erwachen sie nicht. Es ist Zeit für sie zu erwachen."

3. (Der Erhabene:)
"Die da die Wahrheiten wohl begriffen haben,
die lassen sich nicht verleiten zu anderer (Schulen) Lehre;
Die sind vollkommen erwacht, durch rechte Erkenntnis;
eben wandeln sie auf unebenem Boden."


(*f17) So nach dem Komm. I. 30.10, wo dhammā durch catusaccadhamma "die vier heiligen Grundwahrheiten (vom Leiden und seiner Überwindung)" erklärt wird. Man könnte auch übersetzen: "die das Wesen der Dinge nicht verstanden haben." 


S.1.8. Gänzlich abhanden gekommen

1. Zur Seite stehend sprach dann die Devatā zu dem Erhabenen die folgende Strophe:

2. "Denen die Wahrheiten gänzlich abhanden gekommen,
die lassen sich verleiten zu anderer (Schulen) Lehre;
Eingeschlafen erwachen sie nicht. Es ist Zeit für sie zu erwachen."
 
3. (Der Erhabene:)
"Denen die Wahrheiten nicht abhanden gekommen,
die lassen sich nicht verleiten zu anderer (Schulen) Lehre;
Sie sind vollkommen erwacht, durch rechte Erkenntnis;
eben wandeln sie auf unebenem Boden."


S.1.9. Der den Wahn liebt

1. Zur Seite stehend sprach dann die Devatā zu dem Erhabenen die folgende Strophe:

2. "Nicht gibt es hier Zügelung bei dem, der den Wahn liebt (*f18);
Nicht gibt es Weisheit bei dem, der nicht geistig gesammelt.
Wer, allein in der Wildnis hausend, lässig ist,
Nicht wird der wohl über des Todes Bereich hinweg
ans rettende Ufer gelangen."

3. (Der Erhabene:)
"Wer, den Wahn meidend, geistig stets gesammelt ist,
Guten Herzens (*f19), durchaus losgelöst,
Allein in der Wildnis lebend, unermüdlich:
Der wird wohl über des Todes Bereich hinweg ans rettende Ufer gelangen."


(*f18) P. mānakāmassa. Mit Recht betont Frau Rhys Davids (Book of the Kindred Sayings, transl.,I.S.7,N.1), daß der Begriff māna, der in der Regel mit "Stolz" übersetzt wird, eine viel weitere Bedeutung hat. Er begreift alle Illusionen, Einbildungen, Wahnvorstellungen, zu denen auch Dünkel, Stolz, Selbstüberhebung gehört. Vgl. unser "eingebildet" im Sinn von "dünkelhaft".

(*f19) Nach dem Komm. I. 32.19 spielt der Vers auf die drei Stufen der sikkhā, der "Schulung" an. Mit "den Wahn meidend" sei die Schulung auf dem Gebiet der sittlichen Zucht (adhisīlasikkhā), mit "geistig stets gesammelt" die auf dem Gebiet des Denkens (adhicittasikkhā) und mit "guten Herzens" die auf dem Gebiet der Erkenntnis (adhipaññāsihkhā) gemeint. Vgl. auch Mrs, Rhys Davids,a.a.O.S.7,N.2. 


S.1.10. In der Wildnis

1. Zur Seite stehend redete dann die Devatā den Erhabenen mit folgender Strophe an:

2. "Die in der Wildnis leben, die seelenruhigen, die keuschen Wandel führen,
Die nur eine Mahlzeit genießen: wodurch wird ihr Aussehen so licht (*f20)?"
 
3. (Der Erhabene:)
"Sie trauern nicht um die Vergangenheit, sie sehnen die Zukunft nicht herbei;
Sie leben von der Gegenwart: dadurch wird ihr Aussehen so licht.
Durch Trauer um die Vergangenheit, durch Sehnsucht nach der Zukunft,
Dadurch verdorren die Toren wie ein abgeschnittenes grünes Rohr."


(*f20) kena vanno pasīdati. Die gleiche Phrase Jātaka VI. 24-25, wo die folgenden Verse (in etwas anderer Konstruktion) vorkommen.


 Home Oben Zum Index Zurueck Voraus