Majjhima Nikaya, Mittlere Sammlung

M. 90. (IX,10) Kannakatthala Sutta (Am Zwieselstein)

DAS HAB' ICH GEHÖRT. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Urunna, am Zwieselstein, im Wildgarten.

Um diese Zeit nun war König Pasenadi von Kosalo nach Urunna gekommen, irgendein Geschäft zu erledigen.

Und König Pasenadi von Kosalo befahl einem seiner Leute:

"Begib dich, lieber Mann, zum Erhabenen hin und bring' dem Erhabenen zu Füßen meinen Gruß dar und wünsche Gesundheit und Frische, Munterkeit, Stärke und Wohlsein: 'Der König', sage, 'o Herr, Pasenadi von Kosalo, bringt dem Erhabenen zu Füßen Gruß dar und wünscht Gesundheit und Frische, Munterkeit, Stärke und Wohlsein'; und füge hinzu: 'heute, o Herr', läßt er sagen, 'wird sich der König nach der Mahlzeit, wann er den Morgenimbiß eingenommen, hierher begeben, den Erhabenen zu besuchen.'"

"Wohl, o König!" entgegnete da gehorsam jener Mann dem Herrscher. Und er begab sich dorthin wo der Erhabene weilte, bot ehrerbietigen Gruß dar und setzte sich seitwärts nieder. Seitwärts sitzend sprach er dann also zum Erhabenen:

"Der König, o Herr, Pasenadi von Kosalo, bringt dem Erhabenen zu Füßen Gruß dar und wünscht Gesundheit und Frische, Munterkeit, Stärke und Wohlsein; und er läßt sagen: heute, o Herr, wird sich der König nach der Mahlzeit, wann er den Morgenimbiß eingenommen, hierher begeben, den Erhabenen zu besuchen."

Es hatten aber die Schwestern Soma und Sakula reden hören: 'Heute wird, heißt es, König Pasenadi von Kosalo nach der Mahlzeit, wann er den Morgenimbiß eingenommen, sich hinbegeben, den Erhabenen zu besuchen.' Und Soma und Sakula, die Schwestern, gingen zum König, als er bei Tische war, und sprachen also zu ihm:

"Mögest du, großer König, doch auch unseren Gruß dem Erhabenen zu Füßen darbringen, mit dem Wunsche von Gesundheit und Frische, Munterkeit, Stärke und Wohlsein: 'Soma', sage, 'o Herr, und Sakula, die Schwestern, bringen dem Erhabenen zu Füßen Gruß dar und wünschen Gesundheit und Frische und Stärke und Wohlsein."

Da begab sich denn König Pasenadi von Kosalo nach der Mahlzeit, als er den Morgenimbiß eingenommen, zum Erhabenen hin, begrüßte den Erhabenen ehrerbietig und setzte sich seitwärts nieder. Seitwärts sitzend sprach nun König Pasenadi von Kosalo zum Erhabenen also:

"Soma, o Herr, und Sakula, die Schwestern, bringen dem Erhabenen zu Füßen Gruß dar und wünschen Gesundheit und Frische, Munterkeit, Stärke und Wohlsein."

"Aber sage mir, großer König: haben die Schwestern Soma und Sakula keinen anderen Boten gefunden?"

"Es hatten, o Herr, die Schwestern Soma und Sakula reden hören: 'Heute wird, heißt es, König Pasenadi von Kosalo nach der Mahlzeit, wann er den Morgenimbiß eingenommen, sich hinbegeben, den Erhabenen zu besuchen.' Und Soma, o Herr, und Sakula, die Schwestern, kamen zu mir, als ich bei Tische war, und sprachen also zu mir: 'Mögest du, großer König, doch auch unseren Gruß dem Erhabenen zu Füßen darbringen, mit dem Wunsche von Gesundheit und Frische, Munterkeit, Stärke und Wohlsein: 'Soma', sage, 'o Herr, und Sakula; die Schwestern, bringen dem Erhabenen zu Füßen Gruß dar und wünschen Gesundheit und Frische, Munterkeit, Stärke und Wohlsein.'"

"Wohlergehn, großer König, soll es Soma und Sakula den Schwestern!"

Nun wandte sich König Pasenadi von Kosalo also an den Erhabenen:

"Gehört hab' ich solches, o Herr: 'Der Asket Gotamo behauptet: 'Es gibt keinen Asketen oder Priester, der alles weiß, alles versteht, unbeschränkte Wissensklarheit bekennen kann: das ist unmöglich." Die da solches, o Herr, gesagt haben, haben die wirklich, o Herr, des Erhabenen Worte gebraucht und den Erhabenen nicht mit Unrecht angeführt und der Lehre gemäß geredet, so daß sich kein entsprechender Folgesatz als ungehörig erweisen kann?"

"Die da, großer König, solches gesagt haben: 'Der Asket Gotamo behauptet: 'Es gibt keinen Asketen oder Priester, der alles weiß, alles versteht, unbeschränkte Wissensklarheit bekennen kann: das ist unmöglich", die haben nicht meine Worte gebraucht und haben mich ohne Grund und mit Unrecht angeführt."

Auf diesen Bescheid wandte sich König Pasenadi von Kosalo nach Vidudabho, dem Feldherrn, um und fragte ihn:

"Wer hat denn wohl, Feldherr, dieses Gerede bei Hof in Umlauf gebracht?" "Sanjayo, großer König, der Brahmane, der Akaser."

Da befahl König Pasenadi von Kosalo einem seiner Leute:

"Geh', lieber Mann, und rufe mir Sanjayo den Brahmanen, den Akaser, her: 'Der König', sage, 'o Herr, Pasenadi von Kosalo, läßt dich rufen.'"

"Wohl, o König!" entgegnete da gehorsam jener Mann dem Herrscher. Und er begab sich dorthin wo Sanjayo der Brahmane, der Akaser, weilte; und er sprach also zu ihm:

"Der König, o Herr, Pasenadi von Kosalo, läßt dich rufen."

"Nun wandte sich König Pasenadi von Kosalo also an den Erhabenen:

"Vielleicht hat es, o Herr, der Erhabene auf irgendeine andere Weise gemeint, und die Leute haben es wiederum anders aufgenommen. In welchem Sinne gesteht wohl, o Herr, der Erhabene zu, den Ausspruch getan zu haben?"

"Also gesteh' ich, großer König, zu, den Ausspruch getan zu haben: 'Es gibt keinen Asketen oder Priester, der auf einmal alles wissen, alles verstehn kann: das ist unmöglich.'"

"Begründet ist, o Herr, was der Erhabene gesagt hat, wohlbegründet ist, o Herr, was der Erhabene gesagt hat: 'Es gibt keinen Asketen oder Priester, der auf einmal alles wissen, alles verstehn kann: das ist unmöglich.' - Vier gibt es, o Herr, der Kasten: Krieger, Priester, Bürger und Diener. Kann man da nun, o Herr, bei diesen vier Kasten eine Besonderheit, einen Unterschied aufstellen?"

"Vier gibt es, großer König, der Kasten: Krieger, Priester, Bürger und Diener. Da sind, großer König, von diesen vier Kasten zwei als die oberen anerkannt, Krieger und Priester, was Begrüßung, Aufmerksamkeit, Ehrfurcht und Achtung angeht."

"Nicht frag' ich, o Herr, den Erhabenen um das äußere Verhältnis: um das innere, o Herr, frag' ich den Erhabenen. Vier gibt es, o Herr, der Kasten: Krieger, Priester, Bürger und Diener. Kann man da nun, o Herr, bei diesen vier Kasten eine Besonderheit, einen Unterschied aufstellen?"

"Fünf gibt es, großer König, der Kampfeseigenschaften: welche fünf? 

Das sind, großer König, die fünf Kampfeseigenschaften. 

Vier gibt es, großer König, der Kasten: Krieger, Priester, Bürger und Diener. Und sind sie, großer König, mit diesen fünf Kampfeseigenschaften begabt, so gereicht es ihnen lange zum Wohle, zum Heile."

"Vier gibt es, o Herr, der Kasten: Krieger, Priester, Bürger und Diener. Und sind sie, o Herr, mit diesen fünf Kampfeseigenschaften begabt, kann man da noch bei ihnen, o Herr, von einer Besonderheit, von einem Unterschied reden?"

"Das kommt, sag' ich, großer König, auf die Art und Weise an, wie sie kämpfen. Gleichwie etwa, großer König, wenn da zwei Reitelefanten oder Wagenrosse oder Zugstiere wären, wohlgebändigt, wohlabgerichtet, und zwei Reitelefanten oder Wagenrosse oder Zugstiere, ungebändigt, unabgerichtet; was bedünkt dich, großer König: jene zwei Reitelefanten oder Wagenrosse oder Zugstiere, die wohlgebändigten, wohlabgerichteten, würden nun diese als Gebändigte tun was Gebändigten taugt, als Gebändigte ausführen was Gebändigten obliegt?"

"Freilich, o Herr!"

"Aber die anderen beiden Reitelefanten oder Wagenrosse oder Zugstiere, die nicht gebändigt, nicht abgerichtet sind, würden etwa diese als Ungebändigte tun was Gebändigten taugt, als Ungebändigte ausführen was Gebändigten obliegt, gleichwie jene beiden Reitelefanten oder Wagenrosse oder Zugstiere, die wohlgebändigt, wohlabgerichtet sind?"

"Das nicht, o Herr!"

"Ebenso nun auch, großer König, etwa vermeinen, was da einer durch Zutrauen, Rüstigkeit, ehrliche Offenheit, Tapferkeit, Weisheit erreichen kann, kann ein anderer auch ohne Zutrauen, kränklich, listig, gleisnerisch, feig, ungewitzigt erreichen: das ist unmöglich."

"Begründet ist, o Herr, was der Erhabene gesagt hat, wohlbegründet ist, o Herr, was der Erhabene gesagt hat. - Vier gibt es, o Herr, der Kasten: Krieger, Priester, Bürger und Diener. Und sind sie, o Herr, mit den fünf Kampfeseigenschaften begabt, und bestehn sie die gewaltigen Kämpfe, kann man da noch bei diesen, o Herr, von einer Besonderheit, von einem Unterschied reden?"

"Da kann, sag' ich, großer König, bei ihnen von einem Unterschied nicht mehr die Rede sein, Erlösung gegenüber Erlösung. Gleichwie etwa, großer König, wenn ein Mann trockenes Eichenholz nähme, Feuer erweckte, Licht hervorbrächte; und ein anderer Mann trockenes Salholz nähme, Feuer erweckte, Licht hervorbrächte; und ein anderer Mann trockenes Mangoholz nähme, Feuer erweckte, Licht hervorbrächte; und ein anderer Mann trockenes Feigenholz nähme, Feuer erweckte, Licht hervorbrächte; was bedünkt dich, großer König: bestände da wohl unter diesen Feuern, aus verschiedenem Holze erweckt, irgendein Unterschied zwischen Flamme und Flamme, Glanz und Glanz, Schein und Schein?"

"Das nicht, o Herr!"

"Ebenso nun auch, großer König, wie das Licht durch Kraft entzündet, im Kampfe erzeugt wird, sag' ich, gibt es da keinen Unterschied mehr, Erlösung Erlösung gegenüber."

"Begründet ist, o Herr, was der Erhabene gesagt hat, wohlbegründet ist, o Herr, was der Erhabene gesagt hat. - Wie aber, o Herr: gibt es Götter?"

"Warum denn, großer König, sprichst du also: 'Wie aber, o Herr: gibt es Götter?'"

"Ich frage, ob die Götter, o Herr, wiederkehren zu dieser Welt, oder ob sie nicht mehr wiederkehren."

"Götter, die abgewandt sind, kehren nicht mehr wieder."

Auf diese Worte wandte sich Vidudabho der Feldherr also an den Erhabenen:

"Und können, o Herr, die Götter, die zugewandt zu dieser Welt wiederkehren, jene abgewandten Götter, die nicht mehr wiederkehren, von ihrem Orte verjagen und verbannen?"

Da kam nun dem ehrwürdigen Anando der Gedanke in den Sinn: 'Dieser Feldherr Vidudabho ist der Sohn König Pasenadis von Kosalo, und ich bin der Sohn des Erhabenen: jetzt schickt es sich, daß der Sohn den Sohn belehre.' Und der ehrwürdige Anando wandte sich also an Vidudabho den Feldherrn:

"Da will ich dir nun, Feldherr, eben hierüber eine Frage stellen: wie's dir gutdünkt magst du sie beantworten. Was meinst du wohl, Feldherr: soweit das Gebiet König Pasenadis von Kosalo reicht, wo König Pasenadi von Kosalo die Herrschaft und Obermacht königlich ausübt, vermag da der König einen Asketen oder einen Priester, einen guten oder einen schlechten, einen echten oder einen unechten, aus diesem Gebiete zu verjagen, zu verbannen?"

"Soweit, Herr, das Gebiet König Pasenadis von Kosalo reicht, wo König Pasenadi von Kosalo die Herrschaft und Obermacht königlich ausübt, da vermag der König einen Asketen oder einen Priester, einen guten oder einen schlechten, einen echten oder einen unechten, aus diesem Gebiete zu verjagen, zu verbannen."

"Was meinst du wohl, Feldherr: wo das Gebiet König Pasenadis von Kosalo aufhört, wo König Pasenadi von Kosalo keine Herrschaft und Obermacht königlich ausübt, vermag da der König einen Asketen oder einen Priester, einen guten oder einen schlechten, einen echten oder einen unechten, aus diesem Gebiete zu verjagen, zu verbannen?"

"Wo, Herr, das Gebiet König Pasenadis von Kosalo aufhört, wo König Pasenadi von Kosalo keine Herrschaft und Obermacht königlich ausübt, nicht vermag da der König einen Asketen oder einen Priester, einen guten oder einen schlechten, einen echten oder einen unechten, aus diesem Gebiete zu verjagen, zu verbannen."

"Was meinst du wohl, Feldherr: hast du von den Dreiunddreißig Göttern gehört?"

"Gewiß, Herr, ich habe von den Dreiunddreißig Göttern gehört; und auch Herr Pasenadi hier, der König von Kosalo, hat von ihnen gehört."

"Was meinst du wohl, Feldherr; vermag der König die Dreiunddreißig Götter von ihrem Orte zu verjagen, zu verbannen?"

"Nicht einmal sehn, Herr, kann der König die Dreiunddreißig Götter, geschweige denn daß er vermöchte, sie von ihrem Orte zu verjagen, zu verbannen!"

"Ebenso nun auch, Feldherr, können die Götter, die zugewandt zu dieser Welt wiederkehren, jene abgewandten Götter, die nicht mehr wiederkehren, nicht einmal sehn, geschweige denn daß sie vermöchten, sie von ihrem Orte zu verjagen, zu verbannen."

Da wandte sich nun König Pasenadi von Kosalo an den Erhabenen und sprach:

"Wie heißt o Herr dieser Mönch?"

"Anando heißt er großer König."

"Anando, also: wahrlich wie Anando (= Wohlmut) sieht er aus! Begründet ist, o Herr was der ehrwürdige Anando gesagt hat, wohlbegründet ist, o Herr, was der ehrwürdige Anando gesagt hat. - Wie aber, o Herr: gibt es einen Brahma?"

"Warum denn, großer König, sprichst du also: 'Wie aber, o Herr: gibt es einen Brahma?"

"Ich frage, ob ein Brahma, o Herr, wiederkehrt zu dieser Welt, oder ob er nicht mehr wiederkehrt."

"Ein Brahma, großer König, der zugewandt ist, kehrt wieder zu dieser Welt: ein Brahma, der abgewandt ist, kehrt nicht mehr wieder."

Da trat einer der Leute an den König heran und sprach also zu ihm:

"Sanjayo, großer König, der Brahmane, der Akaser, ist gekommen."

Und König Pasenadi von Kosalo wandte sich also an Sanjayo den Brahmanen, den Akaser:

"Wer hat denn wohl, Brahmane, jenes Gerede bei Hof in Umlauf gebracht?"

"Vidudabho, großer König, der Feldherr."

"Vidudabho der Feldherr, der sagte: 'Sanjayo, großer König, der Brahmane, der Akaser.'"

Hier brachte einer der Leute dem König die Meldung:

"Die Wagen stehn bereit, großer König."

Und König Pasenadi von Kosalo sprach nun zum Erhabenen also:

"Wie es dir nun, großer König, belieben mag."

Und König Pasenadi von Kosalo, durch des Erhabenen Rede erfreut und befriedigt, stand von seinem Sitze auf, begrüßte den Erhabenen ehrerbietig, ging rechts herum und entfernte sich.



Die zweite Hälfte der Lehrreden des Majjhima Nikaya, worin Pasenadi auftritt, nimmt, wie unser Text überhaupt, wenig Rücksicht auf die Zeitfolge der Reden. So sieht z.B. Pasenadi in der 90.Rede Anando zum erstenmal, der ihm zu Beginn der 88.Rede wohlbekannt ist. In der letzten Rede wird Ajatasattu als König von Magadha genannt, während in der 86.Rede noch dessen Vater Seniyo Bimbisaro den Thron innehat. 


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