Vimāna Vatthu

54. (V,4): Krabbensuppen-Gabe

In Rājagaham übte sich ein Mönch in Klarsichtsmeditation. Da bekam er so heftige Ohrenschmerzen, daß er seine Übung nicht weiter fortsetzen konnte. Die Krankheit wurde auch nicht besser, als er die von Ärzten vorgeschriebene Medizin genommen hatte. Da ging er zum Erwachten, der im Kloster des Bambushains weilte. Der Buddha erkannte, daß die einzig hilfreiche Medizin darin bestünde, daß der Mönch Krabbensuppe äße. Er sagte zu ihm, er solle beim Magadha-kketta, einer Anlage von Reisfeldern östlich der Stadt, auf Almosengang gehen. Der Mönch war überzeugt, daß der Erwachte seine Gründe haben würde und daß er irgend etwas gesehen haben müsse. So ging er, ohne weiter zu fragen, nach jener Gegend. Bei der Hütte eines Feldwächters stand er um Almosen. Der Mann hatte sich gerade eine Krabbensuppe gekocht und wollte vor dem Mahle etwas ausruhen. Da sah er den Mönch, nahm ihm seine Schale ab und ließ ihn in seiner Hütte niedersitzen. Dann füllte er ihm Krabbensuppe in seine Schale. Kaum hatte der Mönch ein bißchen davon genossen, da verschwanden seine Ohrenschmerzen spurlos. Er fühlte sich wie in einem Bad von hundert Krügen gebadet, so frisch. So gewann er auch seine Geistesruhe zurück und begann noch beim Essen wieder seine Klarsichtsbetrachtungen. Noch bevor er den letzten Löffel Suppe gegessen hatte, hatten sich seine Triebe angesichts des tiefen Klarblicks restlos aufgelöst. Auch einer der Heiligen war er geworden. Er stand auf und sagte zu dem Feldhüter:

 

"Laienanhänger, nachdem ich dein Almosen genossen habe, ist meine Krankheit verschwunden, Leib und

Seele sind in Ordnung. Durch die Frucht dieser verdienstvollen Tat wirst auch du von körperlichen und geistigen Leiden frei sein."

 

Dann gab er seinen Segen und ging davon.

 

Einige Zeit Göttern der später starb der Feldhüter und erschien bei den Dreiunddreißig wieder in einem prächtigen goldenen Vimāna. Am Eingang hing an einer Perlenschnur eine goldene Krabbe. Der ehrwürdige Mahāmoggallāno sah dieses schöne Vimāna und wandte sich an die Gottheit:

 

Moggallāno:

Hoch dies Vimāna ist mit Pfeilern von Juwelen

nach allen Seiten rings zwölf Meilen weit erstreckt

an Giebelhäusern siebenhundert gibt's, großartig

mit Pfeilern aus Beryll, besetzt mit Gold, schön glänzend. (905)

 

Da lebst du, ißt du, trinkst du wohl

und Himmelsgeigen lieblich da ertönen

Geschmäcke himmlisch fünffach gibt es da

und Nymphen tanzen goldgeschmückt. (906)

 

Woher solch Schönheit kommt dir zu?

Was war's, das dir nach hier gedieh?

Woher erlangtest Fülle du,

an dem, was deinem Geiste lieb? (907)

 

So frag ich dich, o Gott, der du gar mächtig:

Als Mensch du warst, was an Verdienst hast du gewirkt?

Woher kommt es, daß du so mächtig strahlest

daß deine Schönheit jede Richtung überhellt? (908)

 

Sprecher:

Der Göttersohn, im Geist beglückt

als Moggallāno ihn befragt

erklärt auf seine Frage ihm,

welch Wirken diese Frucht erzeugt. (909)

 

Gottheit:

Erstanden zur Erinnerung

hängt eine Krabbe an der Tür,

aus Gold gefertigt ist sie ganz

und glänzt, zehn Füße hat sie wohl.(910)

 

Daher kommt mir solch Schönheit zu

das ist's, was mir nach hier gedieh

daher erlangt die Fülle ich

an dem, was meinem Geiste lieb. (911)

 

So zeigt ich dir, o Mönch, der du gar mächtig

was ich als Mensch mir an Verdienst gewirkt hab

Daher kommt es, daß ich so mächtig strahle

daß meine Schönheit jede Richtung überhellt. (912)

 

Bemerkungen:

Die Diskrepanz zwischen Rahmenerzählung und Versen ist hier besonders groß. Vers 910 ist völlig unverständlich und inhaltslos ohne die Rahmenerzählung.

Gegenstand ist kakkataka-rasa, nach PED S. 174 "a flavour made from crabs, crab-curry". Es handelt sich um die in Teichen lebende Süßwasserkrabbe oder einen Krebs, wie er öfter als Gleichnis herangezogen wird (M 35; S 4.24) oder in einer Fabel (J 38).

Darf ein Mönch denn Speise genießen, für die Tiere getötet wurden? Der Buddha gibt dafür Regeln, wann es zulässig ist und wann nicht. Hier hat der Mönch überhaupt keine Ahnung gehabt, daß in der Hütte Krabbensuppe gekocht worden war, und daher durfte er sie annehmen. Der Mönch soll nicht wählerisch sein und essen, was in seine Schale kommt, wovon es nur wenige Ausnahmen gibt. Im Krankheitsfall dürfen Mönche sogar um Fleischbrühe bitten. Jedenfalls ißt der Mönch hier vorwurfsfrei. Der Buddha hatte vorausgesehen, daß diese Nahrung seine Ohrenschmerzen beseitigen würde, so seltsam uns auch der Zusammenhang erscheinen mag. Der Mönch stand ja unmittelbar vor der Heiligkeit, und das Ohrenweh schien eine letzte karmische Behinderung gewesen zu sein, die sein Üben blockierte. Es mag unbekannte karmische Gründe gehabt haben, wieso gerade Krabbensuppe diese Blokkade beseitigte. Dann war der Weg frei, und die lange geübte Klarsichtsmeditation führte sofort zur Auflösung der letzten Fesseln und Triebe. Ein ungewöhnlicher Fall, aber jeder Heilige ist ein ungewöhnlicher Fall.


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