Vimāna Vatthu

48. (IV,10): Zuckerrohr II

Identisch mit Nr. 30, ausgenommen, daß hier ein Erdklumpen geworfen wird statt ein Stuhl. Der Kommentar sagt, wegen dieser Differenz seien beide Fassungen in die Sammlung aufgenommen worden. Aber dann ist nicht einzusehen, warum sie nicht hintereinander stehen, wie es sonst bei sehr ähnlichen Geschichten der Fall ist.

Verse 803 - 813 = 292 - 302

 

49. (IV,11): Verehrung

Als eine Schar Mönche sich nach Beendigung der Regenzeit-Klausur wieder auf die Wanderschaft begaben, um in Sāvatthi den Erwachten zu sehen, da sah eine Frau in einem Dorf diese Mönche hindurchwandern. Aus Verehrung und Zuwendung begrüßte sie die Schar ehrfurchtsvoll, machte die fünffache Verbeugung und den Handgruß. Mit großen Augen voll Verehrung stand sie so mit zusammengelegten Händen da, bis die Mönche außer Sicht gerieten. Als sie starb, erschien sie bei den Dreiunddreißig. Dort sah sie Moggallāno und fragte sie über ihr Wirken:

 

Vers 814 - 817, 819 - 820 = 109 - 112, 115 - 116

 

Göttin:

Als unter Menschen einst ich Mensch geworden,

Asketen, tugendhaft, erblickte ich,

verehrte sie zu Füßen, heitren Geistes,

zufrieden mit dem Handgruß grüßt ich sie. (818)

 

50. (IV,12): Rajjumālā

Zur Zeit des Buddha Kassapo hatte eine Hausherrin eine Dienerin, die von ihr ständig schlecht behandelt wurde. Die Hausherrin ließ ihren Ärger immer an der Dienerin aus, warf Erdklumpen und Stöcke nach ihr und schlug sie mit der Faust. Die Dienerin litt sehr unter dieser bösen Behandlung und wurde es leid, so behandelt zu werden. Da sie religiösen Sinn hatte, wußte sie auch den einzigen Weg, um dem zu entrinnen: Sie bemühte sich um gute Werke, soweit sie konnte, aber sie wünschte sich auch von ganzem Herzen, daß sie künftig einmal die Herrin sein möchte und die andere ihre Dienerin.

 

Als die Dienerin starb, wanderte sie noch vielfältig im Samsāro herum, bis sie schließlich zur Zeit des Buddha Gotamo in Gayā in einer Brahmanen-Familie geboren wurde. Sie heiratete dann in eine andere Brahmanen-Familie am Ort. Dort war eine Dienerin, die eine Tochter hatte, und diese Tochter war einstmals die böse Herrin gewesen. Die jetzige Herrin hatte sofort eine Antipathie gegen dieses Mädchen und konnte sie nicht ausstehen. Ständig beschimpfte sie sie und schlug sie mit der Faust oder knuffte sie mit dem Knie. Die letzte Steigerung, die ihr in ihrer Wut noch möglich war, bestand darin, daß sie das Mädchen an den Haaren zog und prügelte und mit den Füßen stieß. Das Mädchen eilte daher zum Haarschneider und ließ sich den Kopf scheren. Als die Herrin das sah, schwoll ihre Wut noch mehr an. Sie band ihr ein Tau um den Kopf, zog sie damit herunter und schlug sie. Sie erlaubte auch nicht, daß sie das Tau abnahm. Daher wurde das Mädchen nun "die Tau-Bekränzte" (Rajju-mālā) genannt.

 

Um diese Zeit blickte der Erwachte eines Morgens über die Welt hin und sah, daß jene Dienerin reif für den Stromeintritt war, die Brahmanin aber für die Zufluchtnahme. Er ging in den Wald bei Gayā und setzte sich unter einen Baum. Das Mädchen war inzwischen lebensmüde geworden und wollte ihrem elenden Leben ein Ende machen. Sie nahm einen Eimer, als wolle sie zur Wasserstelle gehen. Sie ging aber in den Wald und befestigte einen Strick an einem Ast, machte eine Schlinge und wollte sich aufhängen. Da sah sie in der Nähe den Erwachten unter einem Baum sitzen. Er strahlte Heiterkeit und Ruhe aus, und ihn umgab die sechsfarbige Aura. Da wurde ihr Herz sofort von Ehrfurcht erfüllt, und sie dachte, er könne vielleicht selbst solchen Menschen wie sie eine Darlegung geben, die sie von ihrem Elend befreien würde. Als der Erhabene ihre Gedanken lesen konnte, sagte er nur: "Rajjumālā!" Indem sie dieses eine Wort hörte, wurde ihr Herz piötzlich von Entzücken, von Jubel erfüllt, als ob eine Ahnung des Todlosen sie berühre. Sie ging zum Buddha, grüßte ihn ehrerbietig und stellte sich zur Seite hin. Der Erhabene aber sprach zu ihr vom Geben, von der Tugend, von seliger Welt, machte des Begehrens Elend und der Entsagung Vorzüglichkeit offenbar und legte ihr schließlich die vier Wahrheiten dar. Am Ende dieser Darlequng hatten sich bei ihr die ersten drei Fesseln gelöst, und sie hatte die Frucht des Stromeintritts erlangt. Dann ging sie ins Dorf zurück.

 

Der Erwachte aber begab sich aus der Waldestiefe zu einem Baum nahe beim Ort.

 

Rajjumālā war nun im Herzen von Geduld, Liebe und Freundlichkeit erfüllt und dachte: "Mag die Brahmanin mich töten oder quälen oder tun, was sie will." Dann holte sie Wasser und betrat wieder das Haus. Der Hausherr stand an der Tür und sprach zu ihr: "Du hast lange gebraucht, bis du von der Wasserstelle zurückgekehrt bist. Dein Angesicht aber strahlt vor Heiterkeit, und du siehst ganz anders aus. Was ist der Grund?" Da erzählte sie ihm, was geschehen war. Er ging sofort zu seiner Schwiegertochter, um ihr zu sagen, daß diese künftig Rajjumālā nichts mehr antun dürfe. Dann eilte er an den Dorfrand und lud den Erwachten zum Mahle ein, führte ihn zu seinem Haus und bediente ihn eigenhändig mit Speise und Trank. Nach dem Mahle setzte sich auch die Schwiegertochter dazu. Inzwischen hatte sich die Nachricht von der Ankunft des Buddha im Dorfe dort weiter verbreitet, und die brahmanischen Hausväter kamen auch und setzten sich dazu. Der Erwachte erzählte dann der andächtig lauschenden Versammlung, wie zur Zeit des Buddha Kassepo Rajjumālā die Herrin und die Schwiegertochter die Dienerin gewesen war. Nachdem er daran anknüpfend die Lehre von Saat und Ernte dargelegt hatte, nahmen alle Anwesenden Zuflucht zu den drei Kleinodien und übernahmen die fünf Tugenden. Der Brahmane adoptierte Rajjumālā, und die Schwiegertochter behandelte sie nur noch mit Liebe, ihr Leben lang.

Als Rajjumālā gestorben war, erschien sie bei den Dreiunddreißig wieder, in großer Schönheit und Pracht. Dort sah Moggallāno sie und sprach sie an:

 

Moggallāno:

Gar überschön bist prächtig du,

wie du da stehst, o Göttliche.

Du tanzest da zu der Musik

begleitest sie mit Hand und Fuß. (821)

822 - 827 = 676 - 681

 

Göttin:

Ich war einst eine Dienerin

in Gayā in Brahmanenhaus

Verdienst und Glück mir fehlten da,

Rajjumālā war ich genannt! (828)

 

Mit Drohungen und Heftigkeit

ward ich beschimpft, geschlagen auch.

Da einen Eimer ich ergriff

und ging zum Wasserholen so. (829)

 

Ich ging vom Weg, stellt Eimer hin,

in dichten Wald begab ich mich:

"Dort will ich sterben alsogleich,

was soll mir Leben länger noch?" (830)

 

Ich knüpfte eine Schlinge fest

und schlug sie über einen Ast.

Ich blickte dann noch ringsumher,

ob mich da keiner stören könnt. (831)

 

Da hab Erwachten ich erblickt,

den Muni, aller Welt zum Heil,

wie unter einem Baum er saß,

als Schauender, ganz ohne Furcht. (832)

 

Da ward ergriffen ich sofort,

gesträubten Haars ich wundert mich:

"Wer sitzt da wohl im Walde hier?

Ob Mensch es oder Gottheit ist?" (833)

 

Der Heitre Heiterkeit verströmt,

im Wahneswald ohn Wähnen er.

Ihn sehend heiter ward mein Geist:

"Dies ist gewiß nicht irgendwer!" (834)

 

Bewacht die Sinne, schauungsfroh,

der Geist nach auswärts nicht zerstreut

aufs Wohl der ganzen Welt bedacht:

Das kann nur der Erwachte sein. (835)

 

Anfechtbar nicht durch Furcht und Angst,

wie Löwe in der Höhle weilt,

gar selten trifft man solchen ja

wie Blüte vom Udumbara. (836)

 

Vollendeter mit mildem Wort

mich redete dann also an:

"Rajjumālā", sagt er zu mir,

"nimm Zuflucht beim Vollendeten." (837)

 

Ich hört sein Wort, das fehlerlos

zum Heile dienend, völlig rein

sanft, milde, lieblich anzuhörn,

das allen Kummer ganz vertilgt. (838)

 

Er sah ja, daß mein Herz bereit,

daß es war heiter, rein der Geist.

Aufs Wohl der ganzen Welt bedacht

hat mich Vollendeter belehrt. (839)

 

"Das ist das Leiden", sagte er

"das ist, was Leid entwickeln ießt,

so löst sich's auf, so ist der Weg

der gradwegs ins Todlose taucht."(840)

 

Er nahm sich meiner an geschickt

fest stand ich in der Lehre nun

Todloses fand, die Stille, ich,

Nibbāna, Stätte, die nicht wankt. (841)

 

In Liebe stand ich nunmehr fest,

erblickte das, was nicht vergeht

Vertraun, das war verwurzelt nun

des Buddha echte Tochter ich. (842)

 

Jetzt bin ich froh hier und vergnügt

kann freuen mich, befreit von Furcht

ich trage einen Himmelskranz

und süßen Nektar trinke ich. (843)

 

844 - 850 = 165 - 171

 

Zum Heile vieler in der Welt

erscheinen die Vollendeten.

Der Menschen Gaben Würdigste

sie schaffen Felder für Verdienst.

Wenn man dort hat gewirkt ein Werk,

dann Geber freut im Himmel sich. (851)

 

Bemerkungen:

Die Dienerin zur Zeit des früheren Buddha hatte sich durch tugendhaftes Bemühen erwirkt, daß sie irgendwann einmal in eine herrschende Position gelangte. Der Hintergedanke, daß sie dann den Spieß umdrehen und Rache nehmen würde, lag aber in einer anderen Dimension. Das setzte voraus daß sie in einer späteren Existenz dann noch denselben Wunsch haben würde. Da sie sich aber fest an ihre Herrin karmisch gefesselt hatte, war es ihr bestimmt, daß sie diese auch wiedertreffen würde. Da andererseits im Samsāro bei beiden Frauen noch viele frühere Wirkungen karmisch sich auswirken würden, konnte es lange dauern, bis endlich die Konstellation beider so war, daß sie sich wieder begegneten. Da wurde dann die einstige herrschsüchtige, gewaltsame Herrin zur Dienerin, während die einstige Dienerin zur Herrin aufstieg. Nach längerer Wanderung durch den Samsāro trafen sich die beiden nun in karmischer Vergeltung in umgekehrter Position. Die jetzige Herrin aber hatte noch oder wieder Haß in sich, verborgene Rachelust kam zum Vorschein: "Haß auf den ersten Blick." Nun erlebte die einstige Herrin an sich selber das, was sie früher ihrer Dienerin angetan hatte: Sie wurde ungerecht und heftig gequält. Und die einst mißhandelte Dienerin übte sozusagen die karmische Strafvollstreckung aus, wobei sie aber sich selber am meisten schadete.

 

Herrin (böse), Dienerin (duldend), Stromeingetretene (gesichert), Adoptivtochter, Göttin (im Himmelsglück) - das sind die Stufen des Daseinswandels von Rajjumālā. Die jetzige Herrin aber wurde nur Anhängerin (Upasikā), die die dreifache Zuflucht nahm und die fünf Tugenden auf sich nahm, aber noch nicht den Stromeintritt erreichte. Rajjumālā als Gesicherte konnte sich nun im Himmel ungetrübt am Himmelsglück freuen, weil sie sich auf dem Weg zum Todlosen wußte und ihr keine Unterwelt mehr bevorstand. Auf den ersten Blick mag es verwundern, daß nach den tiefen Betrachtungen über den Kern der Lehre dann übergangslos von Genießen des sinnlichen Himmelsglücks die Rede ist. Aber das ist geradezu normal, denn der Stromeintritt mindert die Genußtriebe noch nicht, sondern verfeinert sie nur und gibt ihnen vor allem eine Richtung, die unumkehrbar zum Heil führt. In diesem Anblick der Sicherheit kann die Göttin es sich sozusagen leisten, sich zunächst an Himmelsgenüssen zu freuen. Da sie auf Erden solange gequält worden war, mag auch eine Art Nachholbedarf vorhanden gewesen sein.


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