Vimāna Vatthu

51. (V,1): Der Frosch als Göttersohn

Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Campā, am Gestade des Gaggarā-Sees. Als er am Morgen mit dem Buddha-Auge voll Erbarmen über die Welt schaute, um zu sehen, wem er die Wahrheit zeigen könnte, da erkannte er, daß in einem Frosch gutes Karma reif würde. Er ging dann in der Frühe auf den Almosengang und zog sich dann zur Stille der Vertiefung in seine Hütte zurück. Am Abend, nach Aufhebung der Gedenkensruhe der Mönche, kamen die vier Versammlungen (Mönche, Nonnen, Laien, Laienanhängerinnen) zusammen, um von ihm in der Lehre unterwiesen zu werden. Der Erwachte setzte sich nahe am Ufer des Sees in der Lehrhalle nieder und begann, die Versammlung zu unterweisen. Zu dieser Zeit hüpfte ein Frosch aus dem See an Land. Er hörte die unendlich beruhigende, wohllautende Stimme des Erwachten, und dieser Ton berührte ihn angenehm. Er wandte sich der Stimme zu, und irgendwie fand er: "Das ist eine gute Sache." So setzte er sich am Rand der Versammlung hin. Da war nun ein Kuhhirt nähergekommen, hörte den Buddha und erblickte die lautlose Schar der Zuhörer. Davon angezogen im Geiste hörte er nun zu. Dabei nahm er seinen Stock und stemmte ihn in den Boden, um sich darauf zu stützen. Dabei zerquetschte er unversehends den Frosch.

Im gleichen Augenblick erschien der Frosch als Gott im Bereich der Götter der Dreiunddreißig. Als ob er vom Schlaf erwache, sah er sich von einer Schar Nymphen umgeben. Als er sich fragte, wie er wohl dorthin gekommen sein mochte, wurde ihm sein voriges Leben als Frosch offenbar. Als er sich weiter fragte, woher ihm solche göttliche Pracht mit einem großen goldenen Vimāna gekommen war, da konnte er sich nur an jene Zuwendung zur Stimme des Erhabenen erinnern. Das war sein letzter und auffälligster und einzig beachtenswerter Eindruck seiner vorigen Existenz als Frosch gewesen. Da ward er von Freude ergriffen und lenkte sein Vimāna zurück zur Erde, zur Menschenwelt, nach Indien, an den Gaggarā-See. Er fand den Erwachten bei der Belehrung, materialisierte sich, verließ sein Vimāna und begrüßte ehrfürchtig den Erhabenen. Dieser wandte sich wie folgt an ihn:

 

Buddha:

Wer ist's, der mir zu Füßen fällt,
der machtbegabt in Ruhm erglänzt
der ungewöhnlich schön erscheint
nach allen Richtungen hier strahlt? (852)

 

Gott:

Ein Frosch gewesen war ich einst
das Wasser war mein Lebensraum.
Die Lehre hört ich lehren dich -
da brachte mich ein Kuhhirt um. (853)

 

Ein Augenblick mit heitrem Herz:
Schon sieh die Macht und meinen Ruhm
sieh meine überird'sche Pracht
und sieh mein Leuchten noch dazu. (854)

 

Die lange Zeit gar, Gotamo,
von dir ja das Gesetz gehört,
erreichen sichre Stätte wohl
wo es da nicht mehr Kummer gibt. (855)

Bemerkungen:

Das Wirken, das jenes Wesen hinab zur Tierheit geführt hatte, war jetzt abgetragen, und nun konnte wieder früheres gutes Wirken Platz greifen. Auch ohne das Hören der Stimme des Buddha wäre der Frosch wohl ein Gott geworden, wenn er sich früher solches Verdienst erwirkt hatte. Das unsichtbare Herz, das während des Frosch-Daseins nichts Gutes wirken konnte, hatte eben jene neue Existenzform schon lange vorbereitet. Der gewöhnliche Mensch sieht in einem Frosch nur einen Frosch und blickt als "Krone der Schöpfung" auf das unvernünftige Tier herab. Der Buddha aber sah mit seinem Hellblick im Frosch den künftigen Göttersohn. Diesem wollte er eine Erinnerung an ihn verschaffen, und darum war er, von Mitleid bewogen, zum See gegangen. Die Stimme des Buddha war dann zum Frosch gedrungen und hatte sich ins Gedächtnis so eingeprägt, daß dieser letzte Eindruck des Erdenlebens ihm in der Astralwelt sofort einfiel und ihn bewog, den Träger dieser Stimme aufzusuchen.

Das Wichtigste steht nicht in den Versen, sondern nur in der Rahmenerzählung: Der Buddha gab dem Göttersohn nämlich eine Belehrung, die bewirkte, daß er am Ende die Frucht des Stromeintritts erlangte.

Der Vers 852 scheint Buddhaghosa besonders gefallen zu haben, denn er zitiert ihn in allen fünf Sammlungen (DA 228 u. 961, MA I, 129; II,124; SA I,14; AA II,375; KhA 114). Dabei ist der Inhalt nichtssagend.

Die Geschichte vom Frosch, der ein Gott wird, ist von den Jainas übernommen worden: Wolfgang Beurlen, The Doctrine of the Jainas, Delhi 1962, S. 91.

Vers 855 besagt, daß diejenigen, die nicht nur kurz einmal die Lehre hören wie der Gott, sondern lange Zeit, dann auch eine höhere Frucht erreichen, nämlich das Nibbāna, die sichere, kummerlose Stätte.


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