Jātakam, Wiedergeburtsgeschichten

428. Die Erzählung von Kosambi (Kosambi-Jataka)

„Gar laut erschallt das Wort der Menge“

 

§A. Dies erzählte der Meister, da er bei Kosambi im Ghosita-Kloster verweilte, mit Beziehung auf Unruhestifter zu Kosambi.

§D. Die Begebenheit ist schon im Kosamba-Khandhaka [1] erzählt. Folgendes aber ist der Inhalt in Kürze:

Damals wohnten zwei Mönche in einem Hause; der eine war ein Kenner des Vinaya, der andere ein Kenner des Sutta [2]. Eines Tages stellte der Sutta-Kenner, nachdem er seinen Körper gereinigt, das Wasser, das von der Reinigung übrig geblieben war, im Wasserhause in einem Topfe hin und ging dann hinaus. Als später der Vinaya-Kenner dort hinein kam und das Wasser sah, verließ er den Raum und fragte den anderen: „Hast du das Wasser hingestellt?“ „Ja, Lieber“, antwortete dieser. Der andere fragte weiter: „Weißt du aber nicht, dass du damit eine Sünde begangen hast?“ „Nein, das weiß ich nicht.“ „Doch, Lieber, das ist eine Sünde.“ „Dann will ich Genugtuung dafür leisten.“ Doch der Vinaya-Kenner versetzte: „Wenn du aber, Freund, ohne Absicht und nicht mit Willen dies getan hast, so ist es keine Sünde.“ So sah jener in dieser Verfehlung keine Sünde.

Der Vinaya-Kenner aber erzählte seinen Anhängern: „Dieser Sutta-Kenner merkt es nicht, wenn er eine Sünde begeht.“ Als diese dessen Anhänger sahen, sagten sie: „Euer Lehrer merkt nicht, dass er in Sünde gestürzt ist, auch wenn er eine Sünde begangen hat.“ Sie gingen hin und teilten dies ihrem Lehrer mit. Dieser sprach: „Dieser Vinaya-Kenner hat vorher gesagt, es sei keine Sünde, und jetzt sagt er, es sei eine Sünde; er ist ein Lügner.“ Darauf gingen seine Schüler hin und sagten zu den anderen: „Euer Lehrer ist ein Lügner.“ So verstärkten sie gegenseitig den Streit.

Als darauf der Vinaya-Kenner eine Gelegenheit dazu fand, erklärte er die Verhehlung der Sünde von jenem für eine Tat, die die Exkommunikation verdiene. Von da an teilten sich auch diejenigen, die ihnen ihre Hilfsmittel spendeten, und auch die Laienbrüder in zwei Parteien; auch die Nonnen, die sie zu ermahnen pflegten, sowie die Gottheiten, die sie beschützten, und die ihnen befreundeten und vertrauten himmlischen Gottheiten [3] bis hinauf zur Brahma-Welt bildeten wie Unbekehrte zwei Parteien; bis zum Akanittha-Himmel [4] hinauf erstreckte sich dieser Streit.

Ein Mönch aber ging zu dem Vollendeten hin und schilderte ihm das Treiben derer, die jenen exkommuniziert hatten und die sagten, er sei auf gerechte Art exkommuniziert, und von den Anhängern des Exkommunizierten, die behaupteten, er sei auf ungerechte Art exkommuniziert worden, und die Häresie von denen, die, obwohl von der exkommunizierenden Partei zurückgehalten, doch ihm zugetan waren. Da rief der Erhabene: „Gespalten ist die Mönchsgemeinde, gespalten ist die Mönchsgemeinde“; er ging zu ihnen hin und erklärte der exkommunizierenden Partei den Nachteil, der in der Exkommunikation, und der anderen den Nachteil, der in der Verhehlung einer Sünde liege. Dann entfernte er sich wieder.

Als sie ein andermal innerhalb derselben Grenzen das Uposatha abhielten und auch im Speisehaus unter sich Streit anfingen, verkündete er ihnen im Speisehause die Regel: „Man soll abwechselnd nebeneinander Platz nehmen.“ Als er dann hörte, dass sie auch jetzt noch stritten, ging er wieder dorthin und sagte: „Es ist genug, ihr Mönche, streitet nicht!“ Da sprach ein Vertreter der im Recht befindlichen Partei, der keine Belästigung für den Erhabenen wünschte: „Es möge nach Hause zurückkehren der Erhabene, der Herr der Lehre; zufrieden möge, Herr, der Erhabene das Glück auf dieser Welt mit Lust genießen. Wir werden ja ganz bekannt durch diesen Streit, den Hader, den Zwist und den Wortwechsel!“

Darauf sprach der Meister:

 

§B. „In früherer Zeit, ihr Mönche, lebte zu Benares Brahmadatta, der König des Landes Kasi.“

§D. Und er erzählte, wie Brahmadatta dem Dighati, dem König von Kosala, sein Reich nahm und ihn, als er sich in unkenntlich machende Kleidung gehüllt hatte, tötete; wie dann der Prinz Dighavu ihm das Leben schenkte und wie sie von da an in völliger Eintracht zusammen lebten. [Vgl.dazu das Jataka 371].

 

§A2. Dann fuhr er fort: „So, ihr Mönche, kann zwischen Königen, denen das Szepter und das Schwert verliehen wurde, eine solche Liebe und Geduld bestehen. Jetzt, ihr Mönche, zeiget, dass ihr, die ihr in der so wohl verkündigten Lehre und Disziplin Mönche geworden seid, auch verzeihen und Milde fühlen könnt.“

Nachdem er sie so ermahnt, hielt er sie zum dritten Male zurück mit den Worten: „Es ist genug, ihr Mönche, streitet nicht!“ Als er sie aber immer noch ungebeugt sah, dachte er: „Besessenen gleichen diese törichten Menschen; man kann sie nicht gut belehren.“ Und er ging fort. Als er am nächsten Tage von seinem Almosengange zurückkehrte und sich in seinem duftenden Gemache ein wenig erholt hatte, brachte er selbst sein Schlafzimmer in Ordnung, nahm selbst seine Almosenschale und sein Obergewand und sprach, inmitten der Mönchsgemeinde sich in die Luft erhebend, folgende Strophen:

§1. „Gar laut erschallt das Wort der Menge,

denn niemand hält sich selbst für töricht;

wenn die Gemeinde ist gespalten,

hält keinen andern man für besser [6].

 

§2. Lieblos ist jetzt der Weisen Rede,

sie lassen frei den Worten Lauf,

den Mund weit offen, nach Belieben

und wissen nicht mehr, wer sie führt.

 

§3. ‘Er hat gescholten mich, geschlagen,

besiegt hat er mich und beraubt’;

wer diese Meinung in sich nährt,

bei dem hört nicht die Feindschaft auf.

 

§4. ‘Er hat gescholten mich, geschlagen,

besiegt hat er mich und beraubt’;

wer diese Meinung von sich weist,

bei denen hört die Feindschaft auf.

 

§5. Denn nicht durch Feindschaft kann auf Erden

die Feindschaft je besänftigt werden;

durch Freundschaft aber hört sie auf.

Das ist das ewige Gesetz [7].

                                            Dhp 3-5

 

§6. Die anderen erkennen nicht,

dass sie auf schlechten Wegen gehen;

doch die dies von sich selbst erkennen,

die hören mit dem Streiten auf.

 

§7. Die Knochenbrecher [8] und die Mörder,

die Kühe, Pferde, Geld wegnehmen,

auch unter ihnen gibt es Eintracht,

wenn sie sich gleich die Reiche rauben;

warum kann dies bei euch nicht sein?

 

§8. Wenn du erhalten einen weisen Freund,

der sich dir treu gesellt, gerecht und klug,

so überwindest du alle Gefahren

und kannst froh und verständig durch ihn leben.

 

§9. Doch wenn du nicht erhältst 'nen weisen Freund,

der sich dir treu gesellt, gerecht und klug,

dann gleich' dem König, der sein Reich verließ,

und bleib allein wie der Waldelefant [9].

                                                Dhp 328-330, Sn 44-45

 

§10. Allein zu weilen ist das Beste,

nicht gibt es Freundschaft mit den Toren,

Wenn du allein bleibst, tust nichts Böses du

wie der zufriedne Elefant im Walde.“

Aber der Meister vermochte auch mit dieser Erzählung nicht, die Mönche zur Eintracht zu bewegen. Darauf begab er sich nach dem Dorfe Balakalonaka [10] und verkündigte dort dem Thera Bhagu die Vorteile des Alleinseins. Von da begab er sich zur Wohnung dreier Söhne aus edlen Familien und erklärte ihnen den Vorteil der Süßigkeit der Eintracht. Von da zog er nach dem Walde Parileyyaka, verblieb dort drei Monate und kehrte, ohne nochmals nach Kosambi zu gehen, nach Savatthi zurück.

Da überlegten die Laienbrüder, die zu Kosambi wohnten: „Diese edlen Mönche, die zu Kosambi wohnen, haben uns wahrlich viel Schaden gebracht; über sie missmutig ist der Erhabene abgereist. Wir werden ihnen keine ehrfurchtsvolle Begrüßung u. dgl. mehr zollen und, wenn sie zu uns kommen, ihnen keine Almosen mehr geben. Auf diese Weise werden sie entweder von hier fortziehen oder aus dem Orden austreten oder den Erhabenen wieder versöhnen.“ Und sie taten also. Durch diese Strafe bedrängt zogen die Mönche nach Savatthi und baten den Meister um Verzeihung.

 

§C. Darauf verband der Meister das Jataka [11] mit folgenden Worten: „Der Vater war der große König Suddhodana, die Mutter war die große Maya, der Prinz Dighavu aber war ich.“

Ende der Erzählung von Kosambi


[1] Nämlich im Mahavagga (der ein Teil des Khandhaka ist) X, 1-10.

[2] Der Vinaya umfasst die Regeln über die Disziplin der Mönche, das Sutta die eigentliche Lehre. Es bestand also damals schon ein Gegensatz zwischen Moralisten und Dogmatikern, zwischen Praktikern und Theoretikern.

[3] Die Gottheiten der Götterhimmel im Gegensatz zu den Erdgöttern, die die Menschen beschirmen, und denen der Brahma-Himmel.

[4] Die oberste der vierzehn körperlichen Brahma-Welten.

[6] Diese Strophe findet sich auch im Vinaya-Pitaka Vol. I, p. 349.

[7] Dies sind die auch im Jataka 371 zitierten Strophen.

[8] Damit sind nach dem Kommentator die Könige Dighavu und Brahmadatta gemeint.

[10] Auf Deutsch: „Das Dorf des Salzbereiters Balaka“.

[11] Da in der Erzählung kein eigentliches Jataka vorkommt, ist das oben zitierte Jataka 371 gemeint.


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