Zurueck Milindapañha, Teil 3

1. Kapitel, Lösungen der Zweifel

 

Mil. 3.1.1. Ursachen der Sinnengrundlagen

 

Der König sprach: "Sind wohl, ehrwürdiger Nāgasena, die fünf Sinnengrundlagen (āyatana, umfaßt sowohl die Sinnenorgane wie auch die entsprechenden Sinnenobjekte) das Ergebnis verschiedener Taten oder aber das Ergebnis nur einer einzigen Tat (kamma)?"

"Das Ergebnis verschiedener Taten, o König, und nicht bloß einer einzigen Tat."

"Erläutere mir dies!"

"Was meinst du, o König: wenn man in einem Felde fünferlei Samen säen sollte, würden da nicht wohl aus diesen verschiedenen Samen verschiedene Keime entstehen?"

"Gewiß, o Herr."

"Genau so, o König, sind diese fünf Sinnesorgane das Ergebnis verschiedener Taten und nicht bloß einer einzigen Tat."

"Klug bist du, ehrwürdiger Nāgasena!"

 


Mil. 3.1.2. Grund der Ungleichheit in der Welt

 

Der König sprach: "Aus welchem Grunde wohl, o Herr, sind sich die Menschen nicht alle gleich? Warum sind zum Beispiel die einen kurzlebig und die anderen langlebig, die einen kränklich und die anderen gesund, die einen häßlich und die anderen schön, die einen machtlos und die anderen mächtig, die einen arm und die anderen reich, die einen von niedriger Abstammung und die anderen von hoher Abstammung, die einen dumm und die anderen weise?"

"Warum sind wohl, o König, nicht alle Kräuter gleich?" - fragte der Ordensältere- "sondern einige sauer, einige salzig, einige bitter, einige scharf, einige herb und einige süß?"

"Ich denke wohl wegen der Verschiedenheit des Samens, o Herr."

"Genau so, o König, sind wegen der Verschiedenheit ihrer (in früherem Leben verübten) Werke nicht alle Menschen gleich, sondern die einen kurzlebig und die anderen langlebig, die einen kränklich und die anderen gesund, die einen häßlich und die anderen schön, die einen machtlos und die anderen mächtig, die einen arm und die anderen reich, die einen von niedriger Abstammung und die anderen von hoher Abstammung, die einen dumm und die anderen weise. Auch der Erhabene, o König, hat gesagt: <Eigner der Taten sind die Wesen, o Brahmane, Erben der Taten; die Taten sind ihre Wiege, sind ihre Freunde und ihre Zuflucht. Die Tat scheidet die Wesen in hoch und niedrig>." (A.10.205)

"Klug bist du, ehrwürdiger Nāgasena!"

 


Mil. 3.1.3. Zeitiges Kämpfen

 

Der König sprach: "Du sagtest mir da, o Herr, eure Weltentsagung habe zum Ziele, dieses gegenwärtige Leiden eben schwinden und kein anderes (neues) Leiden mehr aufkommen zu lassen."

"Ja, o König, das ist das Ziel unserer Weltentsagung."

"Wie nun aber: ist dieses Ziel das Ergebnis früherer Anstrengung, oder hat man wohl, wenn die Zeit herangekommen ist, immer noch zu kämpfen?"

"Ist einmal die Zeit herangekommen, o König, so hat das Kämpfen keinen Zweck mehr; die frühere Anstrengung hat ja dann bereits ihren Zweck erfüllt."

"Erläutere mir dies!"

"Was meinst du, o König: wenn du Durst hast und Wasser zu trinken wünschtest, wirst du da wohl zu diesem Zwecke erst einen Brunnen oder eine Zisterne graben?"

"Gewiß nicht, o Herr!"

"Ebenso auch, o König, hat, sobald die Zeit erst einmal herangekommen ist, das Kämpfen keinen Zweck mehr; die frühere Anstrengung hat ja dann bereits ihren Zweck erfüllt."

"Gib mir ein weiteres Gleichnis!"

"Was meinst du, o König: wenn du Hunger hast und zu essen wünschest, wirst du da wohl zu diesem Zwecke es für nötig halten, erst das Feld zu pflügen, den Samen zu säen oder das Getreide herbeischaffen zu lassen?"

"Gewiß nicht, o Herr."

"Ebenso auch, o König, hat, sobald die Zeit erst einmal herangekommen ist, das Kämpfen keinen Zweck mehr; die frühere Anstrengung hat ja dann bereits ihren Zweck erfüllt."

"Gib mir noch ein weiteres Gleichnis!"

"Was meinst du, o König: wenn dir eine Schlacht bevorsteht, wirst du wohl erst dann Festungsgräben ziehen, Wälle aufwerfen, Verschanzungen und Warten errichten, Proviant herbeischaffen und damit anfangen, mit den Elefanten, Pferden und Streitwagen umgehen zu lernen und dich mit Schießen und Fechten vertraut zu machen?"

"Gewiß nicht, o Herr."

"Ebenso auch, o König, hat sobald die Zeit erst einmal heran gekommen ist, das Kämpfen keinen Zweck mehr; die frühere Anstrengung hat ja dann bereits ihren Zweck erfüllt. Auch der Erhabene, o König, sagt:

 

(S.2.23)

 

"Klug bist du, ehrwürdiger Nāgasena!"


Mil. 3.1.4. Höllenfeuer

 

Der König sprach: "Ihr behauptet da, ehrwürdiger Nāgasena, daß das Höllenfeuer stärker brenne als das gewöhnliche Feuer, und daß, obgleich selbst schon ein winziges Steinchen, das man in das gewöhnliche Feuer wirft, einen Tag glühen möge ohne sich aufzulösen, aber trotzdem ein Felsen so groß wie ein Giebeldach, in das Höllenfeuer geworfen, in einem Augenblicke zergehe. Solcher Behauptung mag ich keinen Glauben schenken. Und daß ihr da ferner behauptet, daß die dort wiedergeborenen Wesen, trotzdem sie für manche Jahrtausende in der Hölle zu brennen haben, nicht zergehen sollten: auch das kann ich nicht glauben."

Der Ordensältere aber erwiderte: "Was meinst du, o König? Fressen die weiblichen Haifische, Krokodile, Schildkröten, Pfauen und Tauben nicht wohl auch harte Steine und Kies? Und verzehren die weiblichen Löwen, Tiger, Leoparden und Hunde nicht wohl harte Knochen und Fleisch?"

"Gewiß, o Herr."

"Und zersetzen sich nicht wohl diese Dinge, sobald sie in ihren Leib gelangt sind?"

"Gewiß, o Herr."

"Löst sich aber der Embryo, der sich in ihrem Leibe befinden mag, ebenfalls auf?"

"Das freilich nicht, o Herr."

"Und warum nicht?"

"Ich denke, wohl zufolge des vorgeburtlichen Wirkens, o Herr."

"Genau so, o König, mögen die Wesen zufolge des vorgeburtlichen Wirkens gar manche Jahrtausende in der Hölle brennen, ohne daß sie sich auflösen."

"Gib mir ein weiteres Gleichnis!"

"Was meinst du, o König? Essen die zarten Weiber der Griechen und der Adeligen, Brahmanen und Hausleute nicht wohl bisweilen harte, Kauen erfordernde Speisen und Fleisch?"

"Gewiß, o Herr."

"Löst sich nun aber der Embryo, der sich in ihrem Leibe befinden mag, ebenfalls auf?"

"Das freilich nicht, o Herr."

"Und warum nicht?"

"Ich denke, wohl zufolge des vorgeburtlichen Wirkens, o Herr."

"Genau so, o König, mögen die Wesen zufolge des vorgeburtlichen Wirkens gar manche Jahrtausende in der Hölle brennen, ohne daß sie sich auflösen. Auch der Erhabene, o König, hat gesagt: <Und er stirbt nicht, solange jene Tat sich noch nicht erschöpft hat.>"

"Klug bist du, ehrwürdiger Nāgasena!"


Mil. 3.1.5. Erlösung gleich Erlöschung

 

Der König sprach: "Ist wohl, o Herr, Erlösung (Nibbāna) dasselbe wie Erlöschung?"

"Ja, o König. Die Erlösung besteht in der Erlöschung."

"Inwiefern nun aber, ehrwürdiger Nāgasena, besteht die Erlösung in der Erlöschung?"

"All die törichten Weltlinge, o König, finden Lust und Freude an den Sinnen und deren Objekten und hängen sich daran. Daher werden sie von jenem Strome der Leidenschaften fortgerissen und nicht erlöst von Geburt, Altern und Sterben, von Sorge, Klage, Schmerz, Trübsal und Verzweiflung, werden nicht erlöst vom Leiden: das sage ich. Der kundige, heilige Jünger aber, o König, findet keine Lust und Freude an den Sinnen und deren Objekten und hängt sich nicht daran. Da er aber keine Lust und Freude daran findet und sich nicht daran hängt, so erlischt das Begehren. Durch Erlöschen des Begehrens erlischt der Daseinshang, durch Erlöschen des Daseinshanges der Tatenprozeß. Durch Erlöschen des Tatenprozesses aber kommt es künftighin zu keiner Geburt mehr. Und mit Aufhebung der Geburt schwinden Alter und Tod, Sorge, Klage, Schmerz, Trübsal und Verzweiflung. Auf diese Weise kommt es zur Erlöschung dieser ganzen Leidensfülle. Insofern, o König, besteht die Erlösung in der Erlöschung."

"Klug bist du, ehrwürdiger Nāgasena!"


Mil. 3.1.6. Werden alle erlöst?

 

Der König sprach: "Erlangen wohl alle die Erlösung, ehrwürdiger Nāgasena?"

"Nicht alle, o König. Nur, wer recht wandelt, die zu erkennenden Dinge klar erkennt, die zu durchdringenden Dinge völlig durchdringt, die zu überwindenden Dinge überwindet, die zu erweckenden Dinge erweckt und die zu verwirklichenden Dinge verwirklicht: nur der erlangt die Erlösung."

"Klug bist du, ehrwürdiger Nāgasena!"


Mil. 3.1.7. Vorkenntnis von der Erlösung

 

Der König sprach: "Mag wohl einer, o Herr, ohne die Erlösung selber erlangt zu haben, wissen, daß diese Glück bedeutet?"

"Freilich, o König."

"Wie kann er denn solches wissen, ohne selber die Erlösung erlangt zu haben?"

"Was meinst du, o König: kann man wohl wissen, daß das Abhacken von Händen und Füßen schmerzhaft ist, ohne daß einem zuvor selber Hände und Füße abgehackt wurden?"

"Gewiß, o Herr."

"Woher aber kann man das wissen?"

"Weil man das Jammergeschrei derer vernommen hat, denen Hände und Füße abgehackt wurden: daher weiß man es."

"Genau so, o König, weiß man, daß die Erlösung Glück bedeutet, da man den Freudenruf derer vernommen hat, die die Erlösung geschaut haben."

"Klug bist du, ehrwürdiger Nāgasena!"

 


Milindapañha, 2. Kapitel

 

Mil. 3.2.1. Buddha eine historische Persönlichkeit

 

Der König sprach: "Hast du wohl, ehrwürdiger Nāgasena, den Erleuchteten schon gesehen?"

"Nein, o König."

"Oder haben ihn vielleicht deine Lehrer gesehen?"

"Nein, o König."

"Somit hat der Erleuchtete wohl gar nicht gelebt, o Herr?"

"Wie? Hast du denn schon wohl den Uhāfluß im Himalaja gesehen?"

"Nein, o Herr."

"So existiert der Uhāfluß wohl gar nicht?"

"Doch, o Herr! Wenn auch weder ich noch mein Vater ihn gesehen haben, so existiert er dennoch."

"Ebenso auch, o König, hat der Erhabene gelebt, obgleich weder ich noch meine Lehrer ihn gesehen haben."

"Klug bist du, ehrwürdiger Nāgasena!"


Mil. 3.2.2. Buddhas Unübertroffenheit

 

Der König sprach: "Ist wohl, ehrwürdiger Nāgasena, der Erleuchtete unübertroffen?"

"Ja, o König, der Erleuchtete ist unübertroffen."

"Woher aber weißt du denn das, wenn du den Erleuchteten gar nicht gesehen hast?"

"Was meinst du, o König? Mag wohl einer, ohne je zuvor das Meer gesehen zu haben, wissen, daß dasselbe tief, unermeßlich und unergründlich ist; dieses Meer, in das die fünf großen Ströme, wie Ganges, Jumnā, Aciravatī, Sarabhū und Mahī, beständig und unaufhörlich sich ergießen, ohne daß irgend welche Zu- oder Abnahme zu bemerken wäre?"

"Gewiß, o Herr. Das kann man wissen."

"Ebenso auch, o König, weiß ich, wenn ich die großen Jünger, die vom Wahn Erlösten, sehe, daß der Erhabene unübertroffen ist."

"Klug bist du, ehrwürdiger Nāgasena!"

 


Mil. 3.2.3. Buddha in der Lehre nachweisbar

 

Der König sprach: "Kann man wohl wissen, ehrwürdiger Nāgasena, daß der Buddha unübertroffen ist?"

"Freilich kann man das wissen, o König."

"Wieso denn, o Herr?"

"Einst, o König, lebte ein Ordensälterer namens Tissa, der ein großer Schriftsteller war. Viele Jahre sind nun aber seit dessen Tode verflossen. Wie kann man da etwas von ihm wissen?"

"Durch seine Schriften, o Herr."

"Ebenso auch, o König, sieht der den Erhabenen, wer seine Lehre sieht; denn die Lehre ward vom Erhabenen verkündet."

"Klug bist du, ehrwürdiger Nāgasena!"


Mil. 3.2.4. Das Schauen der Lehre

 

Der König sprach: "Hast du wohl, ehrwürdiger Nāgasena, die Lehre geschaut?"

"Mit dem Erleuchteten als Führer, o König, mit dem Erleuchteten als Künder haben doch seine Jünger zeitlebens zu leben!"

"Klug bist du, ehrwürdiger Nāgasena!"


Mil. 3.2.5. Wiedergeburt ohne Seelenwanderung

 

Der König sprach: "Vollzieht sich wohl, ehrwürdiger Nāgasena, die Wiedergeburt ohne eine Seelenwanderung?" (Wörtl.: "geht man nicht hinüber und wird (doch) wiedergeboren")

"Gewiß, o König."

"Wieso aber, o Herr, kann es Wiedergeburt geben ohne eine Seelenwanderung? Erkläre mir dies."

"Wenn zum Beispiel, o König, ein Mann eine Lampe an einer anderen Lampe anzündet, würde da wohl das Licht der einen Lampe zur anderen Lampe hinüberwandern?"

"Nicht doch, o Herr."

"Ebenso auch, o König, wird man wiedergeboren, ohne daß dabei irgend etwas hinüberwandert."

"Gib mir ein weiteres Gleichnis!"

"Erinnerst du dich vielleicht, o König, daß du als Knabe von deinem Lehrer irgend ein Gedicht gelernt hast?"

"Gewiß, o Herr."

"Wie nun aber, o König: ist etwa jenes Gedicht von deinem Lehrer (während er es rezitierte) zu dir hinübergewandert?"

"Nicht doch, o Herr."

"Ebenso auch, o König, wird man wiedergeboren, ohne daß dabei irgend etwas hinüberwandert."

"Klug bist du, ehrwürdiger Nāgasena!"


Mil. 3.2.6. Keine Seele

 

Der König sprach: "Gibt es wohl, ehrwürdiger Nāgasena, ein erkennendes Seelenwesen (vedagu)?"

"Im höchsten Sinne, o König, gibt es kein erkennendes Seelenwesen."

"Klug bist du, ehrwürdiger Nāgasena!"


Mil. 3.2.7. Identität des Täters

 

Der König sprach: "Gibt es wohl ehrwürdiger Nāgasena, irgend ein Wesen, das beim Tode von dem einen Körper in einen anderen Körper hinüberwandert?"

"Nein, o König."

(Im absoluten Sinne (paramattha-vasena) gibt es überhaupt kein Wesen, also auch kein Wesen, das von einem Körper in einen anderen hinüberwandert, sondern eben bloß einen den Tod überdauernden psycho-physischen Prozeß).

"Wenn dies sich aber so verhält, o Herr, entgeht man denn dadurch nicht der Folge böser Taten?"

"Wenn man nicht mehr wiedergeboren wird, (Genauer: wenn der psycho-physische Daseinsprozeß zum Stillstande gelangt ist, also nach dem Tode des Vollkommen-Heiligen) dann wohl. Solange man aber noch wiedergeboren wird, entgeht man nicht der Folge böser Taten."

"Erkläre mir dies!"

"Wenn da irgend ein Mann vom Baum eines anderen Mangos gestohlen hätte, verdiente der wohl Strafe?"

"Gewiß verdiente er Strafe, o Herr."

"Wieso denn? Er hat doch gar nicht jene Mangos gestohlen, die der andere gepflanzt hat?"

"Jenen (gepflanzten) Mangos aber zufolge sind diese (gestohlenen) Mangos entstanden. Darum eben verdient er Strafe."

"Ebenso auch, o König, werden durch diese geistig-körperliche Verbindung gute oder böse Taten gewirkt, und zufolge jener Taten entsteht eine neue geistig-körperliche Verbindung. Darum eben entgeht man nicht der Folge böser Taten."

"Klug bist du, ehrwürdiger Nāgasena!"


Mil. 3.2.8. Unaufzeigbarkeit verübter Taten

 

Der König sprach: "Durch diese geistig-körperliche Verbindung, ehrwürdiger Nāgasena, werden also die guten und bösen Taten gewirkt. Was wird nun aber aus jenen Taten?"

"Jene Taten, o Herr, folgen einem nach, gleich wie ein Schatten, der nicht schwindet."

"Kann man wohl aber, o Herr, angeben, wo sich jene Taten befinden?"

"Nein, o König."

"So gib mir denn eine Erklärung hierfür!"

"Was meinst du wohl, o König: kann man wohl bevor die Bäume Früchte tragen aufzeigen, daß sich hier und dort die Früchte befinden?"

"Gewiß nicht, o Herr."

"Ebensowenig, o König, kann man jene Taten in ununterbrochener Reihenfolge aufzeigen und sagen, daß sie hier oder dort seien."

"Klug bist du, ehrwürdiger Nāgasena!"


Mil. 3.2.9. Wissensmöglichkeit des Wiedergeborenwerdens

 

Der König sprach: "Ehrwürdiger Nāgasena! Weiß wohl einer, dem noch Wiedergeburt bevorsteht, daß er wiedergeboren wird?"

"Gewiß weiß er das, o König."

"Gib mir einen Vergleich!"

"Nimm an, o König, ein Landmann hätte sein Feld bestellt und ein richtiger Regen gösse hernieder würde der wohl da wissen, daß sein Korn aufgehen wird?"

"Gewiß wüßte er das, o Herr."

"Ebenso auch, o König, weiß einer, dem noch Wiedergeburt bevorsteht, daß er wiedergeboren wird."

"Klug bist du, ehrwürdiger Nāgasena!"


Mil. 3.2.10. Buddhas Nachweisbarkeit

 

Der König sprach: "Gibt es denn den Buddha, ehrwürdiger Nāgasena?"

"Gewiß gibt es den Buddha, o König."

"Kann man aber, ehrwürdiger Nāgasena, zeigen, daß der Buddha hier oder dort da ist?"

"Nein, o König, völlig erloschen ist ja der Erhabene in dem von jeder Daseinsspur freien Element der Erlösung (Nibbāna). Und es ist unmöglich, den Erhabenen irgendwo aufzuzeigen."

"Gib mir einen Vergleich!"

"Was meinst du, o König: kann man wohl, nachdem die Flamme einer großen brennenden Feuermasse erloschen ist, diese Flamme noch irgendwo aufzeigen?"

"Nein, o Herr, erloschen ist ja jene Flamme, ist unsichtbar geworden." (appaññattim gatā, wörtlich: "zur Unerkennbarkeit gegangen")

"Ebenso auch, o König, ist der Erhabene in dem von jeder Daseinsspur freien Elemente der Erlösung völlig erloschen und verschwunden. Und es ist unmöglich, den Erhabenen irgendwo aufzuzeigen. Im Körper seiner Lehre aber (Dhamma-kāya), o König, da kann man den Erhabenen nachweisen, denn vom Erhabenen, o König, wurde die Lehre verkündet."

"Klug bist du, ehrwürdiger Nāgasena!"

 


Milindapañha, 3. Kapitel

 

Mil. 3.3.1. Der Körper eine Wunde

 

Der König sprach: "Ist wohl, o Herr, den Hauslosen (Mönchen) ihr Körper lieb?"

"Nein, o König, Hauslose lieben nicht ihren Körper."

"Warum aber hegt und pflegt ihr dann euren Körper, o Herr?"

"Hat dich wohl, o König, schon einmal in der Schlacht ein Pfeil getroffen?"

"Freilich, o Herr, das kam schon vor."

"Und hat man da wohl nicht, o König, die Wunde mit Salbe bestrichen und eingeölt und einen weichen Verband angelegt?"

"Ja, o Herr."

"So war dir wohl die Wunde lieb, o König?"

"Nein, o Herr, die Wunde war mir nicht lieb. Sondern bloß, damit das Fleisch wieder nachwachse, hat man dieselbe mit Salbe bestrichen und eingeölt und einen Verband angelegt."

"Ebensowenig aber auch, o König, ist den Hauslosen ihr Körper lieb. Ohne irgendwie daran zu hängen, pflegen die Hauslosen ihren Körper, und zwar bloß um dem heiligen Wandel eine Stütze zu bieten. Auch der Erhabene hat den Körper mit einer Wunde verglichen. Und so pflegen denn die Hauslosen diesen Körper gleichsam wie eine Wunde, ohne irgendwie daran zu hängen. Auch der Erhabene, o König, hat folgendes gesagt:

 

 

"Klug bist du, ehrwürdiger Nāgasena!"

 


Mil. 3.3.2. Buddhas Allwissenheit

 

Der König sprach: "War wohl, ehrwürdiger Nāgasena, der Buddha wirklich allwissend und allerkennend?"

"Freilich, o König, war der Erhabene allwissend und allerkennend." "Warum hat er denn da für seine Jünger bloß ganz allmählich (und nicht gleich auf einmal) die Ordensregeln festgelegt?"

"Mag es wohl, o König, irgend einen Arzt geben, der alle Arzneien auf dieser Erde kennt?"

"Einen solchen mag es schon geben, o Herr."

"Sage, König! Verschreibt wohl jener Arzt seine Arzneien zu einer Zeit, wo man krank ist, oder zu einer Zeit, wo man nicht krank ist?"

"Zu einer Zeit, wo man krank ist, o Herr."

"Ebenso auch, o König, war der Erhabene allwissend und allerkennend. Und nur zur rechten, nicht zur unrechten Zeit verschrieb er seinen Jüngern die Ordensregeln, die man zeitlebens nicht zu übertreten hat."

"Klug bist du, ehrwürdiger Nāgasena!"


Mil. 3.3.3. Buddhas Eigenart

 

Der König sprach: "Ist es wohl wahr, ehrwürdiger Nāgasena, daß der Buddha die zweiunddreißig Merkmale eines großen Mannes und die achtzig kleineren Merkmale besaß und daß seine Haut von goldener Farbe war und gleichsam wie Gold leuchtete, und daß ihn ein Schein umgab, der sechs Ellen Ausdehnung hatte?"

"Ja, o König, das ist wahr."

"Dann besaßen wohl, o Herr, auch seine Eltern diese Eigenschaften?"

"Nein, keineswegs, o König."

"Wenn dem so ist, o Herr, dann erscheint ein Buddha nicht mit diesen Eigenschaften. Denn ein Sohn gleicht doch seiner Mutter oder ihren Verwandten, oder dem Vater oder dessen Verwandten."

Der Ordensältere sprach: "Gibt es wohl, o König, irgend eine Lotusblume mit hundert Blütenblättern?"

"Gewiß, o Herr."

"Wo aber entsteht dieselbe?"

"Im Schlamme entsteht sie und gedeiht im Wasser."

"Gleicht nun etwa, o König, diese Lotusblume in Farbe oder Geruch oder Saft dem Schlamme?"

"Nein, o Herr."

"Oder dem Wasser?"

"Auch das nicht, o Herr."

"Ebenso auch, o König, besaß der Erhabene die zweiunddreißig Merkmale eines großen Mannes sowie die achtzig kleineren Merkmale, und seine Haut war von goldener Farbe und leuchtete gleichsam wie Gold, und ein Schein umgab ihn, der sechs Ellen Umfang hatte, obzwar seine Eltern keineswegs diese Eigenschaften besaßen.

"Klug bist du, ehrwürdiger Nāgasena!"


Mil. 3.3.4. Buddha und Gott

 

Der König sprach: "Führt wohl, ehrwürdiger Nāgasena, der Erleuchtete einen göttlichen Wandel (brahma-cariya)?"

"Freilich, o König."

"Dann war er wohl ein Schüler Gottes?"

"Besitzest du wohl, o König, einen Paradeelefanten?"

"Gewiß, o Herr."

"Und stößt nicht wohl jener Elefant dann und wann einen Reiherton (dies bezeichnet den Trompetenton des Elefanten) aus?"

"Ja, o Herr, das tut er."

"Dann ist wohl jener Elefant ein Schüler des Reihers?"

"Nicht doch, o Herr."

"Nun aber sage du mir, o König: ist Gott (Brahmā) verständnis-voll (sa-buddhiko) oder nicht?"

"Freilich, o Herr, er ist verständnisvoll."

"Dann ist wohl Gott ein Schüler des Erhabenen (des Buddha)?"

"Klug bist du, ehrwürdiger Nāgasena!


Mil. 3.3.5. Buddhas Mönchsweihe

 

Der König sprach: "Ist wohl, ehrwürdiger Nāgasena, die Weihe als Mönch etwas Gutes?"

"Freilich ist die Weihe etwas Gutes."

"Besaß denn aber, o Herr, der Buddha die Weihe oder nicht?"

"Der Erhabene, o König, wurde am Fuße des Bodhibaumes, gleichzeitig mit der Erlangung der Allwissenheit, der Weihe teilhaftig. Nicht aber haben andere dem Erhabenen die Weihe verliehen, so wie der Erhabene für seine Jünger die Ordensregel festsetzte, die zeitlebens nicht übertreten werden darf."

"Klug bist du, ehrwürdiger Nāgasena!"


Mil. 3.3.6. Zweierlei Tränen

 

Der König sprach: "Es mag da, ehrwürdiger Nāgasena, einer über den Tod seiner Mutter weinen, und es mag einer in Wahrheitsverzückung weinen. Für welchen aber von diesen beiden Weinenden sind die Tränen ein Heilmittel, und für welchen nicht?"

"Bei dem einen, o König, sind die Tränen infolge von Gier, Haß und Verblendung getrübt und voll Hitze, bei dem anderen dagegen infolge der Freude und Verzückung ungetrübt und kühlend. Die Kühle aber, o Herr, ist ein Heilmittel, die Hitze nicht."

"Klug bist du, ehrwürdiger Nāgasena!"


Mil. 3.3.7. Eßgier

 

Der König sprach: "Wodurch, ehrwürdiger Nāgasena, unterscheidet sich der Gierbehaftete von dem Gierlosen?"

"Der eine, o König, ist anhänglich, der andere nicht anhänglich."

"Was soll das heißen, o Herr?"

"Daß der eine Begehren hat, o König, und der andere nicht."

"Ich, o Herr, betrachte die Sache folgendermaßen. Der Gierbehaftete wie der Gierlose, beide finden Gefallen an guten Speisen, seien's harte oder weiche. Einen schlechten Wunsch hegt darum keiner von beiden."

"Der Gierbehaftete, o König, empfindet beim Essen nicht nur den angenehmen Geschmack, sondern auch Gier. Der Gierlose empfindet dagegen bloß den angenehmen Geschmack, aber keine Gier."

"Klug bist du, ehrwürdiger Nāgasena!"


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