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ARAHAT-BIKKHUNIS
Die Anatta-Lehre
Einer der einzigartigen Gesichtspunkte der Lehre Buddha's ist die Lehre des
anatta, die unpersönliche, wesenlose, ichlose oder seelenlose Natur aller
Erscheinungen. Diese allumfassende Charakteristik ist schwer zu verstehen, da
sie im Gegensatz zu unserer tief verwurzelteten Annahme steht, daß ein "Ich"
existiert, daß „Ich" handle und "Ich" fühle.
In den folgenden Zeilen ihres Gedichts aus dem Therigatha bringt Sakula ihr
Verständnis von der unpersönlichen Eigenschaft alles Gewordenen zum Ausdruck:
- Als ich die Dinge gemäß ihres wahren Wesens sah,
- als bedingt entstanden und dem Verfall unterworfen,
- war aller Dünkel beseitigt, ich wurde leidenschaftslos und gelassen.
(V. 101)
Sakula erreichte Nibbana, weil sie mit absoluter Klarheit erkannte, daß alles
was normalerweise als "ich" gilt, tatsächlich "Nicht-Ich" ist. Sie wußte, daß
das plötzliche Entstehen und Vergehen all dieser Erscheinungen nur abhängig ist
von unpersönlichen Ursachen. Dieses Verständnis hat jede Neigung, sich an die
sankhara oder die "bedingten Gebilde" zu klammern
ausgelöscht, und damit waren alle negativen geistigen Neigungen verschwunden.
Als Mara die Nonne Sela fragte, "Wer schuf diesen Körper, woher ist er
gekommen und wohin wird er gehen?", gab sie eine Abhandlung über die
Ichlosigkeit zur Antwort:
- Diese Gliederpuppe ist nicht selbstgemacht, und
- auch ward dies Übel nicht von einem anderen geformt.
- Durch eine Ursache entstand es;
- durch eine andere Ursache vergeht es.
- Wie ein Samen, der im Feld gesät wurde,
- und durch die Fruchtbarkeit der Erde und durch
- Feuchtigkeit – durch diese beiden wächst,
- So entstehen die fünf Daseinsgruppen, die
- bedingten Dinge, und die sechs Fähigkeiten
- - jedes von ihnen - durch eine Ursache;
- Durch eine andere vergehen sie.
(S. 189-190)
In den letzten vier Zeilen, wird das Selbst erörtert, wie es wirklich ist -
eine Zusammensetzung von bedingten, sich ändernden Erscheinungen. Die fünf
Daseinsgruppen bilden in zweifacher Gliederung nama (Geist) und rupa
(Körperlichkeit), wobei jedes von ihnen aus Gruppen kurzlebiger Faktoren
besteht. Nama, die geistige Seite des Daseins setzt sich aus den vier
unkörperlichen Daseinsgruppen zusammen - Gefühl (vedana), Wahrnehmung (sanna),
Geistesformationen (sankhara), und Bewußtsein (vinnana) - die in jedem
Augenblick der Erfahrung gemeinsam entstehen. Rupa, (die 5. Daseinsgruppe) die
äußerliche Materie oder die Materie des eigenen Körpers, besteht ihrerseits aus
den vier Elementen Festes, Flüssiges, Hitziges und Gasiges (oder bildhafter:
Erde, Wasser, Feuer, Luft).
Jede Daseinsgruppe entsteht aufgrund bestimmter Ursachen und wenn diese
Ursachen enden, hören auch die Daseinsgruppen auf. Ursachen, oder Bedingungen,
verknüpft mit Wirkungen bilden das Gesetz der Bedingten Entstehung (paticcasamuppada),
welches im Mittelpunkt von Buddha's eigenem Erwachen steht. Der Refrain in
Sela's Gedicht ist genau gesagt eine Neugestaltung der meist sehr allgemeinen
Ausführung dieses Gesetzes, wie sie in den suttas oft aufgeführt wird:
- Wenn dies ist, ist jenes;
- wenn dies entsteht, entsteht jenes.
- Wenn dies nicht ist, ist jenes nicht;
- wenn dies aufhört, hört jenes auf.
Die typische Verknüpfung im Kreis der bedingten Entstehung in Sela's Vers
wird an folgender Stelle am besten deutlich: "Durch Bewußtsein bedingt, entsteht
Geist und Körper." Das heißt, daß im Augenblick der Vorstellung nama-rupa (in
diesem Fall Bewußtsein ausgenommen) entsteht, gemäß des mit Wiedergeburt
verknüpften Bewußtseins. Später, im Verlauf eines Daseins, entsteht durch
Unwissenheit, vergangenes Karma, Sinnesobjekte und viele andere Bedingungen nama,
die geistige Daseinsgruppe. Rupa, die Materie die den Körper bildet, entsteht im
Verlauf des Lebens durch die Nahrung, das Klima, den gegenwärtigen
Geisteszustand und das vergangene Karma.
Sela bezieht sich auch auf die Elemente, dhatu, ein Wort das Buddha auf
verschiedene Erscheinungsgruppen anwendete. Wir wollen hier die achtzehn
Elemente betrachten. Die fünf Sinneskräfte (Auge, Ohr, Nase, Zunge, Körper),
ihre Objekte (Gesehenes, Gehörtes, Geruch, Geschmack, Berührung), und die fünf
Arten von Bewußtsein, bedingt durch ihr Zusammenwirken, machen fünfzehn der
Elemente aus. Geist als Fähigkeit, geistige Objekte (Ideen) und das geistige
Bewußtsein das entsteht, wenn diese beiden zusammentreffen, sind das sechste in
jeder Gruppe und vervollständigen die achtzehn.
Buddha erstellte verschiedene Gliederungen der bedingten Erscheinungen, so
daß Zuhörer mit unterschiedlichen Neigungen davon profitieren konnten. Einige
verstehen die achtzehn Elemente klar, andere die fünf Daseinsgruppen. Wie auch
immer, was wir verstehen müssen, so wie es auch Sela verstand, ist daß keines
dieser Dinge "ich" enthält oder "mein" oder "Ich selbst". All diese
Erscheinungen - die Daseinsgruppen, die Elemente, die Sphären entstehen aufgrund
bestimmter Bedingungen, und wenn diese Bedingungen enden, haben natürlicherweise
auch die Daseinsgruppen ein Ende. Wenn die treibende Kraft der jeweiligen
Ursachen verbraucht ist, hört all das, was wir irrtümlicherweise für "ich" oder
"mein" gehalten haben mit all seinen Aspekten auf. So erkennen wir mit Sela, daß
es nirgendwo ein wirkliches, unabhängiges oder bleibendes "Ich" gibt, das die
Kraft besitzt, sich selbst zu schaffen und zu erhalten. Es existiert nur die
Vorstellung "ich bin", die durch Unwissen bedingt ist, d.h. durch unsere
Unfähigkeit Geist-und-Körper so zu sehen wie sie wirklich sind, nämlich als
unpersönliche Prozesse. Die Idee vom "ich" ist wesenlos und bedingt durch
Ursachen; auch sie ist von Natur aus unbeständig, und verschwindet ganz, wenn
Unwissen und andere Bedingungen ausgerottet sind. Dann ist man ein Arahat.
Die Beseitigung des Unwissens vollzieht sich in der Vipassana Meditation
Schritt für Schritt. Man erkennt, daß die Einheit von Geist-Körper auf seiner
letzten Stufe in jeder Hinsicht bedingt, wesenlos, vergänglich und bedrückend
ist. Man begreift, daß ein so genanntes "Wesen" erst dann geboren wird, wenn die
entsprechenden Umstände eintreten. Erst dann wird eine aus fünf Daseinsgruppen
bestehende Lebensfortdauer ein neues Leben, mit seinen Grundlagen, Elementen und
Sinnesorganen beginnen. Wenn wir Seide Gleichnis vom Samenkorn genau betrachten,
werden wir in Bezug auf uns selbst erkennen, wie eine strenge Folge von
kosmischen und anderen Ursachen und Wirkungen alles im Leben lenkt. Wir werden
entdecken, daß es kein zugrunde liegendes oder vergehendes "Ich" das selbst
handelt oder etwas erlebt und wir werden beginnen, unsere Bindung zu diesem
nichtexistenten "Selbst" zu lösen. Dann werden wir auch damit anfangen, das
schreckliche, mit dieser Täuschung verbundene Leiden zu beenden.
Das Leiden ergibt sich aus diesem falschen Glauben an ein "Ich", und wird
sakkayaditthi, die falsche Auffassung eines dauerhaften Selbst genannt. Auf der
Grundlage dieser Vorstellung erzeugt der Geist all seine leidvollen Gedanken:
"Ich muß dies haben," "Ich mag jenes nicht," "Dies gehört mir." Wegen dieses
Irrtums, es gäbe ein Selbst, das uns lenkt, sind wir Äonen im samsara
umhergeirrt und haben gelitten. Um, wie Theri Sela, all das dukkha des Seins zu
beseitigen, müssen wir durch Vipassana Meditation Einsicht erlangen, um an den
Punkt zu kommen, an dem das Verständnis der endgültigen Wahrheit über Geist und
Körper den falschen Glauben an ein "ich" auslöscht. Mit Hilfe der Worte dieser
Bhikkhuni können wir unsere eigene meditative Erfahrung mit der wesenslosen
Natur der fünf Daseinsgruppen anregen.
Männer und Frauen Im Dhamma
Der Unterschied zwischen Mann und Frau spielt im Therigatha, was den Dhamma
betrifft, eine untergeordnete Rolle. Hierfür gibt es zwei Arten: einmal
Gedichte, in denen das Geschlecht einer Person belanglos ist, um Einsicht zu
gewinnen, und zum anderen Beispiele von Nonnen, die im Gespräch mit einem Mann
diesen konkret erleuchten oder belehren. Die bereits besprochenen Geschichten
von Sumedha und Rohini sind typisch für letzteres.
Ein Beispiel für die zuerst genannte Art ist Soma's Widerspruch auf Mara's
Frage nach der Fähigkeit einer Frau, Arahatschaft zu erlangen. Soma ließ Mara
erkennen, daß die "Natur der Frau" nicht hinderlich sein muß, um die für
Befreiung erforderliche Einsicht zu erlangen. Das im Therigatha geschilderte
Treffen von Soma und Mara wird in Soma's Versen aus dem Samyutta Nikaya gut
erklärt, indem sie eine rhetorische Frage stellt:
- Was sollte die weibliche Natur denen anhaben
- deren Herzen stark sind, die stets mit
- wachsender Weisheit auf dem Pfad vorwärts schreiten?
(S. 45; 182-83)
Entwickelt man wirklich Sittlichkeit, Sammlung und Weisheit, so spielt es
keine Rolle ob man als Mann oder als Frau geboren wurde. Der Einblick in das
Gesetz ist von oberflächlichen Unterscheidungen, von Geschlecht, Rasse, Kaste
usw. gänzlich unabhängig. Soma fügt hinzu, daß man unter Mara's Einfluß steht,
sobald man überlegt, "Bin ich in diesen Dingen eine Frau, oder bin ich ein Mann,
oder was bin ich sonst?" Sich viel mit solchen Fragen zu beschäftigen, bedeutet
auf der Stufe der konventionellen Wahrheit stehenzubleiben und sich an das
nichtexistente Selbst zu klammern. Wiederholtes Grübeln, welches Geschlecht nun
das bessere sei, oder Grübeln über "Benachteiligungen" erzeugen unheilsames
Karma. Gedanken wie diese sind im Anhangen an "Ich" und "Mein" verwurzelt und
eng verwandt mit dem Vernichtungstrieb oder dem Begehren. Darüber hinaus lenkt
es uns von der dringlichen Aufgabe der Selbstläuterung ab, wenn wir unsere Zeit
mit solchen Gedanken verschwenden. Meditierende, die Mara's Netz entkommen
möchten, sollten diese Gedanken verwerfen, sobald sie diese bemerkt haben und
ihnen nicht nachgeben oder sie gar weiterspinnen. Soma und all die anderen
Nonnen befolgen genau den Rat des Buddha, wenn sie uns ermahnen, ausschließlich
bei der Beschäftigung zu bleiben, die uns ermöglicht einmal alles Leiden zu
überwinden. Alle nebensächlichen Probleme werden ihre Bedeutung verlieren, und
mit zunehmender Weisheit verschwinden. Unser Geist wird bei der höchsten
Wahrheit bleiben und kein Interesse mehr an weltlichen Belangen haben, wenn wir
vollständig erkannt haben, daß alle Wesen nur unpersönliche, unbeständige
Geist-Körper-Prozesse sind, die Karma erzeugen und dessen Auswirkung zu spüren
bekommen.
Die Geschichte von einer Bhikkhuni, die als "Vaddha's Mutter" bekannt war,
ist eine, in der eine Nonne einen Mann auf ihre Weise den Dhamma lehrt. Diese
Frau trat dem Sangha bei, als ihr Sohn Vaddha klein war, so daß er von
Verwandten aufgezogen wurde. Später ordinierte auch er und beschloß eines Tages,
seine Mutter in der Unterkunft der Bhikkhunis zu besuchen. Bei dieser
Gelegenheit ermunterte sie ihn, das höchste Ziel anzustreben und zu erreichen:
- Vaddha, mögest du zu keiner Zeit Begierde nach
- der Welt verspüren. Kind, hab nicht wieder und
- wieder am Schmerz der Welt teil.
- Verweile glücklich bei den Weisen, frei von Lust,
- ohne Zweifel und selbstbeherrscht;
- Frei von den geistigen Trübungen.
- Oh Vaddha, geh' den Weg der Einsichtigen um
- Weisheit zu erlangen, um dem Schmerz ein Ende zu bereiten.
(Vers 204-205)
Aus diesen Zeilen folgerte Vaddha, daß seine Mutter das Ziel erreicht hatte
und sie bestätigte es ihm. Und wieder drängt es sie ihn, "den Pfad zum Ende des
Leidens" in sich selbst zu entfalten. Vaddha wurde von den Worten seiner
Mutterso stark inspiriert, daß er selbst die Arahatschaft erlangte und die
folgenden Zeilen sprach:
- Wahrlich meine Mutter gab mir,
- von Mitgefühl bewogen, den
- Besten Rat,
- nämlich die Lehre, die zum
- höchsten Ziele führt.
- Nachdem ich ihre Worte gehört
- hatte, erreichte ich einen Zustand
- köstlichen Gefühls,
- und das Ende der Mühen für immer.
(Vers 210-211)
Das ist ein Beispiel in dem eine vollkommen heilgewordene Frau, durch ihre
Belehrung einem Mann zu höchster Weisheit verhalf, dessen paramis reif genug
war, äußerste Durchdringung aufzubieten und so die ganze Frucht der
Läuterungsarbeit zu erfahren.
Das Culavedalla Sutta ist ein weiterer Lehrtext, in dem eine Bhikkhuni einem
Mann die Lehre darlegt. Dieser wichtige Text ist ein Gespräch über einige
zentrale Punkte des Dhamma, wobei die Theri Dhammadinna Fragen ihres früheren
Ehemanns, dem Laienanhänger Visakha beantwortet. Sie waren einige Zeit
verheiratet, als er die dritte Stufe der Heiligkeit erreichte, die der
"Nicht-Wiederkehr", indem er alle Spuren des Vernichtungstriebes und sinnlichen
Begehrens ausgerottet hatte. Dhammadinna lernte dann von ihm, daß auch Frauen
ihren Geist läutern können und erhielt seine Erlaubnis in den Orden einzutreten.
Vor dem folgenden Gespräch, mußte sie bereits die Arahatschaft, die vierte und
letzte Stufe des Heilwerdens erlangt haben.
Visakha fragte Dhammadinna als Erstes, was der Buddha denn meint, wenn er
sich der herkömmlichen Sprache bedient und vom „eigenen Selbst" spricht. Als ein
"Nicht-Wiederkehrer" kannte Visakha die Antwort auf diese grundlegende Frage
bereits, doch er stellte sie als eine Art Einführung vor den nachfolgenden
Fragen. Dhammadinna's Antwort gibt uns Anlaß zum Nachdenken. Sie sagt, daß die
"fünf Gruppen des Greifens oder Anhaftens" (pancupadanakkhandha) eben jenes
"Selbst" enthalten. Sie definiert die Gruppen der Fassungskraft als:
- Körperlichkeit,
- Gefühl,
- Wahrnehmung,
- Geistformationen und
- Bewußtsein.
Das Zusammenspiel dieser an sich unpersönlichen und vergänglichen fünf
Gruppen betrachtet der Weltling als sein „Ich" oder „mein". Damit verbunden ist:
sakkayaditthi, die Ansicht, daß es ein dauerhaftes Selbst (etwa eine ewige
Seele) gibt. In Wirklichkeit gibt es nichts, das der Vorstellung vom "ich"
entsprechen könnte. Es ist lediglich die Fehldeutung dieser fünf Gruppen, in die
das "ich" zerfällt, die unsere Einbildung von etwas Wesenhaftem fortbestehen
läßt. Wenn wir das erkennen können, werden wir sakkayaditthi anzweifeln und
erkennen, daß es in Wirklichkeit kein Wesen gibt, sondern nur diese fünf
Daseinsgruppen, deren Bestandteile selbst dem ständigen Wechsel unterworfen
sind.
Die nächste Frage, die Visakha an Dhammadinna stellt, betrifft die Gründe für
das Entstehen der Daseinsgruppen. Mit einem Zitat Buddha's antwortet sie, daß
die Ursache für die Daseinsgruppen folgende ist: "Es ist jenes zum Wiederdasein
führende, mit Lust verbundene, bald hier und da Gefallen findende Begehren,
nämlich: das sinnliche Begehren, das Daseinsbegehren und das
Selbstvernichtungsbegehren".
Jedes Begehren trägt immer wieder zur Entstehung der fünf Daseinsgruppen bei.
Weltliche Dinge oder himmlisches Dasein zu begehren, führt zu Wiedergeburt und
erneutem Leiden, grob oder fein. Der Wunsch nach immer mehr verstärkt Anhaften
und Unwissen, die uns im samsara halten. Der Glaube, daß es kein Leben nach dem
Tod gibt untergräbt die Lehre vom eigenen Wirken und seinen Folgen sowie das
Verständnis wesentlicher Aspekte moralischen Handelns.
Nach einer langen Reihe von Fragen und Antworten über die Vier Edlen
Wahrheiten, dem Erreichen des Endes, Gefühl usw., stellt Visakha eine letzte
Frage: "Und was, ist das Gegenstück (d.h. Entsprechung) des Nibbana?" Da gebot
Dhammadinna ihm Einhalt:
- Das Fragen ist nun überschritten, lieber Visakha, für diese Frage gibt es
keine Antwort.
- Der Reinheitswandel hat Nibbana als Ziel,
- Nibbana als Folge und
- Nibbana als Ende.
Nichts kann mit Nibbana verglichen werden, da alles andere, ob geistig oder
körperlich, bedingt entsteht und vergeht. Nur Nibbana allein ist nicht bedingt
und daher unvergänglich. Das Ziel der Lehre des Buddha ist es über den Bereich
vergänglicher, unbefriedigender Erscheinungen hinaus zum völligen Frieden des
Nibbana zu kommen. Es ist von Nutzen dieses Ziel während der ersten
Medltationsstufen im Sinn zu behalten, auch wenn es vielleicht noch entfernt und
verschwommen erscheint. Der Wunsch, Nibbana zu erreichen nimmt langsam zu. Wird
dieser Wunsch häufig erwägt und mit Vipassana-Meditation verbunden, wird das zu
einer Unterstützung auf dem Weg. Es wird auch die Ablenkungen durch
Vergnügungen, denen wir auch weiter begegnen, verringern.
Nach dieser Befragung schlägt Dhammadinna vor, Visakha solle den Buddha nach
all diesen Dingen fragen, um sicher zu sein und die Antworten dann gut behalten.
Visakha nahm den Gedanken auf und wiederholt später, vor dem Buddha, seine
gesamte Unterhaltung mit der Theri. Der Erwachte antwortet indem er sie lobt:
- Klug, Visakha, ist die Nonne Dhammadinna,
- von großer Weisheit.
- Hättest Du mich nach diesen Dingen gefragt,
- Visakha, so hätte ich Dir genauso wie die
- Nonne Dhammadinna geantwortet.
Karma und seine Früchte
Betrachten wir zu letzt ein Gedicht, in dem eine Bhikkhuni detailliert einige
ihrer vorhergehenden Leben beschreibt und ihrem Fragesteller zeigt, wie sie das
Gesetz der karmischen Ursache und Wirkung begriffen hat.
Isidasi hatte lang zuvor, zu Zeiten früherer Buddhas viel gutes paramis
erzeugt. Doch vor ungefähr sieben Leben, als sie ein junger Mann war, hatte sie
Ehebruch begangen. Nachdem sie dieses Dasein verlassen hatte, mußte Isidasi die
Folgen dieser unmoralischen Tat erleiden:
- Nach dem Tod gelangte ich in die Avici-Hölle
- dort blieb ich lange Zeit,
- Dann wurde ich im Körper eines
- Affen wiedergeboren.
- Nur sieben kurze Tage lebte ich, bevor
- Mich der Anführer der Affen kastrierte.
- Das war die Frucht meiner Lüsternheit.
- Nach dem Sterben in den Wäldern von
- Sindh, wurde ich als Nachkomme einer
- Einäugigen Ziege geboren
- Und war zwölf Jahre ein lahmes, von
- Würmern zerfressenes, kastriertes Tier.
- Zu nichts tauge trug ich Kinder
- Auf meinem Rücken.
- Das war die Frucht meiner Lüsternheit.
Als nächstes wurde sie als Kalb geboren und wieder kastriert, und als Ochse
zog sie Pflug und Karren. Dann, als die schlimmsten Früchte dieses schlechten
Wirkens bereits gereift waren, kehrte Isidasi in den menschlichen Bereich
zurück. Doch war es noch immer eine zweifelhafte Art von Geburt, denn sie war
das zwittrige Kind eines Sklaven. Auch dieses Leben dauerte nicht lang. Darauf
war sie die Tochter eines Mannes, der von Schulden geplagt war. Einer der
Gläubiger ihres Vaters nahm sie mit anstelle der Bezahlung. Sie wurde die Frau
des Sohnes von diesem Kaufmann, aber "sie brachte Zwietracht und Feindschaft in
dieses Haus."
In ihrem letzten Leben, wurde sie, ungeachtet ihrer Bemühungen, in keinem
Haus, in das sie als Braut gebracht wurde länger behalten, als eine kurze Weile.
Ihr tugendhafter Vater vermählte sie mehrere Male mit den entsprechenden
Männern. Sie versuchte eine perfekte Ehefrau zu sein, doch jedes Mal wurde sie
hinausgeworfen. Durch diese Unfähigkeit mit einem Mann zu leben, wurde ihr eine
Gelegenheit geschaffen, den Kreis der Bedingtheit zu durchbrechen. Nach ihrer
dritten zerrütteten Ehe beschloß sie dem Sangha beizutreten. Alles Üble in ihrem
Geist wurde durch die Meditation beseitigt, die Einsicht in die Vier Edlen
Wahrheiten reifte und Isidasi wurde eine Arahat.
Sie entwickelte dann auch die Fähigkeit der Rückerinnerung an ihre
vergangenen Leben und erkannte so, wie die ganze ursächliche Kette unheilsamer,
weit zurückliegender Taten ihre Folgen in den nachfolgenden Leben herbeiführte:
- So waren die Früchte meines Karmas,
- Die mich sogar in diesem letzten
- Leben kränkten,
- Obwohl ich sie voll Demut annahm.
Die letzte Zeile ihres Gedichts läßt die Vergangenheit, Wiedergeburt und all
ihr Leid mit einer Art "Löwenruf" vollständig zurück: "Genug! All dem habe ich
nun ein Ende bereitet".
Durch Isidasi's Erzählung erhalten wir einige lehrreiche Veranschaulichungen
der unerbittlichen Wirkung des karmischen Gesetzes. Das Leiden, das sie wegen
ihres sexuellen Fehlverhaftens durchmachen mußte, dauerte sieben schwierige
Leben. Aber auch die Grundlage für Weisheit wurde gelegt und als die Kraft ihres
schlechten Karmas aufgebraucht war, tat das früher von ihr geschaffene paramis
seine Wirkung. So konnte Isidasi eine Bhikkhuni werden, ihren Geist vollkommen
läutern und so alle möglichen Ursachen zukünftigen Leidens abschütteln. Anfang,
Mitte und Ende jedes Lebens sind immer auf Ursachen und Bedingungen
zurückzuführen.
Wir sind nun am Ende des Kreises dieser Therigeschichten angelangt und sind
zurückgekehrt zum Thema der unpersönlichen Ursachen und Wirkungen, die sich
gegenseitig bewirken, ohne Existenz eines beständigen Wesens, das die Folgen
seiner Taten erfährt. Die anfangslose Reihe der von Unwissenheit und Leid
erfüllten Lebenszeiten, wird solange wiederholt, bis angesammeltes paramis und
gegenwärtige Weisheit, die noch von anderen Faktoren unterstützt werden, genug
Stärke besitzen um uns zu befähigen, das Begehren zu durchschauen, weiches die
Aufeinanderfolge der Daseinsgruppen unaufhörlich vorangetrieben hat. Dabei
erhielten diese Bhikkhunis Klarheit, daß ihre Zuneigungen und Abneigungen die
Quelle all ihres Leids waren. Aufgrund dieser Einsicht konnten sie das Wirrsal
der alten, durch Täuschung hervorgerufenen Bedingungen lösen.
Mit dem vollständigen Durchdringen des Leides, d.i. die Erste Edle Wahrheit,
und dem Fahrenlassen des Begehrens, d.i. die Zweite Edle Wahrheit, gelangte das
Streben auf dem Achtfachen Pfad, d.i. die Vierte Edle Wahrheit zur Vollendung.
Sie erreichten so das Ende des Leidens, d.i. die Dritte Edle Wahrheit, genau in
diesem Leben und wurden nicht mehr wiedergeboren.
Die Gedichte dieser erleuchteten Nonnen erzählen davon, wie sie Buddha
begegneten, wie sie Weisheit und anderes heilsames Wirken in vielen
vorhergehenden Leben erzeugt hatten, wie sie die Lehren Buddha's verstanden und
wie sie zu Arahats wurden; so bieten sie uns Inspiration und Anleitung. Sie
können uns heute helfen, Vipassana-Meditation zu praktizieren und Einsicht in
die verschiedenen Formen des Leidens und seine Ursachen zu erlangen. Indem wir
Weisheit entfalten, werden auch wir imstande sein, die Banden des Begehrens zu
lockern.
Mögen wir dem Beispiel dieser großen Nonnen und wahren Anhängerinnen des
Buddha folgen. Unsere ernsthafte Nachfolge ist bestes Zeichen unserer
Dankbarkeit für ihre Unterstützung.
Möge unser Geist vollkommen weise, vollkommen klar werden, und vollkommen
frei von jeder Möglichkeit zukünftigen Leidens.
Susan Elbaum Jootla wurde 1945 in New York City geboren und erwarb an der
Universität von Michigan den B.A. und M.A. in Bibliothekswissenschaften. Sie
heiratete den Inder, Balbir S. Jootla, mit dem sie in der Bergstation von
Dalhousie im West Himmalaya lebt. Beide haben seit 1970 Vipassana Meditation
nach der Überlieferung des verstorbenen Sayadaw U Ba Khin aus Burma praktiziert
und sind jetzt Schüler seiner ersten Anhängerin, Mutter Sayama, die das
Internationale Meditations-Zentrum in England und Rangoon leitet. Ihre
vorhergehenden Veröffentlichungen durch die BPS sind: "Rechter Lebensunterhalt:
Der Edle Achtfache Pfad im Arbeitsleben" erschienen in Der Buddhistische Laie
(Nr. 294/295) und Untersuchungen zur Einsicht (Nr. 301/302). Die
Veröffentlichung ihres Buches Buddhismus in der Praxis, über die Tradition der
Meditation von U Ba Khin, ist von Motilal Banarsidass, Indien geplant.
Verzeichnis der wichtigsten Lehrbegriffe:
Samsara:
'Beständiges Wandern, Daseinswanderung, Kreislauf des Daseins oder der
Wiedergeburten', ist die Bezeichnung des ewig rastlosen, auf- und niederwogenden
Meeres des Daseins, des scheinbar unauflöslichen Prozesses des immer wieder und
wieder Geborenwerdens, Altems, Leidens und Sterbens. Genauer gesagt:
der Samsara ist die ununterbrochene Kette der von Augenblick zu Augenblick
beständig wechselnden, durch unabsehbare Zeiten hindurch sich aneinander
reihenden geistigen und körperlichen Vorgänge.
Wiedergeburt:
Die buddhistische Lehre von der Wiedergeburt darf nicht verwechselt werden
mit der hinduistischen Lehre von der "Seelenwanderung". Nach der Lehre des
Buddha gibt es kein beständiges Wesen, das gleichsam von Leben zu Leben wandern
könnte. Der Vorgang der Wiedergeburt wird mit folgendem alten Gleichnis
verdeutlicht: Wenn man mit einer Kerze eine andere anzündet so ist die Flamme
der zweiten nicht die gleiche wie die der ersten Kerze, und die Flamme der
ersten ist nicht etwa zur zweiten hinüber gewandert. Aber sie sind auch nicht
völlig verschieden voneinander: die zweite Flamme ist nicht aus sich selber,
unabhängig von der ersten entstanden, sondern ist durch diese bedingt. In
ähnlicher Weise besteht auch ein Zusammenhang zwischen zwei aufeinanderfolgenden
Lebensläufen: sie sind bedingt durch den Kraftstrom des Begehrens.
Kamma:
Das Wort 'Kamma' ist im Abendland besser in seiner Sanskritform 'Karma'
bekannt. Man stellt sich darunter häufig eine Art äußerer Schicksalsmacht vor,
welcher der Mensch unentrinnbar verbunden ist. Dies ist aber keineswegs der
Fall. Kamma ist vielmehr dem Wortlaut und der Bedeutung nach Wirken, und zwar
ein dreifaches: in Gedanke, Wort und Tat. Durch unser eigenes Wirken ist
gegenwärtiges Leben und künftige Wiedergeburt bedingt. "Was wir säen, das ernten
wir." "Was einer wirkt, das läßt ihn wiedersein!' Wer Niedriges wirkt, fühlt
sich zu Niedrigem hingezogen und ergreift im Todesmoment einen Lebenskeim in
einer niedrigen Welt. Wer edel lebt, der neigt zu Edlem und wird in edler,
reiner Welt wiedergeboren.
Die Kamma-Lehre allein ist das große Weltgesetz der Gerechtigkeit. Kamma
allein erklärt in befriedigender Weise die scheinbaren Ungerechtigkeiten im
Leben: daß oft der Edelgesinnte leidet und der Niedriggesinnte vom Glück
begünstigt ist. Beides ist Folge früheren Wirkens.
- "Die jetzt vollbrachte böse Tat
- gerinnt nicht gleich wie frische Milch:
- Verzehrend folgt dem Toren sie
- Wie Feuer unter Asche glüht."
- "Auch einem Bösen geht es gut,
- So lang das Böse nicht gereift;
- ist aber reif die böse Frucht,
- Dann geht es schlecht dem schlechten Mann.
- Auch einem Guten geht es Schlecht,
- So lang das Gute nicht gereift;
- Ist aber reif die gute Frucht,
- Dann geht es gut dem guten Mann."
Gier und Haß:
Gier entsteht durch unweises Nachdenken über ein anziehendes Objekt, und Haß
durch unweises Nachdenken über ein abstoßendes Objekt. Gier umfaßt hier also
jedes Hingezogenwerden des Willens zum Objekt, vom leisesten Hauch eines
vorübergehenden Wunsches bis zur krassesten Begehrlichkeit. Haß umfaßt jeden
Grad der Abneigung gegen das Objekt, von der leisesten Verstimmung bis zur
äußersten Wut.
Wie ist es nun zu verstehen, daß aus diesem Begehren (Gier) das Leiden
entsteht? Ein Beispiel mag es verdeutlichen. Wenn einem Kind ein geliebtes
Spielzeug zerbricht, so wird es sicherlich traurig sein und weinen. Doch wird
sich auch ein Erwachsener derartig verhalten? Gewiß nicht. Und warum? Er hat
kein Begehren mehr nach dem Spielzeug, daher empfindet er bei seinem Verlust
keinen Schmerz, kein Leiden. Wir sehen also, daß das Begehren, das
Besitzenwollen der eigentliche Anlaß des Schmerzes ist, nicht aber die äußere
Tatsache des "Zerbrechens". Wir begehren, weil wir den begehrten Gegenstand für
erfreulich haften, weil wir das Leiden in ihm nicht sehen, an seine
Vergänglichkeit nicht denken wollen. Wir begehren, weil wir glauben, die fünf
vergänglich-leidvollen Gruppen seien ein Ich, ein Selbst, Wohlsein und Lust. Wir
begehren für es Besitz in mannigfacher Art, der doch ebenso vergänglich,
leidbringend und wesenlos ist wie sein imaginärer Besitzer. Für dieses Ich sind
wir in Furcht vor After, Krankheit und Tod, - in Furcht vor dem Unvermeidlichen.
Begehren ist der Schöpfer der Welt. Nichts anderes ist diese ganze Welt als
formgewordenes Begehren, gestaltgewordener verkörperter Lebenswille. Unsere
Sinnenorgane sind die Instrumente zur Befriedigung (und dadurch selbst auch
Gegenstand) dieses Begehrens. Mit dem Verlust des Organs, des Instruments,
schwindet aber nicht etwa das Begehren selber. Auch ein Erblindeter will noch
sehen. So erlischt auch nicht das Begehren, wenn der gegenwärtige Körper
zerfällt. Wenn dieses "Werkzeug", dem Gesetz der Vergänglichkeit gemäß,
"abgenutzt" ist, so greift Begehren nach einer neuen geistig-körprlichen Form,
um sich aufs neue der Welt der sechs Sinnenobjekte zu bemächtigen. Doch wie
Durst durch Salzwasser nicht gelöscht, sondern nur verstärkt wird, ebensowenig
kann Begehren durch die sechs Sinnenobjekte Stillung finden. Dieses Spiel von
begehrendem Greifen und Festhaltenwollen, von immer neuem Engleiten der
vergänglichen Welt und wieder neuem vergeblichen Greifen, - dieser furchtbare
Kreislauf von Geburt zu Tod und neuer Geburt währt solange, bis Begehren auf dem
vom Buddha gewiesenen Erlösungswege zu endgültiger Stillung kommt. Das ist die
buddhistische Lehre von der Wiedergeburt.
Khanda:
'Gruppen' oder 'Daseinsgruppen', nennt man die 5 Gruppen, in die der Buddha
die dem oberflächlichen Beobachter eine Persönlichkeit vortäuschenden gesamten
körperlichen und geistigen Daseinserscheinungen eingeordnet hat, nämlich die
Körperlichkeitsgruppe, die Gefühlsgruppe, die Wahmehmungsgruppe, die Gruppe der
Geistformationen und die Bewußtseinsgruppe.
Bhavana:
‚Geistesentfaltung' ist das was man meistens, ungenauer Weise als Meditation
bezeichnet. Man unterscheidet zweierlei Geistesentfaltung: „Entfaltung der
Gemütsruhe (samatha) und Entfaltung des Hellblicks' (vipassanā). Gemütsruhe ist
der durch intensive geistige Konzentration gewonnene unerschütterliche ,
friedvolle und lautere Zustand des Geistes, 'Heilblick' dagegen der blitzartig
auftauchende intuitive Einblick in die Vergänglichkeit, das Elend und die
Unpersönlichkeit aller körperlichen und geistigen Daseinserscheinungen (5 Khanda).
Die Gemütsruhe, oder Sammlung, gewährt einen dreifachen Segen:
günstige Wiedergeburt, glückliches Leben und die für den Heilblick nötige
Läuterung. Die Sammlung nämlich bildet die nötige Grundlage und Voraussetzung
für den Hellblick, dadurch, daß sie den Geist von den Hemmungen läutert; der
Hellblick aber ist das, was zu den vier Stufen der Heiligkeit und der Erlösung
führt. Der Buddha sagt daher: "Übet geistige Sammlung, Ihr Mönche; denn der
geistig Gesammelte erkennt die Dinge der Wirklichkeit gemäß."
Nibbana:
- Die Aufhebung des Begehrens,
- die Stillung des Lebensdurstes,
- die völlige Vernichtung von Gier, Haß und Wahn
- und damit die Befreiung von künftiger Wiedergeburt,
- das ist die Befreiung vom Leiden –
- das ist das Hohe Ziel - das ist Nibbana.
Nur in solchen Worten, aussagend was Nibbana nicht ist, können wir vom Hohen
Ziele sprechen. Denn Sprache reicht nicht hinauf zu dieser Höhe. Sprache kann
nur unsere Weit der fünf Daseinsgruppen, zu der sie selber gehört, zum Ausdruck
bringen.
"Vom Maß und Begriff der Körperlichkeit, der Gefühle, der Wahrnehmungen, der
Geistformationen, des Bewußtseins befreit ist der Vollendete, tief, unermeßlich,
unergründlich gleichwie der große Ozean.
Wer im Frieden des Gemütes einmal "wunschlos glücklich" war, der mag einen
schwachen Vorgeschmack des Nibbana gekostet haben.
Nibbana kann mit positiven Begriffen nicht beschrieben werden, aber man kann
es erfahren und verwirklichen, und zwar schon hier, in diesem Leben. "Sichtbares
Nibbana" wird es genannt, in dem der Heilig-Gewordene weiß: "Einstmals bestand
Begehren, und das war von Übel; das besteht jetzt nicht mehr, und so ist's gut.
Einstmals bestand Haß, und das war von Übel; das besteht jetzt nicht mehr, und
so ist's gut. Einstmals bestand Verblendung, und das war von Übel; das besteht
jetzt nicht mehr, und so ist's gut. So verweilt er, der Heilige, schon bei
Lebzeiten gestillt, erloschen, abgekühlt, in seligem Gefühle, heilig gewordenen
Herzens."
Ruhig brennt die Flamme seines Lebens ihrem Ende zu. Nach dieses letzten
Leibes Tod ist der Heilige unserem Blick entschwunden. Nicht gibt es mehr neue
Geburt. Das Greifen nach den fünf Daseinsgruppen hat ein Ende gefunden. Doch
dies "Vernichtung" zu nennen, trifft nicht zu. Was nie ein selbstständiges Sein
hatte, kann nicht vernichtet werden. Jene Werdevorgänge, die nur entstehen, um
im nächsten Moment wieder zu schwinden, sie kommen mit ihrer Ursache, dem
Begehren, zum endgültigen Aufhören. Andererseits aber Nibbana ein "ewiges Sein"
zu nennen, im Sinne eines auch noch so hohen geistigen Zustandes, auch dies
triff t nicht zu. Alles was da Geist und Bewußtsein ist, selbst in der
allerfeinsten, sinnenfernsten und gänzlich unkörperlichen Form, alles das liegt
im Bereich der fünf Sinne und ist somit nicht der Erlösung zugehörig.
Das 'Nirwahn' (wörtl. das 'Erlöschen'), bildet das höchste und letzte Endziel
alles buddhistischen Strebens, d.i. das restlose Erlöschen alles in Gier, Haß
und Verblendung sich äußernden, das Leben bejahenden und sich krampfhaft daran
klammernden Willenstriebes, und damit die endgültige, restlose Befreiung von
allem künftigen Wiedergeborenwerden, Altem und Sterben, Leiden und Elend.
"Es gibt, Ihr Mönche, ein Bereich, wo weder Erde noch Wasser ist, weder Feuer
noch Luft, weder diese Weit noch jene, weder Sonne noch Mond. Das nenne ich
weder ein Kommen, noch ein Gehen, noch ein Stillestehen, weder ein
Geborenwerden, noch ein Sterben. Es ist ohne jede Grundlage, ohne Entwicklung,
ohne Bedingung: das eben ist das Ende des Leidens!'
Nicht oft und eindringlich genug kann darauf hingewiesen werden, daß zu einem
wirklichen, auch nur theoretischen Verständnis dieses Zieles der gründliche
Einblick in die Wahrheit von der Unpersönlichkeit oder anatta die unumgängliche
Vorraussetzung ist, ohne die man sonst, je nach der geistigen Veranlagung, das
Nirwahn notwendigerweise entweder als Vernichtung einer Persönlichkeit
mißversteht oder als einen ewigen Daseinszustand in den das Ich eingeht.
Anatta,
'Nicht-Selbst' oder 'Nicht-Ich' oder 'Unpersönlichkeit'.
Diese Lehre von anatta oder der Unpersönlichkeit besagt, daß es weder
innerhalb noch außerhalb der körperlichen und geistigen Daseinserscheinungen
irgend etwas gibt, das man im höchsten Sinne als eine für sich bestehende
unabhängige Ich-Wesenheit oder Persönlichkeit bezeichnen könnte. Es ist dies die
Kernlehre des ganzen Buddhismus, ohne deren Verständnis eine wirkliche Kenntnis
des Buddhismus schlechterdings unmöglich ist, die einzige wirklich spezifisch
buddhistische Lehre, mit der das ganze buddhistische Lehrgebäude steht und
fällt.
Alle anderen buddhistischen Lehren mögen mehr oder weniger auch in anderen
Philosophien und Religionen anzutreffen sein, die Anatta-Lehre aber wurde in
ihrer vollen Klarheit nur vom Buddha gewiesen. Wer die Unpersönlichkeit des
ganzen Daseins nicht durchschaut hat und nicht erkennt, daß es in Wirklichkeit
nur diesen beständigen sich verzehrenden Prozeß des Entstehens und Vergehens
geistiger und körperlicher Daseinsphänomene gibt, aber keine Ich-Wesenheit in
oder hinter diesen Daseinserscheinungen, der ist außerstande die vier Edlen
Wahrheiten im richtigen Licht zu erfassen. Er wird glauben, daß es eine Ichheit,
eine Persönlichkeit sei, die Freud und Leid erfahre; eine Persönlichkeit, die
gutes oder schlechtes Karma verübe und gemäß ihrem Karma wiedergeboren werde;
eine Persönlichkeit, die ins Nibbana eingehe; eine Persönlichkeit, die auf dem
Achtfachen Pfade wandle.
Der 'Achtfache Pfad',
ist der zur Erlösung vom Leiden führende Pfad.
Hier die acht Glieder, bekannter in ihrer dreifachen Gliederung nämlich:
Sittlichkeit, Sammlung und Wissen.
1. Rechte Erkenntnis
2. Rechte Gesinnung |
III. WISSEN (Weisheit) |
3. Rechte Rede
4. Rechte Tat
5. Rechter Lebenserwerb |
I. SITTLICHKEIT |
6. Rechte Anstrengung
7. Rechte Achtsamkeit
8. Rechte Sammlung |
II. SAMMLUNG (Meditation) |
DIE BUDDHIST PUBLICATION SOCIETY
ist anerkannt gemeinnützig und der Verbreitung der Lehre des Buddha gewidmet,
die für die Menschen aller Konfessionen wichtige Einsichten liefern kann.
Die BPS, 1958 gegründet, hat eine beachtliche Vielfalt Bücher und Broschüren
veröffentlicht und deckt damit eine große Themenreihe ab. Die Publikationen
umfassen sorgfältige, mit Anmerkungen versehene Übersetzungen der Reden des
Buddha, Standard Nachschlagewerke und Ausführungen zu Buddhistischem Gedankengut
und Praktiken von damals. Diese Arbeiten repräsentieren den Buddhismus, wie er
wirklich ist - eine dynamische Kraft, die in den letzten zweitausend Jahren
aufnahmefähige Geister beeinflusst hat, und noch heute so gültig ist wie zur
Zeit seiner Entstehung.
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