Anguttara Nikaya

8. Kapitel: ākankha-vagga

A.X. 71 Aller Wünsche Erfüllung

(Die Parallele in M. 6 hat mehrere zusätzliche Abschnitte)

(Im Jetahain.)

Seid vollkommen in der Sittlichkeit, ihr Mönche, vollkommen in der Ordenssatzung, seid gezügelt in der Ordenssatzung, vollkommen in Wandel und Umgang, und vor den geringsten Vergehen euch scheuend, übet euch in den Sittenregeln, die ihr auf euch genommen habt!

Wünscht sich, ihr Mönche, ein Mönch: »Ach, möchte ich doch von meinen Ordensbrüdern geliebt und geschätzt, geachtet und geehrt werden!«, so soll er eben die Sittenregeln erfüllen, die innere Geistesruhe pflegen, nicht die Vertiefung vernachlässigen, den Hellblick gewinnen und ein Bewohner einsamer Behausungen sein.

Wünscht sich, ihr Mönche, ein Mönch: »Ach, möchte ich doch Gewand, Almosenspeise, Lagerstatt und die nötigen Heilmittel und Arzneien erhalten!«, so soll er eben die Sittenregeln erfüllen, die innere Geistesruhe pflegen, nicht die Vertiefung vernachlässigen, den Hellblick gewinnen und ein Bewohner einsamer Behausungen sein.

Wünscht sich, ihr Mönche, ein Mönch: »Ach, möchten doch denen, deren Gewänder, Almosenspeise, Lagerstatt und Arzneien ich benutze, diese Gaben hohen Lohn und Segen bringen!«, so soll er eben die Sittenregeln erfüllen, die innere Geistesruhe pflegen, nicht die Vertiefung vernachlässigen, den Hellblick gewinnen und ein Bewohner einsamer Behausungen sein.

Wünscht sich, ihr Mönche, ein Mönch: »Ach, möchte doch den Geistern meiner abgeschiedenen Blutsverwandten, die meiner in Liebe gedenken, dies zu hohem Lohn und Segen gereichen!«, so soll er eben die Sittenregeln erfüllen, die innere Geistesruhe pflegen, nicht die Vertiefung vernachlässigen, den Hellblick gewinnen und ein Bewohner einsamer Behausungen sein.

Wünscht sich, ihr Mönche, ein Mönch: »Ach, möchte ich doch zufrieden sein mit jeder Art Gewand, Almosenspeise, Lagerstatt und Arznei!«, so soll er eben die Sittenregeln erfüllen, die innere Geistesruhe pflegen, nicht die Vertiefung vernachlässigen, den Hellblick gewinnen und ein Bewohner einsamer Behausungen sein.

Wünscht sich, ihr Mönche, ein Mönch: »Ach, möchte ich doch Kälte und Hitze, Hunger und Durst geduldig ertragen und standhaft bleiben bei boshaften und gehässigen Redeweisen, bei entstandenen körperlichen Gefühlen, bei schmerzhaften, scharfen, stechenden, bitteren, unliebsamen, unangenehmen und lebensgefährdenden!«, so soll er eben die Sittenregeln erfüllen, die innere Geistesruhe pflegen, nicht die Vertiefung vernachlässigen, den Hellblick gewinnen und ein Bewohner einsamer Behausungen sein.

Wünscht sich, ihr Mönche, ein Mönch: »Ach, möchte ich doch Lust und Unlust bemeistern, mögen Lust und Unlust mich nicht beherrschen, und möge ich die aufsteigende Lust und Unlust jedesmal überwinden können!«, so soll er eben die Sittenregeln erfüllen, die innere Geistesruhe pflegen, nicht die Vertiefung vernachlässigen, den Hellblick gewinnen und ein Bewohner einsamer Behausungen sein.

Wünscht sich, ihr Mönche, ein Mönch: »>Ach, möchte ich doch Furcht und Angst bemeistern, mögen Furcht und Angst mich nicht beherrschen, und möge ich die aufsteigende Furcht und Angst jedesmal überwinden können!«, so soll er eben die Sittenregeln erfüllen, die innere Geistesruhe pflegen, nicht die Vertiefung vernachlässigen, den Hellblick gewinnen und ein Bewohner einsamer Behausungen sein.

Wünscht sich, ihr Mönche, ein Mönch: »Ach, möchte ich doch der vier Vertiefungen, der erhaben-geistigen, gegenwärtiges Glück bringenden, nach Wunsch, ohne Mühe und Schwierigkeit teilhaftig werden!«, so soll er eben die Sittenregeln erfüllen, die innere Geistesruhe pflegen, nicht die Vertiefung vernachlässigen, den Hellblick gewinnen und ein Bewohner einsamer Behausungen sein. Wünscht sich, ihr Mönche, ein Mönch: »Ach, möchte ich doch durch Versiegung der Triebe, die von Trieben freie Geisteserlösung und Weisheitserlösung noch bei Lebzeiten selber erkennen, verwirklichen und mir zu eigen machen!«, so soll er eben die Sittenregeln erfüllen, die innere Geistesruhe pflegen, nicht die Vertiefung vernachlässigen, den Hellblick gewinnen und ein Bewohner einsamer Behausungen sein.

»Seid vollkommen in der Sittlichkeit, ihr Mönche, vollkommen in der Ordensatzung, seid gezügelt in der Ordenssatzung, vollkommen in Wandel und Umgang, und vor den geringsten Vergehen euch scheuend, übet euch in den Sittenregeln, die ihr auf euch genommen habt!« - was so gesagt wurde, wurde eben mit Rücksicht hierauf gesagt.


A.X. 72 Störungen der Vertiefung

Einst weilte der Erhabene im Großen Walde bei Vesālī, in der Halle des Giebelhauses, zusammen mit zahlreichen, hochangesehenen Jüngern, wie dem ehrwürdigen Cāla, Upacāla, Kakkata, Kalimbha, Nikata, Katissabha (*1) und anderen. Bei jener Gelegenheit nun fuhren zahlreiche, hochangesehene Licchavier in lauter stattlichen Wagen, einer hinter dem anderen, mit starkem, lautem Lärme in den Großen Wald hinein, um den Erhabenen zu besuchen. Da sagten sich jene Ehrwürdigen: »Diese zahlreichen, hochangesehenen Licchavier kommen da in lauter stattlichen Wagen, einer hinter dem anderen, mit starkem, lautem Lärme in den Großen Wald herein gefahren, um den Erhabenen zu besuchen. Geräusch aber ist eine Störung für die Vertiefung, hat der Erhabene gesagt. Lasset uns denn zum Gosinger Salwald gehen. Dort können wir, fern von Geräusch und ohne Störung, friedlich verweilen.« Jene Ehrwürdigen begaben sich also zum Gosinger Sālwalde und weilten dort friedlich, fern von Geräusch und ohne Störung.

Und der Erhabene wandte sich an die Mönche: »Wo ist denn Cāla, ihr Mönche? Wo ist Upacāla und wo sind Kakkata, Kalimbha, Nikata und Katissabha? Wo sind denn jene Jünger, die Älteren, hingegangen?«

»Jene Ehrwürdigen, o Herr, sagen sich: 'Diese zahlreichen, hochangesehenen Lichavier kommen da in lauter staatlichen Wagen, einer hinter dem anderen, mit starkem, lautem Lärm in den Großen Wald hineingefahren, um den Erhabenen zu sehen. Geräusch aber ist eine Störung für die Vertiefung, hat der Erhabene gesagt. Lasset uns denn zum Gosinger Sālwalde gehen. Dort können wir, fern von Geräusch und ohne Störung, friedlich verweilen.' Darauf haben sich jene Ehrwürdigen zum Gosinger Sālwalde hinbegeben, und dort weilen sie friedlich, fern von Geräusch und ohne Störung.«

»Gut, gut, o Mönche! Es ist so, wie jene großen Jünger so richtig erklärten. Denn als eine Störung der Vertiefung, ihr Mönche, habe ich das Geräusch bezeichnet.

Zehn Störungen gibt es, ihr Mönche. Welche zehn?

  1. Für den die Einsamkeit Liebenden ist Freude an Geselligkeit eine Störung.
  2. Für den die Betrachtung der Unreinheit (des Körpers) Pflegenden ist die Beschäftigung mit einer lieblichen Vorstellung eine Störung.
  3. Für den, der über seine Sinnentore wacht, ist der Anblick von Schaustellungen eine Störung.
  4. Für den keuschen Wandel ist die Nähe des Weibes eine Störung.
  5. Für die erste Vertiefung ist Geräusch eine Störung (*2).
  6. Für die zweite Vertiefung sind Gedankenfassen und Überlegen eine Störung.
  7. Für die dritte Vertiefung ist Verzückung eine Störung.
  8. Für die vierte Vertiefung ist Ein- und Ausatmen eine Störung.
  9. Für die Erreichung der Aufhebung von Wahrnehmung und Gefühl (*3) sind Wahrnehmung und Gefühl eine Störung.
  10. Gier ist eine Störung. Haß ist eine Störung. Verblendung ist eine Störung.

Frei von Störung und der Störung entrückt weilet, ihr Mönche! Frei von Störung, ihr Mönche, sind die Heiligen. Der Störung entrückt sind die Heiligen.


(*1) Entspricht Skr. kātyarsabha (s. Waldschmidt, Das Mahāparinirvānasūtra. Bln. 1951, S. 162).

(*2) Bei Geräusch ist es für einen Ungeübten schwer, in die Vertiefung einzutreten oder darin zu verbleiben. In der Vertiefung ist alle Fünfsinnentätigkeit zeitweise aufgehoben. Ist also durch ein Geräusch Hörtätigkeit wieder eingetreten, so gilt die Vertiefung als abgebrochen.

(*3) saññā-vedayita-nirodha; s. Wtb: nirodha-samāpatti.


A.X. 73 Selten in der Welt

Zehn erwünschte, begehrte, angenehme Dinge, ihr Mönche, sind schwer in der Welt zu erlangen. Welche zehn?

  1. Reichtum, der erwünschte, begehrte, angenehme, ist schwer zu erlangen in der Welt.
  2. Schönheit,
  3. Gesundheit,
  4. Sittlichkeit,
  5. Keuschheitsleben,
  6. Freunde,
  7. Wissensreichtum,
  8. Weisheit,
  9. die (überweltlichen) Zustände (*1)
  10. und die Himmelswelten - (alle diese) erwünschten, begehrten, angenehmen Dinge sind schwer zu erlangen in der Welt.

Für diese zehn erwünschten, begehrten, angenehmen, so schwer in der Welt zu erlangenden Dinge, ihr Mönche, gibt es zehn sie gefährdende Dinge. Welches sind diese zehn?

  1. Trägheit und Untätigkeit gefährden den Reichtum.
  2. Sich nicht schmücken und putzen gefährdet die Schönheit.
  3. Unzuträgliche Handlungsweise gefährdet die Gesundheit.
  4. Übler Umgang gefährdet die Sittlichkeit.
  5. Ungezügelte Sinne gefährden das Keuschheitsleben.
  6. Hintergehung gefährdet die Freundschaft.
  7. Nichtwiederholen gefährdet den Wissensreichtum.
  8. Nicht gut hinhören und keine Fragen stellen gefährdet die Weisheit.
  9. Mangelnde Hingabe und mangelnde Selbstbeobachtung gefährden die (überweltlichen) Dinge.
  10. Schlechter Lebenswandel gefährdet (die Wiedergeburt in den) Himmelswelten.

Für jene zehn erwünschten, begehrten, angenehmen, schwer in der Welt zu erlangenden Dinge gibt es diese zehn sie gefährdenden Dinge.

Für jene zehn erwünschten, begehrten, angenehmen, schwer in der Welt zu erlangenden Dinge, ihr Mönche, gibt es zehn sie fördernde Dinge (āhāra, wtl: Nährstoffe). Welches sind diese zehn?

  1. Fleiß und Strebsamkeit fördert den Reichtum.
  2. Sich schmücken und putzen fördert die Schönheit.
  3. Zuträgliche Handlungsweise fördert die Gesundheit.
  4. Edler Umgang fördert die Sittlichkeit.
  5. Sinnenzügelung fördert das Keuschheitsleben.
  6. Ehrlichkeit fördert die Freundschaft.
  7. Wiederholung fördert den Wissensreichtum.
  8. Gut Hinhören und Fragen stellen fördert die Weisheit.
  9. Hingabe und Selbstbeobachtung fördert die (überweltlichen) Dinge.
  10. Guter Lebenswandel fördert die (Wiedergeburt in den) Himmelswelten.

Das, ihr Mönche, sind die zehn fördernden Dinge.


(*1) dhamma. Hier sind, lt. K, die 9 überweltlichen Zustände (lokuttara-dhamma) gemeint, nämlich die 4 überweltlichen Pfade und 4 Früchte, und als neuntes das Nibbāna.


A.X. 74 Der edle Gewinn

Wer da, ihr Mönche, unter den edlen Jüngern an zehn Dingen gewinnt, der erfährt einen edlen Gewinn und erlangt für sich etwas Solides (*1) und Gutes. Welches sind die zehn Dinge?

Feld und Boden, Geld und Korn, Weiber und Kinder, Knechte und Arbeiter sowie Vieh; ferner Vertrauen, Sittlichkeit, Wissen, Freigebigkeit und Weisheit.

Wer da Gewinn erfährt an Geld und Gütern,
an Herden und an Weib und Kindern,
der ist vermögend, hoch geachtet und geehrt
von Freunden und Verwandten und von Fürsten auch.
Doch wer erstarkt ist in Vertrauen, Sittlichkeit,
in Wohltun, Wissen und in Weisheit,
solch einsichtsvollem, edlem Menschen wird zuteil
ein zweifacher Gewinn (nämlich weltlicher und sittlicher Gewinn) schon hier auf Erden.

(*1) sārādāyī varādāyī kāyassa; wtl: gibt dem Körper etwas Substantielles und Vorzügliches.


A.X.75 Urteilt nicht die Menschen ab!

Einst weilte der Erhabene im Jetahaine bei Sāvatthī, im Kloster des Anāthapindika. Und der ehrwürdige Ananda kleidete sich in der Frühe an, nahm Gewand und Schale und begab sich zur Wohnung der Laienjüngerin Migasālā. Dort angelangt, setzte er sich auf dem bereiteten Sitze nieder. Und die Laienjüngerin Migasālā ging auf den ehrwürdigen Ananda zu, begrüßte ihn ehrfurchtsvoll und setzte sich zur Seite nieder. Seitwärts sitzend aber sprach sie zum ehrwürdigen Ananda also:

»Wie denn, ehrwürdiger Ananda, wie hat man wohl die vom Erhabenen gewiesene Lehre zu verstehen, wonach da ein keusch Lebender und ein nicht keusch Lebender nach dem Tode ein und denselben Ausgang haben sollen? Mein Vater, Pūrana, nämlich, o Herr, lebte keusch, enthaltsam, vom gemeinen Geschlechtsverkehr abgewandt. Nach dessen Tode hat der Erhabene von ihm erklärt, daß er die Einmalwiederkehr erlangt habe und im Himmel der Seligen Götter wiedererschienen sei. Meines Vaters Bruder, Isidatta, aber, o Herr, lebte nicht keusch, sondern in glücklicher Ehe. Nach dessen Tode aber hat der Erhabene auch von ihm erklärt, daß er die Einmalwiederkehr erlangt habe und im Himmel der Seligen Götter wiedererschienen sei. Wie nun, o Herr, hat man diese vom Erhabenen gewiesene Lehre zu verstehen, wonach da ein keusch Lebender und ein nicht keusch Lebender nach dem Tode beide ein und denselben Ausgang haben sollen?«-

»So hat dies freilich der Erhabene erklärt, Schwester.«

Nachdem nun der ehrwürdige Ananda im Hause der Laienjüngerin Migasālā seine Almosenspeise erhalten hatte, erhob er sich von seinem Sitze und entfernte sich. Am Nachmittage aber, nach Beendigung des Mahles, begab sich der ehrwürdige Ananda zum Erhabenen, begrüßte ihn ehrfurchtsvoll und setzte sich zur Seite nieder. Seitwärts sitzend, berichtete nun der ehrwürdige Ananda dem Erhabenen, (was sich zugetragen hatte).

(Darauf sprach der Erhabene:) »Wer ist denn, Ananda, die Laienjüngerin Migasālā, diese törichte, unerfahrene, mit Weiberwitz behaftete Frau? Und was sind im Vergleich dazu solche, die der Wesen höhere oder niedrige Eigenschaften erkennen können? (Bis hierher wie in A.VI.44; siehe dortige Anmerkungen)

Zehn Menschenarten, Ananda, sind in der Welt anzutreffen. Welche zehn?

Da, Ananda, ist ein Mensch sittenlos; und er kennt nicht der Wirklichkeit gemäß jene Gemütserlösung und Weisheitserlösung, wo ihm jene Sittenlosigkeit zur restlosen Aufhebung gelangt. Auch ist er ohne Erfahrung und ohne große Strebsamkeit (*1); er hat mit Erkenntnis nichts durchdrungen, auch wird ihm nicht dann und wann Loslösung zuteil (*2). Ein solcher macht beim Zerfall des Körpers, nach dem Tode, einen Rückschritt, keinen Fortschritt, geht zurück und steigt nicht höher.

Da aber, Ananda, ist ein Mensch sittenlos, doch er kennt der Wirklichkeit gemäß jene Gemütserlösung und Weisheitserlösung, wo ihm jene Sittenlosigkeit zur restlosen Aufhebung gelangt. Auch besitzt er Erfahrung und große Strebsamkeit, hat in Erkenntnis etwas erreicht; auch wird ihm dann und wann Loslösung zuteil. Ein solcher macht beim Zerfall des Körpers, nach dem Tode, einen Fortschritt, keinen Rückschritt, steigt höher und fällt nicht zurück (*3).

Hier nun, Ananda, urteilen die Kritiker folgendermaßen: 'Der eine besitzt jene Eigenschaften, und auch der andere besitzt die gleichen Eigenschaften. Warum sollte da der eine niedriger und der andere höher stehen?' Solches (Aburteilen) aber, Ananda, wird ihnen lange zum Unheil und Leiden gereichen. Da ist wohl jener Mensch sittenlos, doch er kennt der Wirklichkeit gemäß jene Gemütserlösung und Weisheitserlösung, wo ihm seine Sittenlosigkeit zur restlosen Aufhebung gelangt; auch besitzt er Erfahrung und große Strebsamkeit, hat in Erkenntnis etwas erreicht, und auch Loslösung wird ihm dann und wann zuteil. Dieser Mensch, Ananda, ist höher und edler als jener andere. Und warum? Weil eben, Ananda, der Strom der Lehre diesen Menschen mit sich fortreißt. Wer außer dem Vollendeten vermag wohl diesen Unterschied zu erkennen?

Darum, Ananda, urteilt nicht die Menschen ab! Legt an die Menschen keinen Maßstab an! Man schadet sich, wenn man die Menschen aburteilt. Ich freilich, Ananda, vermag die Menschen abzuschätzen, oder einer, der mir ähnlich ist.

Da ist ein Mensch sittenrein (*4); doch er kennt nicht der Wirklichkeit gemäß jene Gemütserlösung und Weisheitserlösung, wo ihm jene Sittlichkeit zur restlosen Aufhebung gelangt...(*5).

Da ist ein Mensch sittenrein, und er kennt der Wirklichkeit gemäß jene Gemütserlösung und Weisheitserlösung, wo ihm jene Sittlichkeit zur restlosen Aufhebung gelangt...

Da ist ein Mensch von starker Begierde erfüllt, und er kennt nicht der Wirklichkeit gemäß jene Gemütserlösung und Weisheitserlösung, wo ihm jene Begierde zur restlosen Aufhebung gelangt...(*6).

Da ist ein Mensch von starker Begierde erfüllt; doch er kennt der Wirklichkeit gemäß jene Gemütserlösung und Weisheitserlösung, wo ihm jene Begierde zur restlosen Aufhebung gelangt...

Da ist ein Mensch voller Haß, und er kennt nicht der Wirklichkeit gemäß jene Gemütserlösung und Weisheitserlösung, wo ihm jener Haß zur restlosen Aufhebung gelangt....

Da ist ein Mensch voller Haß; doch er kennt der Wirklichkeit gemäß jene Gemütserlösung und Weisheitserlösung, wo ihm jener Haß zur restlosen Aufhebung gelangt...

Da ist ein Mensch aufgeregt, und er kennt nicht der Wirklichkeit gemäß jene Gemütserlösung und Weisheitserlösung, wo ihm jene Aufgeregtheit zur restlosen Aufhebung gelangt (*7). Auch ist er ohne Erfahrung und ohne große Strebsamkeit; er hat mit Erkenntnis nichts durchdrungen, auch wird ihm nicht dann und wann Loslösung zuteil. Ein solcher macht beim Zerfall des Körpers, nach dem Tode, einen Rückschritt, keinen Fortschritt, geht zurück und steigt nicht höher.

Da ist ein Mensch aufgeregt; doch er kennt der Wirklichkeit gemäß jene Gemütserlösung und Weisheitserlösung, wo ihm jene Aufgeregtheit zur restlosen Aufhebung gelangt. Auch besitzt er Erfahrung und große Strebsamkeit, hat in Erkenntnis etwas erreicht; auch wird ihm dann und wann Loslösung zuteil. Ein solcher macht beim Zerfall des Körpers, nach dem Tode, einen Fortschritt, keinen Rückschritt, steigt höher und fällt nicht zurück.

Hier nun, Ananda, urteilen die Kritiker folgendermaßen: 'Der eine besitzt jene Eigenschaften und auch der andere besitzt die gleichen Eigenschaften. Warum sollte da der eine niedriger und der andere höher stehen?' Solches (Aburteilen) aber, Ananda, wird ihnen lange zum Unheil und Leiden gereichen. Da ist wohl jener Mensch aufgeregt, doch er kennt der Wirklichkeit gemäß jene Gemütserlösung und Weisheitserlösung, wo ihm jene Aufgeregtheit zur restlosen Aufhebung gelangt. Auch besitzt er Erfahrung und große Strebsamkeit, hat in Erkenntnis etwas erreicht; auch wird ihm dann und wann Loslösung zuteil. Dieser Mensch, Ananda, ist höher und edler als jener andere. Und warum? Weil eben, Ananda, der Strom der Lehre diesen Menschen mit sich fortreißt. Wer außer dem Vollendeten vermag wohl diesen Unterschied zu erkennen?

Darum, Ananda, urteilt nicht die Menschen ab! Legt an die Menschen keinen Maßstab an! Man schadet sich, wenn man die Menschen aburteilt. Ich freilich, Ananda, vermag die Menschen abzuschätzen, oder einer, der mir ähnlich ist.

Wer ist denn, Ananda, die Laienjüngerin Migasālā, diese törichte, mit Weiberwitz behaftete Frau? Und was sind im Vergleich dazu solche, die der Wesen höhere oder niedrige Eigenschaften erkennen können? (Denn) jene zehn Menschenarten, Ananda, sind in der Welt anzutreffen.

Hätte, Ananda, Isidatta dieselbe Sittlichkeit besessen wie Pūrana, so hätte Purana Isidattas künftigen Zustand nicht erreicht; und hätte Pūrana dieselbe Weisheit besessen wie Isidatta, so hätte Isidatta Pūranas künftigen Zustand nicht erreicht. Somit, Ananda, waren diese beiden Menschen in je einer Eigenschaft unvollkommen (*8).«


(*1) bahu-sacca wird hier vom K mit 'Energie' (viriya) erklärt, ist also hier abzuleiten von satti (Skr: sakti) + ya.

(*2) samāyikam vimuttim; er erlangt nicht von Zeit zu Zeit Freude und Begeisterung durch das Anhören der Lehre.

(*3) K: »Bei diesem Menschen wird die Sittlichkeit durch seine Weisheit geläutert; und mit solcher durch Weisheit geläuterten Sittlichkeit macht er einen Fortschritt.«

(*4) K: »Dies bezieht sich auf die 'weltliche Sittlichkeit' (lokiya-sīla)«; d.i. das noch mit Trieben behaftete (sāsava) und noch karmische Bindungen schaffende sittliche Handeln eines unerlösten Weltmenschen (puthujjana).

(*5) K: »Dies geschieht, wenn die (zweifache) Erlösung durch Heiligkeit (arahatta-vimutti) gewonnen wird.«

(*6) Bei Erreichung der Frucht der Nichtwiederkehr (anāgāmi-phala), wenn die vierte der zehn Fesseln, Sinnenbegehren (kāmarāga-samyojana), völlig geschwunden ist.

(*7) Bei Erreichung der Heiligkeit, wenn die 9. Fessel, Aufgeregtheit (uddhacca-samyojana), gänzlich beseitigt ist.

(*8) Dieser Text ist gleichlautend mit A.VI.44, mit dem Unterschied, daß im Sechserbuch sechs Menschenarten und hier zehn genannt werden.


A.X. 76 Bedingte Entstehung von Geburt, Alter und Tod

Wären, ihr Mönche, nicht drei Dinge in der Welt anzutreffen, so würde der Vollendete, Heilige, vollkommen Erleuchtete nicht in der Welt erscheinen und die vom Vollendeten verkündete Lehre und Zucht würde nicht in der Welt leuchten. Welches sind diese drei Dinge? Geburt, Alter und Tod. Doch weil eben, ihr Mönche, diese drei Dinge in der Welt anzutreffen sind, deshalb erscheint der Vollendete in der Welt, der Heilige, vollkommen Erleuchtete, und deshalb leuchtet in der Welt die vom Vollendeten verkündete Lehre und Zucht.

Ohne drei Dinge überwunden zu haben, ihr Mönche, ist man außerstande, Geburt, Alter und Tod zu überwinden. Welche drei? Gier, Haß und Verblendung. Ohne die Gier überwunden zu haben, ohne den Haß überwunden zu haben, ohne die Verblendung überwunden zu haben, ohne diese drei Dinge überwunden zu haben, ihr Mönche, ist man nicht imstande, Geburt, Alter und Tod zu überwinden.

Ohne drei Dinge überwunden zu haben, ihr Mönche, ist man außerstande, Gier, Haß und Verblendung zu überwinden. Welche drei? Persönlichkeitsglaube, Zweifel und Hängen an Regeln und Riten...

Ohne drei Dinge überwunden zu haben, ihr Mönche, ist man außerstande, Persönlichkeitsglauben, Zweifel und Hängen an Regeln und Riten zu überwinden. Welche drei? Unweises Nachdenken, Befolgen eines schlechten Pfades und geistige Schlaffheit...

Ohne drei Dinge überwunden zu haben, ihr Mönche, ist man außerstande, unweises Nachdenken, Befolgen eines schlechten Pfades und geistige Schlaffheit zu überwinden. Welche drei? Unachtsamkeit, Unbesonnenheit und geistige Verworrenheit...

Ohne drei Dinge überwunden zu haben, ihr Mönche, ist man außerstande, Unachtsamkeit, Unbesonnenheit und geistige Verworrenheit zu überwinden. Welche drei? Unlust zum Besuche der Edlen, Unlust zum Hören der edlen Lehre und Tadelsucht...

Ohne drei Dinge überwunden zu haben, ihr Mönche, ist man außerstande, Unlust zum Besuche der Edlen, Unlust zum Hören der edlen Lehre und Tadelsucht zu überwinden. Welche drei? Aufgeregtheit, Zügellosigkeit und Sittenlosigkeit...

Ohne drei Dinge überwunden zu haben, ihr Mönche, ist man außerstande, Aufgeregtheit, Zügellosigkeit und Sittenlosigkeit zu überwinden. Welche drei? Vertrauenslosigkeit, Unfreundlichkeit und Trägheit...

Ohne drei Dinge überwunden zu haben, ihr Mönche, ist man außerstande, Vertrauenslosigkeit, Unfreundlichkeit und Trägheit zu überwinden. Welche drei? Unehrerbietigkeit, Unbelehrbarkeit und schlechten Umgang...

Ohne drei Dinge überwunden zu haben, ihr Mönche, ist man außerstande, Unehrerbietigkeit, Unbelehrbarkeit und schlechten Umgang zu überwinden. Welche drei? Schamlosigkeit, Gewissenlosigkeit und Leichtsinn.

Der Schamlose und Gewissenlose, ihr Mönche, ist leichtsinnig. Da er leichtsinnig ist, ist er außerstande, Unehrerbietigkeit, Unbelehrbarkeit und schlechten Umgang zu überwinden. Da er schlechten Umgang pflegt, ist er außerstande, Vertrauenslosigkeit, Unfreundlichkeit und Trägheit zu überwinden. Da er träge ist, ist er außerstande Aufgeregtheit, Zügellosigkeit und Sittenlosigkeit zu überwinden. Da er sittenlos ist ist er außerstande, die Unlust zum Besuche der Edlen, die Unlust zum Hören der edlen Lehre und die Tadelsucht zu überwinden. Da er tadelsüchtig ist, ist er außerstande, Unachtsamkeit, Unbesonnenheit und geistige Verworrenheit zu überwinden. Da er geistig verworren ist, ist er außerstande, unweise Erwägung, das Befolgen eines schlechten Pfades und geistige Schlaffheit zu überwinden. Da er schlaffen Geiste ist, ist er außerstande, den Persönlichkeitsglauben, den Zweifel und das Hängen an Regeln und Riten zu überwinden. Da er voll Zweifel ist, ist er außerstande, Gier Haß und Verblendung zu überwinden. Ohne aber Gier, Haß und Verblendung überwunden zu haben, ist er außerstande, Geburt, Alter und Tod zu überwinden.

Wer aber, ihr Mönche, drei Dinge überwunden hat, ist imstande, Geburt, Alter und Tod zu überwinden. Welche drei? Gier, Haß und Verblendung. Hat man die Gier überwunden, den Haß überwunden, die Verblendung überwunden, hat man, ihr Mönche, diese drei Dinge überwunden, so ist man imstande, Geburt, Alter und Tod zu überwinden.

Wer drei Dinge überwunden hat, ihr Mönche, ist imstande, Gier, Haß und Verblendung zu überwinden. Welche drei? Persönlichkeitsglauben, Zweifel und Hängen an Regeln und Riten.

Wer drei Dinge überwunden hat, ihr Mönche, ist imstande, Persönlichkeitsglauben, Zweifel und Hängen an Regeln und Riten zu überwinden. Welche drei? Unweise Erwägung, Befolgen eines schlechten Pfades und geistige Schlaffheit.

Wer drei Dinge überwunden hat, ihr Mönche, ist imstande, unweise Erwägung, Befolgen eines schlechten Pfades und geistige Schlaffheit zu überwinden. Welche drei? Unachtsamkeit, Unbesonnenheit und geistige Verworrenheit.

Wer drei Dinge überwunden hat, ihr Mönche, ist imstande, Unachtsamkeit, Unbesonnenheit und geistige Verworrenheit zu überwinden. Welche drei? Unlust zum Besuche der Edlen, Unlust zum Hören der edlen Lehre und Tadelsucht.

Wer drei Dinge überwunden hat, ihr Mönche, ist imstande, die Unlust zum Besuche der Edlen, die Unlust zum Hören der edlen Lehre und die Tadelsucht zu überwinden. Welche drei? Aufgeregtheit, Zügellosigkeit und Sittenlosigkeit.

Wer drei Dinge überwunden hat, ihr Mönche, ist imstande, Aufgeregtheit, Zügelosigkeit und Sittenlosigkeit zu überwinden. Welche drei? Vertrauenslosigkeit, Unfreundlichkeit und Trägheit.

Wer drei Dinge überwunden hat, ihr Mönche, ist imstande, Vertrauenslosigkeit, Unfreundlichkeit und Trägheit zu überwinden. Welche drei? Unehrerbietigkeit, Unbelehrbarkeit und schlechten Umgang.

Wer drei Dinge überwunden hat, ihr Mönche, ist imstande, Unehrerbietigkeit, Unbelehrbarkeit und schlechten Umgang zu überwinden. Welche drei? Schamlosigkeit, Gewissenlosigkeit und Leichtsinn.

Wem Schamgefühl und Gewissensscheu eignet, ihr Mönche, der besitzt ernstes Streben. Da er ernst strebt, ist er imstande, Unehrerbietigkeit, Unbelehrbarkeit und schlechten Umgang zu überwinden. Da er edlen Umgang pflegt, ist er imstande, Vertrauenslosigkeit, Unfreundlichkeit und Trägheit zu überwinden. Da er willenskräftig ist, ist er imstande, Aufgeregtheit, Zügellosigkeit und Sittenlosigkeit zu überwinden. Da er sittenrein ist, ist er imstande, die Unlust zum Besuche der Edlen, die Unlust zum Hören der edlen Lehre und die Tadelsucht zu überwinden. Da er frei von Tadelsucht ist, ist er imstande, Unachtsamkeit, Unbesonnenheit und geistige Verworrenheit zu überwinden. Da er frei von geistiger Verworrenheit ist, ist er imstande, unweise Erwägung, das Befolgen eines schlechten Pfades und geistige Schlaffheit zu überwinden. Da er frei von geistiger Schlaffheit ist, ist er imstande, Persönlichkeitsglauben, Zweifel und Hängen an Regeln und Riten zu überwinden. Da er frei von Zweifel ist, ist er imstande, Gier, Haß und Verblendung zu überwinden. Hat er aber Gier, Haß und Verblendung überwunden, so ist er imstande, Geburt, Alter und Tod zu überwinden.


A.X. 77 Der Rabe

Zehn schlechte Eigenschaften, ihr Mönche, besitzt der Rabe. Welche zehn? Er ist ein Schädling, ist dreist, argwöhnisch, gefräßig, grausam, ohne Mitleid, ein Schwächling, ein Schreier, unachtsam, ein Aufspeicherer.

Ebenso auch, ihr Mönche, besitzt der böse Mensch zehn schlechte Eigenschaften. Welche zehn? Er ist ein Schädling, ist dreist, argwöhnisch, gefräßig, grausam, ohne Mitleid, ein Schwächling, ein Schreier, unachtsam, ein Aufspeicherer.


A.X. 78 Die schlechten Eigenschaften der Niganther

Zehn schlechte Eigenschaften, ihr Mönche, besitzen die Niganther. Welche zehn? Vertrauenslos, ihr Mönche, sind die Niganther, sittenlos, schamlos, gewissenlos; sie teilen nicht mit guten Menschen; sie sind überheblich und verachten andere; sie hängen am äußeren Schein, sind hartnäckig und geben schwer nach; sind Heuchler, haben üblen Ehrgeiz und falsche Ansichten (Lesart in PTS: micchāditthikā; ChS hat pāpamittā, 'pflegen schlechten Umgang').


A.X. 79-80 Groll und seine Überwindung

Zehn Fälle von Groll gibt es, ihr Mönche. Welche zehn?

Im Gedanken: »Er hat mir geschadet« empfindet man Groll. Im Gedanken: »Er schadet mir« - »Er wird mir schaden« - »Er hat einem geschadet, der mir lieb und teuer ist« - »Er schadet einem, der mir lieb und teuer ist« - »Er wird einem schaden, der mir lieb und teuer ist« - » Er hat einem geholfen, der mir unlieb und unangenehm ist« - »Er hilft einem, der mir unlieb und unangenehm ist« - »Er wird einem helfen, der mir unlieb und unangenehm ist«, bei solchen Gedanken empfindet man Groll. Und auch ohne sichtbaren Grund wird man ärgerlich. Das, ihr Mönche, sind die zehn Fälle von Groll.

Zehn Überwindungen des Grolles gibt es, ihr Mönche. Welche zehn?

»Was nützt es mir zu denken, daß er mir geschadet hat?«, in diesem Gedanken überwindet man den Groll. »Was nützt es mir zu denken, daß er mir schadet - daß er mir schaden wird - daß er den mir Lieben und Teuren geschadet hat - ihnen schadet - ihnen schaden wird - daß er den mir Unlieben und Unangenehmen geholfen hat - ihnen hilft - ihnen helfen wird?«, bei solchen Gedanken überwindet man den Groll. Und auch ohne sichtbaren Grund wird man nicht ärgerlich.

Das, ihr Mönche, sind die zehn Überwindungen des Grolles.


    Oben  


, ihr Mönche, sind die zehn Überwindungen des Grolles.


    Oben