Majjhima Nikaya, Mittlere Sammlung

M. 87. (IX,7) Piyajātika Sutta (Was einem lieb ist)

DAS HAB' ICH GEHÖRT. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapindikos.

Um diese Zeit nun war irgend einem Hausvater sein einziges, vielgeliebtes Büblein gestorben. Und wie es nun tot war, mocht' er sich weder um Arbeit noch Essen kümmern. Er ging immer wieder zur Leichenstätte und jammerte: 'Wo bist du, einziges Büblein, wo bist du, einziges Büblein?'

Da nun begab sich jener Hausvater dorthin wo der Erhabene weilte, begrüßte den Erhabenen ehrerbietig und setzte sich seitwärts hin. Und zu jenem Hausvater, der da seitwärts saß, wandte sich nun der Erhabene also:

"Nicht zeigst du, Hausvater, die Züge des geistig Gefaßten: es sind deine Züge verstört."

"Wie sollten auch, o Herr, meine Züge nicht verstört sein: ist mir doch, o Herr, das einzige, vielgeliebte Büblein gestorben! Und da es nun tot ist, mag ich mich weder um Arbeit noch Essen kümmern. Ich geh' immer wieder zur Leichenstätte und jammere: 'Wo bist du, einziges Büblein, wo bist du, einziges Büblein?"

"So ist es, Hausvater, so ist es, Hausvater. Was einem lieb ist, Hausvater, gibt ja Wehe und Jammer, Leiden, Gram und Verzweiflung, was von Liebem kommt."

"Wer wird da nur, o Herr, also denken: 'Was einem lieb ist gibt Wehe und Jammer, Leiden, Gram und Verzweiflung, was von Liebem kommt': was einem lieb ist, o Herr, gibt ja Freude und Befriedigung, was von Liebem kommt."

Und jener Hausvater, ungehalten und verstimmt über das Wort des Erhabenen, stand von seinem Sitze auf und ging fort.

Nun waren gerade damals, nicht gar fern vom Erhabenen, viele Würfelspieler beisammen, die Würfel spielten. Da begab sich denn jener Hausvater zu ihnen hin und sprach also:

"Ich war da, ihr Herren, zum Asketen Gotamo gegangen, hatte ehrerbietigen Gruß dargeboten und mich seitwärts hingesetzt. Und als ich da saß, ihr Herren, wandte sich der Asket Gotamo also an mich: 'Nicht zeigst du, Hausvater, die Züge des geistig Gefaßten: es sind deine Züge verstört.' Also angeredet, ihr Herren, entgegnete ich dem Asketen Gotamo: 'Wie sollten auch o Herr, meine Züge nicht verstört sein: ist mir doch, o Herr, das einzige, vielgeliebte Büblein gestorben! Und da es nun tot ist, mag ich mich weder um Arbeit noch Essen kümmern. Ich geh' immer wieder zur Leichenstätte und jammere: 'Wo bist du, einziges Büblein, wo bist du, einziges Büblein?" - 'So ist es, Hausvater, so ist es, Hausvater. Was einem lieb ist, Hausvater, gibt ja Wehe und Jammer, Leiden, Gram und Verzweiflung, was von Liebem kommt.' - 'Wer wird da nur, o Herr, also denken: 'Was einem lieb ist gibt Wehe und Jammer, Leiden, Gram und Verzweiflung, was von Liebem kommt'; was einem lieb ist, o Herr, gibt ja Freude und Befriedigung, was von Liebem kommt.' So sprach ich, ihr Herren, ungehalten und verstimmt über das Wort des Asketen Gotamo, stand von meinem Sitze auf und ging fort."

"So ist es, Hausvater, so ist es, Hausvater! Was einem lieb ist, Hausvater, gibt ja Freude und Befriedigung, was von Liebem kommt."

Da sagte jener Hausvater: "So hab' ich recht, mit den Würfelspielern!" und er ging fort.

Aber dieses Gespräch verbreitete sich allmählich bis an den Hof des Königs. Und König Pasenadi von Kosalo wandte sich an seine Gemahlin Mallika:

"Höre, Mallika, dein Asket Gotamo hat gesagt: 'Was einem lieb ist gibt Wehe und Jammer, Leiden, Gram und Verzweiflung, was von Liebem kommt.'"

"Wenn das, großer König, der Erhabene gesagt hat, dann ist es also."

"Immer doch also gibt diese Mallika, was auch da der Asket Gotamo sagen mag, eben aber auch alles zu: 'Wenn das, großer König, der Erhabene gesagt hat, dann ist es also.' Gleichwie etwa der Lehrer dem Schüler was immer auch sagen mag, und ihm der Schüler eben auf alles zustimmt, 'So ist es,Meister, so ist es, Meister', ebenso auch gibst du, Mallika, was immer auch da der Asket Gotamo sagen mag, eben aber auch alles zu: 'Wenn das, großer König, der Erhabene gesagt hat, dann ist es also. 'Laß' es gut sein, Mallika, hör' auf!"

Da wandte sich Königin Mallika an den Brahmanen Nalijangho und bat ihn:

"Begib dich, Brahmane, zum Erhabenen hin und bring' dem Erhabenen zu Füßen meinen Gruß dar und wünsche Gesundheit und Frische, Munterkeit, Stärke und Wohlsein: 'Mallika', sage, 'O Herr, die Königin, bringt dem Erhabenen zu Füßen Gruß dar und wünscht Gesundheit und Frische, Munterkeit, Stärke und Wohlsein'; und füge hinzu: 'hat wohl, o Herr, der Erhabene dieses Wort gesprochen: 'Was einem lieb ist gibt Wehe und Jammer, Leiden, Gram und Verzweiflung, was von Liebem kommt'?' Und wie dir der Erhabene antworten wird, das merke dir gut und melde mir. Denn die Vollendeten reden nicht unvollkommen."

"Schön, Herrin!" entgegnete da gehorsam Nalijangho der Brahmane Mallika der Königin. Und er begab sich dorthin wo der Erhabene weilte, tauschte höflichen Gruß und freundliche, denkwürdige Worte mit dem Erhabenen und setzte sich seitwärts nieder. Seitwärts sitzend sprach nun Nalijangho der Brahmane zum Erhabenen also:

" Mallika, o Gotamo, die Königin, bringt Herrn Gotamo zu Füßen Gruß dar und wünscht Gesundheit und Frische, Munterkeit, Stärke und Wohlsein; und sie fügte hinzu: hat wohl, o Herr, der Erhabene dieses Wort gesprochen: 'Was einem lieb ist gibt Wehe und Jammer, Leiden, Gram und Verzweiflung, was von Liebem kommt'?"

"So ist es, Brahmane, so ist es, Brahmane. Was einem lieb ist, Brahmane, gibt ja Wehe und Jammer, Leiden, Gram und Verzweiflung, was von Liebem kommt. Darum muß man es eben, Brahmane, je nach dem Umstand beurteilen, wie da was einem lieb ist Wehe und Jammer gibt, Leiden, Gram und Verzweiflung, was von Liebem kommt. Eines Tages, Brahmane, war eben , hier zu Sāvatthī irgendeinem Weibe die Mutter gestorben. Durch deren Tod irrsinnig, geistesverstört geworden lief sie von Straße zu Straße, von Markt zu Markt und schrie: 'Habt ihr nicht meine Mutter gesehn, habt ihr nicht meine Mutter gesehn?' Darum soll man es eben, Brahmane, je nach dem Umstand beurteilen, wie da was einem lieb ist Wehe und Jammer gibt, Leiden, Gram und Verzweiflung, was von Liebem kommt.

"Eines Tages, Brahmane, war eben hier zu Sāvatthī irgendeinem Weibe der Vater gestorben - war der Bruder, die Schwester gestorben - war der Sohn, war die Tochter gestorben - war der Gatte gestorben. Durch dessen Tod irrsinnig, geistesverstört geworden lief sie von Straße zu Straße, von Markt zu Markt und schrie: 'Habt ihr nicht meinen Gatten gesehn, habt ihr nicht meinen Gatten gesehn?' Darum soll man es eben, Brahmane, je nach dem Umstand beurteilen, wie da was einem lieb ist Wehe und Jammer gibt, Leiden, Gram und Verzweiflung, was von Liebem kommt.

"Eines Tages, Brahmane, war eben hier zu Sāvatthī irgendeinem Manne die Mutter gestorben - war der Vater gestorben - war der Bruder, die Schwester gestorben - war der Sohn, war die Tochter gestorben - war die Frau gestorben. Durch deren Tod irrsinnig, geistesverstört geworden, lief er von Straße zu Straße, von Markt zu Markt und schrie: 'Habt ihr nicht meine Frau gesehn, habt ihr nicht meine Frau gesehn?' Darum soll man es eben, Brahmane, je nach dem Umstand beurteilen, wie da was einem lieb ist Wehe und Jammer gibt, Leiden, Gram und Verzweiflung, was von Liebem kommt.

"Eines Tages, Brahmane, war eben hier zu Sāvatthī irgendein Weib zu Verwandten ins Haus gekommen. Und die Verwandten verboten dieser, mit ihrem Gatten zu leben, wollten sie einem anderen vermählen: sie aber mochte den nicht. Und sie beschwor ihren Mann: 'Diese Verwandten, o Gemahl, reißen mich von dir und wollen mich einem anderen vermählen: ich aber mag den nicht!' Und der Mann gab seinem Weibe den Tod und entleibte sich Selbst: 'Gestorben werden wir beisammen sein!' Darum soll man es eben, Brahmane, je nach dem Umstand beurteilen, wie da was einem lieb ist Wehe und Jammer gibt, Leiden, Gram und Verzweiflung, was von Liebem kommt."

Und Nalijangho der Brahmane, durch des Erhabenen Rede erfreut und befriedigt, stand auf und begab sich zu Mallika der Königin zurück und berichtete Wort für Wort das ganze Gespräch, das der Erhabene mit ihm gepflogen. Und Königin Mallika ging nun zu König Pasenadi von Kosalo hin und sprach also:

"Was meinst du wohl, großer König: hast du deine Tochter Vajira lieb?"

"Gewiß, Mallika, hab' ich meine Tochter Vajiri lieb."

"Was meinst du wohl, großer König: wenn deiner Tochter Vajira etwas verschlüge, etwas geschähe, würdest du da Wehe und Jammer, Leiden, Gram und Verzweiflung empfinden?"

"Wenn, Mallika, meiner Tochter Vajiri etwas verschlüge, etwas geschähe, könnt' es auch um mein Leben geschehn sein: wie sollt' ich da etwa nicht Wehe und Jammer, Leiden, Gram und Verzweiflung empfinden!"

"Daran aber, großer König, hat Er gedacht, der Erhabene, der Kenner, der Seher, der Heilige, vollkommen Erwachte, als er gesagt hat: 'Was einem lieb ist gibt Wehe und Jammer, Leiden, Gram und Verzweiflung, was von Liebem kommt.' - Was meinst du wohl, großer König: hast du die Fürstin Vasabha lieb?"

"Was meinst du wohl, großer König: wenn der Fürstin Vasabha etwas verschlüge, etwas geschähe, würdest du da Wehe und Jammer, Leiden, Gram und Verzweiflung empfinden?"

"Wenn, Mallika, der Fürstin Vasabha etwas verschlüge, etwas geschähe, könnt' es auch um mein Leben geschehn sein: wie sollt' ich da etwa nicht Wehe und Jammer, Leiden, Gram und Verzweiflung empfinden!"

"Daran aber, großer König, hat Er gedacht, der Erhabene, der Kenner, der Seher, der Heilige, vollkommen Erwachte, als er gesagt hat: 'Was einem lieb ist gibt Wehe und Jammer, Leiden, Gram und Verzweiflung, was von Liebem kommt.' - Was meinst du wohl, großer König: hast du den Feldherrn Vidudabho lieb?"

"Freilich, Mallika, hab' ich den Feldherrn Vidudabho lieb."

"Was meinst du wohl, großer König: wenn dem Feldherrn Vidudabho etwas verschlüge, etwas geschähe, würdest du da Wehe und Jammer, Leiden , Gram und Verzweiflung empfinden?"

"Wenn, Mallika, dem Feldherrn Vidudabho etwas verschlüge, etwas geschähe, könnt' es auch um mein Leben geschehn sein: wie sollt' ich da etwa nicht Wehe und Jammer, Leiden, Gram und Verzweiflung empfinden!"

"Daran aber, großer König, hat Er gedacht, der Erhabene, der Kenner, der Seher, der Heilige, vollkommen Erwachte, als er gesagt hat: 'Was einem lieb ist gibt Wehe und Jammer, Leiden, Gram und Verzweiflung, was von Liebem kommt.' - Was meinst du wohl, großer König: hast du mich lieb?"

"Gewiß, Mallika, hab' ich dich lieb."

"Was meinst du wohl, großer König: wenn mir etwas verschlüge, etwas geschähe, würdest du da Wehe und Jammer, Leiden, Gram und Verzweiflung empfinden?"

"Wenn, Mallika, dir etwas verschlüge, etwas geschähe, könnt' es auch um mein Leben geschehn sein: wie sollt' ich da etwa nicht Wehe und Jammer, Leiden, Gram und Verzweiflung empfinden!"

"Daran aber, großer König, hat Er gedacht, der Erhabene, der Kenner, der Seher, der Heilige, vollkommen Erwachte, als er gesagt hat: 'Was einem lieb ist gibt Wehe und Jammer, Leiden, Gram und Verzweiflung, was von Liebem kommt.' - Was meinst du wohl, großer König: hast du dein Reich Benares und Kosalo lieb?"

"Sicherlich, Mallika, hab' ich mein Reich Benares und Kosalo lieb: durch die Macht meines Reiches Benares und Kosalo besitzen wir Seide und Sandel, haben Schmuck und duftende Salben."

"Was meinst du wohl, großer König: wenn deinem Reiche Benares und Kosalo etwas verschlüge, etwas geschähe, würdest du da Wehe und Jammer, Leiden, Gram und Verzweiflung empfinden?"

"Wenn, Mallika, meinem Reiche Benares und Kosalo etwas verschlüge, etwas geschähe, könnt' es auch um mein Leben geschehn sein: wie sollt' ich da etwa nicht Wehe und Jammer, Leiden, Gram und Verzweiflung empfinden!"

"Daran aber, großer König, hat Er gedacht, der Erhabene, der Kenner, der Seher, der Heilige, vollkommen Erwachte, als er gesagt hat: 'Was einem lieb ist gibt Wehe und Jammer, Leiden, Gram und Verzweiflung, was von Liebem kommt.'"

"Wunderbar, Mallika, außerordentlich, Mallika, ist es, wie da Er, der Erhabene, weise durchdringend, weise blickt! Wohl denn, Mallika: rühme weiter!"

Und König Pasenadi von Kosalo stand auf von seinem Sitze, entblößte eine Schulter, verneigte sich ehrerbietig nach der Richtung wo der Erhabene weilte, und ließ dann dreimal den Gruß ertönen:


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