Majjhima Nikaya, Mittlere Sammlung

M. 74. (VIII,4) Dīghanaka Sutta (Dīghanakho)

DAS HAB' ICH GEHÖRT. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Rajagaham, am Geierkulm, zu Eberswühl.

Da nun begab sich Dīghanakho, ein Pilger, dorthin wo der Erhabene weilte, wechselte höflichen Gruß und freundliche, denkwürdige Worte mit dem Erhabenen und stellte sich seitwärts hin. Seitwärts stehend sprach nun Dīghanakho der Pilger also zum Erhabenen:

"Ich aber, o Gotamo, sage und lehre: 'Nichts gefällt mir.'"

"Und auch die Lehre da, Aggivessano, die du behauptest, 'Nichts gefällt mir', gefällt dir auch diese nicht?"

"Und wenn mir, o Gotamo, diese Lehre gefiele, so wär's doch nur dasselbe, so wär's doch nur dasselbe!"

"Nun gibt es freilich, Aggivessano, viel mehr der Menschen in der Welt, die mit dir sagen 'So wär's doch nur dasselbe, so wär's doch nur dasselbe', und die zwar diese Lehre nicht lassen und doch eine andere annehmen. Nun gibt es freilich, Aggivessano, viel weniger Menschen in der Welt, die mit dir sagen 'So wär's doch nur dasselbe, so wär's doch nur dasselbe', und die eben diese Lehre lassen und eine andere nicht annehmen.

"Manche Asketen und Priester, Aggivessano, sagen und lehren: 'Alles gefällt mir.' Manche Asketen und Priester, Aggivessano, sagen und lehren: 'Nichts gefällt mir.' Manche Asketen und Priester, Aggivessano, sagen und lehren: 'Manches gefällt mir, manches mißfällt mir.' Den Asketen und Priestern nun, Aggivessano, die da sagen und lehren 'Alles gefällt mir', denen gereicht diese Lehre zum Reize, zur Lockung, zur Freude, zum Behagen, zum Anhalt. Den Asketen und Priestern nun, Aggivessano, die da sagen und lehren 'Nichts gefällt mir', denen gereicht diese Lehre nicht zum Reize, nicht zur Lockung, nicht zur Freude, nicht zum Behagen, nicht zum Anhalt."

Auf diese Worte hin wandte sich Dīghanakho der Pilger also an den Erhabenen:

"Meinen Lehrsatz lobt Herr Gotamo, meinen Lehrsatz belobt Herr Gotamo!"

"Den Asketen und Priestern nun, Aggivessano, die da sagen und lehren 'Manches gefällt mir, manches mißfällt mir', was denen ihrer Lehre gemäß gefällt gereicht ihnen zum Reize, zur Lockung, zur Freude, zum Behagen, zum Anhalt: und was denen ihrer Lehre gemäß mißfällt gereicht ihnen nicht zum Reize, nicht zur Lockung, nicht zur Freude, nicht zum Behagen, nicht zum Anhalt.

"Hier aber ist nun, Aggivessano, der Körper, der geformt, aus den vier Hauptstoffen entstanden, von Vater und Mutter gezeugt, durch Speise und Trank entwickelt, dem Vergehn, dem Untergang, der Aufreibung, Auflösung, der Zerstörung verfallen ist, als wandelbar, wehe, siech, bresthaft, schmerzhaft, übel , gebrechlich, ohnmächtig, hinfällig, eitel, als nichtig zu betrachten. Wer diesen Körper als wandelbar, wehe, siech, bresthaft, schmerzhaft, übel, gebrechlich, ohnmächtig, hinfällig, eitel, als nichtig betrachtet, dem vergeht was beim Körper Körperlust, Körperliebe, Körperverlangen ist.

"Drei Arten von Gefühlen, Aggivessano, gibt es: 

 

 

In solchem Anblick, Aggivessano, wird der erfahrene heilige Jünger des wohligen Gefühles überdrüssig und wird des wehen Gefühles überdrüssig und wird des weder wohlig noch wehen Gefühles überdrüssig. Überdrüssig wendet er sich ab. Abgewandt löst er sich los. 'Im Erlösten ist die Erlösung', diese Erkenntnis geht auf. 'Versiegt ist die Geburt, vollendet das Asketentum, gewirkt das Werk, nicht mehr ist diese Welt' versteht er da.

"Ein also gemüterlöster Mönch, Aggivessano, spricht keinem zu, spricht keinem ab, und was in der Welt geredet wird läßt er unberührt."

Um diese Zeit nun hatte der ehrwürdige Sariputto hinter dem Erhabenen gestanden und dem Erhabenen Kühlung gefächelt. Und der ehrwürdige Sariputto gedachte da: 'Diese und jene Dinge soll man, sagt der Erhabene, durchschauen und lassen, diese und jene Dinge soll man, sagt der Willkommene, durchschauen und verleugnen!' Und als der ehrwürdige Sariputto solches im Geiste erwog, löste sich ihm das Herz vom Wahne haftlos ab.

Dīghanakho aber, dem Pilger, ging das abgeklärte, abgespülte Auge der Wahrheit auf:
 

'Was irgend auch entstanden ist 
Muß alles wieder untergehn.'

Und Dīghanakho der Pilger, der die Wahrheit gesehn, die Wahrheit gefaßt, die Wahrheit erkannt, die Wahrheit ergründet hatte, zweifelentronnen, ohne Schwanken, in sich selber gewiß, auf keinen anderen gestützt im Orden des Meisters, der wandte sich nun an den Erhabenen also:

"Vortrefflich, o Gotamo, vortrefflich, o Gotamo! Gleichwie etwa, o Gotamo, als ob man Umgestürztes aufstellte, oder Verdecktes enthüllte, oder Verirrten den Weg zeigte, oder Licht ins Dunkle hielte: 'Wer Augen hat wird die Dinge sehn': ebenso auch hat Herr Gotamo die Lehre gar vielfach dargelegt. Und so nehm' ich bei Herrn Gotamo Zuflucht, bei der Lehre und bei der Jüngerschaft: als Anhänger möge mich Herr Gotamo betrachten, von heute an zeitlebens getreu."


 Home Oben Zum Index Zurueck Voraus