Majjhima Nikaya, Mittlere Sammlung

M. 45. (V,5) Cūladhammasamādāna Sutta, Die Lebensführung I

DAS HAB' ICH GEHÖRT. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapindikos. Dort nun wandte sich der Erhabene an die Mönche: "Ihr Mönche!" - "Erlauchter!" - antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

"Vier Arten der Lebensführung gibt es, ihr Mönche: welche vier? 

"Was ist das aber, ihr Mönche, für eine Lebensführung, die gegenwärtiges Wohl und künftiges Wehe bringt? 

Manche Asketen und Brahmanen, ihr Mönche, sagen und lehren : 'Wir finden kein Arg an der Lust,' Sie lassen der Lust freien Lauf, pflegen Umgang mit lockigen Nonnen und sagen: 'Warum haben doch jene lieben Asketen und Brahmanen aus Vorsicht vor kommender Schrecknis Verleugnung der Lust gepredigt, Überwindung der Lust gelehrt? Süß ist die Umarmung mit dieser jungen, geschmeidigen, flaumigen Nonne!' So reden sie und lassen die Lust gewähren. Haben sie die Lust gewähren lassen, so gelangen sie bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, abwärts, auf schlechte Fährte, in Verderben und Unheil, und empfinden schmerzliche, brennende, stechende Gefühle. Dann sagen sie : 'Dieses Schreckliche da haben jene lieben Asketen und Brahmanen vorausgesehen und Verleugnung der Lust gepredigt, Überwindung der Lust gelehrt: denn Lust ist der Grund, Lust ist die Ursache, daß wir jetzt schmerzliche, brennende, stechende Gefühle empfinden!'

 

"Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn gegen Ende des Sommers ein kriechendes Schlinggewächs Frucht trüge, und es fiele ein Samenkorn an die Wurzel eines Prachtbaumes. Da würde, ihr Mönche, die Gottheit die in dem Baume lebt, erschreckt und bestürzt, in Aufregung geraten. Aber nun kämen, ihr Mönche, Freunde und Verwandte der Gottheit herbei, die Haingottheiten, die Waldgottheiten, die Baumgottheiten, alle die Götter die Kräuter, Gräser und Wipfel beleben versammelten sich und sprächen tröstend im Chore: 'Fürchte dich nicht, Lieber! Fürchte dich nicht, Lieber! Ganz sicher wird ja dieses Samenkorn von einem Fasan verschlungen oder von einem Reh zerkaut oder bei einem Forstbrand vernichtet oder von Waldarbeitern aufgelesen oder von Termiten fortgeschleppt werden, oder es wird überhaupt nicht keimen.' Doch dieses Samenkorn, ihr Mönche, würde weder von einem Fasan verschlungen noch von einem Reh zerkaut noch bei einem Forstbrand vernichtet noch von Waldarbeitern aufgelesen noch von Termiten fortgeschleppt werden, sondern würde keimen. Während der Regenzeit wände es sich empor, wüchse sich völlig aus, wäre Liane geworden, jung, geschmeidig, flaumig, Ranken treibend, und süchtig umklammerte diese den Prachtbaum. Da wäre nun, ihr Mönche, der Gottheit die in diesem Baume lebt also zumute: 'Warum haben doch meine lieben Freunde und Verwandten, die Haingottheiten, die Waldgottheiten, die Baumgottheiten, die Götter der Kräuter, Gräser und Wipfel kommende Schrecknis vom Samenkorne befürchtet und insgesamt also mir zugesprochen: 'Fürchte dich nicht, Lieber! Fürchte dich nicht, Lieber! Ganz sicher wird ja dieses Samenkorn von einem Fasan verschlungen oder von einem Reh zerkaut oder bei einem Forstbrand vernichtet oder von Waldarbeitern aufgelesen oder von Termiten fortgeschleppt werden, oder es wird überhaupt nicht keimen': süß ist es ja, von dieser jungen, geschmeidigen, flaumigen Liane umrankt zu werden!' Und sie schlängelte sich um den Prachtbaum herum, um den Prachtbaum herumgeschlängelt, verzweigte sie sich oben, oben verzweigt wirkte sie einen Rankenschleier herab, und mit diesem Rankenschleier erstickte sie dann die mächtigen, mächtigen Stämme des Prachtbaumes. Da wäre nun, ihr Mönche, der Gottheit die in diesem Baume lebt also zumute: 'Das ist das Schreckliche, das meine lieben Freunde und Verwandten, die Haingottheiten, die Waldgottheiten, die Baumgottheiten, die Götter der Kräuter, Gräser und Wipfel vorausgesehn haben, und deshalb haben sie mich alle zusammen trösten wollen: denn jenes Samenkorn ist die Ursache, daß ich schmerzliche, brennende, stechende Gefühle empfinde!' -:

Ebenso nun auch, ihr Mönche, sagen und lehren da manche Asketen und Brahmanen: 'Wir finden kein Arg an der Lust.' Sie lassen der Lust freien Lauf, pflegen Umgang mit lockigen Nonnen und sagen: 'Warum haben doch jene lieben Asketen und Brahmanen aus Vorsicht vor kommender Schrecknis Verleugnung der Lust gepredigt, Überwindung der Lust gelehrt? Süß ist die Umarmung mit dieser jungen, geschmeidigen, flaumigen Nonne!' So reden sie und lassen die Lust gewähren. Haben sie die Lust gewähren lassen, so gelangen sie bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, abwärts, auf schlechte Fährte, in Verderben und Unheil, und empfinden schmerzliche, brennende, stechende Gefühle. Dann sagen sie: 'Dieses Schreckliche da haben jene lieben Asketen und Brahmanen vorausgesehen und Verleugnung der Lust gepredigt, Überwindung der Lust gelehrt: denn Lust ist der Grund, Lust ist die Ursache, daß wir jetzt schmerzliche, brennende, stechende Gefühle empfinden!' Das nennt man, ihr Mönche, eine Lebensführung, die gegenwärtiges Wohl und zukünftiges Wehe einbringt.

 

"Was ist das aber, ihr Mönche, für eine Lebensführung, die gegenwärtiges Wehe sowie künftiges Wehe bringt? 

Da ist einer, ihr Mönche, ein Unbekleideter, ein Ungebundener, ein Handverköster (*1) kein Ankömmling, kein Abwärtling, 

Der gelangt bei der Auflösung des Körpers ,nach dem Tode, abwärts, auf schlechte Fährte, in Verderben und Unheil. Das nennt man, ihr Mönche, eine Lebensführung, die gegenwärtiges Wehe sowie künftiges Wehe bringt.


(*1) Von Vollmond bis Neumond von 15 auf Null Bissen täglicher Nahrung fallend und dann wieder bis 15 Bissen steigend; eine Hungerkasteiung von je 1/2 Monat, die bei den Brahmanen in höchstem Ansehen steht. 


"Was ist das aber, ihr Mönche, für eine Lebensführung, die gegenwärtiges Wehe und künftiges Wohl bringt? 

Da ist einer, ihr Mönche, von Natur aus heftigem Begehren geneigt, und das Begehren läßt ihn oft Schmerz und Qual empfinden; ist von Natur aus heftigem Hasse geneigt, und der Hass läßt ihn oft Schmerz und Qual empfinden; ist von Natur aus heftigem Wahne geneigt, und der Wahn läßt ihn oft Schmerz und Qual empfinden. Und nur mit Schmerzen, nur mit Qualen, nur unter bitteren Tränen kann er das lautere, reine Leben der Heiligkeit führen. Der gelangt bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, auf gute Fährte, in selige Welt, Das nennt man, ihr Mönche, eine Lebensführung, die gegenwärtiges Wehe und künftiges Wohl bringt.

 

"Und was für eine Lebensführung ist es, ihr Mönche, die gegenwärtiges Wohl sowie künftiges Wohl bringt? 

Da ist einer, ihr Mönche, von Natur aus heftigem Begehren nicht geneigt, und das Begehren läßt ihn selten Schmerz und Qual empfinden; ist von Natur aus heftigem Hasse nicht geneigt, und der Haß läßt ihn selten Schmerz und Qual empfinden; ist von Natur aus heftigem Wahne nicht geneigt, und der Wahn läßt ihn selten Schmerz und Qual empfinden. Gar fern von Begierden, fern von unheilsamen Dingen, weilt er in sinnend gedenkender ruhegeborener seliger Heiterkeit, in der Weihe der ersten Schauung. Nach Vollendung des Sinnens und Gedenkens erwirkt er die innere Meeresstille, die Einheit des Gemütes, die von sinnen, von gedenken freie, in der Einigung geborene selige Heiterkeit, die Weihe der zweiten Schauung. In heiterer Ruhe verweilt er gleichmütig, einsichtig, klar bewußt, ein Glück empfindet er im Körper, von dem die Heiligen sagen: 'Der gleichmütig Einsichtige lebt beglückt'; so erwirkt er die Weihe der dritten Schauung. Nach Verwerfung der Freuden und Leiden, nach Vernichtung des einstigen Frohsinns und Trübsinns erwirkt er die Weihe der leidlosen, freudlosen, gleichmütig einsichtigen vollkommenen Reine, die vierte Schauung. Der gelangt bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, auf gute Fährte, in selige Welt. Das nennt man, ihr Mönche, eine Lebensführung, die gegenwärtiges Wohl sowie künftiges Wohl bringt. 

Das sind, ihr Mönche, die vier Arten der Lebensführung."

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des Erhabenen.


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