Majjhima Nikaya, Mittlere Sammlung

M. 34. (IV,4) Cūlagopālaka Sutta, Der Rinderhirt II

DAS HAB' ICH GEHÖRT. Zu einer Zeit weilte der Erhabene im Vajji-Lande, bei Ukkacela, am Gestade des Ganges. Dort nun wandte sich der Erhabene an die Mönche: "Ihr Mönche!" - "Erlauchter!" antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

"Es war einmal, ihr Mönche, in Magadha ein Rinderhirt von trübem Verstande, der im letzten Monat der Regenzeit, im Herbste, ohne Untersuchung des diesseitigen Ufers, ohne Untersuchung des jenseitigen Ufers des Ganges seine Herde aufs Geratewohl in den Strom trieb, hinüber zum Ufer von Suvideha. Als nun, ihr Mönche, die Rinder in die Mitte des Ganges, in die Strömung gelangt waren, da überschlugen sie sich und gingen elend zugrunde. Und warum das? Weil ja, ihr Mönche, jener unverständige Rinderhirt aus Magadha im letzten Monat der Regenzeit, im Herbste, ohne Untersuchung des diesseitigen Ufers, ohne Untersuchung des jenseitigen Ufers des Ganges seine Herde aufs Geratewohl in den Strom trieb, hinüber zum Ufer von Suvideha.

"Ebenso nun auch, ihr Mönche, ist es mit jenen Asketen oder Priestern, die diese Welt nicht verstehen und jene Welt nicht verstehen, das Reich der Natur nicht verstehen und das Reich der Freiheit nicht verstehen, die Zeitlichkeit nicht verstehen und die Ewigkeit nicht verstehen, wer der Schwimmkunst jener trauen will, dem wird es zu langem Unheil und Leiden gereichen.

"Es war einmal, ihr Mönche, in Magadha ein Rinderhirt von hellem Verstande, der im letzten Monat der Regenzeit, im Herbste, nach genauer Untersuchung des diesseitigen Ufers, nach genauer Untersuchung des jenseitigen Ufers des Ganges seine Herde in eine richtige Furt trieb, hinüber zum Ufer von Suvideha. Zuerst trieb er die Stiere hinein, die Väter der Herde, die Führer der Herde; diese durchkreuzten die Strömung des Ganges und gelangten heil an das andere Ufer. Hierauf trieb er die starken Kühe und Ochsen hinein, und auch diese durchkreuzten die Strömung des Ganges und gelangten heil an das andere Ufer. Hierauf trieb er die Farren und Färsen hinein, und auch diese durchkreuzten die Strömung des Ganges und gelangten heil an das andere Ufer. Hierauf trieb er die schwächlichen Kälbchen hinein, und auch diese durchkreuzten die Strömung des Ganges und gelangten heil an das andere Ufer. Zuletzt, ihr Mönche, war noch ein zartes Kälblein da, eben erst geboren, der Mutter mit Wehegebrüll entrissen, und auch dieses durchkreuzte die Strömung des Ganges und gelangte heil an das andere Ufer. Und warum das? Weil ja, ihr Mönche, jener verständige Rinderhirt aus Magadha im letzten Monat der Regenzeit, im Herbste, nach genauer Untersuchung des diesseitigen Ufers, nach genauer Untersuchung des jenseitigen Ufers des Ganges seine Herde in eine richtige Furt trieb, hinüber zum Ufer von Suvideha.

"Ebenso nun auch, ihr Mönche, ist es mit jenen Asketen oder Priestern, die diese Welt verstehen und jene Welt verstehen, das Reich der Natur verstehen und das Reich der Freiheit verstehen, die Zeitlichkeit verstehen und die Ewigkeit verstehen: wer der Schwimmkunst jener trauen will, dem wird es zu langem Wohle und Heile gereichen.

"Gleichwie nun, ihr Mönche, jene Stiere, die Väter der Herde, die Führer der Herde, die Strömung des Ganges durchkreuzten und heil an das andere Ufer gelangten: ebenso nun auch, ihr Mönche, haben jene Mönche, die Heilige, Wahnversieger, Endiger sind, die das Werk gewirkt, die Bürde abgelegt, das Heil errungen, die Daseinsfesseln vernichtet haben, die in vollkommener Weisheit Erlösten, haben diese die Strömung der Natur durchkreuzt und sind heil an das andere Ufer gelangt.

"Gleichwie nun, ihr Mönche, jene starken Kühe und Ochsen die Strömung des Ganges durchkreuzten und heil an das andere Ufer gelangten: ebenso nun auch, ihr Mönche, werden jene Mönche, welche nach Vernichtung der fünf niederzerrenden Fesseln emporsteigen, um von dort aus zu erlöschen, die nicht mehr zurückkehren nach jener Welt, werden auch sie die Strömung der Natur durchkreuzen und heil an das andere Ufer gelangen.

"Gleichwie nun, ihr Mönche, jene Farren und Färsen die Strömung des Ganges durchkreuzten und heil an das andere Ufer gelangten: ebenso nun auch, ihr Mönche, werden jene Mönche, welche die drei Fesseln vernichtet haben, die von Gier, Haß und Irre Erleichterten, fast schon Geläuterten, die nur einmal wiederkehren, nur einmal noch zu dieser Welt gekommen dem Leiden ein Ende machen, werden auch sie die Strömung der Natur durchkreuzen und heil an das andere Ufer gelangen.

"Gleichwie nun, ihr Mönche, jene schwächlichen Kälbchen die Strömung des Ganges durchkreuzten und heil an das andere Ufer gelangten: ebenso nun auch, ihr Mönche, werden jene Mönche, welche nach Vernichtung der drei Fesseln Hörer der Botschaft geworden, dem Verderben entronnen sind, zielbewußt der vollen Erwachung entgegeneilen, werden auch diese die Strömung der Natur durchkreuzen und heil an das andere Ufer gelangen.

"Gleichwie nun, ihr Mönche, jenes zarte Kälblein, das eben erst geboren, der Mutter mit Wehegebrüll entrissen ward, die Strömung des Ganges durchkreuzte und heil an das andere Ufer gelangte: ebenso nun auch, ihr Mönche, werden jene Mönche, welche der Wahrheit ergeben, der Lehre ergeben sind, werden auch diese die Strömung der Natur durchkreuzen und heil an das andere Ufer gelangen.

"Ich aber, ihr Mönche, verstehe diese Welt und verstehe jene Welt, verstehe das Reich der Natur und verstehe das Reich der Freiheit, verstehe die Zeitlichkeit und verstehe die Ewigkeit. Und die meiner Schwimmkunst trauen wollen, ihr Mönche, denen wird es zu langem Wohle und Heile gereichen."

Also sprach der Erhabene. Als der Willkommene das gesagt hatte, sprach fernerhin also der Meister:
 

"So diese Welt wie jene Welt 
Hat klar der Kenner aufgehellt: 
Naturgebiet, Naturgebot, 
Und Freiheit, Ende aller Not. 

 

"Verstanden hat der wache Mann 
Das ganze Dasein, weit und breit, 
Und sichres Tor zur Ewigkeit, 
Zur Wahnesruhe aufgetan. 

 

"Des Bösen Strömung ist zerkriegt, 
Zerstört, zerstoben und versiegt. 
Seid heiter, Jünger, euer Teil 
Ist sichrer Toderlösung Heil." 

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