Vimāna Vatthu

16. Sirimā

Nachdem die berühmte Kurtisane von Rājagaham, Sirimā, die Frucht des Stromeintritts erreicht hatte, wie in Nr. 15 geschildert, widerstand es ihr, weiter ihr Gewerbe auszuüben. Stattdessen widmete sie sich der Versorgung des Ordens und freute sich an guten Werken. Sie richtete es ein, daß täglich acht Mönche bei ihr speisen konnten und gab dafür Tickets aus, die im Orden sinnvoll verteilt wurden. Stets bediente und versorgte sie eigenhändig diese Mönche. Sie gab so reichlich, daß es jedem für drei oder vier gereicht hätte. Täglich wendete sie 16 Kahapanas für Almosen auf.

 

Einer der acht Mönche, die eines Tages bei ihr gespeist hatten, ging nach dem Mahle zu seinem drei Meilen (etwa 50 km) entfernten Kloster. Dort wurde er von den Älteren gefragt, ob er an diesem Tage auch genug zu essen erhalten habe. Da berichtete er von Sirimās Einrichtung, täglich acht Mönche zu speisen. Auf die Frage, ob das Essen auch gut zubereitet sei, begann er regelrecht zu schwärmen: Es sei unbeschreiblich gut. Es gäbe von allem nur das Beste, und man bekäme so reichlich, daß es für drei oder vier reichen würde. Doch ihr Anblick selber übertreffe noch ihre Gaben. Und er sprach davon, wie liebreizend und anmutig diese Frau in ihrer Ergebenheit zum Orden sei.

 

Als einer der Mönche diesen Bericht hörte, wurde er vom bloßen Hörensagen in sie verliebt, obwohl er sie nie gesehen hatte. Er hatte nichts anderes im Kopf, als sich ihren Anblick zu verschaffen. So richtete er es ein, daß er in der Frühe des nächsten Tages eines der Tickets bekam. Gerade an jenem Tage aber hatte Sirimā eine Krankheit befallen. Sie hatte all ihren Schmuck abgelegt und sich zu Bett gelegt. Als ihr die Ankunft der acht Mönche gemeldet wurde, war sie nicht fähig, sie zu bedienen, und so überließ sie es ihren Dienerinnen, alles zu arrangieren. Als allen Mönchen ihre Schalen gefüllt waren und das Mahl begann, erhob sich Sirimā, mühsam auf zwei Dienerinnen gestützt, die Arme um sie geschlungen, um die Mönche zu begrüßen. Ihr Körper aber zitterte vor Schwäche. Als der verliebte Mönch sie so sah, schoß es ihm durch den Kopf: "Selbst wenn sie krank ist, hat sie diese strahlende Schönheit, wie erst muß ihre Schönheit wirken, wenn sie gesund ist und mit all ihrem Schmuck geziert!" Und lange, lange Zeiten angestaute Leidenschaft stieg in ihm auf. Er war nicht fähig zu essen, nahm seine Schale und wanderte zu seinem Kloster zurück. Dort bedeckte er die Schale und legte sich nieder. Vergebens versuchte ein Freund, ihn zum Essen zu bewegen. Am Abend des gleichen Tages starb Sirimā. König Bimbisāro sandte dem Erwachten die Botschaft: "o Herr, Jīvakos jüngere Schwester ist gestorben." Der Buddha ließ ihm bestellen, Sirimās Körper möge noch nicht verbrannt, sondern auf der Leichenstätte hingelegt werden. Dabei solle der Leichnam so bewacht werden, daß keine Krähen und anderen Tiere ihn fressen könnten. So geschah es. Es vergingen drei Tage, dann war der Leichnam aufgedunsen und wimmelte von Würmern, die aus den neun Körperöffnungen hervorkrochen. Der Körper glich dem Inhalt eines Topfes mit kochendem Reis, wo Blasen aufstiegen. Nun erließ König Bimbisāro eine Anordnung, daß alle erwachsenen Einwohner von Rājagaham bei Strafe von acht Kahapanas verpflichtet seien, Sirimā im jetzigen Zustand anzuschauen. Er schickte auch eine Botschaft zum Erwachten und bat ihn, zusammen mit den Mönchen ebenfalls zur Leichenstätte zu kommen.

Der verliebte Mönch hatte die vier Tage nichts gegessen. Die Speise in seiner Schale wimmelte auch von Würmern. Sein Freund kam zu ihm und sagte: "Bruder, der Lehrer wird gehen, um Sirimā zu sehen." Auf das bloße Wort Sirimā sprang jener wie elektrisiert auf und vergaß Schwäche und Hunger. Er leerte seine Schale, spülte sie aus und schloß sich den Mönchen an, die zu Sirimās Stätte gingen. Dort hatte sich eine große Versammlung eingefunden. Der Buddha mit den Mönchen stand an einer Seite, dann der Orden der Nonnen, dann der König mit seinem Gefolge, dann die Laienanhänger und die Laienanhängerinnen.

 

Buddha: "Wer ist dies, großer König?"

König: "Jīvakos jüngere Schwester, Sirimā genannt, o Herr."

Buddha: "Das ist Sirimā?"

König: "Ja, o Herr."

Buddha: "Dann laß mit Trommelschlag verkünden, daß jeder, der tausend Kahapanas zahlt, Sirimā haben kann."

Aber niemand wollte sie, auch nicht für herabgesetzte Preise, bis hin zum letzten Pfennig. Nicht einmal umsonst wollte jemand Sirimā haben.

 

Dann sprach der Erwachte: "Seht an, ihr Mönche, eine Frau, die von der Welt geliebt wurde. In dieser selben Stadt gab man früher tausend Kahapanas, um sie nur einen Tag zu besitzen. Jetzt aber gibt es niemand, der sie auch nur umsonst haben will. So ist diese Schönheit, vergänglich und zerbrechlich, nur durch Schmuck anziehend gemacht, ein Haufen von Wunden mit neun Öffnungen, von dreihundert Knochen zusammengehalten, eine ständige Beschwer. Nur die Toren machen sich von diesem Unbestand wahnhafte Vorstellungen und Einbildungen." Und er schloß mit folgendem Merkvers:

 

"Schau, wie der Balg ist aufgeputzt,
der ganz aus Wunden doch besteht,
der siech ist, voller Willensdrang,
der dauerlos erstirbt, verstiebt."

 

Als der Erwachte diese "Grabrede", diese Lehrrede mit praktischem Anschauungsunterricht, beendet hatte, war die Leidenschaft in dem verliebten Mönch ausgetilgt. Er hielt an der Betrachtung des Körpers fest, übte sich in Klarsicht und wurde ein Heiliger.

Sirimā aber in ihrer astralen Gestalt hatte ihre eigene "Leichenfeiern mit beobachtet. Am Ende nahm sie eine sichtbare Gestalt an und grüßte den Erhabenen ehrfürchtig. Damals stand der ehrwürdige Vangīso in der Nähe des Erhabenen und fragte ihn, ob er ihr eine Frage stellen dürfe. Der Buddha gewährte die Bitte, und so wandte sich der ehrwürdige Vangīso an die Göttertochter Sirimā:

 

Vangīso:

Aufs schönste sind geschmückt ja deine Rösser,
vom Himmel steigend, kräftig und geschwinde,
und aus Verdienst gewirkt fünfhundert Wagen
begleiten dich, von Rosselenkern gut gelenkt. (137)

 

In bestem Wagen stehst geschmückt du,
wie Feuer scheinend, strahlend wie ein Stern.
Dich, in der besten Form erscheinend, frag ich:
Von welcher Götterklasse kommst zum Buddha du? (138)

 

Sirimā:

Nach höchster Spitze in der Wunschwelt gibt es
als nächstes Götter dann, die schaffensfreudig.
Als Nymphe weil ich da, schaff, was ich wünsche.
Von dort komm ich, den Buddha zu verehrn. (139)

 

Vangīso:

Welch guten Wandel hast geführt du früher?
Durch was wurd'st unermeßlich ruhmreich glücklich?
Wieso mit mag'scher Macht durchquerst den Raum du,
durchstrahlet deine Schönheit jede Richtung? (140)

 

Von Göttinnen bist du umgeben und geehrt.
Von wo kamst du auf solche Fährte, Göttin?
Und wessen Lehr und Unterweisung folgst du?
Sag an, warst du Anhängerin des Buddha? (141)

 

Sirimā:

In bestgeplanter Stadt da zwischen Bergen
dem besten König diente ich als Glücksstrahl.
In Tanz Gesang geübt wohl ungewöhnlich
als Sirimā hat mich Rājagaham gekannt. (142)

 

Erwachter, bester Leitstier, Ordnungsführer,
lehrt mich, was Leid und Unbestand des Werdens
was ungestaltet, ew'ge Leidauflösung
und auch den Weg, direkt, gerade, glücklich. (143)

 

Als ich gehört, was tod-los ist, was ungestaltet,
die Lehre des Vollendeten, unübertreffbar,
hab ich in Tugend mich gezügelt wohl aufs Höchste
gefestigt im Gesetz des besten Menschen: Buddha. (144)

 

Erkannt den Pfad zum ungestaltet Fleckenlosen,
den der Vollendete als bester aufgezeigt
erreicht ich da die Ruhe höchster Einigung,
was an Versicherung als Höchstes gilt, war mein. (145)

 

Erlangt hab Bestes ich: Todlosigkeit.
Was sicher macht, hab ich durchbohrt.
Bin zweifelsfrei von vielem Volk verehrt
erlebe ich nun viel an Spiel und Lust. (146)

 

Bin eine Gottheit, die Todlosigkeit erblickt,
als Jüngerin Vollendeten als Bestes hat.
Ich schau Gesetz, in erster Frucht bewährt,
stromeingetreten gibt es keinen Abweg mehr. (147)

 

Ich komme grüßend zum Unübertroffnen,
der heiter macht, der da erfreut an Heilsamem.
Ich neige mich vor glücklicher Asketenschar,
verehre den Gesetzeskönig, höchste Gunst. (148)

 

Als ich den Muni sah, war ich erfreut, beglückt,
Vollendeten, der bestens Menschen zähmt und lenkt,
der Durst vertilgt, am Heile froh zur Ordnung führt,
ihn grüß ich, besten aller, die zum Heil gekommen. (149)

Bemerkungen:

Die Verwandtschaftsverhältnisse Sirimās sind folgende: König Bimbisāro hatte mehrere Kinder. Einer der Söhne war Abhayo, der Königssohn. Dieser liebte die Kurtisane Salavati in Rājagaham und hatte mit ihr einen Sohn: Jivako, den späteren Leibarzt des Königs. Später hatte sie noch ein Kind, eine Tochter, deren Vater nicht genannt ist. Diese jüngere Schwester Jivakos war Sirimā (wörtlich: Glückstrahlende). Jivako war ein uneheliches Enkelkind des Königs und Sirimā eine Art uneheliche Stiefenkelin. Das erklärt das Engagement des Königs.

Daß die Mönche im auswärtigen Kloster sich nach der Güte des Essens erkundigen ist ebensowenig urasketentümlich wie der Bericht des Mönches über Sirimās Schönheit. Ungewollt verstörte er dadurch das Gemüt des anderen Mönches. Dieser mag ein Stromeingetretener gewesen sein, wie damals die meisten Mönche aber in ihm hauste noch untergründig eine Sinnenlust. Diese Krankheit kam nun zum Ausbruch. Ungewollt hatte die lebende Sirimā mit ihrer Schönheit seinen Seelenfrieden verstört, aber ebenso ungewollt führte ihr Leichnam ihn zur Triebversiegung. Was als eine Art Schicksalstragödie griechischer Schwere begann, endete mit dem höchsten Happy-End: Der Mönch wurde zu Lebzeiten heilig. Sirimā hatte die Garantie, es nach spätestens sieben Leben auch zu werden. Alles herablassende Aburteilen über den verliebten Mönch oder über die sinnensüchtige Hure erscheinen angesichts dessen als Torheit. Erwähnt werden mag noch ein feiner Zug: Sirimā erschien in ihrer astralen Schönheit, die noch ungleich herrlicher als auf Erden war, erst dann der Menge, als der Mönch schon vom Blenden der Erscheinung geheilt war. So konnte ihr Anblick ihn nicht mehr verwirren.

 

Diese 16. Erzählung ist die erste, in welcher nicht gesagt wird, daß die betreffende Frau bei den Göttern der Dreiunddreißig erschien (s. Vers 139)

 

Diese 16. Erzählung ist auch die erste, in welcher nicht Moggallāno die Göttin befragt, sondern in welcher die Göttin auf Erden erscheint und vom Heiligen Vangīso befragt wird.

 

Der Merkvers des Buddha kommt noch fünfmal vor: DH 147, M 82, Thag 769, 1D2D, 1157. Neumann übersetzte als Dh 147 etwas anders, besonders die erste Zeile.

 

139: An der Spitze der 10 Wesensklassen der Sinnenwelt, direkt unterhalb von Brahma, stehen die Selbstgewaltigen Götter, die dem Schaffen anderer nur noch zuschauen. Als nächste Klasse kommen dann die schöpfungsfreudigen, die kraft magischer Macht alles schaffen können, was sie wünschen (nimmāna-rati, hier nimmāya nimmāya ramanti). Eine solche hohe Wiedergeburt wird von namentlich bekannten Personen nur im Vv erwähnt, und zwar außer hier nur in Vv Nr. 20 34, 44. Letztes war die Mutter Migāros, eine der berühmtesten Spenderinnen. Daß Sirimā ihr gleichsteht, zeigt, welche geistige Kraft sie hatte, und das trotz ihren bösen Anschlags auf Uttarā und trotz ihres Berufs!

 

142: Hier erscheint in b "sirimato", ebenso in 148 d, also ein Wortspiel mit ihrem Namen Sirimā. Das läßt sich deutsch nicht wiedergeben (142 b = Glücksstrahl; 148 d = höchste Gunst).

 

145: samatha-samādhi. Der Kommentar (S. 121) versteht es so, daß durch samatha (Beruhigung) samādhi (höchste Einigung) erlebt wurde.

 

146: d: Spiel und Lust (khiddā-rati) Wieso Sirimā eben noch die Todiosigkeit schildert und dann von "Lust-spiel" redet, ist seltsam. Der Kommentar gibt keine Begründung. Vielleicht ist hier die Fähigkeit der Schaffensfreudigkeit gemeint, also khiddā-rati, ein anderer Ausdruck für nimmāna-rati.

 

149: a: Neumann leitet Muni von man (denken) ab und übersetzt den muni santo in M 140 als "stillen Denker". Nach Sn 1 ff ist Muni ein Name für den Heiligen, dessen Wünsche endgültig zum Schweigen gebracht sind.

 

Die Verse Sirimās in Nr. 143 - 149 haben ein Gewicht, wie es dem Stromeintritt angemessen ist und wie sie deutlich von bloßen Schilderungen vergänglichen Götterglanzes in Vv Nr. 1 - 15 abstechen.


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