THERAGĀTĀ

Chanipāta

Uruvelakassapa 63)

375.  Magische Kraft sah ich den großen Gotama (den Buddha) entfalten, doch blind war ich durch Stolz und Neid.

 

376.  Meine innersten Neigungen durchschauend, überzeugte mich dann der Menschen Wegweiser; zutiefst erschüttert ward ich da.

 

377.  Da verachtete ich die geringe übernatürliche Macht, die mir zu Eigen war als noch Asket ich war mit geflocht'nem Haar: In die Heimlosigkeit zog ich hinaus, die Botschaft des Überwinders zu verwirklichen.

 

378.  Früher fand ich Freude am Opferkult, und gefangen war ich durch das Begehren nach Sinnenlust. Jetzt habe ich die Begierden ausgemerzt, den Hass und die Verblendung auch.

 

379.  Meine früheren Aufenthalte kenne ich (= meine früheren Existenzen überblicke ich), das göttliche Auge habe ich geläutert; mit übernatürlichen Fähigkeiten ausgestattet durchschaue ich der anderen Gemüt, und das göttliche Ohr ist mir zuteil. 64)

 

380.  Jenes Ziel, um dessentwillen ich vom Hause fort in die Heimlosigkeit gezogen bin, ich habe es erreicht: Die Vernichtung aller Einflüsse.

Tekicchakāni

381.  „Die Reisernte ist längst eingebracht, längst liegt der Reis in der Tenne, ( für mich aber wird kein Almosen abfallen; wie soll ich da wirken können?! 65)"

 

382.  Der Unermesslichkeit des Buddha gedenkend werde ich zufrieden weilen, den Körper mit Freude durchdringend, immerfort glücklich.

 

383.  Der Unermesslichkeit der Lehre gedenkend werde ich zufrieden weilen, den Körper mit Freude durchdringend, immerfort glücklich.

 

384.  Der Unermesslichkeit der Jüngergemeinde 66) gedenkend werde ich zufrieden weilen, den Körper mit Freude durchdringend, immerfort glücklich.

 

385.  „Unter freiem Himmel lebst du, kalt sind die Winternächte. An der Kälte sollst du nicht zugrunde gehen: Eine Behausung suche daher auf, mit fest verschloss'nen Türen!" (Tekicchakāni gehörte zu den Mönchen, die stets unter freiem Himmel lebten.)

 

386.  Die vier Unermesslichkeiten 67) werde ich pflegen (wörtl.: berühren!), und zufrieden werde ich in ihnen weilen! Nicht werde ich an der Kälte zugrunde gehen, – unerschütterlich werde ich weilen.

Mahānāga

387.  Wer da verachtet die, welche mit ihm den heil'gen Wandel leben: Mag er die wahre Lehre auch vernehmen, so geht er doch zugrunde, gleichwie der Fisch, wenn das Wasser vertrocknet.

 

388.  Wer da verachtet die, welche mit ihm den heil'gen Wandel leben: In der wahren Lehre wird er nicht gedeihen, der faulen Saat im Felde gleich.

 

389.  Wer da verachtet die, welche mit ihm den heil'gen Wandel leben: Weit entfernt ist er vom Erlöschen in des Königs (des Buddha) Botschaft.

 

390.  Wer aber achtet die, welche mit ihm den heil'gen Wandel leben, der wird, wenn er die Lehre vernommen hat, nicht zugrunde gehen, gleichwie der Fisch in tiefem Wasser.

 

391.  Wer achtet die, welche mit ihm den heiligen Wandel leben, in der wahren Lehre wird er gedeihen, der guten Saat im Felde gleich.

 

392.  Erlöschen wird er in des Königs Botschaft, er, der achtet die, welche mit ihm den heiligen Wandel leben.

Kulla

393.  Als ich mich zum Leichenfeld begab, sah ich dort den Leichnam einer Frau, weggeworfen, von Würmern zerfressen, zernagt.

 

394. Sieh den Körper, Kulla, zerfallen, unrein, in Fäulnis übergegangen, übelriechend, triefend, an dem nur Toren sich erfreuen mögen. 68)

 

395.  Im Spiegel der Lehre, um zu Wissen und Weisheit zu gelangen, betrachtete ich da diesen Körper, der da leer ist innen wie außen.

 

396.  So wie dieses ist, ist jenes, wie jenes ist, ist dies 69); wie unten, so oben, wie oben, so unten,

 

397.  wie des Tages, so des Nachts, wie des Nachts, so des Tages; wie früher, so in Zukunft, wie in Zukunft, so war's einst.

 

398.  Schönster Musik fünffacher Klang vermag nicht so hohes Glück zu schenken wie die rechte Einsicht dessen, der einheitlichen Geistes die Lehre schaut.

Mālunkyaputta

399.  Wie Mālūva-Schlinggewächs wuchert der Durst (der Drang) in dem Menschen, der sich der Nachlässigkeit hingibt. Wie ein Affe, der im Wald nach Früchten sucht, springt er hin und her.

 

400.  Wer überflutet wird vom grausen Durst, dem Haften an der Welt, dessen Sorgen nehmen zu, wie Bīrāna-Gras im Regen.

 

401.  Von ihm aber, der den gemeinen Durst, der ach so schwer zu überkommen ist, vertrieben hat, fallen die Sorgen ab wie Wassertropfen vom Lotus.

 

402.  Dies verkünd' ich euch allen, so viele euer versammelt sind: Grabt aus des Durstes Wurzel, wie einer, der auf die Suche nach (süßem) Usīra geht das Bīrana-Gras zuvor entwurzelt. Nicht soll Māra wieder und wieder euch zerbrechen wie mächt'ge Flut das Schilfrohr bricht.

 

403.  Verwirklicht die Botschaft des Buddha! Lasst die Gelegenheit nicht ungenutzt vergehn! Jene, welche die Gelegenheit verstreichen lassen, erfahren Kummer wenn dann abwärts sie gelangen.

 

404.  Beschmutzung ist die Trägheit ja, aus Trägheit Beschmutzung nur erwächst. Mit Achtsamkeit und Einsicht ziehe man den Pfeil (des Durstes) aus sich heraus.

Sappadāsa

405.  Fünfundzwanzig Jahre sind verstrichen nun, seit ich in die Heimlosigkeit hinauszog; (aber) nicht für einen Augenblick (wörtl.: Für die Zeit eines Fingerschnippens) ist Geistesruhe mir zuteil geworden.

 

406.  Unfähig, konzentrierten Geistes zu weilen, krank durch die Begierde nach Sinnenlust, verließ ich meine Zelle, niedergeschlagen, verzweifelt.

 

407.  Wie soll es weitergeh'n? Soll ich das Leben nehmen mir? Wozu noch leben? Was könnte einem, der auf dem Pfad wie ich gescheitert ist, and'res ziemen als der Tod?!

 

408.  Entschlossen setzte ich mich nieder, das Rasiermesser bereit, die Ader zu durchtrennen.

 

409.  Da stellte sich weises Erwägen in mir ein: Deutlich sah ich die Gefahr 70); Überdruss an der Welt stellte sich ein. 71)

 

410.  Da erfuhr ich die Loslösung des Geistes. Sieh, wie wahr die Lehre ist! Das Dreifache Wissen habe ich erlangt, erfüllt ist die Botschaft des Buddha!

Kātiyāna

411.  Steh auf, Kātiyāna, sei achtsam! Sei nicht so schläfrig! Erwache! Nicht soll der Freund der Nachlässigen, der Todesfürst, mit ausgelegter Schlinge überwinden dich!

 

412.  (Wieder-) Geburt und Alter werden dich überwältigen wie eine mächtige Welle im Ozean. Mach dich selbst zu einer Insel, denn eine andere Zuflucht gibt es nicht für dich!

 

413.  Aufgezeigt hat der Meister diesen Pfad, der aus dem Bereich des Verhaftetseins und der Furcht vor Geburt und Alter herausführt. Arbeite unermüdlich, besonnen stets, fest entschlossenen Geistes.

 

414.  Löse dich von allen Banden! Mit einem Gewand versehen, kahlgeschoren, von Almosen dich nährend, meide Zerstreuungen, Vergnügung und Schläfrigkeit. Meditiere, o Kātiyāna!

 

415.  Meditiere und überwinde, o Kātiyāna! Erkannt hast du ja die Wege zur höchsten Sicherheit. Wenn du die unübertroff’ne Läuterung vollbracht hast, wirst erlöschen du wie die Flamme im Wasser.

 

416.  Wie eine leichte Lampe, dem Kriechtier gleich vom Winde umgeworfen wird, so wirf du, Sohn Indras, an nichts mehr haftend, Māra ab. Befreit von der Sehnsucht nach Empfindung, warte, kühl geworden (= erloschen), bis die Zeit gekommen.

Migajala

417.  Der Achtfache Pfad ward wohl gewiesen von ihm, dem nichts verborgen bleibt (wörtl. dem Alles-Sehenden), dem Buddha, dem Sonnen-Sohn, der über alle Fesseln hinübergekommen ist, dem Überwinder jedweden Kreislaufs 72).

 

418.  Zur Erlösung hin führt dieser Pfad, zum Hinüberkommen, zum Vertrocknen der Wurzel des Durstes; abgeschnitten wird des Giftes Wurzel auf diesem Pfad, die Richtstätte zerstört 73), – zum Erlöschen führt er ja.

 

419.  Indem er die Wurzel des Nichtwissens durchtrennt, bringt er (der Achtfache Pfad) das Räderwerk des Wirkens (des Karma: kammayanta) zum Stillstand; vom Donnerkeil der Weisheit wird das Erkennen getroffen.

 

420.  Deutlich die wahre Natur der Empfindungen legt er bloß, indem das Werden er als glühend' Kohlengrube ganz entlarvt, so vom Haften uns befreiend.

 

421.  Wunderbar ist dieser Pfad, tief, unermesslich weit reicht er; Geborenwerden wehrt er ab und Tod, auf ihm wird jede Qual gestillt; beseligend (ist dieser Pfad).

 

422. Das Wirken (= Karma) deutlich macht er uns und dessen Frucht, indem Licht auf alles ursächlich Entstandene er wirft 74); zur allerhöchsten Sicherheit führt er, zum Frieden; beseligend ist sein Ende.

Jenta Purohitaputta

423.  Durch Stolz war ich geblendet, durch Stolz auf Abkunft, Reichtum, Stand, ja auf mein Äuß'res auch.

 

424.  Niemanden sah ich, der mir gleich war oder besser gar; ein eitler Tor war ich, durch Hoffart versehrt, immer hochhaltend das Banner des Dünkels.

 

425.  Niemanden mochte ich ehrerbietig grüßen, nicht die Mutter, nicht den Vater noch einen, der allgemein als verehrungswürdig geachtet ward; unnachgiebig war ich und unhöflich durch Stolz.

 

426.  Dann sah ich ihn, den höchsten Lenker, der Menschen Wegweiser, der strahlenden Sonne gleich, von der Mönchsgemeinde verehrt;

 

427.  Stolz und Hoffart hinter mir lassend, einsichtigen Geistes, neigte ich mein Haupt ehrerbietig in Richtung des höchsten Wesens.

 

428. Minderwertigkeits- wie Überlegenheitsdünkel sind (nunmehr) völlig ausgerodet, der Ich-bin-Dünkel ist vernichtet, jedweder Stolz ist aufgehoben.

Sumana (2)

429.  Eben erst in die Heimlosigkeit gezogen, gerade sieben Jahre alt, überwand (zähmte) ich, übernatürlicher Kräfte mächtig, den Schlangenkönig, den mächtigen (der vor der Wasserstelle lag),

 

430.  und vom großen See Anotatta her brachte ich meinem Unterweiser Wasser. Da erblickte mich der Meister (der Buddha), und er sprach:

 

431.  (Der Buddha:) „Sieh, Sāriputta, diesen Knaben, der da Wasser trägt, wohl konzentrierten Geistes.

 

432. Befriedet ist er, edel ist sein Betragen, auf gutem Pfade wandelt er,

 

433.  von einem echten Jünger zu einem echten Jünger gemacht, edel geworden durch einen Edlen, wohl belehrt durch Anuruddha; er (der Knabe) hat getan, was ihm zu tun oblag (d.h. er hat das Endziel, das Nibbāna, verwirklicht).

 

434. Dieser Novize, Sumana, der den höchsten Frieden erwirkt, den unerschütterlichen Zustand verwirklicht hat, wünscht sich: „O möchte niemand kennen mich! (d.h.: Möge niemand mich als Heiligen erkennen! = Überwindung des Stolzes.)"

Nhātakamuni

435.  Von schmerzhafter Krankheit befallen weilte ich in Waldeshöhle, wo schwer nur Nahrung erlangen ist; wie willst du, Mönch, in solcher Not (dein Heil) erwirken?

 

436.  Diesen meinen Körper mit Freude durchdringend (so dachte ich), werde ich diese erschwerten Umstände in meiner Höhle bewältigen. 75)

 

437.  Die sieben Glieder der Erwachung entfaltend, die Fähigkeiten und die Kräfte, weise mich versenkend, werde ich einflussfrei weilen.

 

438.  Geläuterten Geistes, unbeschmutzt und unbefleckt (durch irgendwelche Regungen des Durstes) Schauung pflegend, werde ich einflussfrei weilen.

 

439.  Alle Einflüsse, die einst in mir hausten, wie auch jene, die von außen mich bedrängen, restlos sind sie aufgehoben, nicht werden sie erneut erstehn. 76)

 

440.  Die fünf (Haftens-)Gruppen, völlig durchschaut, stehn mit ausgeriss'ner Wurzel da: Die Vernichtung des Leidens ist vollbracht, ein künftig' Werden gibt es nicht für mich.

Brahmadatta

441.  Woher sollte Zorn den überkommen, der leer von Zorn ist, befriedet, durch Wissen erlöst, ruhig geworden, unerschütterlich?

 

442.  Unheilsam ist es, dem Zornigen mit Zorn zu begegnen; wer dem Zornigen nicht mit Zorn begegnet, der gewinnt eine Schlacht, die schwer nur zu gewinnen ist.

 

443.  Zu beider Heil wirkt der, welcher dem Zornigen besonnen, ruhigen Geistes nur begegnet.

 

444.  (Nur) der die Lehre nicht Kennende hält den, der zu beider Heil wirkt, für einen Toren.

 

445.  Sollte der Zorn dich überkommen, gedenke des Gleichnisses von der Säge; wenn Gier nach köstlicher Speise dich bedrängt, des Kindes magst du da gedenken, das in der Not geopfert ward. 77)

 

446.  Wenn nach sinnlicher Lust und neuem Werden sich der Geist will neigen, rasch zügle ihn mit der Besonnenheit, wie man eine Kuh zügelt (bzw. belehrt), die auf fremdem Feld nach Nahrung sucht. 78)

Sirimanda

447.  Schwer der Regen (der durch unheilsames Wirken angehäuften Schuld) fällt auf das Bedeckte (d.h. auf nicht Eingestandenes), nicht fällt er (gar so schwer) auf Unbedecktes nieder. 79)

 

448.  Dem Tode unterworfen ist diese Welt, vom Alter umzingelt; verwundet ist sie vom Pfeil des Durstes, in Begehrlichkeit versunken.

 

449.  Dem Tode unterworfen ist diese Welt, vom Alter umzingelt; gepeinigt wird sie immerfort, wie der Verbrecher, der bestraft wird, – nicht bietet ja eine Zuflucht sie.

 

450.  Tod, Krankheit, Alter: Wie Feuersbrunst sich nähern diese drei; keine Macht vermag sie abzuwehren, und noch so große Schnelligkeit die Flucht lässt nicht gelingen.

 

451.  Den Tag nicht müßig lass verstreichen, wirk stets zum Heile dir, sei's viel, sei's wenig auch! Mit jedem Tag, mit jeder Nacht, die dir verblieb'ne Frist vergeht.

 

452.  Ob du nun gehen, stehen, sitzen oder liegen magst: Die letzte Stunde stellt sich ein, – nicht hast du Zeit für Lässigkeit!

Sabbakāma

453.  Dem Körper, auf zwei Säulen stehend, unrein, übelriechend, mit Unrat angefüllt, hier und dort triefend, – ihm ist man zugetan.

 

454.  Gleichwie das Wild, mag's auch verstecken sich, der Falle nicht entgeht, gleichwie der Fisch den Angelhaken schluckt, wie niedergestreckt der Affe mit der Schleuder wird, – so wird der Weltmensch (puthujjana) auch gefangen,

 

455.  durch liebliche Gestalten, Töne, Düfte, durch Dinge, die wohl schmecken, angenehm zu tasten sind. Diese fünf Gebiete sinnlicher Lust, – in der Gestalt des Weibes (bzw. des Mannes) werden sie erblickt.

 

456.  Der Weltmensch, der verblendeten Geistes ganz sich diesen (sinnlichen Freuden) hingibt, das Leichenfeld vergrößert er: Immer wieder gelangt er zu neuem Werden.

 

457.  Doch wer jene (sinnlichen Freuden) meidet wie man giftiger Schlange Haupt umgeht, der wird, besonnen stets, das Hängen an der Welt bezwingen.

 

458.  Der Gefahr gewahr werdend, die in den sinnlichen Freuden lauert, im Gang in die Heimlosigkeit die Sicherheit (vor neuer Verkoppelung) erkennend, von allen Sinnenfreuden losgelöst, habe ich die Versiegung der Einflüsse erreicht.


Anmerkungen:

63)      Uruvelakassapa war zu jener Zeit noch ein gelehrter Brahmane, Lehrer und Vorbild einer großen Schar von Anhängern. Als er dem Buddha begegnete, brüstete er sich mit seinen magischen Fähigkeiten. Da der Erhabene in Anbetracht von dessen Begeisterung für die Magie keine andere Möglichkeit sah, Uruvelakassapa für die Lehre zu gewinnen, übertraf er (der Buddha) jede Vorführung von Magie seitens des Brahmanen durch eigene Magieentfaltung; auf diese Weise gelang es ihm denn auch, den stolzen Uruvelakassapa, dessen latente Reife für das Verstehen der Lehre er erkannt hatte, von Opferkult und Magie abzubringen. — Dies ist einer jener Fälle, in denen der Buddha sich selber magischer Fähigkeiten bediente, deren Pflege in seinem Orden untersagt war: Er sah sie als überflüssig, ja hinderlich für das Erlangen des höchsten Zieles an; diejenigen unter seinen Mönchen, die die im alten Indien gar nicht seltene Gabe magischer Fähigkeiten besaßen, waren dazu angehalten, sich nicht damit zu brüsten (Gefahr des Stolzes). Nur die Macht der Lehre anerkannte der Buddha, nicht aber die schwarze Magie noch irgendwelche Spielereien mit parapsychologischen Fähigkeiten. — Im Falle eines Heiligen (= vom Stolz völlig Befreiten) stand der Ausübung magischer Fähigkeiten (z.B. zum Zweck der Belehrung von Gottheiten nichts im Wege (s. Mahāmoggallāna u.a.).

64)      „Das göttliche Ohr": Die Fähigkeit, die Stimmen und Klänge aus höheren Welten zu vernehmen.

65)      Diese Worte werden Māra in den Mund gelegt, dem den Tod bzw. die Begehrlichkeit personifizierenden Verführer; es handelt sich also bei diesen Versen um die Wiedergabe eines Zwiegesprächs.

66)      Sangha: Dieser Begriff bedeutet „Gemeinschaft", Versammlung. Manche    Übersetzer übertragen ihn mit „Orden" im Sinne des Mönchsordens. Da aber der vorliegende Pālitext sich nicht ausdrücklich auf den Bhikkhu-Sangha als dem Mönchsorden bezieht, sondern auf den Sangha allgemein, und da dieser als unermesslich bezeichnet wird (was ja wohl kaum auf den Orden zutrifft), dürfte es sich hier um die Gemeinschaft aller erlesenen Buddhajünger handeln; diese Gemeinschaft (es ist der arya-sāvaka-sangha) erstreckt sich insbesondere auch auf alle höheren Welten und ist insofern unermesslich. Andererseits hat der Mönchsorden dem Mönch äußere Zuflucht geboten; es bleibt dem Einzelnen daher selbst überlassen, „welchen“ Sangha er sich beim Nachvollziehen und Verinnerlichen des Textes vorstellt.

67)      Die Vier Unermesslichkeiten (appamaññā), u.a. auch „göttliche Zustände" (brahmavihārā) genannt: Güte, Mitleid, Mitfreude und Gleichmut.

68)      Auch die frühe buddhistische Lehre kannte drastische Körper- und auch Leichenbetrachtungen (man denke hier insbesondere auch an die im frühen Christentum gepflegten Betrachtungen dieser Art). Im Buddhismus stellen diese Betrachtungen kein Muss dar, sie sind nicht unbedingt erforderlich. Alle objektiven, ungeschminkten Körper- und/oder Leichenbetrachtungen im Sinne der frühen buddhistischen Lehre haben ihre unverzichtbare Voraussetzung: Sie sind nur zu pflegen, wenn man bereits die anschauliche Gewissheit von der nicht wesenhaften Natur des Körpers hat und sich infolgedessen nicht mehr mit ihm identifiziert (!). Eine weitere, damit zusammenhängende Voraussetzung ist es, dass man bei jeder solchen Betrachtung „das Todlose zum Stützpunkt und Ziel nimmt" (!!). Jede solche Betrachtung hat ausnahmslos die Loslösung von allem Wesensfremden zum Ziel. Wo diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, sollte man sich unbedingt von solchen Betrachtungen fern halten. Kulla sah also in dem Leichnam die Folge von Krankheit, Alter und Tod, denen jeder Körper letztendlich unterworfen ist.

69)      = Wie dieser Körper geworden ist, so wird einst auch mein Körper werden...

70)      Anders als im Christentum stellt der Selbstmord im Buddhismus kein schweres Vergehen dar, weshalb er auch nicht verboten wird; wohl aber gilt die Selbsttötung als unweise, das Begehen des Pfades behindernde Tat, nach der Devise, dass zu jeder Zeit „noch mehr zu tun ist". Nur der vollkommen Heilige, der Erlöste, darf sich das Leben nehmen, da er bereits „getan hat, was ihm zu tun oblag" und ihm kein neues Werden mehr bevorsteht. In Anbetracht aber des vollendeten Gleichmuts, den ein solcher Heiliger besitzt, sind es seltene Ausnahmen, da die Lösung eines Problems auf dem Weg des Selbstmords gesucht wurde.

71)      Der „Überdruss" (wörtl. das Grausen) an der Welt führt im Heiligen also nicht zum Selbstmord; vielmehr ist diese Haltung Ausdruck bzw. Ursache vollkommener Loslösung und damit vollendeten Gleichmuts gegenüber jedweder Leidenssituation. Es versteht sich von selbst, dass dieser Gleichmut, der sich grundsätzlich nur auf die eigene Persönlichkeit und die Welt der Sinne bezieht, stets Hand in Hand mit unermesslichem Mitleid für die Mitwesen geht.

72)      Es kann ebenso gut der Kreislauf der Wiedergeburten wie der des Karmagesetzes (d.h. von Karma und Frucht des Karma) gemeint sein.

73)      Der Samsāra, der Kreislauf der Wiedergeburten, wird als Richtstätte angesehen, da jedes Geborenwerden unweigerlich den Tod nach sich zieht.

74)      Alles Erkennbare überhaupt ist aus Ursachen entstanden. Nur das (nicht erkennbare, wohl aber erfahrbare) Todlose ist nicht ursächlich bedingt.

75)      Die Verse 435 und 436 gleichen den Nrn. 350 und 351.

76)      Dieser Vers gleicht Nr. 337.

77)      Das Gleichnis von der Säge (Majjh.21): Selbst wenn einem Glieder mit einer Säge abgetrennt würden, soll man keine Gedanken des Hasses in sich aufkommen lassen. — Das Gleichnis von dem geopferten Kind (Sam. XII.63): Man sollte jede Nahrung so zu sich nehmen, als wäre sie das Fleisch des eigenen, geopferten Kindes; diese Betrachtung liegt nahe, da es nach frühbuddhistischer Auffassung kein Lebewesen gibt, das im Verlauf der zahllosen Existenzen, die bereits hinter uns liegen (Kreislauf der Wiedergeburten), nicht schon einmal mit uns verwandt war...

78)      Das Gleichnis von der Kuh, die davon abgehalten wird, in fremdes Gebiet einzudringen (Sam.XXXV. 205). — Brahmadatta wendet sich an einen Brahmanen, der ihn voller Verachtung beschimpft hatte. Letzterer trat dann in den Orden ein, wobei ihm als Übung insbesondere die Pflege liebender Güte aufgegeben wurde, um seine Neigung zu Zorn und Gehässigkeit zu überwinden.

79)      Vgl. Udāna V,5 (Schluss); Sirimanda bezieht sich offensichtlich auf eine Ordensregel, nach welcher jedes Vergehen als solches zu bekennen ist (Vinaya, Cullav.IX.1,4)


  Oben