Theragāthā - Sechziger-Bruchstück

Moggallāno

1146
UNS Waldeinsiedlern reicht wohl aus
Ein Überrest vom Bettelmahl;
Zertreffen mögen wir den Tod
Und seine Macht getrost bestehn.
 
1147
Uns Waldeinsiedlern reicht wohl aus
Ein Überrest vom Bettelmahl;
Zertrümmern mögen wir den Tod
Wie Elefanten Bambusrohr.
 
1148
Uns Baumbeglückten reicht wohl aus
Ein Überrest vom Bettelmahl;
Zertreffen mögen wir den Tod
Und seine Macht getrost bestehn.
 
1149
Uns Baumbeglückten reicht wohl aus
Ein Überrest vom Bettelmahl;
Zertrümmern mögen wir den Tod
Wie Elefanten Bambusrohr.
 
Moggallāno und das Weib

MOGGALLĀNO:
1150
Du Beingerippe, Beingerüst,
Mit Fleisch und Muskeln aufgemutzt:
O Schande, wer sich gatten will
Der Gliederpuppe voller Stank!
 
1151
Du Kotsack in der Kotzenhaut,
Du Hexe mit der Hängebrust:
Neun Höhlen hast im Leibe du,
Neun Tröpfelquellen träufeln stets!

1152
Dem Körper mit den neun Kloaken
Voll Stink und Stank, dem dreckbedrängten,
Dem weicht ein Mönch von weitem aus,
Gleichwie der Reine meidet Unrat.
 
1153
Wer dich geschaut hat durch und durch
Wie ich dich habe durchgeschaut,
Weicht schon von ferne gern dir aus,
Wie Pfützen in der Regenzeit.
 
DAS WEIB:
1154
Du hast gesagt es, hoher Held,
Dein Wort ist wahrhaft, heiler Herr!
Doch mancher sinkt ohnmächtig ein
Im Sumpfe, altem Stiere gleich.
 
MOGGALLĀNO:
1155
Wer da mit Farben wollte bunt
Am Himmel malen Bilder auf,
Mit Gelbwurz, Indigo, Karmin:
Der mühte sich vergeblich ab.
 
1156
Das Herz nun ist dem Himmel gleich,
In heiterm Ernste innig klar.
Komm' nicht zu nahe, Gleisnerin,
Wie Vögel heller Fackelglut!
 
1157
Schau' wie der Balg ist aufgeputzt,
Der ganz aus Wunden doch besteht,
Der siech ist, voll von Willensdrang,
Der dauerlos erstirbt, verstiebt.
 
(Zu Sāriputtas Tod)

1158
Entsetzlich war es, grauenvoll,
Die Haare sträubten sich vor Gram,
Als da der vielbegabte Herr,
Als Sāriputto sanft erlosch.
 
1159
Vergänglich ist ja was erscheint,
Nur Werden zum Gewesensein:
Entstanden muß es untergehn,
Ist Ruhe, reicht es selig aus.
 
1160
Gar Feines hat zersplissen man,
Wie Haares Spitze pfeildurchbohrt,
So man sich selber, fünferhaft,
Als Fremden, nicht als Eigner kennt.
 
1161
Wer da der Dinge Unterschied
Als an sich, nicht als in sich kennt:
Der hat gespalten zarten Punkt,
Wie Haares Spitze pfeildurchbohrt.
 
1162
Wie scharf mit Messern angeschlitzt,
Wie hell am Scheitel angebrannt:
Verleugnend alle Lebenslust
Zieh' weiter, wohlgefaßt, ein Mönch.
 
1163
Wie scharf mit Messern angeschlitzt,
Wie hell am Scheitel angebrannt:
Verleugnend alle Daseinslust
Zieh' weiter, wohlgefaßt, ein Mönch.
 
1164
Vom Selbstbeherrscher einst gesandt,
Von Ihm, der letztes Leben lebt,
Ließ ich erzittern mit der Zeh'
Den Quadergrund am Hirschenstein.
 
1165
Man kann es lau und lässig nicht,
Man kann es nicht mit karger Kraft
Gewinnen, aller Freiheit Ziel:
Der Wahnerlöschung Seligkeit.
 
1166
Hier, dieser junge Pilger da,
Der höchstes Ziel gefunden hat,
Der trägt nun seinen letzten Leib,
Hat überwunden Todeswut.
 
1167
Die Hölle hallt von Donnerschlägen wider,
Die Bergeshäupter lodern blitzumzackt:
Im Höhlenbusen sicher sinnt ein Heiliger,
Des Meisters ohne Gleichen Sohnesbild.
 
1168
Der abgestorbne, stille Mönch,
Allein bei Tag, allein bei Nacht,
Der Erbe ist des höchsten Herrn,
Der wird von Brahma froh begrüßt.
 
1169
Den abgestorbnen, stillen Mönch,
Der abgeschieden sitzt und sinnt,
Der Erbe ist des höchsten Herrn:
Brāhmane, grüße Kassapo!
 
1170
Wer hundert Ahnen weisen kann
Im Priesterstande für und für,
Und streng, wie sie, in strammer Zucht
Die Veden sich erworben hat;
 
1171
Und sei er noch so wohl vertraut,
Ein Meister der Dreivedenschaft:
So gilt ein Gruß, geboten ihm,
Vor jenem Gruße keinen Deut.
 
1172
Ihn, der am Morgen schon empor
Acht Stufen zur Erlösung steigt
Und hin und wieder kommt und geht,
Und mittags dann als Bettler zieht:
 
1173
Komm' solchem Mönche nicht zu nah',
Brāhmane, hüte dich, bedacht!
Lass' deinen Sinn besänftigt sein
Vor diesem Helden heilig groß.
Entbiete baldig frommen Gruß,
Auf daß dein Haupt nicht berste dir.
 
1174
Die hohe Wahrheit sieht er nicht,
Ist in die Wandelwelt vergafft;
Den Seitenpfad hat er verschmäht,
Folgt nach der breiten Pfützenspur.
 
1175
Gleichwie der Wurm am Kote klebt,
Erpicht auf Unrat Unrat liebt,
So geht nun Potthilo, erpicht
Auf Menschengunst, im Eitel um.
 
1176
Nun schau' dir jenen Jünger an,
Den Sohn der Sārī, lauter, licht,
Von Gut und Böse losgelöst,
So sanft beseligt, innig, echt!
 
1177
Ihn sticht kein Stachel, zwingt kein Zwang:
Der Todzertreter, dreigeäugt,
Zu dem die Menschheit mutet auf,
Ist hehrstes Heiligtum der Welt.
 
1178
O sieh' die vielen Götter dort
Im Strahlengolde, sonnig hell,
An hundert Häupter hundertmal,
Vom Brahmagipfel kommen sie
Und feiern Moggallāno froh
Mit frommen Grüßen allzumal:
 

1179
«Heil, Edler, dir, Verehrung dir,
Verehrung als dem höchsten Mann:
Der alles Wähnen hat versiegt,
Gepriesen seist du, lieber Sohn!»
 
1180
Wer hochbedankt vom Herrscher ist,
Und hat den Herrscher Tod besiegt:
Wie Wasser nicht den Lotus netzt,
So netzt auch ihn kein Unterschied.
 
1181
Wer queck wie Blitzes Blick das Weltall tausendfach
Vor Augen hat - ist Brahmā'n ähnlich;
Doch wer magiegewaltig wach die Götterpracht
Entstehen und sterben sieht - ist heilig.
 
1182
So weise wie der Sārī Sohn,
So tugendhaft, so hell und tief:
Doch hat er Ewigkeit erwirkt,
Sei Ewigkeit des Jüngers Ziel.
 
1183
Millionenmal millionenmal.
Erscheine vielfach wie du willst im Nu:
In Wandelzaubern bin ich wohlgewandt,
Magiegewalten kenn' ich gut.
 
1184
Der Wissen weiß und Können kann, vollkommen heil,
Der edle Moggallāno, treu dem freien Herrn,
Hat mächtig sich gelöst, im Mute standhaft stark,
Gleichwie der Elefant verfaulten Bast zerfetzt.
 
1185
Gedient hab' ich dem Meisterherrn,
Gewirkt hab' ich des Wachen Werk:
Die schwere Last ist abgelegt,
Die Daseinsader ausgedarrt.
 
1186
Warum ich aus dem Hause fort
Als Bettler hingezogen bin:
Ergründet hab' ich ihn, den Grund,
Denn alle Bande sind zersprengt.
 
1187
Was war es für ein Höllenort,
Wo Māro Dūsī Qalen litt,
Als Frevel er an Wissenswalt
Und seinem hehren Herrn getan?
 
1188
Es blitzten hundert Lanzen blank
Und jede stach mit eignem Stich:
Das war des Ortes arge Pein,
Wo Māro Dūsī Qualen litt,
Als Frevel er an Wissenswalt
Und seinem hehren Herrn getan.
 
1189
Wer dessen sich erinnern kann,
Des Auferwachten treuer Sohn,
Den lasse, Frevler, unversucht,
Willst selber Leid nicht leiden du.
 
1190
Im Meere liegen Inseln hold,
Ein Weltenalter stehn sie stand,
Wie Edelsteine hell und rein,
Wie funkelnd Feuer, glänzend glau:
Und Nixen tanzen Tänze dort,
Und jede lacht in eignem Licht.
 
1191
Wer dessen sich erinnern kann,
Des Auferwachten treuer Sohn,
Den lasse, Frevler, unversucht,
Willst selber Leid nicht leiden du.
 
1192
Wer auf Geheiß des wachen Herrn
Im Angesicht der Jüngerschar
Den Quadergrund am Hirschenstein
Mit seiner Zeh' erzittern ließ:
 
1193
Wer dessen sich erinnern kann,
Des Auferwachten treuer Sohn,
Den lasse, Frevler, unversucht,
Willst selber Leid nicht leiden du.
 
1194
Wer Sakkos Siegesbanner-Schloß
Mit seiner Zeh' erzittern ließ,
Magiegewaltig witzbegabt
Ein Götterbeben einst gebot:
 
1195
Wer dessen sich erinnern kann,
Des Auferwachten treuer Sohn,
Den lasse, Frevler, unversucht,
Willst selber Leid nicht leiden du.
 
1196
Wer dann im Siegesbanner-Saal
Den Götterfürsten Sakko frug:
«Doch kennst du, lieber Vāsu, wohl
Das Heil versiegter Lebenslust?»
Und dem der Gott nun Punkt für Punkt
Bescheid auf seine Frage gab:
 
1197
Wer dessen sich erinnern kann,
Des Auferwachten treuer Sohn,
Den lasse, Frevler, unversucht,
Willst selber Leid nicht leiden du.
 
1198
Wer fragend vor den Brahmā trat,
Im Saal der Seligen also sprach:
«Wähnst, Bruder, du hier immer noch
Den Wahn, den du vorher gewähnt?
Merkst nicht, daß auch der Glitterglanz
Der Brahmawelt verwesen muß?»

1199
Und dem nun Brahmā Punkt für Punkt,
Wie sich's gebühret, Antwort gab:
«Nein, Würdiger, ich wähne nicht
Den Wahn mehr, den ich einst gewähnt.
 
1200
«Wohl merk' ich, daß der Glitterglanz
Der Brahmawelt verwesen muß;
Wie achtlos hab' ich doch geirrt,
Zu wähnen, daß ich ewig sei!»
 
1201
Wer dessen sich erinnern kann,
Des Auferwachten treuer Sohn,
Den lasse, Frevler, unversucht,
Willst selber Leid nicht leiden du.
 
1202
Wer höchsten Berges Gipfelgrat
Als Heil'ger kühn erobert hielt,
Den östlichen Videher-Wald,
Der Erde tiefste Höllen fand:
 
1203
Wer dessen sich erinnern kann,
Des Auferwachten treuer Sohn,
Den lasse, Frevler, unversucht,
Willst selber Leid nicht leiden du.

1204
Hat wohl das Feuer je gedacht:
«Versengen will den Toren ich»?
Der Tor, der flacke Feuersglut
Erfassen will, versengt sich selbst.
 
1205
So willst nun, Māro, fassen du,
Willst sehren den der sicher steht,
Wirst aber sengen nur dich selbst,
Ein Tor, der Feuer fassen will.
 
1206
Verderben schürst dir, Māro, an:
Willst fassen den der sicher steht,
Und hoffest, Frevler, hoffensfroh,
Dein Frevel werde frommen dir?
 
1207
Des Frevlers Frevel schichten sich
Zu langem Leid, Verruchter, an!
Verzweifle, Tod, am wachen Herrn,
Heb' von den Jüngern dich hinweg.
 
1208
So hat im wilden Schreckenswald
Ein Mönch dem Māro einst gewehrt:
Und plötzlich war der wirre Geist
Am selben Ort verschwunden da.
 


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