Theragāthā - Vierziger-Bruchstück

Kassapo der Grosse

1051
ZUHAUPTE großem Haufen wandle nicht,
Man wird verwirrt nur, faßt nicht festen Fuß;
« Mit vielem Volk zusammensein ist Leid»:
Das merke dir und meide Menschengunst.
 
1052
Ein Büßer bettle nicht von Haus zu Haus,
Man wird verwirrt nur, faßt nicht festen Fuß;
Dem Kämpfer, der da gute Labe giert,
Entgeht ein Heil, das herrlich letzen kann.
 
1053
Denn Unrat hat man es mit Recht genannt,
Das Sichbegrüßen, Sichbedanken hin und her;
Ein Splitter schiefert scharf sich ein:
Der Schlechten Lob verschlitzt sich leicht in dir.
 
1054
Von meiner Klause stieg hinab
Zur Stadt ich um das Bettelmahl;
An einer Hütte stand ich still,
Vor der ein Aussatzkranker aß.
 
1055
Von seiner Hand, halb abgefault,
Ließ geben ich den Bissen mir:
Und während er den Bissen warf
Fiel auch ein Finger mit hinzu.
 
1056
An einer Mauer hielt ich Rast,
Nahm ein den Bissen, aß ihn auf;
Und bei dem Schmaus, und nach
Kam nirgend mich ein Ekel an.
 
1057
Als Nahrung alter Speise Rest,
Urin von Rindern als Arznei,
Als Bett der Bäume Wurzelwerk,
Den fahlen Fetzenrock als Kleid:
Wer das vermocht hat über sich
Ist Bürger in der ganzen Welt.

1058
Wo mancher Steiger stürzt hinab
Beim Klettern auf den Klippenstein,
Da steigt der Erbe unsres Herrn,
Der köstlich weise Kassapo,
Magiegewaltig witzbegabt,
Zum Gipfelgrate leicht empor.
 
1059
Zu Mittag, nach dem Bettelmahl,
Steigt Kassapo zum Felsen auf,
Übt Schauung, haftet nirgend an,
Geheilt von banger Furcht und Angst.
 
1060
Zu Mittag, nach dem Bettelmahl,
Steigt Kassapo zum Felsen auf,
Übt Schauung, haftet nirgend an,
Erloschen in der Flammenwelt.
 
1061
Zu Mittag, nach dem Bettelmahl,
Steigt Kassapo zum Felsen auf,
Übt Schauung, haftet nirgend an,
Gewirkten Werkes, wahnversiegt.
 
1062
Die hellen Bergeskuppen hier,
Bedeckt vom wilden Kapernstrauch,
Von Elefanten fern umdröhnt,
Mein Felsenjoch gcfällt mir wohl.
 
1063
Das wolkenblaue Strahlenriff,
Von Wasserstürzen kühl durchblitzt,
Umschwärmt von Faltern, bunt gefärbt,
Mein Felsenjoch gefällt mir wohl.
 
1064
Die wolkenblaue Zackenburg,
Die hoch emporragt, zinnengleich,
Von Elefanten fern umdröhnt,
Mein Felsenjoch gefällt mir wohl.
 
1065
Wo Berg und Tal im Morgentau
Froh glitzert ihm der heilig ist,
Wo Pfauenruf von ferne grüßt,
Mein Felsenjoch gefällt mir wohl.
 
1066
Zur Schauung reicht es reichlich aus
Dem Manne, der sich innig müht,
Zum Heile reicht es reichlich aus
Dem Mönche, der sich innig müht.
 
1067
Zur Ruhe reicht es reichlich aus
Dem Mönche, der sich innig müht,
Zur Übung reicht es reichlich aus
Dem Meister, der sich innig müht.
 
1068
Wo hoch der Hanf in Blüte ragt,
Sich rings herumwölbt, himmelgleich,
Belebt von bunter Vögel Schar,
Mein Felsenjoch gefällt mir wohl.

1069
Wo man den Menschen nicht mehr trifft,
Wo Herden Wildes fröhlich gehn,
Wo sich der Vögel Volk ergetzt,
Mein Felsenjoch gefällt mir wohl.
 
1070
Der stille See im Felsgestein,
Der Gemsen Labsal, Affen Lust,
Beblüht vom blauen Wasserstern,
Mein Felsenjoch gefällt mir wohl.
 
1071
Sogar Musik im Fünferspiel
Beseligt mir nicht so den Sinn
Wie klar vollbrachte Wissenschaft
Der Wahrheit in der eignen Brust.
 
1072
Schaff' niemals dir Geschäftigkeit,
Flieh' Menschenumgang, mach' dich nicht gemein;
Dem Kämpfer, der da gute Labe giert,
Entgeht ein Heil, das herrlich letzen kann.
 
1073
Schaff' niemals dir Geschäftigkeit,
Lass' fahren hin was nicht zum Heile frommt;
Dein Leib wird matt und müde nur,
Der elend öde kommt zur Ebbung nicht.
 
1074
Wer bloß die Lippen laut bewegt
Kennt darum noch sich selber nicht:
Mit stolzem Nacken stelzt er hin
Und wähnt: «Ich bin ein beßrer Mensch.»
 
1075
Der selbst betört, nicht besser, ist,
Meint freilich, daß er besser sei:
Doch keiner preist ihn, der ihn kennt,
Den steifbeherzten, starren Mann.
 
1076
Doch wer sich da als besser merkt,
Und wieder: wer sich anders weiß,
Sich schlechter oder gleich nur schätzt,
Und nie vom Stolze wird verstört:
 
1077
Den weisen Mönch, der wahrhaft spricht
Den tugendechten Duldermann,
Der eignen Herzens Ebbung sucht:
Den preist ein jeder, der ihn kennt.
 
1078
Wer unter Jüngern echter Art
Zu Ehr' und Ansehn nicht gelangt,
Von echter Tugend steht er weit,
Wie Staub von Wolken weit entfernt.
 
1079
Wer aber Scham und Demut übt
Und immer darstellt, nie vergißt,
Gereift in reiner Heiligkeit:
Der hat sein Wiedersein versiegt.
 
1080
Ein aufgeblähter zager Mönch,
Der gern die Fetzenkutte zeigt,
Dem Affen gleich im Löwenfell
Läßt ihn Verkleidung kläglich an;
 
1081
Der unverzagte milde Mönch,
Geschieden reinlich, recht bezähmt,
Paßt wohl in seinen Fetzenrock,
Dem Löwen in der Höhle gleich.
 
1082
O sieh' die vielen Götter dort
Im Strahlengolde, sonnig hell,
An hundert Häupter hundertmal,
Vom Brahmahimmel kommen sie
 
1083
Und feiern den Gefestigten,
Den Feldmarschall des Meisterherrn,
Den heilvertrauten, trefflichen,
Den Sohn der Sārī grüßen sie:
 
1084
«Heil, Edler, dir, Verehrung dir,
Verehrung als dem höchsten Mann!
Wir kennen nicht, wir fassen nicht
Der Schauung Fährte, die du schaffst!
 
1085
«O Wunder des erwachten Herrn,
O heilig tiefe, eigne Art!
Wir spähen's nicht, erspüren's nicht,
Und spalten wir auch Sonnenstaub!»
 
1086
Vom Götterkreise sanft gegrüßt
Erglänzte Sāriputto licht;
Da kam nun Kappino heran
Und ließ ein Lächeln sehn, der Mönch.
 
1087
So weit sich wache Sippe regt -
Den Sippenführer nehm' ich aus -
Üb' ich als erster rauhe Zucht,
Kein andrer mag mir ähnlich sein.
 
1088
Gedient hab' ich dem Meisterherrn,
Gewirkt hab' ich des Wachen Werk:
Die schwere Last ist abgelegt,
Die Daseinsader ausgedarrt.
 
1089
Am Kleide nicht, nicht am Gezelt
Und nicht am Bissen klebt der Herr;
Den Gotamiden mißt man nicht.
Erhaben wie der Lotus blüht
Und rein emporragt, unbenetzt,
Ist Er entgangen, ganz erlöst.

1090
Der Einsicht Pfeiler als Genick,
Als Hand und Stütze Selbstvertraun,
Der Weisheit hehre Stirn als Haupt:
So wandelt stets der Herr entlebt.
 


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